Schleswig-Holsteinischer Landtag
Plenarprotokoll
93. Sitzung
Kiel, Mittwoch, 15. September 1999
Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:
.....
Ich rufe jetzt wie angekündigt den Tagesordnungspunkt 8 auf:
Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes
Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und der Abgeordneten des SSW
Drucksache 14/2368
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Grundsatzberatung. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weber.
Jürgen Weber [SPD]:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Zurufe: Bitte kurz fassen!)
Ich will auf Ihren Feierabend gern Rücksicht nehmen und mich auf das Wesentliche beschränken.
Die Fraktionen des Landtages haben gemeinsam einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem § 4 Abs. 10 des Schulgesetzes gestrichen und damit die Vorschrift über die Rechtschreibung in unserem Land aufgehoben werden soll. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich sagen, daß uns die Entscheidung prinzipiell und vor allen Dingen zu diesem Zeitpunkt keinesfalls leichtgefallen ist. Gerade wir Sozialdemokraten haben uns für die Schaffung der Volksgesetzgebung eingesetzt, und somit hat es für uns ein besonderes Gewicht, nach genauer Prüfung zu entscheiden, daß wir zu diesem Zeitpunkt den erfolgreichen Volksentscheid der Initiative WIR gegen die Rechtschreibreform, der von einer Mehrheit der Wähler so gewollt worden ist, heute und Freitag mit einer Änderung des Gesetzes wieder kassieren.
Ich darf an dieser Stelle sagen und das ist häufig mißverständlich rübergekommen , daß die Frage, ob das gesamte Regelwerk sinnvoll oder nicht sinnvoll, schön oder unschön ist, keine parteipolitische Frage ist und auch nie eine war. Befürworter und Anhänger gibt es in allen Parteien. Auch ich persönlich bin froh, daß man zukünftig weiter so schreiben kann, wie man schreiben will. Lassen Sie mich soviel sagen: Der reformierte Umgang mit manchen Fremdwörtern ist schon befremdlich, das muß ich gestehen. Für mich persönlich sind Spagetti jetzt ohne kleines h auf jeden Fall viel schlimmer im Anblick als Spaghetti ohne Parmesan.
Ich glaube, wir müssen deutlich machen, daß sich bei den verbindlichen Regeln für die deutsche Schriftsprache, die wir brauchen,
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, wozu? In den USA gibt es die auch nicht!)
die Aufgabe der Exekutive darauf zu beschränken hat, im Bereich der Verwaltung eine Einheitlichkeit festzulegen und eine verbindliche, einheitliche Rechtschreibung in unseren Schulen sicherzustellen, nicht mehr und nicht weniger.
In den vergangenen Jahren haben wir umfassende Diskussionen gehabt, und die Initiative WIR gegen die Rechtschreibreform und diejenigen, die das politisch unterstützt haben, haben die Hoffnung erweckt, einen Dominoeffekt zu erzielen und damit auch in anderen Bundesländern die Rechtschreibreform auszuhebeln. Wir stellen heute fest, daß der Dominoeffekt nicht eingetreten ist. Wir müssen deshalb ernsthaft nachdenken, wie wir auf die neue Situation reagieren wollen.
Mit der Übernahme der Reform in die Amtssprache für die gesamte Verwaltung ohne Schulen und nachgeordnete Schulverwaltungen entstünde in der Tat die völlig absurde Situation, daß nämlich rund 1.050 Schulen und die Schulämter eine andere Schreibung verwenden würden als der Rest des deutschen Sprachraumes. Das kann man nicht zulassen.
Ich möchte die ganzen Aspekte und Argumente, die angeführt worden sind, die sich an das Kriterium Verfügbarkeit der Bücher anhängen, aus Zeitgründen hier nicht noch einmal im einzelnen bewerten. Ich möchte aber deutlich sagen, daß die Landesregierung im letzten Jahr an vielen Stellen versucht hat, unterhalb der gesetzlichen Regelung Regelungen zu schaffen, um die nachteiligen Konsequenzen für Schülerinnen und Schüler so gering wie möglich zu halten. Das gilt sowohl für die ehemalige Bildungsministerin Frau Böhrk als auch für die jetzige Bildungsministerin Frau Erdsiek-Rave. Erlauben Sie mir diesen Nebensatz: Höflich formuliert haben diese Versuche ein ausgesprochen höhnisches, polemisches Begleitmusiktheater in diesem Parlament und im Ausschuß erfahren, was für eine sachliche Bearbeitung des ganzen Themas nicht hilfreich war.
(Vereinzelter Beifall bei der SPD)
Zurück zur heutigen Entscheidung. Der Volksentscheid in der im Gesetz niedergelegten Form hat in der Tat bereits sein Verfallsdatum in sich, weil die Rechtschreibung an den Schulen an die Rechtschreibung der Mehrheit der lieferbaren Bücher gebunden ist. Das kann man für sinnvoll oder nicht sinnvoll erachten, das ist die Grundlage, auf der wir zu entscheiden und zu handeln haben. Und es war zu jedem Zeitpunkt klar, daß der Volksentscheid nicht nur zu akzeptieren war, sondern auch akzeptiert worden ist.
Zum heutigen Zeitpunkt stellen wir fest: Die Dominotheorie ist nicht erfolgreich gewesen. Wir haben einen neuen Sachstand, auf den wir uns konzentrieren müssen. Für uns ist es unter diesen Umständen unverantwortlich das darf ich als vorletzte Bemerkung noch anfügen , die Schülerinnen und Schüler im Land, aber auch die Lehrerinnen und Lehrer, die die Schüler zu unterrichten haben, weiterhin auf der Grundlage eines überholten Regelwerks lernen zu lassen, das in der weiteren Entwicklung im deutschen Sprachraum keine Zukunft hat.
(Konrad Nabel [SPD]: Gut, prima! Beifall des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])
- Schönen Dank für den Beifall, aber das ist eigentlich gar kein richtiger Grund für Applaus,
(Konrad Nabel [SPD]: Ich dachte, du seist fertig!)
denn eigentlich möchte ich doch darauf hinweisen, daß uns das Kernproblem, das uns dazu bringt, das Gesetz zum heutigen Tag zu ändern, auch Anlaß geben sollte lassen Sie mich das vielleicht noch abschließend sagen , die Gesetzgebung über Volksentscheide für zukünftige Fälle zu überprüfen und über die Frage nachzudenken, ob wir nicht feste Regeln etablieren müßten, wie sie für den kommunalen Bereich gelten, und wie wir zukünftig damit umgehen müssen.
(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Nächste Legislaturperiode!)
Das ist nach meiner Meinung eine Aufgabe, die wir uns als Parlament selbst setzen oder dem Parlament der nächsten Legislaturperiode mitgeben sollten.
In diesem Sinne und unter Hinweis auf diese nur kurz angerissenen Gesichtspunkte darf ich erklären, daß die SPD-Fraktion der von der CDU jetzt auf den Weg gebrachten und uns vorgelegten Änderung des Schulgesetzes zustimmen wird. Ich möchte mich der politischen Polemik in dieser Frage enthalten, weil dies auch kein Wahlkampfthema ist, möchte aber anmerken: Man wundert sich manchmal, wie schnell Leute auf Anweisung ihre Meinung ändern.
(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.] Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Herr Kollege Weber, das ist wie bei euch! Lothar Hay [SPD]: Bei uns klappt das nicht!)
Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:
Ich erteile Herrn Abgeordneten de Jager das Wort.
Jost de Jager [CDU]:
Herr Frau Präsident! Meine Damen und Herren!
(Holger Astrup [SPD]: Das ist ein Rechtschreibproblem!)
- Das wird auch von der Rechtschreibung nicht erfaßt; das war einfach ein Fehler. Wir beraten heute über etwas, was in der Tagesordnung schlicht als "Änderung des Schulgesetzes ausgewiesen ist. Genaugenommen handelt es sich das hat der Kollege Weber ja bereits ausgeführt um die Streichung des § 4 Abs. 10 des Schulgesetzes, mit der der Status quo ante wiederhergestellt werden soll, indem das Schulgesetz künftig keine Ausführungen mehr über die an den Schulen zu verwendende Rechtschreibung machen wird.
Dieser Vorgang ist bei aller Schlichtheit der Bezeichnungen doch von erheblicher Tragweite, da der in Rede stehende Passus des Schulgesetzes durch Volksentscheid zustande gekommen ist. Es ist deshalb gut und richtig, daß das Parlament diese Schulgesetzänderung auf der Basis eines interfraktionellen Gesetzentwurfs und in zu erwartender Einstimmigkeit vornimmt. Schließlich wäre es für die politische Kultur im Lande nicht gut, wenn die Aufhebung des ersten erfolgreichen Volksentscheids in Schleswig-Holstein im Parteienstreit untergehen würde. Das wird aber auch nicht geschehen.
Gleichwohl wird niemand bestreiten, daß vor allem die CDU dabei in einer besonderen Verantwortung steht. Andererseits stehen wir als Union aber auch nicht im Verdacht, nun etwas parlamentarisch umsetzen zu wollen, was seinerzeit an der Wahlurne nicht gelungen ist.
Wir haben unsere Entscheidung in Respekt vor der Entscheidung der Wählerinnen und Wähler beim Volksentscheid im vergangenen Jahr, den wir unterstützt haben, getroffen, aber auch in Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler an den Schulen Schleswig-Holsteins vor dem Hintergrund einer veränderten Ausgangslage. Diese veränderte Ausgangslage, auf die ich nachher noch näher eingehen werde, ist für uns der entscheidende Punkt gewesen.
Wir halten aber an der inhaltlichen Kritik an der Rechtschreibreform nach wie vor fest. Bei der Frage, ob diese Reform klug, durchdacht und handwerklich präzise konzipiert worden ist, sind wir nicht über Nacht vom Saulus zum Paulus geworden. Wir sind auch von ihrer Notwendigkeit immer noch nicht überzeugt, und deshalb ist die Reform der Reform, die ja bereits in Gang gesetzt wurde, wenngleich sie nur schleppend verläuft, zwingend erforderlich.
Zu Recht wird von den Gegnern kritisiert, daß durch diese mängelbehaftete Reform die Einheitlichkeit der Schriftsprache nicht gewährleistet wird. Hier ist eine Vereinheitlichung von Regeln, Ausnahmen und Anwendungen bei Lexika, Redaktionen und Verlagen erforderlich. Dies ist auch eine Aufgabe für die Kultusministerkonferenz.
Zu der Forderung nach Einheitlichkeit gehört aber auch etwas anderes, nämlich die Erkenntnis, daß ich dann, wenn ich die Rechtschreibung nach den alten Regeln bundesweit nicht erreichen kann, die neuen Regeln auch in Schleswig-Holstein akzeptieren muß. Wir können es nicht zulassen, daß die schleswig-holsteinischen Schülerinnen und Schüler auf Dauer in einer Rechtschreibung unterrichtet werden, die außerhalb der schleswig-holsteinischen Schulen keine Anwendung findet.
(Beifall der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])
Dauerhaft ist für uns in diesem Zusammenhang bereits der Zeitraum von einem weiteren Schuljahr.
Seit dem Volksentscheid im vergangenen Jahr hat sich die Ausgangslage maßgeblich verändert. Mit dem Volksentscheid war immer das Versprechen verbunden, daß es zu keiner dauerhaften Insellage für die Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein kommen wird; vielmehr war mit dem Volksentscheid stets die Annahme verbunden, daß von Schleswig-Holstein ein Signal ausgehen würde, daß die Rechtschreibreform bundesweit kippt. Nach einem Jahr ist nun festzuhalten, daß diese erhoffte bundesweite Signalwirkung nicht eingetreten ist. Die demokratische Legitimation gegen die Rechtschreibreform in Schleswig-Holstein hat in den anderen Bundesländern keine Entsprechung gefunden. Es war auch für uns bedauerlich festzustellen, daß die Volksinitiativen in anderen Bundesländern nicht von Erfolg gekrönt waren beziehungsweise in Verfahrensfragen steckengeblieben sind.
Ausschlaggebend war für uns das Scheitern des Berliner Volksbegehrens mit nicht einmal der Hälfte der erforderlichen Unterschriften. Anlaß war aber auch der vorgelegte Erlaßentwurf des Innenministers, der die Lage der Schulen in Schleswig-Holstein deutlich kompliziert hätte. Danach wäre die neue Rechtschreibung als Amtssprache für alle Bereiche bis auf die Schulverwaltung unterhalb der Ebene des Ministeriums eingeführt worden. Dieser Erlaß hätte die Schulen in eine doppelte Insellage geführt: einerseits bundesweit und andererseits innerhalb des Landes. Darüber hinaus wäre die praktische Folge ein umständliches Rückübersetzen von Verwaltungsvorschriften auf der Ebene der unteren Schulaufsicht gewesen. Praktische Folge des Erlasses wäre zum Beispiel auch gewesen, daß dieser Erlaß in der neuen Rechtschreibung verfaßt nicht in den Schulen hätte ausgehängt werden können, ohne daß er zuvor in die alte Rechtschreibung übersetzt worden wäre. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage liegt es in unserer Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein, die vorgesehene Bestandsaufnahme nicht erst nach zwei Jahren, sondern schon nach einem Jahr vorzunehmen. Wir sind uns auch absolut sicher das sei hinzugefügt , mit der Änderung des Schulgesetzes rechtlich auf gesichertem Boden zu stehen. Nach allen uns vorliegenden rechtlichen Bewertungen kann der Landtag sehr wohl eine durch Volksentscheid zustande gekommene Gesetzesänderung wieder rückgängig machen. Das ist eine Frage, die politisch und im Moment nicht rechtlich zu klären ist. Allerdings ist ebenso unstrittig, daß damit Fragen aufgeworfen werden, die bei einer künftigen Reform der Volksgesetzgebung zu klären sein werden.
Wenn wir uns schon zu einer Änderung des Schulgesetzes in dieser Frage durchringen, dann muß das im Sinne der Schülerinnen und Schüler wie der Schulen insgesamt zügig geschehen. Dies ist der Grund, weshalb wir die Gesetzesänderung basierend auf einem gemeinsamen Entwurf aller Fraktionen in erster und zweiter Lesung in dieser Tagung vornehmen wollen. Dies mag zwar nicht das übliche Verfahren sein, es ist aber vertretbar und richtig, wenn ein interfraktioneller Entwurf vorliegt und das Thema das kann man von der Rechtschreibreform wohl mit Fug und Recht behaupten bereits in allen Facetten diskutiert worden ist.
Hinzu kommt ein Zeitfaktor. Wir wissen um es vorsichtig auszudrücken , daß in vielen Schulen die Rechtschreibung in diesen Tagen bereits flexibel gehandhabt wird, ein Umstand übrigens, auf den die Ministerin auch schon in einem Interview Bezug genommen hat und der in den Pressemeldungen des heutigen Tages erneut deutlich wird. Wir stehen als Gesetzgeber deshalb in der Verpflichtung, die Lehrerinnen und Lehrer mit der rechtlichen Unsicherheit nicht länger allein zu lassen, und müssen deshalb möglichst rasch eine gesicherte gesetzliche Grundlage schaffen.
Parlamentarisch werden wir in dieser Tagung die Voraussetzungen für eine möglichst zügige Umsetzung in den Schulen herbeiführen. Dies muß sich in der verwaltungstechnischen Umsetzung aber auch fortsetzen. Ich persönlich bin über das Datum 1. November für das Inkrafttreten des neuen Rechtschreiberlasses für die Schulen, das in den Zeitungen derzeit kursiert, einigermaßen verwundert und bitte die Ministerin, heute klarzustellen, wann der Erlaß kommen wird. Nach uns vorliegenden Auskünften können Gesetz und Erlaß in Wochenfrist umgesetzt und verkündet sein; damit hätten wir etwa einen Monat nach Schulbeginn genauer gesagt: nach Unterrichtsbeginn eine für die Schulen handhabbare Situation hergestellt.
Dieser Schritt ist uns als Union Sie werden es mir glauben mit Sicherheit nicht leichtgefallen; wir glauben aber, damit das einzig Richtige für die Schülerinnen und Schüler im Lande getan zu haben.
(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])
Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:
Das Wort erhält jetzt Frau Abgeordnete Fröhlich.
Irene Fröhlich[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr de Jager, ich will meine vorbereitete Rede ziemlich kürzen. Zum einen stimme ich in zwei Punkten mit Ihnen überein, und zum anderen ist hinlänglich bekannt, worum es geht.
(Zuruf von der CDU: Das ist selten genug!)
- Das ist selten genug, das finde ich auch. Daher möchte ich erst einmal sagen, worin ich mit Ihnen übereinstimme.
Erstens: Die Sachlage hat sich gegenüber dem Volksentscheid erheblich verändert. Es sieht nicht so aus, als ob Schleswig-Holstein der Trendsetter geworden wäre. Daher ist es richtig, daß man etwas unternehmen können muß.
Zweitens: Ich stimme mit Ihnen darin überein, daß wir wenn dies nicht ein interfraktioneller Gesetzentwurf wäre, der sozusagen vom ganzen Haus mitgetragen wird keineswegs zustimmen könnten. Eine bloße Mehrheitsentscheidung dürfte es nicht geben.
(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Meine Fraktion tut sich außerordentlich schwer, das Schulgesetz nicht einmal ein Jahr nach dem Volksentscheid wieder zu ändern. Das will ich hier ganz deutlich sagen. Aus unserer Sicht ist das eine Mißachtung des Volkswillens. Wir tragen den Antrag außer aus dem bereits genannten Grund nur deshalb mit, weil wir die Situation an den Schulen, etwas anderes lehren und lernen zu müssen als im Rest der Bundesrepublik, für nicht länger tragbar halten. Sie belastet unsere Schülerinnen und Schüler und vermindert ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Wir sind der Überzeugung, daß diese Folge von der großen Mehrheit derjenigen, die für den Gesetzentwurf der Volksinitiative gestimmt haben, nicht gewollt war. Sie waren davon überzeugt, daß ein Sieg der Volksinitiative in Schleswig-Holstein die Einführung der Rechtschreibreform im ganzen Bundesgebiet aufhalten könnte. CDU und Volksinitiativen erzählten ihnen dies ich sage das einmal so wider besseres Wissen.
(Zuruf der Abgeordneten Ursula Röper [CDU])
Der Landtag kann diese schwerwiegende Entscheidung deswegen fällen, weil im Volksabstimmungsgesetz im Gegensatz zur Kommunalverwaltung, wo eine Frist von zwei Jahren vorgeschrieben ist, keine Regelung über die Aufhebung eines Volksentscheids enthalten ist. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN halten es für unbedingt erforderlich, diese Frage so schnell wie möglich auch für landesweite Volksentscheide zu regeln.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir sehen die plebiszitären Elemente in der Verfassung als notwendige Ergänzung der parlamentarischen Demokratie an. Diese werden entwertet, wenn der Eindruck entsteht, ein Parlament könne nach Belieben mit den Ergebnissen von Volksentscheiden umgehen. Ein solcher Eindruck schadet dem demokratischen Zusammenspiel aller Kräfte. ´
Ich wünsche mir eine konstruktive Diskussion im Innen- und Rechtsausschuß und eine weise Entscheidung.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)
Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:
Das Wort erhält Herr Abgeordneter Dr. Klug.
Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In einem Faltblatt der Initiative WIR gegen die Rechtschreibreform, das vor dem Volksentscheid vom 27. September letzten Jahres landesweit verteilt worden ist, heißt es:
Die Schleswig-Holsteiner werden jetzt eine Entscheidung treffen, die richtungsweisend sein wird für die anderen Bundesländer. Die Nachrichtenagenturen und damit praktisch auch die Tageszeitungen werden sich am Ausgang des Volksentscheids orientieren.
Diese Erwartung hat, wie wir heute wissen, in jeder Beziehung getrogen. Schleswig-Holstein ist eine Rechtschreibinsel geblieben, und die Presse wendet mittlerweile zum weit überwiegenden Teil wenn auch mit einzelnen Abänderungen die neuen Schreibweisen an.
In dieser Situation berät der Schleswig-Holsteinische Landtag heute, nach dem Vorstoß von Volker Rühe und Martin Kayenburg, erneut über das Thema Rechtschreibreform, und zwar rund ein Dreivierteljahr früher, als es die Fraktionen ursprünglich vereinbart hatten.
Darf der Landtag einen per Volksentscheid beschlossenen Gesetzestext ändern beziehungsweise aufheben? Diese Frage hat einen rechtlichen und einen politischen Aspekt. Die Beratungen mit dem Wissenschaftlichen Dienst und in den Fraktionen haben zu dem Ergebnis geführt, daß wir die rechtliche Zulässigkeit eines solchen Vorgehens nach bestem Wissen und Gewissen bejahen. Es wäre im übrigen auch widersinnig, wenn der Landtag, der in Artikel 10 der Landesverfassung als das Oberste Organ der politischen Willensbildung in Schleswig-Holstein gekennzeichnet wird, in dieser Sache gehindert sein sollte, ein Gesetz zu beschließen.
Auf einem anderen Blatt steht freilich die politische Bewertung. Die F.D.P.-Fraktion hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, den vorliegenden interfraktionellen Gesetzentwurf zu unterstützen. Vor allem der nahe zeitliche Abstand zum Termin des Volksentscheids wirft Fragen auf.
Andererseits ist klar: Ginge es nach dem Willen der Initiative gegen die Rechtschreibreform, so dürften die neuen Schreibregeln in diesem Land bis 2005 keinen Eingang in den Schulunterricht finden. So fordert es die Initiative in einem offenen Brief an die Landtagsabgeordneten vom 7. September 1999, also vor wenigen Tagen. Ein Moratorium bis 2005 würde bedeuten, daß schleswig-holsteinische Schülerinnen und Schüler während eines großen Teils ihrer Schulzeit, ja sogar fast während ihrer gesamten Schulzeit in den Schulen andere Schreibregeln lernen müßten als ihre Altersgenossen in allen anderen Bundesländern und im deutschsprachigen Ausland. Sie müßten in Schleswig-Holstein viele Jahre hindurch Schreibweisen lernen, die nicht mehr dem entsprechen, was jedenfalls in den heute erhältlichen Kinder- und Jugendbüchern, den Schulbüchern und den meisten Zeitungen und Zeitschriften üblich ist.
Ist es den jungen Schleswig-Holsteinern wirklich zuzumuten, in einer solchen wahrlich abstrusen Situation noch weitere sechs Jahre auszuharren, weil Erwachsene das so wünschen? Die Initiative WIR gegen die Rechtschreibreform erwartet das von den Abgeordneten des Landtags. Wer aus wohlerwogenen Gründen anders urteilt, wird es ihren Vertretern weder in diesem Jahr noch im Jahr 2000 noch bis zum Jahr 2005 recht machen können.
Über das Pro und Contra in Sachen Rechtschreibreform ist viel gestritten worden. Der Landtag hat über dieses Thema am 21. Februar 1997 sowie am 2. Juli, am 4. September und am 8. Oktober 1998 debattiert. Die F.D.P.-Fraktion hat dabei stets die Auffassung vertreten, daß eine vom übrigen Bundesgebiet abweichende schleswig-holsteinische Praxis, das heißt eine Rechtschreibinsel Schleswig-Holstein, vermieden werden müsse beziehungsweise auf längere Zeit nicht tragbar sei.
In der Kontinuität dieser Haltung haben wir uns auch und zwar unter gewissenhafter Abwägung der Bedenken, die gegen eine neue gesetzliche Regelung per Landtagsbeschluß vorgebracht werden können dazu entschlossen, den vorliegenden Gesetzentwurf mitzutragen.
(Beifall bei F.D.P. und CDU)
Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:
Das Wort hat Frau Abgeordnete Spoorendonk.
Anke Spoorendonk[SSW]:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch der SSW hat sich nach gründlicher Abwägung aller Argumente und im klaren Bewußtsein der Tragweite dieser Entscheidung zu der Unterzeichnung des interfraktionellen Gesetzentwurfs entschlossen. Dazu stehen wir.
Ich weiß, daß viele Bürgerinnen und Bürger empört und zornig sind. Ich weiß, daß sie fragen, ob die Politiker sie für dumm verkaufen wollen, wenn der Landtag erst Volksentscheide zuläßt und dann gleich die erste vom Volk herbeigeführte Gesetzesänderung wieder aufhebt. Ich kann diese Gefühle gut verstehen und sehe auch die fatale Signalwirkung einer solchen Entscheidung. Wenn man sich wie wir lange und mit Nachdruck für mehr und bessere Mitspracherechte für Bürgerinnen und Bürger einsetzt, dann tut so etwas auch weh.
Wir haben es hier mit zwei unvereinbaren Grundsätzen zu tun, die beide zentrale politische Zielsetzungen des SSW sind: Einerseits geht es um den Ausbau plebiszitärer Elemente, andererseits um die Erfüllung unserer Verantwortung gegenüber den Schulkindern. Im konkreten Fall der Rechtschreibreform sind wir aber gezwungen, zwischen beiden zu entscheiden, denn sie lassen sich nicht unter einen Hut bringen.
So differenziert auch die Abwägung zwischen Volksentscheid und Rechtschreibreform erfolgen muß, am Ende ist eine Entscheidung fällig, die nur einem der Ziele gerecht werden kann. Die Wahl steht zwischen einem nicht abzumessenden Schaden an der Demokratie und an dem Ansehen dieses Hauses einerseits und einer konkreten Beeinträchtigung des Wohls der Schulkinder durch eine Insellösung bei der Rechtschreibung andererseits. Kompromisse sind in diesem Fall nicht möglich.
Ich habe mich dafür entschieden, daß eine sofortige Beendigung der unhaltbaren Situation der Schülerinnen und Schüler Vorrang vor demokratietheoretischen Überlegungen haben muß. Ich möchte, daß die Schülerinnen und Schüler so schnell wie möglich beginnen können, sich in die neue Normalität einer geänderten deutschen Rechtschreibung einzuleben. Dies ist ein so dringendes Problem, daß es wichtiger ist als die bedingungslose Achtung des Volksentscheides des vergangenen Jahres und als das Werben um Verständnis für die Begrenzung des Schadens, der von diesem Entscheid ausgeht.
Es ist wichtig zu sagen, daß jetzt alle Mitglieder des Landtags aufgefordert sind, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Überzeugungsarbeit zu leisten, und zwar auch im kommenden Wahlkampf. Es kann nicht deutlich und nicht häufig genug gesagt werden, daß wir es uns mit dieser Entscheidung nicht leichtmachen, aber im Interesse der Kinder den Volksentscheid mißachten müssen. Das ist keine Phrase, sondern so, wie es ist.
Ich sagte schon, daß die von dem Volksentscheid einzigen wirklich Betroffenen die Schulkinder sind. Diese hatten nicht die Möglichkeit, sich an dem Volksentscheid zu beteiligen.
Vor allem die Kolleginnen und Kollegen der CDU, die so vehement gegen die Rechtschreibreform gekämpft haben, haben hier eine große Bringschuld. Wenn wir am Freitag die Schulgesetzänderung beschließen, wird der gesamte Landtag die Suppe der CDU ausgelöffelt haben, die so große Bauchschmerzen bringt.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was wir tun, tun wir aus Solidarität nicht mit der Union, sondern mit den Schulkindern im Land.
(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.)
Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:
Das Wort erhält Frau Ministerin Erdsiek-Rave.
Ute Erdsiek-Rave, Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kinder müssen mit Erwachsenen sehr viel Nachsicht haben. Wenn man die Debatten, die in diesem Hause zur Rechtschreibreform geführt worden sind, insgesamt Revue passieren läßt, kann man nur sagen: Saint-Exupéry, von dem dieses Zitat stammt, hat recht.
Ich muß es mir aus Zeitgründen und anderen Gründen versagen, aus den eben genannten Debatten, insbe
sondere des vergangenen Jahres, hier zu zitieren. Aber lesen Sie vielleicht in einer stillen Stunde doch einmal nach, was hier von Ihrer Seite alles dazu gesagt worden ist! Vielleicht bringt der eine oder andere von Ihnen die Größe auf, sich bei meiner Vorgängerin für die eine oder andere Formulierung zu entschuldigen.
(Beifall bei der SPD Meinhard Füllner [CDU]: Das müßten Sie aber zitieren!)
- Nein, das zitiere ich jetzt nicht, lieber Herr Kollege Füllner! Wenn Sie ehrlich sind, wissen Sie schon, was ich meine. Sie haben eben damals nicht darüber nachgedacht, was es für die Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein bedeutet, wenn sie anders schreiben als alle Bundesländer außerhalb Schleswig-Holsteins. Unsere damalige Warnung, daß wir in eine Insellage gerieten, haben Sie schlichtweg in den Wind geschlagen.
Ich war am Montag zu einem Besuch auf Helgoland, sozusagen auf der Insel der Insel. Dort wurde ich auf dem Schulhof mit selbstgemalten Plakaten empfangen mit der Aufschrift: Wir wollen die neue Rechtschreibung! Wissen Sie, warum das so war? Weil die Absolventen der Helgoländer Realschule alle nach Niedersachsen wechseln, um dort ins Internat oder in niedersächsische Berufsschulen zu gehen, zum Beispiel nach Cuxhaven. Die Schüler haben wirklich die Befürchtung, daß ihnen der bisherige Zustand auf Dauer Schaden bringt.
Die isolierte Situation hat sich für viele Schüler konkret ausgewirkt. Viele Schulklassen haben mir in den letzten Monaten geschrieben. Ich mußte immer wieder antworten: Es steht nicht in meiner Macht, den Zustand von mir aus zu verändern.
Was die Schülerinnen und Schüler vorbrachten, will ich zitieren. Ich lese einmal aus einem Brief des Elsensee-Gymnasiums in Quickborn vor:
Der letzte und unserer Meinung nach der wichtigste Grund wäre der, daß wir große Nachteile haben werden, wenn wir ein Studium in einem anderen Bundesland aufnehmen wollen oder uns für eine Stelle bewerben. Wenn man dort unsere Bewerbungsschreiben liest, wird man sich wahrscheinlich fragen: Wo kommt die denn her? Die kann ja nicht mal richtig schreiben. Es sei denn, daß man mit Sätzen wie 'Entschuldigen Sie bitte meine Rechtschreibung, aber ich komme aus Schleswig-Holstein' unterzeichnet.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)
In Sachen Rechtschreibreform gibt es Gegner, Befürworter und Pragmatiker. Ich zähle mich, offengestanden, zu letzeren. Man kann es aber drehen und wenden, wie man will, es geht künftig nicht mehr anders als in der neuen Rechtschreibung. Der Zug ist abgefahren. Die vieldiskutierte und zum Teil zu Recht kritisierte Reform ist nicht mehr aufzuhalten.
Deswegen freue ich mich jetzt für unsere Schülerinnen und Schüler, daß der Landtag gemeinsam die Einführung der neuen Rechtschreibung in unsere Schulen beschließen will. Ich werde das Gesetz Herr de Jager, keine Sorge, ich habe daran ein hohes Interesse zügig umsetzen. Der Erlaß ist bereits vorbereitet. Nach den Herbstferien kann die neue Rechtschreibung unterrichtet werden. Allerdings muß ein ordnungsgemäßer Gang eingehalten werden. Für unsere Schülerinnen und Schüler ist es wichtig, daß die Insellage beendet wird.
Aber gestatten Sie mir als Kultusministerin auch ein Wort zu dem, was wir hier eigentlich tun, nämlich dazu, wie die Volksvertretung mit dem Volksentscheid umgeht; dies steht schon auf einem etwas anderen Blatt. Das ist schon mehr als ein Wermutstropfen in der Freude. Wenn die Volksvertretung so etwas macht, braucht sie schon sehr, sehr gute Gründe. Diese liegen für mich einzig und allein in dem Wohl unserer Kinder.
(Beifall bei SPD und F.D.P.)
Ich stimme der Kollegin Spoorendonk zu, die gesagt hat, man müsse für diese Entscheidung werben, damit sie nicht gewissermaßen zu einer mißtrauensbildenden Maßnahme wird. An uns allen gemeinsam liegt es, es zu vermitteln, warum wir eine Entscheidung wie die heutige so treffen.
Ich wünsche und hoffe, daß alle Seiten Befürworter, Gegner und Pragmatiker bei dem, was wir jetzt tun beziehungsweise vorhaben, immer an das Wohl der Kinder und an die Folgen denken. Unsere Kinder haben es jedenfalls nicht verdient, daß Politik auf ihrem Rücken und ihre Kosten gemacht wird.
Ich greife das an den Anfang meiner Ausführungen gestellte Zitat wieder auf und sage: Kinder sollen nicht Nachsicht mit Erwachsenen haben müssen, Kinder sollen Vertrauen in die Erwachsenen haben.
(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)
Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:
Ehe ich Herrn Minister Dr. Wienholtz das Wort erteile, möchte ich in der Besucherloge herzlich den
Kinderbeauftragten, unseren früheren Kollegen Horst Hager, begrüßen.
(Beifall)
Herr Minister Dr. Wienholtz, Sie haben das Wort.
Dr. Ekkehard Wienholtz, Innenminister:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden interfraktionellen Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes können Schul- und Amtssprache in inhaltlichem und zeitlichem Gleichklang weiterentwickelt werden. Ich freue mich, daß ich mit meinem Erlaßentwurf zur Amtssprache kurz vor der Sommerpause dazu mit einen Anstoß geben konnte.
Lassen Sie mich zur verfassungsrechtlichen Lage folgendes sagen. Diese Lage wird zu Recht heftig diskutiert. Weder die Landesverfassung noch das Volksabstimmungsgesetz enthält Regelungen, die es dem Parlament verwehren würden, ein durch das Volk beschlossenes Gesetz zu ändern. Zwar wird in der verfassungsrechtlichen Literatur vereinzelt die Ansicht vertreten, daß volksbeschlossene Gesetze grundsätzlich nur durch das Volk geändert werden dürfen beziehungsweise daß sie vom Parlament, allerdings erst in der folgenden Legislaturperiode, verändert werden dürfen. Andere Autoren vertreten dagegen die Auffassung, volksbeschlossene Gesetze seien jederzeit durch das Parlament veränderbar. Diese Auffassung entspricht der Verfassungsrechtslage in unserem Land. Sie folgt daraus, daß unsere Verfassung kein Rangverhältnis zwischen Volks- und Parlamentsgesetz normiert hat. Im Gegenteil, Artikel 37 Abs. 2 der Landesverfassung stellt die Verabschiedung von Gesetzen durch den Landtag und durch das Volk ausdrücklich alternativ nebeneinander.
Damit gibt die Landesverfassung gerade keine Rechtfertigung für eine Höherrangigkeit einer der beiden Beschlußmöglichkeiten. So ist es unstreitig, daß das Volk jederzeit ein vom Parlament beschlossenes Gesetz ändern oder aufheben kann. Ob das politisch sinnvoll ist oder nicht, ist eine Frage, mit der sich dieses Hohe Haus ja intensiv beschäftigt hat.
Nur müssen wir wissen, daß es nicht genügt, etwa das Volksabstimmungsgesetz zu ändern, ohne eine Änderung der Verfassung herbeizuführen. Denn nur in der Verfassung kann die wesentliche Frage des Rangunterschieds der Gesetzgebung und des Volksentscheids geregelt werden.
Insgesamt bestehen aus meiner Sicht auf der Grundlage der gegenwärtigen Verfassungsrechtslage gegen das hier vorgesehene Verfahren also keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Landesregierung wird sich Ende dieses Monats erneut mit der Umsetzung der Rechtschreibreform in die Amtssprache befassen. Ich werde dem Kabinett vorschlagen, die neue Rechtschreibung ab sofort in die gesamte Landesverwaltung einzuführen. In einem Punkt allerdings werden wir uns von den Schulen unterscheiden: In Gesetzentwürfen, Verordnungen und Bundesratsvorlagen kann natürlich nicht die herkömmliche oder reformierte Rechtschreibung beliebig verwendet werden. Für die tägliche Verwaltungspraxis erwarten wir, daß die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bemüht sein werden, die zunehmend reformierte Rechtschreibung zu praktizieren. Damit lassen wir ganz bewußt einen Prozeß der Umgewöhnung zu und nutzen dabei Übergangsfristen, wie sie auch die Wiener Absichtserklärung vorsieht.
(Beifall im ganzen Haus)
Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau:
Gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung.
Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf dem Bildungsausschuß zu überweisen. Eine Mitberatung wird nicht beantragt. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen! Enthaltungen? Das ist einstimmig so beschlossen.
Ich weise darauf hin, daß wir morgen um 10:00 Uhr mit Tagesordnungspunkt 31 Gleichstellungsbericht beginnen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.
Die Sitzung ist geschlossen.
Schluß: 18:42 Uhr
__________________
Sigmar Salzburg
|