Schonung
Lieber Herr Salzburg,
das ist es ja, was mich ärgert. Einerseits finden es einige chic, das Rechtschreibchaos zu kritisieren, andererseits machen sie doch mit, wenn es sich wirtschaftlich auszahlt. Überall wird mit verschiedenen Maßen gearbeitet, alles kommt ins Rutschen. Beliebigkeit, wohin man blickt.
Aber dieser Schein trügt, denn die Mehrheit leidet. Und sie leidet still. Es ist eine Minderheit, die schreit. Ich denke immer zurück an die Zeit, als ich noch aktiv im Schuldienst war. Jede Schulklasse war gleich strukturiert, die Verteilung folgte der Gauß'schen Kurve. „Oben“ ein paar gute Schüler, willig, sozial, vorbildlich. „Unten“ die Unwilligen, die Aufmüpfigen, die Chaoten, die nichts als Unfug im Kopf hatten. Die breite Mitte: Mitläufer, jeweils beiden Seiten geneigt, je nachdem, wo das Angebot gerade interessanter schien oder wie sich die Machtverhältnisse zwischen Lehrer und Schüler darstellten.
Wir wissen alle, daß nicht die Strebsamen, Neugierigen, Fleißigen den Ton in einer Schulklasse angeben. (Wie im übrigen Leben auch!) Die lautstark destruktive, zuweilen auch schlitzohrige Minderheit ist es, die der Lehrer in den Griff bekommen muß; nur so bringt er auch die neutrale Masse hinter sich.
Aber zum eigentlichen Thema: Wer auf dem Pressemarkt heute für die „Rechtschreibreform“ schrei(b)t, gehört zur Minderheit. Die breite Masse der Mitläufer kann jederzeit umschwenken, das wissen wir doch. Und dieses zu erreichen, muß unser hartnäckig verfolgtes Ziel sein.
Oft schon habe ich mir selbst Schonung verordnet. Doch dieses Rezept wirkt höchstens für einen halben Tag.
Der Zorn – und die Hoffnung – sie treiben mich an ..
Eine Vision: Im August 2005 gilt neben der amtlichen Neuregelung der Rechtschreibung auch noch die bewährte Orthographie, und zwar unbegrenzt.
Dieses Forum ist eine wunderbare Quelle, aus der ich mir viele Informationen besorge, und das mir täglich die Kraft verleiht, den Kampf gegen die unsinnigste aller „Reformen“ nicht aufzugeben. An dieser Stelle möchte ich all jenen danken, die ihren aktiven Widerstand trotz vieler Enttäuschungen auch noch nach Jahren nicht aufgegeben haben!
Die Grenzen der Sprache sind die Grenzen der Welt. (Wittgenstein)
Lassen wir uns nicht „begränzen“!
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Karin Pfeiffer-Stolz
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