Bertelsmann kauft die Springer-Buchverlage
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.02.2003, Nr. 36 / Seite 35:)
»Ein Buchgigant entsteht
Konzentration: Random House kauft die Springer-Buchverlage
Die Nachricht kam am Tag Eins der neuen Zeitrechnung. Sie kam nicht ohne Vorwarnung, aber doch in einem Augenblick, da sie nicht so recht in die Landschaft und die allgemeine Lage zu passen scheint. Die Verlagsgruppe Random House zieht nämlich gerade um. Allerdings nur ein Haus weiter, von der Münchner Neumarkter Straße 18 in die Hausnummer 28. Das runde Gebäude mit den modernen Glasfronten beherbergte vormals die Bertelsmann Music Group, eine andere Baustelle im an Baustellen derzeit reichen Imperium Bertelsmann. Und nun also, inmitten lauter unausgepackter Umzugskartons, die Fanfare: Bertelsmann übernimmt die Springer-Verlage, des entsteht die größte Verlagsgruppe, die es jemals im im deutschsprachigen Raum gegeben hat.
So schnell wechseln große Reiche heute den Besitzer: 1998 hatte der Axel Springer Verlag (ASV) das Verlagshaus Goethestraße von Christian Strasser übernommen. Und im Dezember 2000 hatte Strasser mit der Übernahme des Heyne Verlags den vorläufig letzten Baustein in das von ihm mit großem Ehrgeiz aufgemörtelte Pantheon gesetzt. Die ASV-Verlage firmierten fortan unter dem Namen Ullstein Heyne List und stiegen unter Einsatz erheblicher Geldmittel zur drittgrößten Verlagsgruppe im Lande auf. Der charismatische Strasser schien am Ziel seiner Träume, endlich mit einer großen Gruppe die Platzhirsche Bertelsmann (Random House) und Holtzbrinck (Rowohlt, S. Fischer, Droemer) angreifen zu können. Aber die Ambition hatte ihren Preis, der Schuldenberg wuchs, allein im Jahr 2001 fehlten bei 167 Millionen Euro Umsatz 46 Millionen Euro in der Kasse.
Das gefiel dem Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner nicht, konnte ihm nicht gefallen. Auch wenn noch kurz vor Weihnachten die Buchverlage gezogen vom Umsatzbringer Dieter Bohlen Rekorde meldeten, genutzt hat es nichts mehr. Längst hatte Döpfner öffentlich gemacht, daß die Schonfrist für die Buchverlage abgelaufen sei. Nach dieser Ankündigung fühlten sich viele Mitarbeiter um den Lohn ihrer Anstrengung betrogen: Der Frust in der Münchner Paul-Heyse-Straße war groß.
Ob er nun, nach der Ankündigung von Random House, die Verlagsgruppe in toto zu übernehmen, geringer wird, darf bezweifelt werden. Auch wenn vorderhand die Zahlen des neuen Verlagsriesen beeidrucken: Mit mehr als 420 Millionen Euro Jahresumsatz haben Springer und Random House zusammen eine Größe erreicht, deren Marktverträglichkeit das Kartellamt noch prüfen muß. Vor allem im Taschenbuch wird das Konglomerat mit den Zugpferden Goldmann und Heyne einen beängstigenden Martkanteil erreichen. Soviel Macht war nie. Rüdiger Salat, in der Stuttgarter Holtzbrinck-Zentrale für das Verlagsgeschäft zuständig, sieht in einem Marktanteil von vierzig Prozent oder mehr im wirtschaftlich wichtigen Taschenbuchmarkt eine einmalige Machtkonzentration, die gravierende Auswirkungen für alle Verlage, den gesamten Buchhandel und alle Autoren hätte. Salat sieht deswegen kartellrechtlich keine Ansatzpunkte dafür, daß dieses Vorhaben genehmigungsfähig ist.
Hanser-Verleger Michael Krüger, der die Fusion aus Münchner Nachbarschaft erlebt, ist schlicht entsetzt: Wo bleibt denn eigentlich das Kartellamt? Gibt es überhaupt noch eins? Krüger fürchtet, Bertelsmann wolle sich den Markt erschleichen und den Buchhandel majorisieren ein Versuch, durch schiere Größe den Markt zu besetzen. Auch der Stuttgarter Michael Klett, der größte am Markt verbliebene Privatverleger, hält die Übernahme für so problematisch, daß das Kartellamt vielleicht nicht zustimmen wird. Für die Zukunft prophezeit Klett, daß der Druck der großen Unterhaltungskonglomerate auf die Buchhandelsketten enorm zunehmen wird. Bei den großen Sortimentern wie Hugendubel und anderen, die bei Qualitätsverlagen über siebzig Prozent des Umsatzes ausmachen, werden unabhängige Verlage einen schwereren Stand haben. Klett plädiert für stärkere Kooperationen zwischen Verlagen wie Klett, Hanser, Suhrkamp oder C. H. Beck, um nicht von Bertelsmann verdrängt zu werden.
At random aufs Geratewohl, aus Lust und Laune, wie es der amerikansiche Verlagsname suggeriert, ist diese Ehe der Gigantent nicht eingefädelt worden. Schon seit längerer Zeit gab es Begehrlichkeiten des Gütersloher Medienkonzerns, den ins Stocken geratenen Vormarsch seiner deutschsprachigen Buchverlage durch Zukauf zu vergrößern. In der Krise günstig einkaufen, vielleicht ist es die alte Investment-Weisheit, die dem neuen Vorstandsvorsitzenden Gunter Thielen bei seiner strategischen Investition leitete. Ob dieser Modernisierungsfuror der Branche derzeit wirklich weiterhilft? Noch im Oktober letzten Jahres formulierte der damalige Vorstand von Random House Deutschland, Arnold Kiel, die Marschrichtung so: Angesichts der Tatsache, daß die drei großen Gruppen substanziell Geld verloren hätten, sei eine Konzentration auf Autoren und Titel wesentliche Voraussetzung für künftigen Erfolg.
Tempi passati. Die neue Gruppe wird weit über vierzig Verlage und Imprints ihr eigen nennen; dirigiert wird sie bis auf weiteres ohne akute Personalrochaden oder spektakuläre Zu- oder Abgänge. Joerg Pfuhl bleibt Vorstandsvorsitzender (siehe Wirtschaftsteil), Klaus Eck Verleger und Christian Strasser geschäftsführender Verleger bei Ullstein Heyne List. Makulatur sind somit die Spekulationen über eine hohe Abfindung für Christian Strasser. Wie tragfähig die Zusammenarbeit der Platzhirsche Eck und Strasser sein wird, muß die Zukunft zeigen. Über den Kaufpreis ist Stillschweigen vereinbart worden, er dürfte jedoch weit unter einem Jahresumsatz der ASV-Verlage gelegen haben. Bertelsmann hat nicht nur die Verpflichtung übernommen, im Falle einer Ablehnung durch das Kartellamt einen neuen Käufer zu suchen, Bertelsmann muß auch die Kosten für Abfindungen und Sozialpläne einkalkulieren.
Denn niemand geht ernsthaft davon aus, daß es bei der jetzigen Aufstellung bleiben könnte. Angesichts der düsteren Lage auf dem Buchmarkt sehen noch die letzten existierenden Optimisten Betriebschließungen am Horizont heraufziehen. Soviel Synergieeffekte sind nicht zu erkennen, im Gegenteil, es gibt im Springer-Bestand etwa den Ratgeberverlag Südwest eine Sparte, in der sich Random House zuletzt nach der geplatzten Fusion von Falken und Mosaik ein teures blaues Auge geholt hat. Heute existieren nur noch Rumpfbestände dieser vormals erfolgreichen Marken; der Ratgebermarkt wurde der Konkurrenz überlassen.
Und allein im Bereich der Literaturverlage tummeln sich jetzt mit dem Berlin Verlag, Luchterhand, Knaus, Blessing, List, Claassen und Ullstein sieben Verlage mit teilweise deckungsgleichen Profilen. Jeder für sich genommen hat schon Schwierigkeiten genug, nicht zu reden von hochfliegenden Renditezielen jenseits der zehn Prozent. Ob es freilich so kommen wird, wie Rowohlt-Verleger Alexander Fest vermutet, daß Bertelsmann diese Verlage jetzt höchstens noch als Blume mit ungewisser Zukunft im Knopfloch behalten wird? Ein solches Gebinde verträgt der stattlichste Anzug nicht. Immerhin sieht Bertelsmann dort, wo Springer es nicht mehr tut, im deutschen Buchmarkt noch adäquate Rendite-Möglichkeiten. Damit kann nur der stetig an Bedeutung zunehmende Taschenbuchmarkt gemeint sein in Verbindung mit einer noch stärkeren Konzentration auf Unterhaltungsliteratur. Einen consumer publisher nennt man Random House auf seinem Heimatmarkt ohne Hintergedanken.
Ein Tag ohne Probleme sei doch ein langweiliger Tag, hat Peter Olson, Vorstandsvorsitzender von Random House in New York, immer wieder gern gesagt. Zur Übernahme kam nun von Olson der denkwürdige Satz: Die Verlagsgruppe Ullstein Heyne List wird von den Möglichkeiten, die wir ihr bieten können, sehr profitieren. Die kommenden Monate im neuen Imperium versprechen also alles zu werden bloß nicht langweilig.
HANNES HINTERMEIER«
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Jörg Metes
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