Re: Ende der Vorstellung
Zitat: Ursprünglich eingetragen von margel
... Sie verkennen die ungebrochen hierarchische Struktur des Beamtenwesens. Der Lehrer hat auszuführen, was ihm an Lehrplänen, Rahmenrichtlinien usw. aufgetragen wird. Genau wie der Verwaltungsbeamte alle gesetzlichen und sonstigen Vorgaben bedingungslos zu befolgen hat.
Ob etwas dem Volke nützt oder schadet entscheiden, so gesehen, nicht Sie als Lehrer, sondern Ihre Dienstvorgesetzten, von denen man sozusagen stillschweigend annimmt, daß mit dem höheren Amt auch die höhere Einsicht einhergeht um es mal etwas banal auszudrücken.
Wenn man das alles nicht aushalten kann und will, darf man eben nicht beamteter Lehrer werden. Hohe moralische Grundsätze werden sonst an der unerfreulichen Wirklichkeit rasch zuschanden. Klag Du man wird Dir´s zeigen!
Lieber Margel,
ich fand Ihren Beitrag interessant. Sie behaupten, der Lehrer habe alles, was ihm von oben aufgetragen wird, bedingungslos zu befolgen. Wie sieht das konkret aus? Wenn ich von einem theoretisch denkbaren (und in anderen Ländern auch sehr gut vorstellbaren) Widerstand der Lehrer gegen die Reform spreche, dann meine ich vor allem zwei Dinge:
a) Der Lehrer sagt, wann immer ihm danach ist, daß eine jeweilige Reformregelung und/oder die Reform insgesamt schlechter als das Bisherige nachteilig für den Leser/den Schreiber/die Sprachgemeinschaft/die Politik/die Staatsfinanzen dumm auf Dauer nicht überlebensfähig usw. ist. Er äußert also seine ehrliche Meinung. So verschieden von der Meinung der Bevölkerung kann die ja nicht sein, in der es laut Allensbach gerade mal 2 Prozent gibt, die die Reform für eine gute Sache halten. Ist diese freie, demokratisch zutiefst legitime Meinungsäußerung durch die hierarchischen Strukturen, die Sie nennen, oder durch die Gehorsamspflicht unmöglich oder halsbrecherisch oder sonstwie strikt zu meiden? Ich meine: nein. Wo sind wir denn? Sollen etwa große Teile der Bevölkerung die Reform mit den besten Gründen für absoluten Schwachsinn halten, und die Lehrer tun alle brav so, als ob sie da etwas Gutes und Wertvolles tun? Diese Art von fundamentaler Heuchelei sollten wir doch lieber unseren Politikern überlassen.
b) Der Lehrer vermittelt zwar laut Anweisung der Behörde den Schülern die neue Rechtschreibung, aber nicht ausschließlich. Er vermittelt ihnen abwechselnd damit oder wenigstens ab und zu auch die sogenannte alte Rechtschreibung. Die Reform bedeutet schließlich, daß alle, Schüler wie Erwachsene, mit alter Rechtschreibung und verschiedenen neuen Rechtschreibungen und vor allem mit fehlerhaften Mischungen konfrontiert werden. Das kann man überhaupt nur dann auseinanderhalten lernen, wenn man sich bewußt mit alter und neuer Rechtschreibung beschäftigt. Also würde die viel bessere Vermittlung auch nur der neuen Rechtschreibung so aussehen, daß der Lehrer immer wieder auch alt schreibt, so daß die Kinder die Unterschiede bewußt wahrnehmen können. So fing es ja auch in der Grundschule schon an, da stand an der Tafel: alt: Delphin, neu: Delfin ... (wobei das ja schon falsch war, denn Delphin ist nach wie vor vorgesehen, sogar als Hauptvariante!). Also, was ist dabei, sich zum Beispiel zur Hälfte herauszunehmen, nach wie vor alt zu schreiben? So wie ich die Lehrer einschätze, tun sie aber zu 99 Prozent so, als dürften sie jetzt nur noch neuartig schreiben, und sie behaupten, sie würden ihren Schülern schaden bzw. den Lernerfolg gefährden, wenn die Schüler zwischendurch alte Schreibweisen sehen würden. Was für ein Blödsinn! Die Schüler werden überall alte Schreibweisen vorfinden und können nicht dadurch vor ihnen behütet werden, daß sie an der Tafel möglichst nur neuer Schreibweisen ansichtig werden.
Natürlich wenn sich 99 Prozent aller Lehrer obrigkeitsfromm (zäpfchenförmig) verhalten und auch ihr Maul nicht aufkriegen, wenn es einen Erlaß des Kultusministers zu kritisieren gäbe, dann geht der einzelne, der sich aufrecht verhält, einen steinigen Weg. Das ist aber dann der Gemeinschaft der Lehrer zuzuschreiben und etwas ganz anderes als der von Ihnen behauptete objektive Zwang, im Prinzip so gehorsam zu sein wie ein Soldat im Krieg und alles kommentarlos und hundertprozentig auszuführen, was einem aufgetragen wird. Das haben doch diese gewissenlosen Idioten von Politikern gar nicht verdient, daß man ihnen als Lehrer als Vorbild für die Jugend auch noch in den A. k.
Oder nochmal anders. Sie schreiben im Prinzip: Ein charaktervoller Mensch darf gar nicht Lehrer werden. Als Lehrer haben Sie Ihre Ethik schon am Anfang der Ausbildung abzulegen. Moral zählt nichts mehr, denn als Lehrer sind Sie nur noch ein willenloses Ausführungsorgan Ihrer Vorgesetzten. Ob das wirklich so sein muß?
Da besteht dann die Moral darin, daß man ein heiliges Gelöbnis geschworen hat, fortan keine Persönlichkeit mehr zu haben, oder wie?
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