Streitgespräch am Telefon, 31.7.2003 |
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| | Matthias Dräger Volks- entscheid | | Prof. Augst Reform- kommission | | Sprecherin Bayerischer Rundfunk BR | | |
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Streitgespräch am Telefon, Matthias Dräger und Prof. Augst, 31. 7. 2003
Frau Braun: Die Bilanz von Sprachexperten nach 5 Jahren Rechtschreibreform fällt erwartungsgemäß unterschiedlich aus. So hatte sich die Reform nach Meinung der Gesellschaft für deutsche Sprache insgesamt sehr positiv entwickelt, nach Auffassung der zwischenstaatlichen Kommission aus Vertretern der Bundesrepublik, Österreich und der Schweiz, steht der endgültigen Ausführung der Rechtschreibreform in 2 Jahren nichts im Wege. Kritiker dagegen sagen, die deutsche Sprache habe die Reform nicht unbeschädigt überstanden. Wir wollen jetzt beide Seiten hören.
Frau Braun: Am Telefon ist der Verleger Matthias Dräger, er ist Initiator des schleswig-holsteinischen Volksbegehrens zum Stopp der Rechtschreibreform. Guten Morgen. Hr. Dräger: Guten Morgen
Frau Braun: Und auf der anderen Leitung Professor, Professor Gerhard Augst, stellvertretender Vorsitzender der zwischenstaatlichen Kommission, die die Vorschläge für die Rechtschreibreform erarbeitet hat. Guten Morgen. Prof. Augst: Guten Morgen, Frau Braun.
Frau Braun: Herr Dräger, Sie sagen, das Ziel der Reform, die Rechtschreibung zu vereinheitlichen, ist verfehlt worden. Im Gegenteil, viele Sonderregelungen machen es viel komplizierter, welche Regel denn, welche Regelungen denn zum Beispiel? Hr. Dräger: Naja, es gibt bei der Getrennt- und Zusammenschreibung in dem sogenannten amtlichen Regelwerk also mehrere Wörterlisten, die man auswendig lernen muß, um diesen Bereich der neuen Getrennt- und Zusammenschreibung überhaupt richtig beherrschen zu können. Und diese Schwierigkeiten hatten wir vorher nicht, vorher war das auch ein fließender Bereich, in der wir auch gewisse Toleranzen hatten.
Frau Braun: Herr Augst, Sie sagen …
Frau Braun: … das befürchtete Chaos ist ausgeblieben. Sie möchten sogar noch weitreichenderere Reformen, zum Beispiel das Joghurt ohne das h.
Prof. Augst: Ja, das ist klar. Also wir haben ja viel mehr zur Reform vorgeschlagen, als dann tatsächlich von den politischen Instanzen bewilligt wurde, außerdem haben wir in manchen Bereichen Wahlmöglichkeiten gelassen, und Joghurt ist so ein Bereich. Joghurt wurde, wird ja in der alten Rechtschreibung mit h geschrieben, ohne daß das irgendwie für den Schreiber nachvollziehbar ist, und deshalb sollte er das ohne h schreiben, und es wär schön, wenn die Milchwirtschaft das mitmachte.
Hr. Dräger: Ja, da darf ich gleich mal einhaken, Herr Professor Augst. Das Joghurt mit h oder ohne h, das sind so kleine Spitzfindigkeiten. Wenn wir uns die Reform mal aus der Vogelperspektive betrachten, fällt auf, daß ein Großteil, ich würde sagen 80, 90 Prozent der Schreibänderungen die die ss/ß-Regelung betreffen, und hier hat es eine Änderung gegeben, ohne daß ich als Normalschreiber hier, sag ich mal, eine zwingende Notwendigkeit dafür sehe.
Prof. Augst: Also das ist ja so, daß hier eine Unlogik in der Rechtschreibung war. Sie schreiben Kamm mit zwei m und Kämme mit zwei m, aber Faß mußten sie mit ß schreiben und Fässer mit Doppel-s. Das war für die Lerner unlogisch und für die Erwachsenen unlogisch, die das schreiben, und es hat hier in der Fehlerstatistik eben doch eine erhebliche Zahl von Fehler gegeben, und deshalb haben wir sie einfach abgeschafft.
Hr. Dräger: Ja, da darf ich ihnen mal, was die Fehler angeht, widersprechen. Es hat zu diesem Bereich der ss/ß-Regelung eine Untersuchung von Professor Marx gegeben bei Grundschülern, und der Professor Marx hat herausgefunden, daß bei Grundschülern in der 2. Klasse sich die Zahl der richtig geschriebenen Wörter nach der Rechtschreibreform auf 30 Prozent gesenkt hat und in der 4. Klasse sich nach der Rechtschreibreform auf 50 Prozent gesenkt hat.
Prof. Augst: Ja, das ist doch ganz klar. Der Herr Marx hat die Untersuchung 1997 in einer 2. und 4. Klasse gemacht, genau in dem Jahr als, in Bielefeld ist die Untersuchung gemacht worden, als die Rechtschreibung umgestellt wurde, das heißt, die Schüler haben alte und neue Rechtschreibung gesehen, und wenn sie das erwähnen, sollten sie auch erwähnen, daß der Herr Marx eine 2. Nachuntersuchung gemacht hat und daß da kein negativer Effekt mehr festzustellen war.
Hr. Dräger: Ja, also die Zweituntersuchung ist mir noch nicht bekannt, das würd ich doch sehr stark bezweifeln, denn das, was wir in den Zeitungen sehen, das ist ein gravierendes Ansteigen der Fehlerzahl gerade in dem Bereich des ss/ß-Regelung. Aber die Sache hat noch einen anderen gravierenden Nachteil. Und zwar ist es ja so: Ist es richtig, daß Sie praktisch in Anbetracht dessen, daß früher die früheren Rechtschreibreformen, die versucht worden sind, gescheitert sind, bei dieser Reform den Weg eingeschlagen haben, die Reform über die Schulen durchzubringen?
Prof. Augst: Also, die Rechtschreibreform kann man sowieso nur über die Schulen durchbringen, die ist auch 1901 nur über die Schulen gemacht worden mit dem amtlichen Erlaß, und zwar deshalb, weil der Staat, der ja die Hoheit hat über die Rechtschreibung zu befinden, nur bei den Behörden und bei der Schule überhaupt ansetzen kann. Jeder andere kann schreiben wie er will, und das tun ja viele andere auch.
Hr. Dräger: Ja, lassen wir mal 1901 beiseite, das war Kaiserreich, und wir sind ja jetzt in der Demokratie. Ich als Bürger habe Probleme damit, wenn ich sehe, daß hier Reformer über die Schulen eine Schreibänderung in der Gesellschaft durchsetzen wollen, ohne daß hier erkennbar ist, daß diese oft tatsächlich akzeptiert wird in der Gesellschaft. Sie drehen – ist das richtig, daß Sie hier das Prinzip umdrehen, daß praktisch die Schüler das lernen, was ihnen in der Gesellschaft begegnet?
Prof. Augst: Also einerseits haben wir, nachdem wir diese Reform auskumm ... ausgearbeitet hatten, Hearings gemacht, sowohl in Deutschland als in der Schweiz als auch in Österreich, wo also in Deutschland z. B. 40 Interessenverbände waren, die alle zu dieser Reform Stellung genommen haben, dafür, dagegen oder enthaltend, und zweitens ist das ausdiskutiert worden in vielen, vielen Sitzungen. Und es ist dann eben auch zur Erprobung vorgeschlagen worden, und jetzt haben wir die Zeit, Probezeit bis zum Jahr 2005, und dann soll ja das ganze auf den Prüfstand gestellt werden und geguckt werden, was hat sich bewährt, was hat sich nicht bewährt. Muß man vielleicht noch weitergehen ... der Reform, und deshalb kann ich Ihre grundsätzliche Argumentation nicht akzeptieren.
Hr. Dräger: Ja, ich sehe hier bei der Prüfung sozusagen, was sich bewährt oder nicht bewährt, sehe ich ein, eine gravierende, ja, Verschiebung dadurch, daß die ganzen Computerprogramme, die heute Sie im Geschäft kaufen können, alle sozusagen von Microsoft voreingestellt sind auf die ss-Regelung, die wie die Reformer sie vorgeschlagen haben, und der einfache Bürger ist in der Regel nicht in der Lage, diesen komplizierten Mechanismus zu finden, wie man dieses, diese Programmierung rückgängig macht. Und von daher bekommen Sie automatisch eine gravierende Verschiebung. Wie wollen Sie das kontrollieren, wie die Leute tatsächlich schreiben wollen?
Prof. Augst: Dann muß man mit den Leuten reden, wie sie schreiben wollen. Also wir haben ja Leserbriefe kontrolliert, auch handgeschriebene Leserbriefe, die den Verlagen zugeschickt worden sind, um eben auch zu erfahren, wie schreiben die Leute außerhalb des Amtsbereiches und außerhalb der Schule. Und in dem Bereich ist es also so gewesen, daß auch in handgeschriebenen Briefen 50 Prozent der Leser, äh, der Leserbriefschreiber, in der neuen Rechtschreibung geschrieben haben. Also da kann man also auch nicht sagen, daß das nur an Microsoft läge.
Hr. Dräger: Ja, das betrifft sozusagen Leserbriefe die in sogenannten umgestellten Zeitungen veröffentlicht werden sollten, und ich mein’, das ist völlig klar, daß die Leser sich da versuchen, sich an die Schreibweise der Redaktionen anzupassen. Aber, ich selber – Sie sagen, man muß mit den Leuten sprechen. Ich selber habe mit den Leuten gesprochen in einem Bundesland … Prof. Augst: Zwischenbemerkung unverständlich Hr. Dräger: … das wissen Sie?
Prof. Augst: Nein, das weiß ich nicht. Hr. Dräger: Nein? Wissen Sie, daß wir in Schleswig-Holstein einen Volksentscheid zur Rechtschreibreform gehabt haben? Prof. Augst: Ja, natürlich weiß ich das, klar! (Lacher)
Hr. Dräger: Ja, und Sie wissen auch wie dieser Volksentscheid ausgegangen ist? Prof. Augst: Das weiß ich auch, und ich weiß auch, wie es weitergegangen ist, und ich weiß jetzt, daß Schleswig- … Hr. Dräger: Dazu hab ich, aber, Entschuldigung, dazu hab ich eine Frage. Wir haben ja hier diesen Volksentscheid in Schleswig-Holstein gemacht. Prof. Augst: Ja. Hr. Dräger: Ja, glauben Sie, wenn die Leute die Möglichkeit gehabt hätten hier in ganz Deutschland über die Rechtschreibreform abzustimmen, glauben Sie, daß das Ergebnis anders ausgesehen hätte?
Prof. Augst: Glaub ich schon, erstens muß man ja sagen, daß das Bundesverfassungsgericht ja nun befaßt worden ist, nachdem 200 Gerichte vorher auf allen Ebenen entschieden haben. Und das Bundesverfassungsgericht hat ja nun entschieden, daß die Reform so wie sie juristisch und mit ihrer Verordnung eingeleitet worden ist, daß man das in einem demokratischen Staat so machen kann. Hr. Dräger: Ja Prof. Augst: Und zweitens glaube ich, daß in dem Punkt, wenn Sie jemandem sagen, er muß jetzt sich umstellen, daß Sie da immer negative Antworten bekommen, wenn Sie im Jahre, sagen wir mal 95, glaube das war es, die Bundesbürger befragt hätten, ob sie neue Plostleitzahlen haben wollen, dann hätten auch wahrscheinlich die Mehrzahl der Bundesbürger dagegen entschieden. Das heißt, es ist hier die Trägheit bzw. auch die alte Konvention. Man muß hier mehr investieren, wenn man sich umstellen will, und das ist ganz klar, daß die Leute dann erstmal sagen: nein. Hr. Dräger: Ja ...
Frau Braun: Herr Dräger, Herr Dräger, ich bitte Sie noch um eine kurze Antwort.
Hr. Dräger: Ja, ich, ich hab da aber noch ne Frage, weil Herr Augst hatte gesagt, der Volksentscheid wäre, wenn er auf Bundesgebiet gleichzeitig durchgeführt worden, anders ausgefallen, und da würde ich ganz gern Herrn Augst nochmal bitten, das kurz zu erläutern, warum er meint, daß ein gesamtdeutscher Volksentscheid ein anderes Ergebnis gehabt hätte.
Prof. Augst: Also, ich kann, ich hab da, ich habs ja genau anders herum gesagt. Ich hab gesagt, wenn man in der ganz Deutschland, als die Postleitzahlen eingeführt wurden, gefragt hätte, wollt ihr sie, dann hätten die Leute nein gesagt. Hr. Dräger: Ja, aber damit haben Sie sozusagen meine Frage nicht beantwortet. Prof. Augst: Ja, na doch, wenn Sie nen Analogieschluß ziehen können, dann hab ich die Frage beantwortet. Ich bin genau Ihrer Meinung, wenn man die Mehrzahl der Bürger befragt hätte, hätten sie wahrscheinlich erstmal nein gesagt.
Hr. Dräger: Ja, und das ist aber doch, wollen mal sagen, ich verstehe nicht, wie Sie in einer Demokratie hier sozusagen voraussetzen, daß die Bundesbürger sozusagen per se erst einmal das Falsche wünschen.
Prof. Augst: Man muß, und deshalb haben wir ja die Übergangszeit auf acht Jahre oder zehn Jahre angesetzt, damit die Leute sich die neue Rechtschreibung angucken können, und sie kriegen sie jetzt tagtäglich in jeder Zeitung, 80 Prozent aller Bücher sind auf die neue Rechtschreibung umgestellt, und sie kriegen sie in den, im Fernsehen, im Rundfunk, im Internet, und sie können Sie jetzt erproben. Sie erleben sie mit ihren Kindern, die in die Schule gehen, und sie stellen allenthalben vor allem bei den Kindern fest, daß die Kinder es leichter haben zu lernen, so daß die Zahl derer, die sich dafür erwärmen kann, immer größer wird, und der Gewöhnungseffekt ist auch da, so daß jetzt über Dinge, wo man sich 98 noch die Köpfe heiß geredet hat, jetzt kein Mensch sich mehr darüber beschwert.
Hr. Dräger: Gut. Jetzt kommt meine letzte Frage … Prof. Augst: Ja! Hr. Dräger: … wie gewünscht. Herr Professor Augst, halten Sie das für pädagogisch klug, daß ein intelligenter Schüler, der Klassiker liest, z. B. Grass, Thomas Mann, daß der in der Schule Fehler dafür angestrichen bekommt, wenn er zufällig mal solche Schreibweisen verwendet, wie er sie noch von seinem Lesen in Erinnerung hat?
Prof. Augst: Äh, das ist, äh, so, das, da gibts eine eindeutige Rechtsverordnung, die, wenn der, Ihr Schüler das schreibt und er zitiert nicht ausdrücklich, dann muß er die neue Rechtschreibung verwenden, aber es wird nicht als Fehler angerechnet. Und zwar bis zum 1. August 2005 wird das nicht als Fehler angerechnet.
Hr. Dräger: Ja, aber Prof. … Herr Grass wird sich nicht im Jahre 2005 in seinen Werken umstellen. Auch die große Zahl der Bücher, die es in den Bibliotheken gibt, werden sich auch nicht so schnell umstellen. Und da sind noch 95 Prozent in normaler Rechtschreibung gehalten. Das ist also eine Gegenaussage zu Ihren 80 Prozent.
Prof. Augst: Also … Hr. Dräger: Ja. Prof. Augst: Also da ist es so, daß auch noch 30 Prozent aller Bücher in alter Frakturschrift geschrieben wurden, sind in den großen Bibliotheken, und diese Schrift ist 1942 abgeschafft worden. Es ist der Sinn der Bibliotheken, alte Bücher zu bewahren, und wer die liest, das heißt also, Autoren, die nicht ständig neu aufgelegt werden, der hat ein spezielles Interesse, und der kann solche Kleinigkeiten, daß das Buch in alter Rechtschreibung oder in Fraktur geschrieben ist, ganz schnell überwinden. Für den ist das überhaupt kein Hindernis.
Hr. Dräger: Im Jahre 2005 tritt aber dann der Fall ein: Wenn ein intelligenter Schüler Grass liest und nicht ausdrücklich zitiert, sondern einfach unterbewußt eine solche Schreibweise verwendet in der Schule, ist das ein Rechtschreibfehler?
Prof. Augst: Dann ist das ein Rechtschreibfehler, wenn er die, wenn … er muß ja die neue deutsche Rechtschreibung lernen, und man würde ihm ja keinen Gefallen tun, wenn man ihm so etwas durchgehen läßt. Man kann natürlich, wenn diese Fehler im Rahmen von Grass, einem Grasstext, geschehen, Toleranz walten lassen, aber generell muß der Schüler Fluß mit Doppel-s schreiben. Man tut ihm keinen Gefallen. Die Industrie- und Handelskammer, die ihm vielleicht bei der Einstellung zum Lehrling ein Diktat vorlegt, da kann der Schüler dann nicht plötzlich sagen: Ja, aber Grass schreibt doch Fluß mit ß. Da will ich mal sehen, was die sagen.
Frau Braun: Herr Dräger, wie schreiben Sie Schluß des Streitgesprächs? Prof. Augst: (Lacher)
Hr. Dräger: Ja, Schluß würde ich mit ß schreiben, und ich bleibe auch dabei, weil ich nämlich Verleger bin, und ich habe ne Verantwortung für meine, für meine Kunden auch, und mein Verlag wird sich, solange ich die Leitung habe hier, kein einziges Buch in der von den Reformern völlig mißglückten Schreibweise hier vorlegen.
Prof. Augst: Und ich schreibe Schluß mit zwei s, und ich erbürne, und erkenne an, daß Herr Dräger bis an sein Lebensende Schluß mit D…, mit ß schreiben darf und kann und soll, weil er das für richtig findet. Es kann ihn niemand zwingen. Nur bei den Behörden und bei den Schulen muß man Schluß mit Doppel-s schreiben. Und die Nachrichtenagenturen tun’s ja auch, so daß da auch kein Schade entsteht.
Hr. Dräger: Bis auf die F.A.Z., nicht? Die F.A.Z. schreibt ja wieder normal. Prof. Augst: Ja, die F.A.Z. ist die einzige deutsche Tageszeitung, die rückumgestellt hat … Hr. Dräger: Ja Prof. Augst: … und es ist ja ein schöner Kontrast, so daß man das auch vergleichen kann, und wir werden einmal sehen, was, wie lang die F.A.Z. das machen wird. Wir haben die schöne Analogie. In Dänemark wurde die neue Rechtschreibung 1948 eingeführt. Die dänische Tageszeitung, die es am längsten ausgehalten hat, hat 10 Jahre gebraucht, bis sie umgestellt hat. Und die F.A.Z. ist auch die Zeitung, die in Deutschland am letzten von Fraktur auf Antiqua umgestellt hat, nämlich genau zu meiner Studienzeit, etwa um 1964. Also das ist ne Frage des Glaubens, der Haltung, äh, der Welt, äh, äh, wie man sich die Welt erschließt. Und man soll da jeden sein, nach seiner Façon selig werden lassen. Hr. Dräger: Ja, das hätte man, das hätte man …
Frau Braun: Gut, vielen Dank, wir müssen leider zum Ende kommen. Vielen Dank. Vielen Dank, Professor Dr. Gerhard Augst, Sprachwissenschaftler der Uni Siegen, und Matthias Dräger, Verleger des Leibniz-Verlages. Hr. Dräger: Danke schön. Prof. Augst: Danke schön. Hr. Dräger: Ja, Wiederhören.
Frau Braun: Ich konnte Sie fast nicht mehr stoppen jetzt. Hr. Dräger: Ja. Prof. Augst: Ja, gelt? Frau Braun: Aber … es scheint Ihnen Spaß zu machen. Prof. Augst: Ja, es macht mir Spaß. Hr. Dräger: Es macht mir Spaß. Ja … Prof. Augst: (Lacher)