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DDP504 01-Aug-03 15:00 Vorrang Kultur Kultur/Sprache/Rechtschreibreform/ZF1/ (Zusammenfassung Neu: Hoberg) Rechtschreibreform bleibt umstritten Lehrerverband spricht von Misserfolg Neue Bücher meist mit neuen Regeln --Von Ulrike Geist--
Köln (ddp). Fünf Jahre nach ihrer Einführung bleibt die Rechtschreibreform umstritten. Nach Einschätzung des Deutschen Lehrerverbandes haben sich die neuen Schreibregelungen als Misserfolg erwiesen. Sprachwissenschaftler beobachten jedoch, dass die Reform sich bereits weitgehend durchgesetzt hat. Der Vorsitzende der Gesellschaft für deutsche Sprache, Rudolf Hoberg, sagte am Freitag, in 70 bis 80 Prozent aller neuen Bücher würden die Regeln inzwischen angewandt.
Hoberg räumte ein, Schwierigkeiten gebe es noch beim Umgang mit Adjektiven, Adverbien und Substantiven mit Zusammensetzungen wie »Leid tun« oder »Gewinn bringend». Der Experte sieht jedoch keine Gefahr, dass die Regeln sich nicht weiter durchsetzen. Die erste Rechtschreibkodierung 1901 habe dafür auch Jahrzehnte gebraucht, betonte er.
Lehrerverbands-Präsident Josef Kraus kritisierte hingegen, allein auf dem Zeitungsmarkt gebe es mehr als »20 verschiedene Hausschreibungen». Hinzu kämen unterschiedliche Schreibweisen der Verlage. »Das Chaos ist perfekt», resümierte der Pädagoge.
Nach Ansicht Hobergs haben sich die Regeln auch in der Zeitungsbranche durchgesetzt. Er geht davon aus, dass auch die »Frankfurter Allgemeine Zeitung», die die Reform nicht mitmacht, ihren Alleingang nicht mehr lange durchhalten wird.
Kraus kritisierte außerdem, frühere Prognosen, wonach mit der neuen Schreibweise bis zu 70 Prozent weniger Rechtschreibfehler gemacht würden, hätten sich als »leere Versprechung« und als »völlige Utopie« entpuppt. Deutschlehrer seien zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht weniger Fehler gemacht werden. Die neue Schreibweise führe sogar zu zusätzlichen Fehlern, betonte Kraus. Das Doppel-S werde zu häufig eingesetzt, da Wörter wie »draußen« oder »außen« von vielen Menschen nun auch mit Doppel-S geschrieben würden.
Kinder, die jetzt in der dritten, vierten oder fünften Klassen seien, hätten nichts anderes gelernt als die neue Rechtschreibung, räumte der Verbandspräsident ein. In älteren Büchern stünden aber die alten Schreibweisen. Und dann sei »die Verwirrung« wieder da.
Hoberg betonte, Jugend- und Kinderbücher erschienen inzwischen zu 100 Prozent in der neuen Rechtschreibung, ebenso Schulbücher. Bei den Sachbüchern liege der Anteil bei etwa 80 Prozent. In der Belletristik sei er noch etwas niedriger, was auch daran liege, dass einige Schriftsteller sich auch prinzipiellen Gründen weigerten, die Reform mitzumachen.
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