nicht erst jetzt
Vorweg: Zu gewinnbringend siehe weiter unten! Die Schreibungen erfolgversprechend und zeitraubend, aber auch erholungsuchend, finden sich schon in der 22. Auflage des Duden (2000). Daß sie regelkonform seien, wurde von der Rechtschreibkommission in ihrem dritten Bericht auf Seite 64 so begründet: Überlappung von § 36 E1 (1) und § 36 (2)
Regel § 36 (2) hält fest, dass Zusammenschreibung gilt, wenn der zweite Bestandteil so selbstständig nicht vorkommt. Das trifft etwa zu, wenn eine Verbindung mit einem Partizip als Ganzes in den Komparativ gesetzt werden kann, zum Beispiel: eine gewinnbringendere Investition. Es gibt hier keinen zugehörigen einfachen Komparativ *bringendere. Der Grund für diese Lücke liegt in der Tatsache, dass einfache Partizipien generell nicht kompariert werden können, außer wenn sie sich zu eigenständigen adjektivischen Lexemen verselbstständigt haben, zum Beispiel: das bedeutendere Werk. Im Positiv führt dieser Sachverhalt zu zwei möglichen Schreibungen: die Gewinn bringende Investition (nach dem Infinitiv: die Investition wird Gewinn bringen) oder eine gewinnbringende Investition (nach dem Komparativ: die gewinnbringendere Investition). Ähnliches gilt für Verbindungen mit einem Adjektiv als erstem Bestandteil: ein schwer wiegender Vorfall (wegen: ein schwerer wiegender Vorfall; mit Komparation des Adjektivs) oder ein schwerwiegender Vorfall (wegen: ein schwerwiegenderer Vorfall; mit Komparation der gesamten Verbindung, das Komparationssuffix steht dann am Ende der Verbindung, das heißt beim Partizip).
Die genannten Möglichkeiten werden im Regelteil nirgends explizit vorgeführt. Es lässt sich nur aus einigen Einträgen im Wörterverzeichnis rekonstruieren, dass beide logisch denkbaren Schreibungen tatsächlich zugelassen sind. Dies widerspricht aber der Grundintention der Neuregelung, außerhalb bestimmter Teile der Wortschreibung im engen Sinn (Laut-Buchstaben-Beziehungen; Teil A des amtlichen Regelwerks) keine Regelung über das Wörterverzeichnis vorzunehmen. Das heißt, der Schreibende sollte sich in den Bereichen B bis F des amtlichen Regelwerks darauf verlassen können, dass die Schreibung allein auf Basis des Regelteils sicher hergeleitet werden kann, also ohne Konsultation des amtlichen Wörterverzeichnisses. [...] (Welche Einträge im Wörterverzeichnis sind es eigentlich, auf die hier Bezug genommen wird? Hat das mal jemand geprüft? Nachtrag: siehe dazu weiter unten.)
Und auf Seite 65 folgt die Krönung schlechthin: Dass von den zwei logisch denkbaren Schreibungen Gewinn bringend und gewinnbringend tatsächlich beide zugelassen sind, ist keineswegs selbstverständlich, gibt es in der Rechtschreibung doch zahlreiche Metaregeln, die festlegen, welche von zwei möglichen Regeln zur Anwendung kommen darf. Das heißt, im Fall eines Regelkonflikts kommt tatsächlich nur eine Regel zur Anwendung.
Im hier diskutierten Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung ist in Fällen wie Gewinn bringend oder gewinnbringend also eine Art Toleranz-Metaregel anzusetzen. Dieser komplizierte Sachverhalt muss im amtlichen Regelwerk so nicht explizit aufgezeigt werden, er sollte aber wenigstens indirekt in einer passenden Erläuterung ein Äquivalent haben. So ist das also: Weil es irgendwo ein paar ominöse Einträge im Wörterverzeichnis gibt, läßt sich an ihnen eine gewisse Intention des Regelwerkes festmachen, so daß toleranterweise die Zusammenschreibung nicht nur für die gesteigerten Formen gelten soll. Wie weitgehend diese Wiederzulassung aufgrund der Steigerung ist, wurde hier bereits an anderer Stelle diskutiert; ich bin noch zu keinem abschließenden Urteil gekommen.
Andererseits könnte man aber behaupten, daß dann gerade jene Einträge fehlerhaft seien, auf die sich diese Herangehensweise der Kommission stützt. Herr Metes hat gerade darauf hingewiesen, woher die regelhafte Getrenntschreibung rührt; ich stelle es noch einmal etwas ausführlicher dar (weil ich auch selber immer wieder vergesse, wie die Argumentation funktioniert): Die Zusammenschreibung von erfolgversprechend etc. würde sich aus § 36 ergeben, wenn einer der Punkte (1) bis (6) zuträfe. Da das nicht der Fall ist, gilt nach § 36 E1 die Getrenntschreibung, wenn einer der dortigen Unterpunkte zutrifft. § 36 E1 (1.2) greift, wenn das dem Partizip zugrundeliegende Verb entsprechend § 34 E3 (2) bis (6) getrennt geschrieben wird, und das ist, wie Herr Metes angab, der Fall: § 34 E3 (5) ergibt die Getrenntschreibung.
Dieser Probe müßte man dann die gewissen Einträge des Wörterverzeichnisses unterziehen, d. h. prüfen, wie es um ihre Zusammenschreibung bestellt ist. Wie ist es zum Beispiel mit vertrauensbildend § 36 (1)? Ist es das Fugen-s, das den Unterschied zur Ableitung aus Vertrauen bilden ausmacht und damit die Zusammenschreibung rettet?
Bei maßgebend habe ich Schwierigkeiten, eine Erweiterung gemäß § 36 (1) zu bilden, in der gebend einzeln stehend auf die gleiche Bedeutung führt wie bei maßgebend und die auch noch in die gleiche Position eines kompletten Satzes eingebaut werden könnte, wie es bei den im Regelwerk bei § 36 (1) angegebenen Beispielen der Fall ist (entsprechend bei unheildrohend). Bei krampf-/schmerzstillend ist das dagegen kein Problem.
Nun, letztlich dürfte es aber ein Eintrag von der Art sein, wie er jetzt auch in den Wörterbüchern zu finden ist: Gewinn [bringen/bringend*, auch gewinnbringend, aber sehr gewinnbringend, großen Gewinn bringend § 34 E3(5), § 36(1), § 36 E1(4)]
Grauen [erregen/erregend(*), auch grauenerregend, sehr grauenerregend, aber großes Grauen erregend § 34 E3(5), § 36(1), § 36 E1(4)] Tja, das dürfte es wohl gewesen sein, wonach ich gesucht habe... Worauf aber beziehen sich jeweils die angegebenen Paragraphen? § 34 E3 (5) bezieht sich auf den getrennt geschriebenen Infinitiv, § 36 E1 (4) auf die Erweiterung mit groß. Wie aber ist es mit § 36 (1)? Gibt es den Fall, daß gewinnbringend, grauenerregend, etc. auch als Verkürzung einer Wortgruppe angesehen werden können?
– geändert durch J.-M. Wagner am 12.08.2003, 16.46 –
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Jan-Martin Wagner
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