drei S
Werte Frau Doktor,
danke für Ihre Antwort. Ich lese die Beiträge der anderen Forumsteilnehmer und auch Ihre mit Hochachtung, denn aus sehr vielen spricht ein Vertrautsein mit der Thematik, das mich sehr beeindruckt, zumal meine Praxis im Unterrichten sehr lange zurückliegt und ich mich hauptsächlich mit den Problemen befasst habe, die asiatische Immigranten mit unserem geliebten Deutsch haben.
Wahrscheinlich wird in der Frage der sss die Logik über die Ästhetik siegen. Offenbar hat man in vergangenen Jahrhunderten mehr Wert darauf gelegt. Zu begrüßen ist natürlich, wenn die Sprache ihren informativen Charakter behält, und von daher wäre es nicht einzusehen, dass ein s wegfällt, weil zwei genug sind. Werden wir erst nicht mehr darüber stolpern, wenn wir daran gewöhnt sind? Werden unsere Sehgewohnheiten in Zeiten von zunehmend technischen Sprachen, also auch Programmiersprachen, solche Häufungen integrieren in das, was halt so ist?
Was mich an dieser Reform so ärgert, ist das Zurück in Volkstümelei, Verdeutschung statt Internationalisierung. Dabei ist die deutsche Sprache für mich ein sehr wertvoller Schatz, wie ich noch ausführen werde. Aber Angleichung ist so, als würde man von seinem japanischen Gast verlangen, dass er sich die Haare blond färbt.
Hei.
Der Hai wäre eines der Wörter, die Kinder darauf hinführen, dass in einigen anderen Sprachen unser Laut ei aus A und I gebildet wird. Und dass man ei anderwo immer wie ein langes E spricht. Wir weichen ja in manchem von der Konvention ab, wir sprechen das S weich und das Z scharf, umgekehrt wie fast überall. Ich finde die deutschen Lautregeln nicht ausbaufähig. Lässt man die Schreibung der Lehnwörter bestehen, so fördert man trotz anfänglicher Schwierigkeit die Offenheit für andersartige Lautbildung, man weiß, dass das ai im Russischen, Türkischen und den finnischen Sprachen unserem ei entspricht, dass es im Französischen aber wie "ä" klingt und im Englischen wie ein langes E. Das mag verwirrend wirken, aber es bereitet auf die Vielfalt vor.
Indem man den Kindern das Deutsche erleichtern will, erschwert man ihnen Englisch, Französisch und die Möglichkeit, Wörter abzuleiten, wie es zur Zeit der altphilologischen Bildung noch möglich war. Angleichung verschleiert. Sie ist für mich Ausdruck einer Bildungsfeindlichkeit. Denn wann lernen wir am leichtesten? Doch im Kindesalter. Darum finde ich es besser, man lege schon mit dem Deutschen und seinen Lehn- und Fremdwörtern eine Grundlage für die Fremdsprachen. Meine Mutter sprach mit drei Jahren drei Sprachen. Ich halte das für keine Überforderung.
Natürlich lasse ich mich aus der Praxis heraus belehren.
Ich meine, man sollte alle die Änderungen zurücknehmen, die etymologisch nicht haltbar sind und die den Prozess des Fremdsprachenlernens behindern.
Die Kräfte müssten gebündelt werden, um die wirklichen Werte des Deutschen zu retten, die in der enormen Tiefe dieser Sprache liegen. In der Philosophie des Wortes Wirklichkeit allein offenbart sie sich: das Gewirkte und das Wirkende, das Werk der Nornen, ist das Phänomen, das wir für existent halten, das aber ein Gespinst ist, ein Hirngespinst. Wie nah ist das der Idee der Weden: Welt als Illusion, als Textura, oder, Sanskrit, Tantra. Allein dieses Beispiel zeigt, was für einen kulturellen Schatz wir an dieser Sprache haben. Durch scheinbar überflüssige Rudimente wird das oft durch das Geschriebene aufgeklärt, was im Sprechen vergessen wurde, so wie die Rudimente eines Tierskeletts seine Entwicklungsgeschichte verraten. Denn wir haben ja eine Klang-, keine Bildersprache, die ihre Kontinuität besser behaupten, wie man am Chinesischen studieren kann.
In der Frage des Zusammenschreibens scheinen ja sehr viele Lesende, Lehrende und Schreibende einer Meinung zu sein. Das war offenbar ein Schnellschuss.
Welche Möglichkeiten sehen Sie denn für ein Einwirken einer kleinen Forumsschreiberin, wie ich es bin, um die Entwicklung positiv beeinflussen zu helfen?
Mit freundlichem Gruß
Eva Nerling
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