Wenn Hans Eichel eine völlig mißlungene Steuerrefrom machen würde...
...könnte er dafür auch nicht Deutschlands Steuerberater oder gar die Bevölkerung zur Rechenschaft ziehen.
Genau das versuchten aber die Kultusminister, indem sie vorgaben, der Protest gegen ihre Rechtschreibreform sei zu spät gekommen (was die Presse artig nachgeplappert hat).
Werden wir etwa dafür bezahlt, daß wir die Arbeit der Kultusminister prüfen? Ich denke, daß eher die Kultusminister dafür bezahlt werden, daß sie ihre Arbeit ordentlich machen.-
Wenn ich als Bürger einen ganz normalen, nicht eingeschriebenen Brief vom Finanzamt mit einem Steuerbescheid erhalte, gilt dieser als zugestellt allein dadurch, daß er abgesandt wurde.
Mit Post vom 4. Dezember 1995, also ein halbes Jahr vor der Unterzeichnung der Wiener Absichtserklärung, ein Jahr vor der vorfristigen und völlig übereilten Einführung der Rechtschreibreform an den Schulen und fast vier Jahre vor der Umstellung der Zeitungen auf die Rechtschreibreform haben alle 16 Kultusminister und alle 16 Ministerpräsidenten der Länder per Einschreiben-Rückschein ein Schreiben zur Rechtschreibreform erhalten. Ich darf daher davon ausgehen, daß mein folgender Vortrag die Ministerien erreicht hat und betrachte die hier genannten Mängel als zugestellt.
Fener: Da es hinreichend ist, daß mir e i n Finanzamt (und nicht alle Finanzämter Deutschlands) einen Steuerbescheid übersendet, ist es auch hinreichend, wenn e i n Bürger die Handelnden auf die Mißstände aufmerksam macht, es müssen nicht alle sein abgesehen einmal davon, daß, wie gesagt, die Minister Ihre Arbeit gefälligst selbst machen sollen, wir sind nicht die Referenten der Minister, und ich natürlich längst nicht der einzige, der die Minister ausdrücklich gewarnt hat. Selbst Eisenberg sagte „erst“ 1993:„ die geplante ss-Regelung ist die denkbar schlechteste aller Lösungen“.
Sehr geehrter Herr Minister,
auf der Konferenz in Mainz vom 3. 11. /1. 12. 1995 haben die Kultusminister der Länder eine deutlich „abgespeckte“ Version der Rrechtschreibreform zur Beschlußfassung an die Ministerpräsidenten überwiesen. Aber selbst diese reduzierte Fassung der geplanten Rechtschreibreform würde, wenn die Reform denn so in Kraft träte, immer noch der bisher mit Abstand gravierendste Eingriff in die deutsche Rechtschreibung werden.
...
(Auszug):
ß, Nachteile:
- Bisher steht für den stimmlosen S-Laut am Wortende ß in allen Fällen, nach der geplanten Reform nur noch bei vorausgehendem langen Vokal oder Diphthong. Das gbit natürlikch, wenn man die Schreibweise nich tohnehin kennt, Schwierigkeiten in der Beurteilung, welcher Art von Vokal dem ß bzw. ss vorausgeht, da hiervon jetzt die Schreibweise abhängt. Beispiel: Fluß, Maß, er muß, Gruß, es floß, er weiß, gewiß, Koß, Kuß; welcher dieser Wörtr hat vor dem stimmlosen S-Laut den kurzen Vokal oder den langen Vokal bzw. Diphthong?
(Auflösung: beginnend mit Fluss würde jedes zweite Wort der Reihe gemäß Reform mit ss geschrieben.)
- Der Wechsel von ss zu ß, wie bisher zum Beispiel in Fluß Flüsse, soll nicht grundlegend wegfallen, sondern lediglich verlagert werden. Beispiel (Schreibweise gemäß Reform): Fluss Fließen; Genuss genießen; gießen er goss; schießen er schoss; Biss beißen.
- Einen weiteren Nachteil sehe ich vor allem sowohl beim Schreiben als auch im Schriftbild der Wörter selber. Durch den vielfältigen Ersatz des ß durch das konturschwache ss träte buchstäblich eine Verflachung der Schrift ein, die hierdurch auch schlechter lesbar würde. Der Schreiber kann dieses bemerken, wenn er statt des markanten ß (das kleine Beta des griechischen Alphabets) seine ss-Häckchen macht. Der Leser hätte später nicht selten Schwierigkeiten, die „ss-Häckchen“ vom n oder sogar vom u zu unterscheiden. Das glauben Sie nicht? Dann schreiben Sie doch bitte einmal selbst einige entsprechende Worte in Ihrer eigenen Schrift, wie zum Beispiel der Fluss, der Kuss, gewiss, ich muss.
Die Konjunktion daß
Der oben genannten Regel des Reformvorschlages, ß nur noch nach langem Vokal oder Diphthong zu setzen, soll, geht es nach dem Willen der Reformer, auch das gute alte daß zum Opfer fallen obwohl es sich, wie Sie leicht selbst werden feststellen können, durchaus flotter und leichter als dass zu Papier bringen läßt. Wie sagte Leibniz doch so treffend: „. . . denn solche allzu große Scheinreinigkeit ist einer durchbrochenen Arbeit zu vergleichen, daran der Meister so lange feilt und bessert, bis er sie endlich gar schwächt, welches denen geschieht, die an der Perfektier-Krankheit, wie es die Holländer nennen, darniederliegen.“
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