Die meisten Beispiele zeigen, daß die meisten Fehler weder aus den Bereichen Kommasetzung noch Konjunktiv stammen: Es ist die Nominalbildung (Nominalkomposition und Deklination). Ob man das ein oder andere Komma falsch setzt oder den Konjunktiv II falsch bildet, ist doch nicht schlimm. Die Fehler bei der Bildung deutscher Nominalformen zeigt aber, daß der größte Teil der Sprecher eine der wichtigsten Eigenheiten des Deutschen nicht versteht. Ich halte das für ein sehr ernstes Problem. Genau wie beim das/daß-Problem handelt es sich um ein Symptom, daß nicht auf Nichtwissen einer Regel hinweist, sondern auf ernste Defizite der Fähigkeit zu systematischem und ordentlichen Denken.
Die Schuld daran gebe ich folgenden Einflüssen:
– dem Englischen und den roman. Sprachen mit ihrer anders funktionierenden Nominalkomposition (bekanntes Beispiel: saisonale Schwankungen);
– unseren Lateinlehrern, die Eigenheiten des Lateinischen unerlaubt auf das Deutsche ausdehnen (zB Kausalbezug in Temporalsätzen – das ist im Germanischen nicht erlaubt)
– der Bildzeitung, die sich zwar das Air einer Nationalzeitung gibt, aber mit ihrer dämlichen Bindestrichschreibung einen noch schä(n)dlicheren Einfluß auf das Gehirn eines Menschen (beinahe hätte ich „menschliches Gehirn“ geschrieben – aber kann ein Gehirn menschlich sein? Vielleicht ja, aber gemeint ist es hier trotzdem nicht!) als durch ihren Inhalt. Selbst in diesem Forum finden sich solche Sprachausfälle (> „Benutzer-Ordnung“ -> Determinativkomposita werden niemals durch Bindestriche entzweit).
– dem Journalismus. Hierzu muß ich sagen, daß ich mich nicht auf einzelne Jounalisten beziehe, sondern auf den Jounalismus als solchen. Die Grundhaltung des J. mit seiner zwangsneurotischen Verwechslung von Recherchismus und Wahrheit muß zwangsläufig zu der uns bekannten Einstellung gegenüber Wahrheit – und Sprache ist ein Teil davon – führen (siehe Kästners „Fabian“).
– der „G“ermanistischen Linguistik mit ihrer Bereitschaft, die deutsche Sprache für absurde Denkgebilde wie der generativen Transformationsgrammatik oder der Dependenzgrammatik zu opfern, was dann im Offenbarungseid namens Functional Grammar (Grüße nach Holland!) mündet.
– der Existenz fragwürdiger Institutionen wie der Duden-Redaktion, die die Haltung erzeugt und gefördert haben, daß Sprache zu standardisieren sei, damit sie besser für die Nutzung der Industrie und dem Staat einsetzbar ist.
– dem ehemaligen bayerischen Kultusminister. Leute, die mich an Typen, die morgens am Ingolstädter Hauptbahnhof schon ihren ersten Korn trinken, erinnern, sollten die Finger von der Sprache lassen. Er sei hier stellvertretend genannt für alle die, die nicht zu der Erkenntnis in der Lage sind, daß Sprache VORSTAATLICH ist.
– und schließlich einigen Deppen, die bevorzugt als Journalisten oder Informatiker (> „Vor-Ort-Service“) arbeiten. Gemeint sind solche, die sich zu jeder noch so dämlichen Effekthascherei (Beispiele: vor Ort, außer vor lassen, einmal mehr) hinreißen lassen.
Euch ein schönes Wochenende.
Ani
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