Urteil zu Religionsfreiheit
Beten in der Schule verboten
Eine Berliner Schule darf einem muslimischen Gymnasiasten das Gebet in der Pause verbieten. Das entschied jetzt ein Gericht und hob damit ein früheres Urteil auf.
Wie halten es die Zeitungen mit dem reformierten „Recht geben“, das in der Bedeutung „das Recht zugestehen“ mit Artikel verwendet werden, in der Bedeutung „die rechte Auffassung zugestehen“ als „recht geben“ geschrieben werden müßte. Die „Süddeutsche“ setzt bedenkenlos „juristisches Recht“ und „rechte Auffassung“ gleich:
… Das Berliner Verwaltungsgericht gab Yunus im September 2009 Recht. Das Gebet störe nicht den Schulbetrieb und verletzte auch nicht die Neutralitätspflicht der Schule. …
Zumindest in einer Frage gab das Gericht Yunus allerdings Recht: Es sei unbestritten, dass es dem Jungen mit der Ausübung seines Glaubens ernst sei.
sueddeutsche.de 28.05.2010
Der „Spiegel“ erwähnt dreimal „das Recht“, meint aber in einem Fall nicht auf die „Recht-Geberei“ verzichten zu können.
Die Vorsitzende Richterin Hildegard Fitzner-Steinmann … gab damit der Berliner Schulverwaltung Recht, die durch das Gebet des Jungen den Schulfrieden gefährdet sah. Der Senat hatte nach dem erstinstanzlichen Urteil die Befürchtung geäußert, dass durch die Entscheidung staatliche Schulen ihre Neutralität einbüßen und sich Glaubensinseln bilden könnten.
Dazu berichtet der „Spiegel“ Bemerkenswertes:
Kenen Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, begrüßte das Urteil. Er habe sich bereits in erster Instanz ein anderes Urteil gewünscht und freue sich, dass nun der Bildungsauftrag der Schule vor die Religionsfreiheit gestellt worden sei, sagte Kolat.
spiegel.de 27.05.2010
Die WELT erwähnt dreimal „das Recht“ und zieht sich in einem Satz geschickt aus der Affäre, ob groß oder klein zu schreiben sei:
Recht bekam damit die Berliner Senatsbildungsverwaltung, die gegen das Urteil der Vorinstanz Berufung eingelegt hatte, weil die Erlaubnis für Ritualgebete den Schulfrieden gefährde und zudem die Glaubensfreiheit der anderen Schüler sowie die Rechte von deren Eltern beeinträchtige. „Das islamische Ritualgebet hat Demonstrationscharakter und dient auch der sozialen Kontrolle“, …
welt.de 27.05.2010
Der „Bild-Zeitung“ gelingt sogar gutes Deutsch:
Die Richter gaben der Berufung der Senatsbildungsverwaltung statt und wiesen die Klage des Gymnasiasten zurück. … Das Verwaltungsgericht Berlin hatte Yunus M. in erster Instanz das Recht zugesprochen, einmal täglich auf dem Schulgelände zu beten.
bild.de 27.05.2010
Der „Tagesspiegel“ vermeidet das ominöse Wort „Recht“ gänzlich.
tagesspiegel.de 27.05.2010
Nachtrag:
Die „Zeit“ hält es ganz anders mit dem „Recht haben“
Urteil der Angst im Gebetsstreit
… Ein Kommentar
• Von Martin Spiewak
Die Berliner Richter haben damit eine durchaus vertretbare Entscheidung getroffen, mutig ist sie indes nicht. Sie ist ein Urteil der Angst und der Abwehr, nicht der selbstbewussten Liberalität und Offenheit. …
Anders als etwa Frankreich ist Deutschland kein laizistischer Staat.
[Das ist, anders als der Kommentator suggerieren möchte, ein Mangel. Er ist von den Frommen durch die Hintertür in das Grundgesetz eingeschleust worden, als man sich von dem „gottlosen“ Nazistaat abheben wollte.]
Hier wird der Glauben zu Recht nicht in die Privatsphäre verbannt. Deshalb gibt es staatlichen Religionsunterricht an unseren Schulen. Deshalb dürfen in Klassenräumen Kreuze hängen, wenn kein Schüler der Klasse etwas dagegen hat.
[Allein schon diese Regelung ist subtile Nötigung. Welche Schüler und welche Eltern würden es wagen, in einer fundamentalistischen Kleinstadt etwas „gegen das Kreuz“ zu sagen.]
Deshalb müssten es Lehrer, Eltern und Schüler ertragen, wenn ein Mitschüler beten möchte.
… Dennoch werden wir lernen müssen, dass auch die religiösen Formen, die der Mehrheit fremd sind, einen rechtlichen Schutz genießen, sagt der Verfassungsrichter Udo di Fabio. Da hat er Recht: ob beim Bau von Gotteshäusern, dem Kopftuch oder dem Gebet in der Schule.
zeit.de 27.05.2010
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