Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Forum - Substantive: semantischer Aspekt
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Substantive: semantischer Aspekt
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Stephan Fleischhauer
28.02.2001 20.05
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Zum Regel-Sinn-Problem
Um beim Beispiel Rechtsfahren zu bleiben: Vielleicht ist es gerade der Sinn dieser Regel, nicht auf Gegenverkehr achten zu müssen. Ginge es nur um das Verhindern eines Zusammenstoßes, könnte man ja auch auf andere Weise umeinander herumfahren. Regel und Sinn lassen sich letztendlich nicht trennen. Wenn man überhaupt von Sinn redet, meint man wahrscheinlich immer einen bestimmten Aspekt eines Sachverhalts, dessen Regelhaftigkeit man auf diese Weise – ausschnittsweise – bestimmt. Aber fragen wir doch erstmal Herrn Ickler, ob er eine Unterscheidung zwischen Regel und Sinn bei der GKS vorgesehen hat. Wenn ja, muß ich mich vorerst ausklinken und und nachsinnen.

Zur Textliguistik
Das Ganze scheint zunächst tatsächlich etwas „inhaltsleer“ – was ist schon ein Redegegenstand, wenn er nur in der Schriftsprache seine Daseinsberechtigung hat? Ich glaube, es geht in den Randbereichen der GKS letztendlich doch um (feine) semantische Unterschiede, die allerdings nur schriftlich darstellbar sind. Und der „Redegegenstand“ ist nur eine Zusammenfassung von Verschiedenem. Aufdröseln wäre zu kompliziert.

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Wolfgang Wrase
28.02.2001 17.04
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Sinnvolle und dennoch verselbständigte Regeln

Lieber Herr Fleischhauer,

wenn Sie ein wenig suchen, werden Sie unzählige Regeln finden, die Sie und wir alle ständig (mehr oder weniger gewissenhaft) befolgen, obwohl sie ihren eigentlichen Sinn nur in manchen Fällen der Befolgung unmittelbar erfüllen; manchmal ist diese Sinnerfüllung sogar die absolute Ausnahme. Mein bisheriges Beispiel war das Auf-einer-Hälfte-der-Straße-Fahren („Wie absurd!“, könnte man sich wie vor einiger Zeit Professor Ickler naiv stellen). Es kommt nicht immer Gegenverkehr (und nur diesem auszuweichen ist der Sinn dieser Regel; dafür wird sogar in Kauf genommen, daß man genauer hinsehen muß, wo man fährt, und daß man leichter aufs Bankett gerät usw.). Oft kommt kaum oder überhaupt kein Gegenverkehr, und oft kann man das auch hinreichend überblicken. Dennoch ist es viel leichter, die Regel „Rechts fahren“ von ihrem Sinn zu emanzipieren und es sich zur Gewohnheit zu machen, immer rechts zu fahren. Das ist einfacher und sicherer.

Ebenso zählen Sie bei größeren Beträgen wahrscheinlich aus Gewohnheit das Wechselgeld nach, obwohl Sie nur in wenigen Fällen wirklich damit rechnen, daß Sie entweder betrogen werden sollen oder daß sich Ihr Gegenüber irrt. Sie sichern Dateien (das sollten Sie jedenfalls tun), auch wenn es nicht sehr wahrscheinlich ist, daß die Festplatte als nächstes abstürzt. Ebenso dort, wo es nicht darum geht, Schäden zu vermeiden, sondern darum, Vorteile zu erarbeiten. So wenden wir alle möglichen Rechtschreibregeln an, auch wenn der Leser im Einzelfall mit nur winzig mehr Mühe einen fehlenden Buchstaben, eine unangemessene Klein- oder Zusammenschreibung o. ä. verdauen würde. Und obwohl der Leser in vielen Fällen auch überhaupt keine Probleme mit einer Regelverletzung hätte. Es ist aber sicherer, besser und vor allem auch einfacher, sich nicht in jedem Fall überlegen zu müssen, ob die jeweilige Regel auch ihren Zweck erfüllt, sondern sie einfach aus Gewohnheit anzuwenden (das funktioniert allerdings natürlich nur bei sinnvollen Regeln; deshalb unser Engagement gegen die neuen Regeln; genauer: gegen viele von den neuen Regeln). – Wenn man eine Weile nachdenkt, wird man noch viele auch solcher auf Positives, auf Gewinn gerichteten Regeln finden, auch in anderen Lebensbereichen, die zu befolgen vom Einzelfall her gesehen nicht immer nötig wäre.

Vergleichen Sie einmal folgende Regelformulierungen:
A. Man zählt das Wechselgeld (zur Sicherheit) nach.
B. Im allgemeinen verhindert man durch das Nachzählen des Wechselgeldes, daß man betrogen wird.
A. Man fährt rechts (damit man nicht in die Gefahr gerät, mit Gegenverkehr zusammenzustoßen).
B. Im allgemeinen weicht man beim Rechtsfahren dem Gegenverkehr aus, deshalb fährt man rechts.
A. Man wäscht Salat, bevor man ihn zubereitet (weil man so unter Umständen weniger Schadstoffe und Fremdkörper im Essen hat).
B. Im allgemeinen wäscht man Salat vor der Zubereitung, weil man sich sonst vergiften würde.
Und nun etwas „Positives“:
A. Man grüßt seine Kollegen, wenn man ihnen bei der Arbeit begegnet (weil sie sich dann nicht mißachtet fühlen).
B. Im allgemeinen grüßt man seine Kollegen, wenn man ihnen Wertschätzung signalisieren will.

Und so weiter. Ich denke doch, man sieht: Die Regel wird geradezu falsch, wenn man so tut, als wenn ihr Zweck ständig erfüllt wird. Man darf deshalb die Regel nicht mit ihrem Sinn verwechseln.

Wie sieht es nun mit der Großschreibung von Substantiven aus? Professor Ickler stellt es bisher so dar, als ob man das groß schreibt, wovon die Rede ist. Dazu ein Beispieltext:

Mein älterer Bruder ist steinreich, aber er hat mir selten etwas geschenkt. Ich habe ihn seit langem nicht mehr gesehen. Mein jüngerer Bruder ist arm wie eine Kirchenmaus, aber er hat mir immer alles gegeben, was ich von ihm brauchte. Ich habe ihn erst gestern wieder getroffen.

Das ist doch ein ganz normaler Text, oder? Professor Ickler tut nun so, als ob in diesem Text von zweierlei die Rede sei: von „Bruder“ und von „Kirchenmaus“. Hier müssen sich doch jedem Betrachter die Haare sträuben. Wie ich schon sagte, ist es fast unmöglich, die Formulierung „wovon die Rede ist“ nicht wie üblich semantisch zu verstehen, sondern „textlinguistisch“.

An dieser Stelle sei auch die kritische Frage gestellt, warum der angeblich besonders fruchtbare Ansatz so eine inhaltsleere Bezeichnung bekommt. Natürlich haben wir es mit Sprache zu tun (also Linguistik), und wir hinterfragen die Großschreibung, also ist speziell das Schriftliche (der Text) gemeint. Sonstige Erklärungen der Rechtschreibung haben doch einen ganz eindeutigen Charakter: Betonung, Bedeutung, auch Grammatik sagt etwas Eigenes aus, aber „Textlinguistik“?

Erschwerend kommt eben hinzu, daß das ganz normale Verständnis, das der Benutzer hat, sobald er „wovon die Rede ist“ liest oder hört, hier gerade ausgeschaltet werden soll. Der normale, verständige Mensch würde doch sagen: Hier ist von zwei Brüdern die Rede (nicht: von „Bruder“). Davon, daß der eine reich und der andere arm ist (nicht: von „Kirchenmaus“). Davon, daß der eine der Ältere und der andere der Jüngere ist; davon, daß der eine geizig und der andere spendabel ist; es ist die Rede davon, wann ich die beiden zuletzt gesehen habe. Selbst wenn die Darstellung von Professor Ickler wirklich triftig sein sollte in ihrem Rahmen, ist sie jedenfalls dazu geeignet, den Leser vor großes Rätselraten zu stellen, sobald er die Lehre von der „Redegegenstandgroßschreibung“ mit seinem natürlichen (semantischen) Verständnis ernst nimmt und sie auf konkrete Texte anzuwenden versucht. Ich habe das anhand mehrerer Beispiele zu karikieren versucht; nach der Definition von Professor Ickler ist beispielsweise in dem Satz „Ich liebe dich“ schlicht von nichts die Rede.

Deshalb und aus anderen Gründen habe ich dafür plädiert, zum Beispiel auf Seite 19 nicht auf der regelartigen Formulierung zu beharren: „Im allgemeinen nennen die groß geschriebenen Wörter eines Textes das, wovon in diesem Text die Rede ist.“ Das ist ungefähr so falsch (oder richtig) wie die Feststellung: Im allgemeinen grüßt man diejenigen Menschen höflich, denen man Hochachtung entgegenbringt.

Professor Ickler erläuterte und vor kurzem seinen Ansatz mit den Sätzen „Die Römer eroberten Karthago“, „Die Eroberung Karthagos ...“ (Fortsetzung weiß ich nicht mehr). Wer sagt eigentlich, daß es die Substantivierung von „erobern“ bzw. die Wahl eines zugehörigen Nomens ist, die das eigentliche Mittel ist, das „erobern“ zum Gegenstand seiner Rede zu machen? Ist es nicht vielmehr so, daß zuallererst das „erobern“ stärker in den Mittelpunkt der Rede gerät, wenn es als Subjekt (genauer: im Kern des Subjekts) auftaucht – wobei sich natürlich ein Substantiv als die übliche Konstruktion anbietet?

Denn ich kann doch wohl genauso sagen (häufige Konstruktion, nur nicht so häufig wie mit Substantiv): Den Umsatz innerhalb eines Jahres zu verdoppeln war eine grandiose Leistung. Oder: Allein arbeiten macht mir überhaupt keinen Spaß. Ist hier nicht „verdoppeln“ bzw. „arbeiten“ in ganz plausibler Weise Gegenstand der Rede, nämlich als Kern des Subjekts (um den herum sich nähere Angaben gruppieren können)?

Mir scheint deshalb, daß die Qualität des Substantivs, „im allgemeinen“ den Redegegenstand zu verdeutlichen (sage ich lieber statt: sichtbar zu machen), eher daher rührt, daß es sehr häufig als Kern des Subjekts fungiert sowie als Kern der Objekte. Wenn man dem folgt, müßte man weiterfragen, ob es nicht eher die „Nähe zu Eigennamen“ ist, die hier als Futter für die Gleichsetzung des Substantivs mit dem Redegegenstand in Frage kommt. Wohlgemerkt: Nähe, nicht Gleichrangigkeit!

Denn während Eigennamen normalerweise keine sonstigen Wörter brauchen, um die Rolle des Subjekts oder eines Objekts zu spielen, ist das bei Substantiven anders. So hätte ich in dem vorigen Beispieltext statt "älterer Bruder“ vielleicht Jürgen sagen können und statt „jüngerer Bruder“ vielleicht Markus. Damit sich grammatisch ein Subjekt ergibt, war noch der Artikel notwendig, und damit die Kategorie „wovon die Rede ist“ ihren vertrauten semantischen Bereich nicht zu verlassen braucht, ist auch jeweils das Adjektiv ein notwendiger Bestandteil des Subjekts.

Vergleiche: Lionel Jospin traf Tony Blair. Oder: Der französische Premierminister traf den britischen Premierminister. Nach Professor Icklers Darstellung ist hier im zweiten Fall mehrfach die Rede von „Premierminister“. Nach normalem Verständnis ist hier jedoch die Rede vom französischen und vom britischen Premierminister (sowie in zweiter Linie von ihrer Begegnung).

All solche Verwicklungen und Einwände könnte man meines Erachtens vermeiden, wenn man den Aspekt „Redegegenstand“ nicht als Motiv der Großschreibung auf Regelebene darstellt (oder dieses Mißverständnis nahelegt), sondern diesen Aspekt als den Sinn der Substantivgroßschreibung darstellt – nicht mehr und nicht weniger.

Schließlich möchte ich Herrn Fleischhauer zustimmen: Auch ich meine, daß die verschiedenen Aspekte des Substantivs normalerweise zusammenwirken, so daß sich insgesamt ein sehr starkes Motiv ergibt, sie groß zu schreiben: Nähe zu Eigennamen, „Geschöpflichkeit“, Artikelfähigkeit, geeigneter Kern von Subjekt und Objekt – und oft auch Redegegenstand (oder vielleicht noch besser: Kern des Redegegenstandes; man beachte die einleitende Formulierung von Professor Ickler auf Seite 44: „Durch die Großschreibung in Substantivgruppen ...“!). Ich finde es allerdings unzutreffend, das Großgeschriebene und den Redegegenstand annähernd gleichzusetzen, wie es nach meinem Verständnis Professor Ickler in seiner Darstellung unternommen hat.

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Stephan Fleischhauer
28.02.2001 11.36
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Lieber Herr Wrase,
ich habe den Unterschied, den Sie zwischen „Sinn“ und „Regel“ machen, noch nicht verstanden. Es kommt doch am Ende alles aufs gGleiche heraus: Je mhr Gesetzmäßigkeiten, desto mehr Sinn.
Der ganze Übergangsbereich der GKS (dazu gehört ja auch „heute abend“ und „in bezug auf“) ist schwer zu fassen. Es gibt eben keine Regel – zumindest keine trennscharfe. „Wovon die Rede ist“ – was hier gemeint ist, kann man kaum klar definieren (es gibt ja auch keine genaue Entsprechung in der mündlichen Rede), und doch trifft es genauer (und vor allem richtiger) als das bereits grammatisch definierte Substantiv.
Noch etwas: Die Unterregeln von § 15 kann man als prototypisch verstehen. Etwas ähnliches soll wohl auch die Formulierung "... machen das Substantiv zur bevorzugt groß geschriebenen Wortart“ ausdrücken.[Geändert durch Stephan Fleischhauer am 01.03.2001, 14:33]

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Wolfgang Wrase
27.02.2001 17.01
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Redegegenstand

In der Formulierung „im einzelnen“ ist ja gerade nicht ein pronominales „einige“, „wenige“ verborgen, sondern dasselbe, was bei der Substantivierung „der Einzelne“ (das Individuum, der Vereinzelte o. ä.) vorliegt: „im einzelnen“ bedeutet nichts anderes als „im Detail“, das Einzelne ist hier das Detail, die Einzelheit. Auch in der Formulierung „im Detail“ liegt eine phraseologische Verbindung vor – wiederum ist es genau dasselbe wie „im einzelnen“. Der einzige Unterschied ist, daß das „einzelne“ ursprünglich kein Substantiv ist, sondern zunächst ein Adjektiv, das auch pronominal verwendet werden kann. Nur in diesem Übergangsbereich gibt es die Differenzierung, daß trotz formaler Substantivierung (Artikel, in diesem Fall auch Präposition) keine Großschreibung eintritt. Hingegen ist Detail, wie Sie es ausdrücken, sehr geehrter Herr Professor Ickler, ein Detail (das heißt ein Substantiv): Da könne man nichts machen. Was heißt das eigentlich?

Eben das will ich ja sagen: Originale Substantive werden praktisch immer groß geschrieben, auch dann, wenn sie phraseologisch in einem adverbialen Ausdruck gebunden sind – obwohl hier eben keine Spur mehr Redegegenstand vorliegt als bei substantivierten Adjektiven. Eben das will ich sagen: daß der „Aspekt“ Redegegenstand nur ein Aspekt des typischen (und typisch verwendeten) Substantivs ist, neben den anderen, bekannteren, anschaulicheren Aspekten, die hier bereits mit den Annäherungen „Dinglichkeit“ (sinnliche Wahrnehmbarkeit, schlägt zuletzt Norbert Schäbler vor, ein wenig zu eng gefaßt, weil Abstrakta kaum sinnlich wahrnehmbar sind), „Personenhaftigkeit“, „Geschöpflichkeit“, „typischer Kern von Subjekt und Objekt“, „artikelfähig“ angeklungen sind.

Ich präzisiere nochmals: Der Aspekt des Redegegenstandes ist wesentlich dafür, den Sinn der Substantivgroßschreibung zu erklären, dafür ist er gut und sinnvoll; aber man sollte den Sinn einer Regel nicht mit der Regel selbst verwechseln, bzw. man sollte nicht unbedingt eine Darstellung wählen, die ein solches Verständnis nahelegt.

Konkret: Auf Seite 44 heißt es einleitend: „Durch die Großschreibung in Substantivgruppen wird sichtbar gemacht, wovon in einem Text die Rede ist.“ Das ist nach meinem Eindruck ein wenig zu absolut formuliert – der Leser kann unmöglich ahnen, daß es sich hier nur um einen Aspekt der Großschreibung handeln soll, um einen Befund bei grober Abrundung der Ausnahmen und Zweifelsfälle. Eine unverfängliche Formulierung wäre m. E. zum Beispiel: Durch die Großschreibung von Substantiven verschafft man dem Leser einen schnellen Überblick darüber, wovon in dem Text die Rede ist.

Weiter heißt es darunter: Dies und die Nähe zu Eigennamen machen das Substantiv zur bevorzugt groß geschriebenen Wortart. Indem man vom Redegegenstand ausgeht, scheint man sich hier eine unnötig vage Umschreibung der Substantivgroßschreibung einzuhandeln: So elegant die Formulierung ist – was bedeutet sie? Daß Substantive bevorzugt (= meist) groß geschrieben werden? Daß es bevorzugt (= vor allem) Substantive sind, die groß geschrieben werden? Bedeutet das, daß Substantive nur dann groß geschrieben werden, wenn sie die Bedingung „Redegegenstand“ erfüllen? Oder wann dennoch klein? Oder wann wird sonstiges groß geschrieben?

Natürlich ist der Sinn einer Regel dieser Regel in gewissem Sinn vorgeschaltet, ist ihr übergeordnet. Andererseits bleibe ich dabei: Eine Regel hat oft einen größeren Geltungsbereich als den, wo der Sinn unmittelbar erfüllt wird. Ich habe das mit Hilfe des Vergleiches mit dem Rechtsfahren (auch wenn gerade kein Gegenverkehr da ist!) zu erklären versucht. Wenn man dies ernst nimmt, ist die Regel „Substantivgroßschreibung“ eben doch stärker, genauer, überdies auch praktischer und anschaulicher als ihr Motiv „Redegegenstand kennzeichnen“.

Für heute muß ich hier abbrechen.

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Walter Lachenmann
27.02.2001 08.53
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Visite erbeten!

Lieber Herr Oberarzt!

schön, daß Sie wieder da sind! Wir haben uns schon Sorgen gemacht um Ihre Laufbahn und um Ihre Straßenlage. Eine kleine Bitte:

Wenn Sie es mal einrichten könnten, hätten wir ein knifflige semantisch-grammatologisch-linguistisch-hermeneutische Frage in der Kinderabteilung, im Gästetrakt, gleich neben der Mädchendusche finden Sie uns.

Bitte, bitte, bitte, kommen Sie. Wir kriegen den Test nicht hin ohne Sie!
__________________
Walter Lachenmann

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Theodor Ickler
27.02.2001 08.01
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Liebe Freunde, ein paar Tage verreist gewesen seiend, möchte ich mich ergebenst zurückmelden. Eine Bitte: Meine These über Redegegenstände usw. sollte nicht mit algebraischer Exaktheit daherkommen und will folglich auch nicht so gedeutet werden. Ich bin weiterhin überzeugt, daß ich einen wesentlichen Punkt getroffen habe, der freilich noch genauer gefaßt werden müßte (wer's vermöchte!). Es ist ein nützlicher Hinweis, und es ist einer, der dem Wortart-Problem vorgeordnet ist.
Und nun noch dies, lieber Herr Wrase: Ein Detail ist ein Detail, da kann man nichts machen. Aber zwischen dem „Einzelnen“, von dem die Rede ist, und dem „einzelnen“, das (genau wie das „allgemeine“) phraseologisch gebunden und folglich nicht redegegenständlich ist, gibt es einen Unterschied, den man intuitiv durch die unterschiedliche Schreibweise zum Ausdruck gebracht hat. Esgibt auch ein pronominales „elnzeln“ (einzelne protestierten“) im Gegensatz zu einem substantivischen („darum fühlen sich Einzelne (Isolierte) nicht wohl“) usw.
So der Usus, gar nicht schlecht. Natürlich mit Übergangszonen, wie stets.

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Norbert Schäbler
26.02.2001 14.13
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"Fachsimpelei" hilft Allroundern wenig

Lesen kann ich, schreiben kann ich.
Beides lehre ich auch – so gut es geht – und ich freue mich immer an und über Neuerungen, die das Lehren erleichtern.

Der textlinguistische Ansatz von Professor Ickler ist irgendwo richtig, denn mit der Aufspürmethode „Wovon die Rede ist“ kann man ja auch durchaus die Substantive in einem Text allesamt entdecken. Man kann auch nachträglich substantivieren oder desubstantivieren, falls dem Schreiber Fehler unterlaufen sein sollten.
Jedoch der textlinguistische Ansatz ist per se leselastig, und ich muß, in Abwandlung der Frage bzgl. Ei und Küken, um Aufschluß bitten: „Wer kommt zuerst? Der Schreiber – oder der Text?“

Die ganze philosophische, professorale und höchstwissenschaftliche Abhandlung bringt mir für die Praxis nicht die Bohne, denn ich habe in der Schule parallel – und das ist tatsächlich ein einträchtiges Nebeneinander – sowohl den Schreib- als auch den Leselernprozeß in Gang zu bringen und zu halten – und dies möglichst in einer Form, daß sich weder auf der einen, noch auf der anderen Seite schwerwiegende Fehler einprägen.
Was soll ich beispielsweise einem Erstkläßler sagen, der noch nicht einmal das ganze Alphabet beherrscht und mich des Morgens nicht nur mit Bilderchen sondern mit seine Prosa beschenken will? Soll ich ihm sagen: Lerne erst lesen, dann lernst du auch schreiben?
Das wäre doch weltfremd! Das wäre doch ein Unterbinden jeglicher Kreativität!

Es muß doch – genauso wie es eine textlinguistische Heilslehre gibt – ebenso eine schreibtechnische Arbeitshypothese geben.
Jedoch, ich habe das Gefühl, daß sich die je unterschiedlichen Forschungsebenen allmählich zu Geheimwissenschaften entwickeln, daß eine jede sich selbst glorifiziert, daß die eine der anderen das Wasser abgräbt, weil sie selbst obsiegen will.
Da gibt es Anhänger des gesprochenen, des gelesenen, des geschriebenen und des zu schreibenden Wortes!

Was soll das? Sind das nicht völlig verschiedene Vorgänge? Gibt es nicht auf jeder Ebene fachspezifische Erkenntnisse – wahre Trümpfe für die zu lehrende Meinung? Kann man andererseits diesen Arbeitsergebnissen das Recht zusprechen, das Wissen der je anderen Fakultät zu schmälern?
Offensichtlich ja! Das unleidige Kapitel Rechtschreibreform hat dies offenbart. Die RSR hat mich endgültig daran zweifeln lassen, daß wissenschaftliche Erkenntnisse ausgetauscht und abgestimmt werden.
Meine Erklärungen: Futterneid und Größenwahnsinn!

Eine Frage will ich noch wiederholen, die seither unbeantwortet blieb:
Ist es eine Arbeitsgrundlage für den Schreibenden – bitte hier den Focus richtig einstellen – wenn ich ihm empfehle, daß er alles sinnlich Wahrnehmbare groß schreiben möge?


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nos

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Wolfgang Wrase
26.02.2001 12.20
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Die letzten Beiträge beseitigen nicht die Einwände, die es gegen die Erhebung der Redegegenständlichkeit zum entscheidenden Kriterium der Großschreibung gibt. Man beachte ein einziges Beispiel wie das zuletzt aufgeführte „im Detail“, aber „im einzelnen“. Da hilft es auch nicht weiter, wenn man von der Sprach-Kamera spricht.

Wenn Herr Fleischhauer sein Verständnis so zusammenfaßt: „Redegegenstand ist, was man groß schreibt“, so dreht er damit gerade die angeblich so wertvolle Definition von Professor Ickler um. Dieser hatte definiert: „Redegegenstand ist das, wovon die Rede ist“, und dann die Großschreibung daran aufgehängt. Das Verständnis von Herrn Fleischhauer entspricht der Gefahr des Zirkelschlusses, die ich ebenfalls schon angesprochen habe. Wenn man die Behauptung ernst nähme, daß man das groß schreibt, wovon man reden will oder worauf sich die Kamera des Leserauges richten soll, und wenn man immerhin schon von einer Vorahnung „Es ist mit Redegegenstand sowieso etwas Substantivartiges gemeint“ ausgeht, dann würde daraus zum Beispiel folgen: Wer bisher schrieb „im Detail“, der wollte vom Detail reden und dies dem Leser verdeutlichen; wer bisher schrieb „im einzelnen“, der wollte nicht vom Einzelnen reden. Das ist m. E. absurd. Ich wäre interessiert daran, ob man meiner Vorstellung von Regeln, die sich von ihrem unmittelbaren Zweck „emanzipieren“ können, etwas abgewinnen kann.

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s.stirnemann
24.02.2001 16.03
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Für „das,wovon die Rede ist“ bzw. „was es gibt“ schlage ich als Bild vor: „das, worauf die Sprach-Kamera gerichtet ist.“
Das Bild finde ich beim Aargauer Schriftsteller Hermann Burger; es stammt aber nicht von ihm. – Andere Angaben im Satz helfen beim Richten der Kamera, regeln die Lautstärke und Bildschärfe usf.
__________________
stefan stirnemann
Tigerbergstr.10
9000 St. Gallen

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Stephan Fleischhauer
14.02.2001 11.21
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Vielleicht gibt es bei allen Definationsversuchen irgendwann einen Punkt, von dem an man sich im Kreis dreht. Ich verstehe das mit den Redegegenstaenden so: Redegegenstaende sind das, was man gross schreibt. (Nein, ich wurde nicht bekehrt – unser Uni-Rechenzentrun hat nur Ami-Tastaturen.)

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Wolfgang Wrase
13.02.2001 17.11
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Bitte kein gewaltsames Mißverstehen!

Sehr geehrter Herr Professor;

Sie tun immer noch so, als ob ich den Gesichtspunkt der Redegegenständlichkeit zugunsten einer sturen Regel „Substantiv“ tilgen wolle. Das habe ich nicht gesagt, kruzitürken! Ich habe mehrmals deutlich von „etwas herabstufen“ gesprochen oder formuliert "... dann den Sinn der Großschreibung erläutern ...“. So kommen wir nicht weiter, wenn ich falsch zitiert oder verstanden werde.

Ich werfe hier noch ein weiteres Beispiel in die Diskussion: Warum schreibt man immer „im Detail“, aber „im einzelnen“? Es ist überhaupt nicht einzusehen, daß im ersteren Fall vom Detail „die Rede“ sein soll, im zweiten Fall aber nicht vom „Einzelnen“, denn das ist schlicht dasselbe. Hier scheint es mir zur Evidenz erwiesen, daß als konkretes Motiv für die GKS das Kriterium „Substantiv“ stärker ist als das Kriterium „Redegegenstand“; einer von verschiedenen Gründen, warum ich für eine zurückhaltendere Präsentation des Aspekts „Redegegenstand“ plädiert habe.

Ich sehe es so, daß sich die Substantiv-GKS von ihrem Sinn „emanzipiert“ hat, was wiederum sehr sinnvoll ist. Man schreibt originale Substantive (in aller Regel) groß, auch wenn sie nicht immer als (typischer) Redegegenstand fungieren. Es wäre ja auch unglaublich mühsam, wenn man sich immer überlegen müßte oder herausspüren wollte, ob ein Wort nun Gegenstand der sprudelnden Rede sein soll oder nicht; viel einfacher ist das Gespür für das Substantiv, weil dort noch andere Merkmale eine Rolle spielen, also eine viel bessere Orientierung erlauben: die „Dinglichkeit“, „Geschöpflichkeit“, ja Personenhaftigkeit der Substantive, die man intuitiv sehr gut erfühlt. Die Funktion der Substantiv-GKS wird auch dann erfüllt – wie schon bemerkt, aber von Professor Ickler bisher nicht rezipiert –, wenn Substantive überwiegend (aber kaum „annähernd immer“) etwas mit dem Redegegenstand zu tun haben. (Man kann sich nämlich noch zusätzlich fragen, ob nicht eher vom Subjekt und vom Objekt die Rede ist als von deren üblichem substantivischem Kern). Dazu in einem späteren Beitrag mehr; diese Frage bahnt sich ja in der Diskussion bereits an.

Ein Vergleich: Man fährt nicht in der Mitte der Straße, sondern auf einer Seite (hierzulande konventionell auf der rechten), was den einleuchtenden Sinn hat, daß man mit dem Gegenverkehr nicht zusammenstößt und sein Leben verliert, nebst Blechschaden etc. Diese Regel „rechts fahren“ ist insoweit von ihrem Sinn emanzipiert, als man praktisch immer rechts fährt, obwohl man in der Mitte der Straße fahren könnte, wenn kein Gegenverkehr da ist. Das wäre aber viel zu mühsam und würde auch das richtige, sinnvolle Verhalten im entscheidenden Moment mangels Einübung und Gewohnheit gefährden. Daher fährt man eben (fast immer, grundsätzlich) rechts. Und: Das ist eben auch viel leichter als die dahinterliegende, sinnbezogene Regel „Auf der Seite fahren, wenn Gegenverkehr das erfordert“!

So ist das auch mit dem Substantiv – meiner Meinung nach. Man schreibt es groß, grundsätzlich, obwohl in den Formulierungen „in Kürze“, „im Prinzip“, „im Detail“ nun wirklich nicht mehr Redegegenständlichkeit vorliegt wie bei klein geschriebenem „im allgemeinen“ etc. Also eine ganze Reihe von Gründen, warum man meiner Meinung nach bei der GKS das Substantiv jedenfalls auf Regelebene in den Vordergrund stellen sollte. Und bitte, Herr Professor Ickler, sagen Sie jetzt bitte nicht, es sei leider nicht sinnvoll, von einer „sinnlosen“ Regel auszugehen ...

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Stephan Fleischhauer
12.02.2001 18.45
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Lieber Herr Melsa,
Sie geben Wasser auf Icklers Mühle. Die „Zweckrolle“ (Ihre Entsprechung zu Icklers Redegegenständen) ist das Entscheidende. Ich verstehe auch nicht, warum jemand, „der in einem bestimmten Fall zweifelt“, nicht im Wörterverzeichnis, sondern in den Regeln nachschlagen sollte. Wer sich mit diesen beschäftigt, sucht wohl eher allgemeine Auskünfte, und genau darum ist Icklers Darstellung goldrichtig. Daß sie trotzdem nicht gleich einleuchtet, liegt wohl tatsächlich an ihrer Knappheit.

Ach ja: Was ist eigentlich mit der Überschrift von § 15?

Da war doch noch etwas: Warum irren Grammatiker, die das Substantiv als Kern einer Nominalgruppe betrachten?

Hallo, Mädchenfüralles!
Muß das da sein, wenn noch keiner geantwortet hat?: [Geändert durch Stephan Fleischhauer am 13.02.2001, 22.22]

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Theodor Ickler
12.02.2001 07.32
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Substantive, Dinge und Abstrakta

Das Problem bei der semantischen Bestimmung der Substantive sind die Abstraktbildungen. Ich darf hier vielleicht an die klassische Abhandlung von Walter Porzig erinnern. Er faßt die Abstrakta als „Namen für Satzinhalte“ auf. Gemeint ist folgendes (sein eigenes Beispiel): „Die Römer eroberten Karthago.“ Die Aussage wird in einem weiteren Satz zum Gegenstand einer neuen Aussage: „Die Eroberung Karthagos ...usw.“ Man sieht ohne weitere Erklärung, wie es funktioniert. Natürlich wird der Vorgang nicht zu einem Ding im ontologischen Sinne, das Verfahren bleibt vielmehr ein rein sprachliches. Daher meine Bevorzugung der Textlinguistik (Bezug auf eine reine Technik des Sprechens) gegenüber der anspruchsvollen, aber problematischen Ontologie.
Man könnte sagen, daß der erste Satz von den Römern und von Karthago handelt, und zwar sagt er eine bestimmte Beziehung zwischen ihnen aus. Der zweite Satz handelt dann von dieser Beziehung. Man müßte vielleicht, um das Befremdliche dieser These zu mildern, eine Doppelfrage stellen: Wovon handelt der Text und was sagt er darüber aus? Allerdings habe ich jetzt den Text und den Satz austauschbar behandelt, was sicher nicht richtig ist. Man muß beachten, daß der erste Satz immer in einem Kontext steht und daß die Betrachtungsweise, die ich hier vorgeschlagen habe, nicht auf das Konstrukt „isolierter Satz“ anwendbar ist.
__________________
Th. Ickler

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Christian Melsa
11.02.2001 20.10
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Ich denke schon, daß es bei der Großschreibung in erster Linie um eine Wortartenkennzeichnung geht, insoweit, als daß sich das in den allermeisten Fällen mit der textlinguistischen Markierung deckt. Deswegen könnte man von dieser Grundregel (Substantive schreibt man groß) zunächst einmal ausgehen. Das ist natürlich noch nicht alles, es kommen noch die Ausnahmen und Ergänzungen hinzu. Aber hauptsächlich werden eben die Hauptwörter groß geschrieben. Warum ausgerechnet die, aus welchem Sinn? Warum nicht die Präpositionen? Nun, die verschiedenen Wortarten übernehmen ja auch verschiedene Zweckrollen in der Sprache, die sind halt nicht einfach so beliebig austauschbar. Da die Substantive, wie ich bereits ausführte, die Elemente eines Satzes sind, zwischen denen Aktionen und Relationen stattfinden, die direkt genannten Objekte und Subjekte eines Satzes (im Unterschied zu den indirekt genannten als Pronomen), bieten sie sich zu einer gesonderten Markierung an. Die Dinglichkeit spielt dabei die begründende Rolle, und die ist nicht ganz mit der Tatsache gleichzusetzen, daß es sich um Substantive handelt. Denn wohl kann man bei einer Blume, einer Person, einer Idee usw. von dinglichen Begriffen sprechen, aber in Wendungen wie „im allgemeinen“, „im stillen“ usw. ist ja gerade nicht von Dingen die Rede, sondern von Eigenschaften, obwohl formal Substantive vorliegen; bei „in bezug auf“ von einem Verhältnis. Diese Formeln sind Wortgruppen mit einer Funktion wie „sozusagen“ oder „sogenannt“, wo die ehemals getrennten Wörter bereits verschmolzen sind, da es sich ohnehin um immergleiche [sic] Ausdrücke handelt, so daß man sie auch als ein geschlossenes Ganzes, als praktikables Makro handhaben kann. Bei z.B. „gleichenteils“ ist auch ein Substantiv enthalten. Motivation zur Kleinschreibung in adverbialen oder präpositionalen Wortgruppen ist immer dann vorhanden, wenn sich ein einwortiges Synonym denken läßt; ein weiterer Faktor wäre eine als wünschenswert naheliegende Unterscheidungsschreibung zu als solchen gemeinten Dingen, die mit demselben Substantiv bezeichnet sind. Das mag als Hilfestellung einigermaßen dienlich sein, wenn der Schreibende in einem bestimmten Fall zweifelt und nicht extra im Wörterverzeichnis nachschlagen will. Bei „in Kürze“ kann man etwa ein „kürzlich“ als Synonym heranziehen, aber mir fällt keine Situation ein, in der in dieser Wendung von einer dinglichen „Kürze“ die Rede sein sollte, ohne daß man dann auch einen Artikel benutzen würde.

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Theodor Ickler
11.02.2001 05.18
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Lieber Herr Wrase,
ich mache Ihnen ja keinen Vorwurf. In der Hauptsache geht es um eine Abwägung. Ausnahmen müssen auf jeden Fall erklärt oder konstatiert werden, und das nicht zu knapp. Bei mir sind es Übergangserscheinungen, wegen der Überlappung zweier Tendenzen in der geschichtlichen Entwicklung. Meine Hierarchie macht deutlich, daß die GKS grundsätzlich sinnvoll ist, während sie bei einer wortartbezogenen Darstellung zunächst einmal nicht sinnvoll, sondern rein konventionell ist. Bei einer im strengen Sinnen sinn-losen Regel sind auch die Ausnahmen sinnlos. Kein Wunder, daß die Reformer hier leichtes Spiel zu haben glaubten. Eine Wortart um ihrer selbst willen auszuzeichnen hat keinen Sinn. Warum schreibt man nicht die Präpositionen groß und alles andere klein? Nach den Voraussetzungen der reinen Konventionalität wäre das denkbar. Es kommt aber nicht vor. Ich sehe nicht, wie man das ohne meinen Ansatz erklären kann.
Bei Pronomina steht das Benannte entweder om Vortext oder ist in der Situation anwesend, so daß es in jedem Falle nur durch Verweis (Anaphora oder Deixis) in das Gespräch eingebracht wird und nicht durch das besondere semiotische Verfahren der Benennung. Dies könnte man sicher noch etwas deutlicher machen, und vielleicht verbreitet sich ja die Kenntnis semiotischer Grundlagen auch noch durch einen weniger stümperhaften Schulunterricht. Sprache könnte dann wieder interessant werden, auch für unsere Popkids.
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Th. Ickler

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