Blowing in the wind
... oder auch:
Vom fruchtbaren Lacher
Ganz früher, als ich das Wörterbuch noch nicht richtig lesen konnte und das Kleingedruckte als unwesentlich wahrnahm, habe ich immer „bischen“ statt „bißchen“ geschrieben, wobei ich heute weiß, daß bischen (... du bischst) etwas mit dem Wiegen und Beruhigen von Kleinkindern zu tun hat.
Früher – in der Kennenlernphase – habe ich auch immer das englische Wort „wind“ „weind“ ausgesprochen, weil ich übergeneralisierte und das englische I immer als „Ei“ aussprach.
Ich könnte noch mehr Fehler aufzählen, z.B. den, der mir immer bei den Wortzusammensetzungen passierte. Las ich z.B. das Wort „ausschlaggebend“, dann klang das Mittelteil des Wortes so ähnlich wie „Schlacke“.
Das mit der Rechtschreibreform macht mich übrigens ganz meschugge, vor allem, weil die meinen, daß alle Menschen so blöd seien wie ich in meinen Jugendjahren.
Die unterstellen zum Beispiel, daß es demjenigen, der Deutsch als Fremdsprache erlernt, nicht möglich sei, den Signalbuchstaben „ß“ mitsamt seinem Vorgänger-, Vorvorgänger-, Nachfolge- und Nachnachfolgebuchstaben zu intonieren. Die meinen, daß jemand, der die Worte „Fuß“ und „Fluß“ textlich vorfindet, nie und nimmer auf die Idee käme, die Worte in unterschiedlicher Art und Weise auszusprechen, (wobei sie ja auch rechthaben, was den sprachverpfuschten bajuwarischen Volksstamm angeht. „Uhrbajuwaren“ sprechen beides tatsächlich „gleichtemperiert“ aus: „Fussball, Flussende, Masskrug, Massarbeit ...“).
Aber nun mal Scherz beiseite (bei Seite/auf welche Seite auch immer):
Früher – zu meiner Zeit – war es so, daß man in der Schule noch laut vorgelesen hat, daß man darüber hinaus englische Popmusik hörte, die einen in die Aussprache der Fremdwörter einführte. Beim Hören des Evergreens „Blowing in the wind“ habe ich mir beispielsweise meinen „Ei-Tick“ abgewöhnt, und als ich erstmals beim Vorlesen „bi-schen“ nuschelte, habe ich einen fruchtbaren Lacher geerntet.
Sicher bin ich dabei rot geworden, aber von da ab wußte ich, daß das, was ich als „wenig“ verstand, mit „ß“ (bißchen) zu schreiben war.
Und nun ganz ernst:
Unsere Rechtschreibapostel haben keine Ahnung von Schulwirklichkeit, Pädagogik und Didaktik. Sie gehen von einem ständigen Leistungsverfall bzw. von durchgehender Leistungsverweigerung aus und schweben auf der Wolke der Wattebauscherziehung.
Leistungsüberprüfung ist ihnen verhaßt, lautes Vorlesen – per se ein außerordentlich wertvolles Korrektiv für Sinnerfassung und Rechtschreibfähigkeit – darf nicht passieren, da es Scham- und Minderwertigkeitsgefühle auslösen könnte.
Apropos Scham (ironische Nachbetrachtung):
Ich wundere mich n i c h t, daß sich diese Versager mit derartigem Gedankenwust in die Öffentlichkeit getrauen, denn sie stehen unter staatlichem Schutz. Lachen über die Fehlkonstruktionen ist zumindest „zurzeit“ gesetzlich verboten.
Man müßte das Lachen befreien – zumindest das fruchtbare!
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nos
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