Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Forum - War die alte Rechtschreibung besser?
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Forum > Beispielsammlung über Sinn und Unsinn
War die alte Rechtschreibung besser?
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Martin Reimers
01.06.2004 14.30
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reaktionär

Das Wort „reaktionär“ ist vor allem eines – ein wunderbares Schimpfwort. Es zischt und kracht, wie es sich für ein anständiges Schimpfwort gehört, besonders mit der Erweiterung „erz-". Im Sinne des ästhetischen Strukturalismus könnte man sagen, es hat seine Stärken vor allem auf der indexikalischen Ebene. Mit seinem Bedeutungsgehalt ist es hingegen nicht weit her. Worin soll denn die „Aktion“ bestehen, die die Verwendung des Wortes, wie gestur treffend sagt, voraussetzt? Die Weltrevolution? Der allgemeine Fortschritt der Menschheit? Die Agenda 2000?

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Martin Reimers

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Theodor Ickler
01.06.2004 14.23
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sogenannt

Die Getrenntschreibung so genannt ergab sich für die Reformer selbst überraschend aus den neuen Regeln. Im Wörterverzeichnis von 1995 ist noch Zusammenschreibung vorgesehen.
Durch die Getrenntschreibung wird in der Tat zu verstehen gegeben, daß es das Wort sogenannt nicht mehr gibt. In einigen neuen Wörterbüchern ist es nicht mehr auffindbar.

Bisher gab es die Möglichkeit zu unterscheiden: die sogenannte Rechtschreibreform und die von manchen so genannte Rechtschreibreform. Diesen Unterschied kann man in anderen großen Sprachen leicht ausdrücken, im Deutschen nicht mehr. Ich verstehe nicht, wie man ausgerechnet diese Dummheit verteidigen kann, während man die vergleichsweise harmlose Eindeutschung Orthografie ablehnt
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Th. Ickler

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gestur
01.06.2004 14.09
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nicht "reaktionär", sondern "restaurativ"

„reaktionär“ ist eine Handlung ,die als Reaktion auf ein vorhergegangenes Ereignis ausgeführt wird. Das trifft hier nicht zu. Höchstens bei der neuen Getrennt- und Zusammenschreibung als Reaktion auf die bisherige Sprachentwicklungstendenz zur Univerbierung und zur Bedeutungsunterscheidung durch Getrennt- und Zusammenschreibung.
„restaurativ“ nenne ich eine Handlung, die einen früheren Zustand wiederherstellt. Das ist hier der Fall.

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Christian Melsa
01.06.2004 13.52
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Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Florian Agreiter
Kurz nach dieser Passage stieß ich auf das Adjektiv „meßbar“. In diesem Fall hilft mir die Regel, dass am Silbenende vor „t“ ein „ß“ kommt, nicht weiter. Die Regel, dass nach kurzem Vokal ein „ss“ kommt, hilft mir hingegen weiter: Es heißt „messbar“.


Das ß in meßbar steht doch offensichtlich am Ende der Silbe meß, oder etwa nicht?

Die Faustregel lautet: „Am Silbenende und vor t ß, ansonsten ss.“ (nicht: „Am Silbenende vor t ß, ansonsten ss.“)

Zitat:
Der Nichtmuttersprachler hat in diesem Fall sogar den Vorteil, sofort erkennen zu können, dass „die Maße“ (Plural von „Maß“) mit langem „a“, „die Masse“ hingegen mit kurzem „a“ gesprochen wird.


Ein gutes Beispiel dafür, daß die Behauptung, durch die „neue“ ss/ß-Regel der Reform würde die Stammschreibung gestärkt, Unsinn ist. Denn Maße schreibt sich nach wie vor mit ß, während messen plötzlich mit ss geschrieben wird.

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Christian Melsa
01.06.2004 13.42
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Re: Konservativ

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von gestur
Die neue Rechtschreibung ist konservativ, weil die „Reform“ als tatsächlich wörtlich zu übersetzende „Rückformung“ die Sprachentwicklung um etwa 200 Jahre zurückdreht

Dafür wäre „reaktionär“ die richtige Bezeichnung. Konservativ bedeutet bewahrend. Eigentlich. Die Etiketten, die sich die Parteien in der Politik anheften, stimmen allerdings natürlich öfter nicht ganz mit dem tatsächlichen Inhalt überein.

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Florian Agreiter
01.06.2004 13.02
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Das Essay „Die Rechtschreibreform und einige ihrer Argumente“ ist in der Tat interessant.
Es ist aber ebenso mit Vorsicht zu genießen, da die Argumentation in manchen Fällen nur scheinbar oder nur teilweise logisch ist. Dies will ich anhand einiger Beispiele aufzeigen.

Zitat:
In den Äußerungen der Reformer gibt es die immer wiederkehrende Gestalt des konservativen, nicht zum Umlernen bereiten Reformgegners, zusammen mit dem Hinweis darauf, daß sich die Sprache schon immer entwickelt, also verändert hat. Letzteres ist für sich genommen natürlich richtig. Unabhängig davon aber, wie ein Beharren auf alten Sprachregeln wirklich zu bewerten ist und inwiefern eine Kritik an geistiger Trägheit gerechtfertigt sein könnte, fällt an diesem Argument auf, daß sich damit jede Reform, selbst eine bewußt untauglich gestaltete, rechtfertigen ließe.

Es ist wohl wahr, dass dieses Argument bei jeder Rechtschreibreform eingesetzt werden könnte; rechtfertigen kann und will man die Reform als solche damit aber nicht. – Und nur weil ein Argument in einem anderen Fall absurd wäre, kann man damit die Argumentation für den Spezialfall nicht ad absurdum führen!

Zitat:
Auf allen anderen Gebieten vermittelt die Schule Grundwissen und -fertigkeiten, nie aber den Gesamtumfang der einzelnen Fächer. Wieso das plötzlich für die Beherrschung der Verschriftung der Sprache der Fall sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Die Lernbarkeit in zehn Schuljahren zu postulieren, um die eigenen Ziele zu rechtfertigen, sich noch positiv als Sozialreformer zu positionieren und darüber hinaus auch noch die inhaltliche Kritik pauschal abzuweisen, ist schlechterdings unredlich.

Es ist durchaus möglich, die Verschriftung der deutschen Sprache in zehn Schuljahren zu lehren. Abgesehen von kleineren Feinheiten, dürfe es in praxi sogar möglich sein, einem Schüler die komplette Groß- und Klein- sowie die Getrennt- und Zusammenschreibung in einem oder in zwei Jahren beizubringen, sofern dieser das nötige Interesse mitbringt. Doch statt dies zu tun, vergeudet man zu viel Zeit mit teilweise sinnlosem Stoff. – Während in der Schule die „höhere Mathematik“ gelehrt wird, deren Applikabilität im Alltag sehr gering sein dürfte, ist so mancher Schüler noch nicht einmal in der Lage, eine fehlerfreie Bewerbung zu schreiben. Ist dies nicht eine allgemeine Schieflage in den deutschen Schulsystemen?

Zitat:
Aber selbst die vorgeblich durch die Reform erreichten Vereinfachungen sind zum großen Teil nicht vorhanden oder ziehen neue Probleme nach sich. Ein sachliches Problem der Reformschreibung besteht aus Sicht der Mustererkennung in der Wahrnehmung beim Lesen. Hier sei nur eines von vielen Beispielen genannt. So war in dem kleinen Wörtchen „bißchen“ die Auflösung in die einzelnen Einheiten beim Lesen bisher sofort klar. Im neuen „bisschen“ hingegen sind kognitiv die Auflösungen „bis-schen“ und „biss-chen“ möglich, was hier noch durch die Buchstabenfolge „sch“ aggraviert wird, die den Leser sehr leicht stolpern läßt, da sie als der Trigraph „sch“ gelesen werden kann. Es handelt sich folglich nicht nur um ein ästhetisches Problem. Die reformierte „ss/ß“-Schreibung schafft sehr viele derartige Stolperstellen. Leider haben diese das Lesen stark erschwerenden Aspekte durch die Urheber der Rechtschreibreform keine Würdigung erfahren.

Hierin kann ich nicht wirklich ein Problem erkennen. Es dürfte doch klar sein, dass man bisschen in „biss-chen“ trennt. Der Nichtmuttersprachler erkennt außerdem an dem „ss“, dass das „i“ davor kurz ausgesprochen wird.

Zitat:
Daß diese Unterscheidung aber (also, in vereinfachter Merkblattform: „nach langem Vokal oder Diphthong ß, nach kurzem aber ss“) leichter lernbar sein soll als die alte („am Silbenende und vor t ß, ansonsten ss“) erscheint kaum nachvollziehbar.

Kurz nach dieser Passage stieß ich auf das Adjektiv „meßbar“. In diesem Fall hilft mir die Regel, dass am Silbenende vor „t“ ein „ß“ kommt, nicht weiter. Die Regel, dass nach kurzem Vokal ein „ss“ kommt, hilft mir hingegen weiter: Es heißt „messbar“.
Der Nichtmuttersprachler hat in diesem Fall sogar den Vorteil, sofort erkennen zu können, dass „die Maße“ (Plural von „Maß“) mit langem „a“, „die Masse“ hingegen mit kurzem „a“ gesprochen wird.

Zitat:
Kann es dann sinnvoll sein, die Transkription von griechischstämmigen Wörtern genau so zu verändern, wie sie weder fürs Französische noch fürs Englische erfolgt? (Von wenigen Zufallstreffern wie „Fantasy“ sei einmal abgesehen.) Eines der Beispiele dafür ist die Ersetzung des „ph“ in Wörtern wie „Orthografie“ (engl. „orthography“). Ähnliches gilt, wenngleich weniger eindeutig, für die Zusammen- und Getrenntschreibung im Vergleich mit der „hyphenation“, der Bindestrichsetzung in englischen Wörtern. Als Beispiel möge der Vergleich von „sogenannt“, reformiert „so genannt“, und dem englischen „so-called“ dienen. Letzteres Beispiel wiegt umso schwerer, als daß mit „sogenannt“ ein Wort aus dem deutschen Wortschatz gestrichen werden soll, das unmittelbare Entsprechungen in vielen europäischen Sprachen hat (Englisch, Französisch, Italienisch, Schwedisch, Niederländisch ...).

Die Ersetzung des „ph“ durch „f“ sagt auch mir nicht zu. Für mich heißt es – wie auch in der neuen Rechtschreibung korrekt – immer noch „Orthographie“, „Biographie“ etc. Interessant ist ja, dass diese Ersetzung beim so genannten „Bildungswortschaft“ nicht zulässig ist; es gibt also keine „Filosofie“ – das wäre ja noch schöner ...
Was jedoch in diesem Essay unterschlagen wird: Die spanische Sprache wird heutzutage von mehr Menschen (und vor allem Muttersprachlern) gesprochen als die französische. Im Spanischen (und auch im Italienischen) gibt es die „ortografia“. Ähnlich wie unser „Telefon“, das nun seit langem nicht mehr mit „ph“ geschrieben wird, haben die Italiener ein „telefono“, während die Spanier ein „teléfono“ haben.

Dass man mittlerweile „so genannt“ (wie „so nennen“) schreibt, befürworte ich. Die „hyphenation“ im Englischen unterstreicht diese Modifikation doch geradezu: Im Englischen liegt, wie im Deutschen, die Betonung auf „so“ (so-called, so genannte ... [im Französischen „soi-disant“]). Durch die Getrenntschreibung geht dieses Wort der deutschen Sprache nicht verloren.

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gestur
31.05.2004 22.16
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Konservativ

Die neue Rechtschreibung ist konservativ, weil die „Reform“ als tatsächlich wörtlich zu übersetzende „Rückformung“ die Sprachentwicklung um etwa 200 Jahre zurückdreht und die „Reformer“ als tatsächliche „Zurückentwickler“ die seit dieser Zeit erfolgte Sprachentwicklung zu mehr bedeutungsunterscheidenden Zusammenschreibungen als Fehlentwicklung bezeichnen. Ebenso führen sie die vermehrte Großschreibung adverbialer Ausdrücke wie vor 200 Jahren wieder ein, die das schnelle Lese-Erfassen von Subjekt und Objekt als die beim Vorlesen zu betonenden Satzteile erschwert. Die gleiche Leseerschwerung führen sie durch mehr „ss“ statt "ß" am Silben-Ende wieder ein, die das schnelle Lese-Erfassen von Wortteilen und Bestandteilen von Wortzusammensetzungen erschwert. Die Abschaffung der vielen bedeutungsunterscheidend zusammengeschriebenen Wörter vereinfacht zwar das Schreiben dieser Wörter, erfordert aber dafür zum Bedeutungsunterscheiden zusätzliche erklärende Wörter, also doch mehr Schreibaufwand.

Ich würde dagegen gerne noch viel mehr Verben und Partizipien mit resultativen Verbzusätzen zusammenschreiben, besonders solche mit „machen“. Die Sprachentwicklung geht ja sowieso in diese Richtung zu mehr Univerbierungen. Ich halte mich für modern und die Reformer für veraltet, weil sie die Sprachentwicklung als Fehler ablehnen.

Das war nur die Kurzfassung.

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Christian Melsa
31.05.2004 18.19
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Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Florian Agreiter
Lieber Herr Markner, in orthographischen Dingen bin ich sicherlich keiner Propaganda aufgesessen. Zu Anfang war ich der neuen Rechtschreibung gegenüber skeptisch eingestellt. Schnell merkte ich jedoch, dass dies eher an einem (latenten) Konservatismus liegt, der den meisten innewohnt.
Wenn eine Sache von vielen Leuten aufgrund von Konservatismus abgelehnt wird, heißt das nicht, daß es keine anderen Gründe für die Ablehnung gibt. Davon abgesehen sollte man auch differenziert darüber urteilen, ob Konservatismus in einer bestimmten Angelegenheit unbedingt der falsche Ansatz ist. Bei manchen Sachverhalten ist Konservierung durchaus vorteilhaft. Bei anderen nicht. Das sollte man sachlich betrachten, um nicht oberflächlichen Ideologien zum Opfer zu fallen.
Zitat:
Es mag sein, dass ich mich durch luzid stringente Argumentation überzeugen lasse. In der Vergangenheit war dies allerdings nicht der Fall. In sämtlichen Gesprächen war es – wenn sich überhaupt die Einstellung einer Person geändert hat – so, dass ich den anderen von der neuen Rechtschreibung überzeugen konnte, nie andersherum.

Sicherlich waren die Leute nicht besonders gut informiert. Wenn man die typischen irreführenden Werbephrasen der Reformer und ihrer Nutznießer inhaltlich unverändert weitertransportiert, können sie immer noch ihre beabsichtigte Wirkung entfalten.
Zitat:
Lieber Herr Ickler, Sie mögen Recht haben, dass man ein solches Diktat mit jeder Rechtschreibung anfertigen kann. Die Faktizität zeigt aber, dass die neue Rechtschreibung in der Anwendung einfacher ist, da sie weniger Ausnahmeregelungen und Ausnahmen enthält. Wenn man alte Diktattexte zu Grunde legt und diese in die neue Rechtschreibung schreiben lässt, entstehen i. d. R. weniger Fehler als beim Originaldiktat.

Hier sind Sie nun doch haltlosen Propagandabehauptungen aufgesessen. Mich würden die Untersuchungen interessieren, die die Fehlerreduktion belegt haben sollen. Es gibt da nur eine, die mit einem Diktat durchgeführt wurde, das speziell konstruiert war, um die Reform in möglichst vorteilhaftem Licht erscheinen zu lassen (von einem der Reformer zudem), also gezielt manipuliert, wissenschaftlich unsauber.

Daß sich die Anzahl der Ausnahmen verringert habe, ist ebenfalls so ein unzutreffendes Gerücht. Ich selber weiß genau, daß es nicht stimmt, denn ich habe das höchstpersönlich mit einigem Aufwand überprüft. Es wurde nur immer die Aussage verbreitet, die Anzahl der Regeln habe sich verringert, dabei hat sich nur die Anzahl der Regeladressen (also Paragraphen oder Kennziffern) verringert – der Umfang des Regelwerks hat sogar deutlich zugenommen! Diese Aufteilung führt dazu, daß Grundregeln, die einem Paragraphen entsprechen, erst recht durch lauter Ausnahmeregeln ergänzt werden. Die Realität ist genau das Gegenteil des Scheins, der zur Durchsetzung der Reform erzeugt wurde.

Zitat:
Es zwingt Sie, meine Damen und Herren, niemand, die neue Rechtschreibung zu übernehmen.

Doch, ich bin gezwungen, sie andauernd zu lesen. Das ist schlimm genug. Und die pädagogischen und gesellschaftlichen Effekte dieser antidemokratisch durchgepeitschten Reform sind mir auch nicht egal. Denen bin ich ebenfalls gezwungenermaßen ausgesetzt. Natürlich ist die Rechtschreibreform da noch ein vergleichsweise harmloses Beispiel, wenn man bedenkt, was heutzutage noch alles „Reform“ genannt wird, aber dadurch wird die Rechtschreibreform auch nicht besser oder irgendwie richtig.

Zitat:
Wenn Sie aber schon nicht auf einzelne Fragen eingehen wollen, würde mich zumindest interessieren, wie Sie zur Abschaffung der neuen Rechtschreibung stehen. Halten Sie es tatsächlich für sinnvoll, die alte Rechtschreibung zu retablieren? (Und welche Risiken sehen Sie?)

Der Aufwand der „Retablierung“ ist sehr viel geringer als der, der für den (erfolglosen) Versuch der Etablierung der neuen Rechtschreibung betrieben wurde. Und auch beträchtlich geringer als der, der zur Fortführung des Reformkurses nötig wäre. Die „alte“ Rechtschreibung wird ja immer noch in weiten Kreisen benutzt, selbst für druckfrische Massenpublikationen. Man würde gar nichts Vergangenes zurückholen, indem man die „Reform“ abbricht. Sachlich betrachtet ist vielmehr die Reform ein großer Rückschritt in der Entwicklung. Aber es ist kein irreversibler Rückschritt. Er ist ja, wie gesagt, noch nicht einmal umfassend vollzogen. Die Illusion der Irreversiblität wollen bestimmte Interessengruppen nur gern verbreiten.

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J.-M. Wagner
31.05.2004 15.15
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Argumente

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Florian Agreiter
Es mag sein, dass ich mich durch luzid stringente Argumentation überzeugen lasse. In der Vergangenheit war dies allerdings nicht der Fall. In sämtlichen Gesprächen war es – wenn sich überhaupt die Einstellung einer Person geändert hat – so, dass ich den anderen von der neuen Rechtschreibung überzeugen konnte, nie andersherum.
Willkommen in dieser Runde! Eine Stimme wie die Ihre wird hier nur selten vernommen, deshalb warten Sie ruhig weiter mit Argumenten zugunsten der Reform auf. Und lassen Sie sich nicht von unqualifizierten Zwischenrufen, die es hier leider ab und zu gibt, irritieren. Ich bin Wissenschaftler und ausschließlich an den Argumenten interessiert; ich habe zwar meine Meinung, aber die gründet sich auf Argumente, und letztlich sind die besseren Argumente entscheidend.

Ich weiß nicht, wie weitgehend Sie sich bereits mit dem Umfeld dessen beschäftigt haben, was bei der Rechtschreibung allgemein und speziell bei der 1996er Reform eine Rolle spielt. Schauen Sie sich doch einfach mal das Essay „Die Rechtschreibreform und einige ihrer Argumente“ an; auf Ihre Reaktion darauf und Ihre Einschätzung der dortigen Argumente bin ich gespannt.

Zitat:
Lieber Herr Ickler, Sie mögen Recht haben, dass man ein solches Diktat mit jeder Rechtschreibung anfertigen kann.
Nun denken Sie doch mal bitte darüber nach, ob es wirklich sinnvoll ist, hier „Recht“ zu schreiben und nicht „recht“. Denken Sie dabei ruhig analog zu mancher reformierten GZS-Regel an Erweiterungsmöglichkeiten des Rechthabens. Vergleichen Sie das auch mit anderen Konstruktionen, in denen von „irgendetwas haben“ die Rede ist. Befund?

Zitat:
Die Faktizität zeigt aber, dass die neue Rechtschreibung in der Anwendung einfacher ist, da sie weniger Ausnahmeregelungen und Ausnahmen enthält.
Haben Sie sie gezählt? Und: Wie anwendungsrelevant sind sämtliche Ausnahmeregelungen und Ausnahmen sowohl der reformierten wie der herkömmlichen Rechtschreibung?

Zitat:
Es zwingt Sie, meine Damen und Herren, niemand, die neue Rechtschreibung zu übernehmen.
Darauf kommt es nicht an; es kommt darauf an, daß die Kinder in der Schule die neuen Regeln lernen und anwenden müssen und infolgedessen Grammatikfehler machen müssen. Kennen Sie den „Kritischen Kommentar“ von Herrn Ickler? Schauen Sie mal hinein: http://www.vrs-ev.de/KritKomm.pdf

Zitat:
Wenn Sie aber schon nicht auf einzelne Fragen eingehen wollen, würde mich zumindest interessieren, wie Sie zur Abschaffung der neuen Rechtschreibung stehen. Halten Sie es tatsächlich für sinnvoll, die alte Rechtschreibung zu retablieren? (Und welche Risiken sehen Sie?)
Ja, denn das ist die einfachste und kostensparendste Variante. Kosten werden in jedem Fall entstehen, denn ein Festhalten an der Reform ist mit umfangreichen Nachbesserungen verbunden; ein Teil davon steht jetzt auf der Tagesordnung der KMK, weitere werden folgen. Der Trend der Nachbesserungen ist klar: Wiederzulassung der herkömmlichen Schreibweisen (von ein paar absurden Neuerungen wie etwa bei der Ausweitung der Großschreibung abgesehen). Dann kann man es auch gleich richtig machen.
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Jan-Martin Wagner

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J.-M. Wagner
31.05.2004 14.52
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Abschaffung der neuen Rechtschreibung

Das ist eine sehr gute, weil neutrale Beschreibung dessen, worum es gehen muß: Die neue Rechtschreibung muß abgeschafft werden. Sie muß abgeschafft werden, weil sie keine Rechtschreibreform, sondern eine Sprachreform bewirkt hat. Da eine Sprache durch ihre Grammatik, ihren Wortschatz und die Wortbedeutungen bestimmt wird, darf eine Rechtschreibreform daran nichts ändern. Oder andersherum formuliert: Nur eine solche Reform darf sich Rechtschreibreform nennen, die die Grammatik, den Wortschatz und die Wortbedeutungen einer Sprache nicht verändert. All das aber hat die Reform von 1996 getan – zunächst nur auf die Schriftsprache bezogen, aber inzwischen mit hörbaren Auswirkungen auf die gesprochene Sprache. Je eher die neue Rechtschreibung wieder abgeschafft wird, desto besser. Dies sollte einhergehen mit einer wirklich sinnvollen Korrektur der herkömmlichen Rechtschreibung, damit die psychologische Hürde, die sich vor einem „Zurück zu den alten Verhältnissen“ aufrichtet, umgangen werden kann.
__________________
Jan-Martin Wagner

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Florian Agreiter
31.05.2004 14.29
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Lieber Herr Markner, in orthographischen Dingen bin ich sicherlich keiner Propaganda aufgesessen. Zu Anfang war ich der neuen Rechtschreibung gegenüber skeptisch eingestellt. Schnell merkte ich jedoch, dass dies eher an einem (latenten) Konservatismus liegt, der den meisten innewohnt.

Es mag sein, dass ich mich durch luzid stringente Argumentation überzeugen lasse. In der Vergangenheit war dies allerdings nicht der Fall. In sämtlichen Gesprächen war es – wenn sich überhaupt die Einstellung einer Person geändert hat – so, dass ich den anderen von der neuen Rechtschreibung überzeugen konnte, nie andersherum.

Lieber Herr Ickler, Sie mögen Recht haben, dass man ein solches Diktat mit jeder Rechtschreibung anfertigen kann. Die Faktizität zeigt aber, dass die neue Rechtschreibung in der Anwendung einfacher ist, da sie weniger Ausnahmeregelungen und Ausnahmen enthält. Wenn man alte Diktattexte zu Grunde legt und diese in die neue Rechtschreibung schreiben lässt, entstehen i. d. R. weniger Fehler als beim Originaldiktat.

Es zwingt Sie, meine Damen und Herren, niemand, die neue Rechtschreibung zu übernehmen.
Wenn Sie aber schon nicht auf einzelne Fragen eingehen wollen, würde mich zumindest interessieren, wie Sie zur Abschaffung der neuen Rechtschreibung stehen. Halten Sie es tatsächlich für sinnvoll, die alte Rechtschreibung zu retablieren? (Und welche Risiken sehen Sie?)

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gestur
31.05.2004 13.45
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Im Umweg über die Schule Gesellschaftsveränderungen durchsetzen

Das war doch das oberste Prinzip der Nazis und der Kommunisten. Sind wir immer noch nicht davon geheilt?
Wer solche Thesen vertritt, gehört öffentlich an den Pranger.

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Karin Pfeiffer-Stolz
31.05.2004 13.16
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Unsinnige Diktate und anderes

Zitat aus einer Resolution des Bundeselternrates, gefaßt auf der Frühjahrsplenartagung
vom 7. bis zum 9. Mai 2004 in Bad Honnef:
„Diktate gehören in die pädagogische Mottenkiste.“
http://www.bundeselternrat.de/resolutionen/ResoLesen.5_04.htm

Außerdem plant die BER im Rückenwind der RSR die Einrichtung einer „Nationalen Bildungsagentur“, der die „Kompetenzen für die Vorbereitung bildungspolitischer Entscheidungen übertragen werden“ sollen. Daß so etwas erfolgversprechend sein könnte, hat man sich an der „Rechtschreibreform-Kommission“ abgeguckt. http://www.bundeselternrat.de/resolutionen/HRG4_04.htm
Und der neue Vorsitzende des BER, Wilfried Wolfgang Steinert, fordert in seiner Antrittsrede vom 14. Mai 2004 neben anderen pädagogischen Zweifelhaftigkeiten („Schule in Deutschland ist immer noch ein Echo der Vergangenheit“ – „Schüler unterrichten, nicht Fächer“) analog zur Kultusministerkonferenz die Einrichtung einer „Bundesbildungskonferenz“, welche im Umweg über die Schule Gesellschaftsveränderungen durchsetzen helfen soll. http://www.bundeselternrat.de/stellungnahme/AntrittSteinert.htm
Man müßte auch die Vorstöße aus dieser Ecke besser im Auge behalten! (Wehret den Anfängen!)
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Karin Pfeiffer-Stolz

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Theodor Ickler
31.05.2004 08.19
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Diktate

Wie kein anderer als der führende Reformer Augst schon vor 30 Jahren klargestellt hat, sind solche Diktate mit künstlich geballten Problemfällen wertlos. (Augst [Hg.]: Rechtschreibung mangelhaft?, 1974, S. 43f.) Man kann das mit jeder belieben Rechtschreibung anstellen, und es ist ja auch für die Neuschreibung schon gemacht worden.

Herr Agreiter steht offenbar noch ganz am Anfang seiner Beschäftigung mit der Sache. Die erfahreneren Teilnehmer an dieser Diskussionsrunde können sich aber nicht damit aufhalten, alles noch einmal von vorn darzulegen, deshalb ist der Rat von Herrn Markner zu unterstützen, die hier allerdings etwas verstreuten Argumente zur Kenntnis zu nehmen, am besten aber anhand einiger zusammenhängender Beiträge größeren Umfangs.
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Th. Ickler

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Reinhard Markner
30.05.2004 22.02
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Kein Wunder

Da sich Herrn Agreiters persönliche Website in einer Weiterleitung auf eine Propaganda-Adresse der SPD erschöpft, muß es hier niemanden überraschen, daß er auch in orthographischen Dingen der Propaganda der Macher aufgesessen ist. Aber vielleicht hilft ja das Studium der hier (mehr verstreuten als) versammelten Argumente, daran etwas zu ändern.

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