Re: Ahnen bei Christiansen
Ahnen redete sich um Kopf und Kragen, schrieb Christoph Kukulies
Entsetzt hat mich die Erklärung der Frau Ahnen ausdrücklich für die Kinder zum Begriff placieren, plazieren, neudeutsch: platzieren.
Placieren kommt vom römischen placeo [gefallen, gefällig sein, Beifall finden] und nicht, wie Frau Doris Ahnen ahnungslos mitteilt, von irgendeinem Platz, auf den man sich setzen kann, z. B. den Schulstuhl. Die römischen Makler placierten ihre Waren und Gegenstände so, daß sie Gefallen finden konnten, um das Kaufinteresse, ja sogar den Kaufentschluß zu wecken. Placeo ist ein Gestaltungsmittel des Wettbewerbs auf Märkten.
Der Begriff 'platzieren' hat also gar nichts mit Platz zu tun, sondern ist ein Wort für das gefällige Arrangement in öffentlichen oder privaten Räumen, das einen Beschluß herbeiführen soll (ein Plazet zu erzeugen vermag). Schon die Ableitung aus dem frz. placer des 18. Jh. das angeblich von Place/Platz abstammen soll übersieht also den ursprünglichen Sinn des Begriffes und stellt den Begriff nur noch auf den zugewiesenen Ort ab, an dem etwas geschieht. Werden demnächst unsere Kinder nach der Erklärung von Frau Ahnen sagen: Ich habe mich platziert!, weil sie das platzieren mit dem Sitzen auf dem ihnen zugewiesenen Stuhl verwechseln?!
Überhaupt scheinen die Reformbefürworter das Ableiten nicht besonders zu beherrschen. Da wird in den großen Foren gefragt, warum man Eltern nicht gleich Ältern schreiben könne, da das Wort von 'die Älteren' abgeleitet sei. Oh Gott, mir graust. Haben denn Eltern kein anderes Merkmal außer, daß sie älter sind?!
Den Aufwand rein aus rechtstechnischer Erfahrung geboren, da es hier um verlorene Kosten geht, die einem niemand mehr ersetzt (unternehmerisch gesagt: Erfolg gegen die Wand gefahren!) nun auch noch in aufwänden weiter zu führen, halte ich für grotesk. Welche Sprachkenntnisse hat denn diese Rechtschreibkommission? Oder verfolgt sie gar eine gesellschaftlich-geistige Verflachung?
Auch das ß als ss zu verunglimpfen, gefällt mir nicht (warum nicht sz, wenn man schon Rücksicht auf Computerkeyboards nimmt?). Die Begriffe mit ß sind nämlich keine hardware mit materiellen Eigenschaften, sondern sind organisationsabhängige Erscheinungen: Fluß, Fuß, Maß. Noch soviel Wasser macht keinen Fluß, noch soviel Knöchelchen den Fuß nicht zum Fuß, und noch soviele Meter die Länge nicht zum Maß. Schriftsprachliche Ausnahmen mit ß mögen bestehen.
Mit der Sprache empfängt das Kind eine Anleitung zur Unterscheidung der Welt in Sache und Idee. Das nennen wir Kultur. Und dieses in der Schriftsprache nicht zu berücksichtigen ist 'eine greuliche Tat'.
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Monika Chinwuba
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