Zweierlei Maß ergibt zweifelhafte Argumente
Die „neue Rechtschreibung“ konnte ruhig eingeführt werden, da ja angeblich nur wenige Promille der Wörter betroffen gewesen wären. Jetzt kann sie nicht zurückgenommen werden, weil die Schüler „die Rechtschreibung ganz von vorne“ lernen müßten.
Die „neue Rechtschreibung“ ist nur für die Schulen und Behörden verbindlich. Aber es herrscht eine Aufregung sondergleichen, wenn Unternehmen, die weder Schulen noch Behörden sind, zur bewährten Rechtschreibung zurückkehren.
Die „neue Rechtschreibung“ hat überkommene Regeln wieder eingeführt. Aber dennoch werden diejenigen, die bei der moderneren Rechtschreibung geblieben sind oder zu ihr zurückkehren, als „reaktionär“ beschimpft.
Damit bei der Einführung der „neuen Rechtschreibung“ die Kosten für Verlage nicht zu hoch werden, wurde eine Übergangsfrist eingeräumt. Bei der Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung werden diese Kosten auf einen einzigen Stichtag hochgerechnet.
Die Notwendigkeit einer einheitlichen Rechtschreibung wird allerorts betont. Aber gleichzeitig wird argumentiert, nun solle man eine weitere Variante zu der Sammlung hinzufügen. Wenn diese „Supervariante“ die Lösung ist – warum ist man in Jahrzehnten der Reformforscherei noch nicht darauf gekommen?
Niemand will eine Rechtschreibung, die starr für alle Ewigkeit gelten soll. Dieses Phantom wird aber vehement mit Schlagworten wie „Reformunfähigkeit“, „Lernunwille“ und „Altersstarrsinn“ bekämpft. Wer aber verbissen für die „neue Rechtschreibung“ eintritt, ist dagegen fortschrittlich?
Die „neue Rechtschreibung“ wäre notwendig, damit Schüler weniger Fehler machen, wurde argumentiert. Und nach einer „großzügig bemessenen“ Übergangsfrist sollten dann die Fehler fast verschwunden sein. Nachdem die Fehlerraten zumindest nicht rückläufig sind, war die Übergangszeit eben nicht lang genug?
Die „neue Rechtschreibung“ ist eine „behutsame Reform“, wurde gesagt. Nachdem trotz Behutsamkeit offenes Durcheinander herrscht, ist die Reform auf einmal eben nicht weit genug gegangen, weil sie Dinge wie die Kleinschreibung ausgespart hat.
Herzzerreißende Schilderungen über den Leidensweg, die „neue Rechtschreibung“ wenigstens halbwegs zu erlernen, werden vorgebracht. An den einfachsten Schritt, nämlich dem Leiden ein Ende zu setzen – darauf kam anscheinend noch niemand.
Die Aussage „zurück zur alten Rechtschreibung“ ist falsch. Es geht um einen Neustart auf der Basis der zuletzt als funktionierend bekannten Orthographie.
(Auch im SZ-Forum zu finden)
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Klaus Eicheler
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