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Sonntag 26. September 2004, 13:44 Uhr
Weitere Konfusion im Tauziehen um Bildungspolitik
Frankfurt/Main (AP) Es war der FDP-Politiker Jürgen Möllemann, der einst ein Bild für die Kultusministerkonferenz prägte: Diese arbeite gelegentlich mit dem «Tempo einer Griechischen Landschildkröte», hatte der gelernte Lehrer einmal gesagt. Auch FDP-Chef Guido Westerwelle bezeichnet die «schnarchnasige KMK» gerne als «Bremser-Gremium», ihre Abschaffung steht im FDP-Parteiprogramm. Immer wieder gibt es Kritik an dem Gremium, die vom Streit um die Rechtschreibreform noch forciert wurde. Die nun angedrohte Auflösung der KMK sorgt aber im Tauziehen zwischen Bund und Ländern um die Bildungspolitik für zusätzliche Konfusion.
Der Anstoß zur Auflösung der Kultusministerkonferenz in ihrer jetzigen Form mit dem Ziel einer Reform kam am Wochenende vom niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff. Der CDU-Politiker steht mit dem Gremium seit einiger Zeit auf Kriegsfuß: «Ich bin fassungslos, in welcher Art und Weise die KMK jeden Versuch bekämpft, zu einer Korrektur der missratenen Rechtschreibreform zum kommen. Das ist an Borniertheit und Abgehobenheit nicht mehr zu überbieten», sagte Wulff vor einer Woche und erklärte, «ganz unabhängig vom Ringen um die Rechtschreibreform» denke er über einen Ausstieg aus der KMK nach.
Der niedersächsische SPD-Landesvorsitzende Wolfgang Jüttner verspottet nun den eine Woche später tatsächlich angekündigten Ausstieg als Trotzreaktion Wulffs «nach seiner schweren persönlichen Niederlage bei der Rechtschreibreform». Schließlich hätten die Staatskanzleichefs bei ihrem Treffen am letzten Freitag gegen Wulffs Willen beschlossen, an der Rechtschreibreform festzuhalten was als Vorlage für die Ministerpräsidentenkonferenz am 6. Oktober gilt, die wiederum die Entscheidung der KMK zur Rechtschreibreform am 15. Oktober bestimmen wird.
Doch ganz unabhängig davon, was Wulffs Gründe für seine Kritik an dem Gremium sind sein Vorhaben sorgt für komplettes Chaos im ohnehin angespannten Verhältnis zwischen Bund und Ländern in Bildungsfragen. So sagt Wulffs thüringischer CDU-Kollege Dieter Althaus, es sei unklar, was Niedersachsen mit diesem Schritt erreichen wolle. Die Länder bräuchten ein Gremium zur Abstimmung in Bildungsfragen, sonst werde der Bund immer mehr Kompetenzen übernehmen. Die hessische Kultusministerin Karin Wolff spricht von einem «Schuss vor den Bug des Föderalismus» und wirft ihrem Parteifreund Wulff Fahrlässigkeit vor.
Denn eigentlich versuchen die Länder momentan im zaghaften Reformprozess nach dem Pisa-Schock, ihre Bildungskompetenzen gegen den Bund zu verteidigen. Auch Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) stellt die KMK grundsätzlich in Frage und sieht diese als ungeeignet an, «zeitgerecht wichtige Weichenstellungen zu leisten».
Während Bulmahn versucht, die Zuständigkeit des Bundes bei Bildungsfragen auszubauen, bemühen sich die Länder um das Gegenteil: Mit einer Klage gegen Bulmahns Junior-Professur wegen Kompetenzüberschreitung waren einige unionsgeführte Länder erfolgreich, der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel will gar das Hochschulrahmengesetz abschaffen und die alleinige Verantwortung der Bundesländer für den Hochschulbereich.
Unverständnis über Wulffs Absichten herrscht auch bei der KMK selbst: Niedersachsen habe in der Vergangenheit keinerlei Kritik geäußert und alle Beschlüsse mitgetragen, sagt KMK-Generalsekretär Erich Thies. Unklar sei vor allem, ob sich Wulffs Kritik gegen die Kultusministerkonferenz allgemein oder gegen das Sekretariat richte. In beiden Fällen gebe es allerdings keinen Staatsvertrag, der gekündigt werden könne, betont Thies.
Zum Vorwurf Wulffs, die Kultusministerkonferenz sei immer bürokratischer und teuer geworden, er wolle einen Teil der 2,5 Millionen Euro, die Niedersachsen jährlich dafür zahle, lieber in Schulen investieren, sagt Thies, Niedersachsen trage etwa zehn Prozent der rund 15 Millionen Euro, mit denen die Länder das Sekretariat finanzieren also 1,5 Millionen Euro. Über den KMK-Haushalt würden rund 50 Millionen Euro abgewickelt, darunter seien auch Gelder der EU, des Auswärtigen Amtes und der Kulturstiftung der Länder, die das KMK-Sekretariat für zentralisierte Dienstleistungen der Länder verwalte etwa den Pädagogischen Austauschdienst.
Dieser Dienst organisiere jährlich Austausche mit rund 35.000 Teilnehmern in 90 Staaten der Welt, betont KMK-Präsidentin Doris Ahnen. «Da kann man nicht einfach von Bürokratie sprechen, sondern muss sich umfassend informieren. Dafür stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung.»
Frohlockend äußert sich nun die FDP, die ihre alte Forderung in greifbarer Nähe sieht: Man werde nun in den Landesregierungen, an denen die FDP beteiligt sei, darauf dringen, sich dem Vorhaben Niedersachsens anzuschließen, sagt Bildungspolitikerin Ulrike Flach. Die Erfolgsaussichten sind etwa in Rheinland-Pfalz eher gering einzuschätzen: Dort heißt die Bildungsministerin Doris Ahnen.
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