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Orthographie und Grammatik
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Stephan Fleischhauer
15.10.2004 13.26
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Was sind Verbzusätze?

Ich versuche einmal, die Besonderheiten der Zusammenschreibung bestimmter, meist phraseologischer Elemente mit Verben möglichst umfassend darzustellen. Ich hatte schon angeregt, der Vorstellung des „neuen Begriffs“ mehr Beachtung zu schenken. Das Problem ist wohl, daß man mit rein grammatischen Methoden immer wieder in eine Sackgasse gerät. Vielleicht läßt sich die Situation aber retten, wenn man einige Differenzierungen des Begriffs „Verbzusatz“ unternimmt. Deshalb folgt eine Aufstellung der verschiedenen Kategorien.

1. „Grammatische“ Verbzusätze
a) mit Präpositionen gleichlautend (z.B. ab), ferner einige andere Partikeln (z.B. weg)
b) einige Richtungszusätze wie (hinauf)
Diese Bestandteile verlangen eine enge Anbindung ans Verb (wenige Ausnahmen: das Licht ist an). Das Betonungskriterium (Ickler § 8) ist bei den „grammatischen“ Verbzusätzen nicht zuverlässig. Das ist aber auch nicht nötig.

2. „Eindrucksvolle“ Verbzusätze
(Benannt nach der Erich Drachschen „Eindrucksstelle“.)
Hier gilt das Betonungskriterium: Wenn diese Satzelemente vor einem infiniten Verb stehen, bekommen sie beim neutralem, „unvoreingenommenem“ Lesen das größte Gewicht. Vor allem sind Orts-, Richtungs- und Resultativzusätze zu nennen, es gibt aber auch andere (s.u.). Oft gibt es gleichlautende, doch anders betonte adverbiale Konstruktionen. Beispiele wieder_holen, zusammen_arbeiten. Das Problem: Es gibt eine ganze Menge verschiedener Satzelemente, die das Betonungs-(und auch das Nichtunterbrechbarkeits-)Kriterium erfüllen, die aber dennoch nicht als Verbzusätze gelten (z.B. nett sein, Trecker fahren, gut finden). Viele verbale Konstruktionen haben eine rein prädikative Funktion: ich fühle mich gesund; dadurch gibt es Interferenzen mit den ebenso prädikativ fungierenden Verbzusätzen: ich fühle mich wohl. (Man muß sich auch fragen, inwieweit hier Adhoc-Bildungen möglich sind. gutfinden?) Ebenso schwierig: Ortszusätze wie dahinter_stehen. Zum Teil läßt sich nur noch anhand der Orthographie ermitteln, was überhaupt als Verbzusatz in Betracht kommt (ich färbe blau – was liegt vor? blaufärben? blau färben? – bist du noch beisammen – beisammensein? beisammen sein?). Insofern stellt sich auch nicht die Frage, ob es neben den obligatorisch und den fakultativ zusammenzuschreibenden Zusätzen auch noch eine Gruppe der obligatorisch getrennt zu schreibenden gibt. Was nicht zusammengeschrieben werden kann, ist eben kein Verbzusatz. Man könnte von „orthographischen“ Verbzusätzen reden. Das muß man sich einmal klar machen, wenn es um die „Grammatik der Verbzusätze“ geht. Bei jeder erdenklichen Kombination von Verb+Verb und bei vielen Fügungen mit einem Substantiv gelten das Betonungs- und das Nichtunterbrechbarkeitskriterium. Nur einzelne Fügungen sind jedoch „legitimierte“ Verbzusätze.

Möglicherweise gibt es Auswege.
Zunächst gibt es die ontologische Herangehensweise vermittels des „neuen Begriffs“. Das führt Herr Ickler im Kritischen Kommentar oft vor, wenn die Grammatik nicht weiterhilft (etwa so: „es geht bei wiederherstellen um ein Wiederherstellen, nicht um ein wieder Herstellen“). Vielleicht kann man auch verallgemeinert sagen, daß die Verbzusatzkonstruktion immer eine etwas „punktuellere“ Aussage macht als die „freie“ Fügung – so wurde ja auch die Zusammenschreibung bei den Verben bleiben und lassen begründet.
Etwas anderes scheint mir aber noch der Erwähnung wert.
Herr Ickler kommentiert in seinem Schildbürgerbuch ein Diktat B. Schaeders, das die Unlernbarkeit der bisherigen Rechtschreibung „aufdecken“ sollte. Es kommt auch das vermeintlich obligatorisch zusammenzuschreibende radfahren vor, und Herr Ickler fragt sich, wie es Herr Schaeder beim Diktieren wohl ausgesprochen habe. Aber wenn Aussprache eine Rolle spielt, kann man dann überhaupt noch von „Gewohnheitszusammenschreibungen“ sprechen? Man müßte einmal ein Mikrophon klammheimlich dort unterbringen, wo Menschen gezwungen sind, sehr deutlich zu sprechen. Oder man diktiert ihnen „hinein...springen“, „lahm....legen“ und schaut, was sie daraus machen. (Früher schrieb man sowas übrigens getrennt. Vielleicht sprach man es auch anders.) Was mir jedoch völlig unmöglich scheint: „teil...nehmen“, „zusammen...arbeiten“ (im Sinne von zusammenarbeiten). Könnte das ein Kriterium sein?

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Stephan Fleischhauer
14.10.2004 19.35
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Mit Satzaussage meine ich das wichtigste Satzelement, auf das sich die Aussage reduzieren läßt. Das ist rein sprachlich zu verstehen: In dem Satz die Welt geht kurz nach der Tagesschau unter ist (sprachlich gesehen) die Tagesschau wichtiger als der Weltuntergang.
Es ist aufwendig, das ganze Thema der Satzbetonungen darzustellen. Man müßte herausarbeiten, daß auf den Verbzusätzen nicht irgendeine, sondern die wichtigste Betonung des Satzes liegt. Ich gehe davon aus, daß Verbzusätze ganz klar und eindeutig bestimmbar sind. Ich möchte aber noch keine Formulierung vorschlagen.
Es gibt einige Schwierigkeiten; sie betreffen auch Icklers Betonungskriterium. Z.B. sind Verbzusätze, die mit Präpositionen gleichlauten, der Satzaussage oft untergeordnet und deshalb nicht betont: du mußt heute die Teller abwaschen. Bei adverbialen Verbzusätzen ist das schon seltener: du mußt den Müll hinausbringen. Aber, auf dem Verbzusatz betont: du mußt den Schüler hinauswerfen. Angenommen, das vorletzte Beispiel wäre gar keine Verbzusatzkonstruktion, dann würde die Satzaussage auf das infinite Verb fallen: du mußt den Müll dabei trennen. Das fragliche Gebilde isoliert zu betrachten, halte ich nicht für eine gute Idee (nur hinausbringen statt Müll hinausbringen).

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Georg Zemanek
14.10.2004 11.10
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Lieber Herr Fleischhauer,
bitte helfen Sie mir mit dem Begriff „Satzaussage“.
In Ich lese den Text jetzt vor ist lese ... vor das Verb oder in alter Grammatik das Prädikat. In ich lese den Text jetzt vor ist den Text immer noch Objekt des Lesens. In Jetzt lese ich den Text vor ist jetzt nach wie vor Adverb (Wie lese ich?), aber es ist betont und deswegen heißt die Aussage: Ich lese jetzt, nicht etwa später.
Ist Satzaussage das, worum es in dem Satz gehen soll? Das ist aber doch Ergebnis einer sematischen Analyse, kann doch von der Grammatik nicht abgedeckt werden.
Bitte prüfen Sie sorgfältig, ob wir die gleichen Begriffe verwenden.

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Stephan Fleischhauer
14.10.2004 09.58
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Lieber Herr Zemanek,

das Beispiel breche auf überzeugt mich nicht. Hier geht es gar nicht um verschiedene Bindungsgrade zwischen de Verb und dem Zusatz. Dagegen hat die Bedeutungsbreite von schnell tatsächlich etwas mit der Verbundenheit zu tun. Der Betonungsunterschied bei den verschiedenen Deutungen von schnell schreiben spricht doch Bände. Man kann das ganze noch anders darstellen: Das betonte schnell gehört zum Kern der Satzaussage, liegt dehalb so weit wie möglich rechts im Satz (wo normalerweise betont wird). Das ist auch das Prinzip, das der Nichtunterbrechbarkeitsregel zugrunde liegt. Außerhalb des Aussagekerns hat schnell eine andere Bedeutung.

Man kann vielleicht wirklich sagen, daß es gewisse Mängel oder Lücken der deutschen Sprache gibt. Zum Kern der Satzaussage können eben nur Textgegenstände oder Prädikative gehören, keine Attribute. Adverbien sind problematisch, wegen der verschiedenen Betonungsmöglichkeiten ( ich will es auch; ich will es auch). Will man etwas anderes zum Kern machen, muß man z.B. Substantivieren. Adjektive und Adverbien können vermittels Verbzusatzkonstruktionen zu Prädikativen werden und so die Satzaussage bilden.
Bei ich jetzt lese den bereits bekannten Text vor ist vor die Satzaussage. Bei ich lese jetzt einen Text vor ist es einen Text. Wie mache ich jetzt zur Satzaussage? Vielleicht durch Substantivierung (das Jetzige des Vorlesens), durch prädikative Konstruktion (daß ich den Text vorlese, ist jetzt) oder VZ-Konstruktion (jetztlesen) – die Frage stellt sich wohl nicht, weil niemand es zur Satzaussage machen will. Natürlich gibt es immer noch die Möglichkeit, die Normalbetonung zu verletzen (ich lese den Text jetzt vor) Oder so formulieren, daß eine andere Deutung nicht in Betracht kommt (das lesen wir auch jetzt, nicht sehr eindeutig wäre aber das können wir auch jetzt lesen).

Sie schreiben: „Vorsilbe + Verb ist für mich ein neues Wort. Oder sollte dies vom Unterschied zwischen umfahren (ich umfahre das Hindernis) und umfahren (ich fahre das Hindernis um) kommen?“
Richtig, genau das ist der Unterschied. Im zweiten Beispiel spricht man deshalb auch nicht von Vorsilbe.

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Fritz Koch
14.10.2004 09.06
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Die doppelten Bedeutungen vieler deutscher Wörter

Es ist eine Besonderheit der deutschen Sprache, daß viele Wörter zwei recht verschiedene Bedeutungen haben, z.B. schnell = 1.) in kurzer Zeit, 2.) sofort; aufbrechen = 1.) gewaltsam öffnen, 2.) weggehen; und noch viele andere.
Dadurch kommt die deutsche Sprache mit viel weniger Wörtern aus als Sprachen, die dafür jeweils eigene Wörter haben. Deswegen kann man vom Deutschen in solche Sprachen nicht einfach wörtlich übersetzen, sondern muß in der Zielsprache die richtige Wortwahl treffen. Bei 'aufbrechen' hilft aber, wie auch bei anderen solchen Wörtern, daß 'aufbrechen = öffnen' transitiv ist (ein Akkusativobjekt verlangt) und 'aufbrechen = weggehen' intransitiv ist (kein Objekt verlangt).

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Georg Zemanek
14.10.2004 08.35
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Lieber Herr Fleischhauer,
recht herzlichen Dank, das erläutert mir nun tatsächlich eine Menge. Offenbar muß ich meine veralteten(?) Ansätze, in einem Satz zuerst Subjekt, Prädikat und Objekte zu suchen und dann so etwas wie einen „Grammatikbaum“ aufzustellen, aufgeben.

Wenn Sie schreiben, daß eine Verteilung der einzelnen Elemente einer solchen Fügung auf verschiedene Satzfelder solche Bindungen unmöglich machen kann, dann meinen Sie offenbar, daß eine ungünstige Satzstellung beim Leser/Zuhörer die gewünschte Bindung nicht nahelegt: Ich will schnellschreiben ausdrücken, sage aber „Du solltest den Brief schnell schreiben“ und darf dann eben nicht damit rechnen, daß nun klar ist, ob die Fertigstellung baldmöglichst erfolgen soll oder die Schreibgeschwindigkeit hoch sein soll. Die schwebende Bedeutung entsteht m. E. aus der Bedeutungsbreite des Wortes schnell, nicht aus irgend einer syntaktischen Entfernung.

Noch deutlicher ist es im Fall „Ich breche auf.“ Wenn ich das zu meinem Kumpel sage, nachdem zwei sanfte Versuche erfolglos geblieben sind, um ihm nun mitzuteilen, daß ich gleich Gewalt auf die Schatulle anwenden werde, dann wird der sicher nicht meinen, daß ich jetzt den Tatort zu verlassen beginne.

Ist es ein Mangel, daß die grammatikalische Zuordnung beim Lesen und Verstehen eines Satzes nicht eindeutig und zweifelsfrei erfolgen kann? Ich finde, es gehört zu den faszinierendsten Eigenschaften der natürliche Sprache, daß sie zur Kommunikation taugt, obwohl ihre grammatikalische Struktur alles andere als eindeutig ist. Keine Programmiersprache kann sich den Luxus solcher schwebender Konstruktionen leisten, der Computer braucht zweifelsfreie Anweisungen. Aber die natürliche Sprache bezieht oft gerade aus diesen Unbestimmtheiten Witz und Komik. Kabarett und Comedy wären ohne schwebende Formulierungen, die erst im Folgesatz urplötzlich in das vom Zuhörer zunächst unerwartete Gegenteil gekippt werden, unendlich ärmer.
Wir sollen zusammenarbeiten?“ „I wo, ich arbeite in meinem eigenen Büro!“ usw. Ich bin jetzt nicht der Comedy-Autor, aber es sollte klar sein, was ich meine.

Zusammenschreibung ist m.E. dort, wo sie stattfindet, durch Wortbildung begründet, nicht durch Grammatik. Deshalb verstehe ich auch nicht, daß man Verbzusatz + Verb als Wortgruppe auffaßt, die zusammengeschrieben wird. Vorsilbe + Verb ist für mich ein neues Wort. Oder sollte dies vom Unterschied zwischen umfahren (ich umfahre das Hindernis) und umfahren (ich fahre das Hindernis um) kommen? Ersteres als Vorsilbe (in allen Konjugationsformen ungetrennt: ich umfahre, zu umfahren, habe umfahren), letzteres als Verbzusatz (in manchen Konjugationsformen getrennt: ich fahre um, umzufahren, habe umgefahren).

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Stephan Fleischhauer
13.10.2004 19.56
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Das finite Verb der Beispiele ist immer hat. Finites Verb bedeutet flektiertes Verb (in diesem Fall 3. Pers. Sing.). Bei Getrunken hat er Bier wie ein Loch steht getrunken im Vorfeld, er Bier wie ein Loch im Mittelfeld, Schluß- und Nachfeld sind überhaupt nicht besetzt. Das Vorfeld und die „Zweitstelle“ (finites Verb) sind in allen Beispielen immer besetzt, die anderen Felder nicht unbedingt. Die Reihenfolge Vorfeld – „Zweitstelle“ (oder „linke Klammer“, wenn die „rechte“ besetzt ist – auf der Zweitstelle sitzt immer das finite Verb) – Mittelfeld – „rechte Klammer“ – Nachfeld ist unantastbar.
Diesen Satzbauplan habe ich nur vorgeführt, weil man um die Begrifflichkeit nicht herumkommt. Die Begriffe sind auch schon in anderen Diskussionen gefallen. Von der „Satzklammer“ ist besonders häufig die Rede.

Mir ging es eigentlich um etwas ganz anderes. Noch einmal thesenartig:
Die Zusammenschreibung von Verbzusätzen ist keine reine „Gewohnheitszusammenschreibung“. Sie tritt dann ein, wenn ein „neuer Begriff“ entsteht.
Man muß unterscheiden zwischen zusammen (an einer Sache) arbeiten, zusammen arbeiten (phraseologisch, verbzusatzartig) und zusammenarbeiten („neuer Begriff“ mit „Zusammensetzungscharakter“). Letzteres gibt es nur in Kontaktstellung. Keines dieser Gebilde ist jedoch eine echte Zusammensetzung.
Auch bei Fügungen, die nicht einmal phraseologischen Charakter haben (schnell schreiben), kann man unterschiedliche Grade der Bindung festellen. Ich vermute, daß eine Verteilung der einzelnen Elemente einer solchen Fügung auf verschiedene Satzfelder solche Bindungen unmöglich machen kann. Diese Vermutung übertrage ich auch auf die sogenannten Verbzusatzkonstruktionen.

Wir haben naturgemäß Schwierigkeiten, die Intuition zur Zusammenschreibung der VZ-Fügungen auf grammatische Weise zu erklären. Man kann zwar grammatische Erklärungen finden, aber sie führen nicht „zwangsläufig“ zu einer Zusammen- bzw. Getrenntschreibung. Der „neue Begriff“ ist zwar nicht operationalisierbar – genauso wenig wie der „Textgegenstand“ –, aber man kann alle Zweifelsfälle auf die gleiche Weise erklären. Es ist ja auch sicher so, daß die Sprache nicht von sich aus Zweifelsfälle „produziert“, sondern daß sie durch die Differenziertheit des Außersprachlichen entstehen. (Bestes Beispiel: krank_schreiben.)

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Fritz Koch
13.10.2004 16.46
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Deutsche Wortstellung

Ernst Leisi, Das heutige Englisch:
der Bauer schlug das Pferd – the farmer kicked the horse
das Pferd schlug der Bauer (Hervorhebung) – the horse kicked the farmer
der Bauer das Pferd schlug (nach 'als') – the farmer the horse kicked (Relativsatz)
das Pferd der Bauer schlug (poetisch) – the horse the farmer kicked (Relativsatz)

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Georg Zemanek
13.10.2004 16.17
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zum "neuen Begriff"

Hallo, ich begrüße den Ansatz und werde ihn weiterverfolgen. Vielleicht sind zwei Fragen erlaubt?

1. Muß ich für jede denkbare Reighenfolge des Beispielsatzes die Zuordnung separat vornehmen?

Er hat Bier getrunken wie ein Loch.
Bier hat er getrunken wie ein Loch
fin. Verb: hat, v.Schl.: getrunken

Getrunken hat er Bier wie ein Loch.
Wie ein Loch getrunken hat er Bier
fin. Verb: Getrunken, v. Schl.: hat

Wie ein Loch hat er Bier getrunken.
fin. Verb: hat, v. Schl.: getrunken

Oder gibt es eine „kanonische“ Reihenfolge? Das sieht ja fast so aus, als würde sich durch pures Umstellen die Satzstruktur ändern?

2. Wieso ist Betonung so oft ausschlaggebend? Betonung halte ich für ein oftmals irreführendes Kriterium.

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Stephan Fleischhauer
13.10.2004 16.12
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Das Beispiel auf geht die Sonne ... stammt aus Icklers Wörterbuch. Mich hat die Frage interessiert, ob Verbzusätze nach dem Auseinanderreißen noch Verbzusätze sind. Die Vorfeldstellung schien mir besonders aufschlußreich.

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Reinhard Markner
13.10.2004 15.28
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Es wäre zu überlegen, wann die Distanzstellung stilistisch markiert, nämlich inferior ist.
Analog zu William Safires Ratschlag „Try to not ever split infinitives“ könnte man vielleicht sagen : „Auseinander sollte man Verbzusätze und Verben nicht bedenkenlos reißen.“

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Stephan Fleischhauer
13.10.2004 14.23
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Zurück zum ,neuen Begriff'!

Zunächst eine Begriffsklärung. Der deutsche Satzbau folgt einem Grundschema: Vorfeld – finites Verb – Mittelfeld – verbales Schlußfeld – Nachfeld. Beispiel: Er hat Bier getrunken wie ein Loch. Das Nachfeld ist hier mit einer Wortgruppe besetzt (wie ein Loch), die anderen Stellen mit jeweils einem Wort. An der zweiten Stelle steht immer nur ein einziges Wort, im Aussagesatz das finite Verb. Nicht alle Felder müssen besetzt werden, im „normalen“ Aussagesatz sind aber mindestens die ersten beiden Stellen besetzt – z.B. Er trinkt. Im Nachfeld stehen oft Nebensätze, es spielt deshalb eine weniger bedeutende Rolle. Ich bin mir nicht sicher, ob Infinitivsätze, die vom verbalen Schlußfeld abhängen (Er möchte aufhören zu trinken.), im Nachfeld oder im verbalen Schlußfeld selbst stehen. Den Verbzusatz auf interpretiere ich als Bestandteil des verbalen Schlußfeldes, nicht des Mittelfeldes – er kann also allein im verbalen Schlußfeld stehen (Er hört auf zu trinken). Finites Verb und verbales Schlußfeld bilden zusammen die Satzklammer. (In Nebensätzen „vertritt“ ein Pronomen oder eine Konjunktion das finite Verb.) Man spricht auch von linker und rechter Satzklammer. Z.T. werde ich auf die Begriffe zurückkommen, deshalb die lange Einleitung.

Nach Erich Drach befindet sich am Ende des Mittelfeldes oder auf der rechten Satzklammer die „Eindrucksstelle“. Das ist eine Starkbetonung, auf der sozusagen der Sinn des Satzes konzentriert ist (er liest ein Gedicht vor, er sieht für heute schwarz, er fängt einen Fisch).

Es mag nun vorkommen, daß man, um ganz bestimmte Satzglieder hervorzuheben, weil sie den Sinn des Satzes ausmachen, den Satzbau entsprechend ändert. Das betonte Satzglied muß möglichst weit ans Ende des Mittelfeldes bzw. in die rechte Satzklammer. Störendes muß eventuell ins Vorfeld. Das Vorfeld selbst kann ein Betonungsgegengewicht bilden.
Beispiel: Berühmt ist er durch Fingerhäkeln geworden. Vielleicht geht es auch gar nicht so sehr um die Betonung des Fingerhakelns, sondern um den Satzanschluß über das Wort berühmt, welches im vorausgehenden Satz bereits gefallen sein mag. Mich interessiert diese Frage hier nicht. Wichtig ist mir: Was alles kann überhaupt ins Vorfeld „verfrachtet“ werden?

Grundsätzlich gilt, daß im Vorfeld nur ein Satzglied stehen kann (auch Konstituente genannt). Herr Ickler erläutert in seinem Kritischen Kommentar (2.Aufl., S.69) folgendes Beispiel: Durch den Spalt hindurch sickerte Wasser. Herr Ickler schreibt, daß es sich nicht um das Verbzusatzkonstruktion hindurchsickern handeln könne, da das Vorfeld sonst durch Verbzusatz (hindurch) und Präpositionalphrase (durch den Spalt) doppelt besetzt wäre. Es liege ein Adverbial durch den Spalt hindurch vor. Ich füge hinzu: Wenn hindurch nur Teil eines Adverbials ist, wird es nicht betont – also nicht: Durch den Spalt hindurch sickerte Wasser.

Partikelverben können auch als ganzes im Vorfeld stehen (hinzukommen muß, daß ...); daraus folgere ich, daß die Partikel mit dem Verb zusammen eine Konstituente bildet. Das gilt auch für Phraseologismen: in Aussicht gestellt wurde ein Stipentium in Rom; groß geworden ist er im Ruhgebiet – möglich ist vielleicht auch: mit zur Gießerei würde er ihn nur im Falle einer Aufwandsentschädigung nehmen; mitgehen lassen habe ich nur das erste der beiden Bücher.

Nun aber ein Einwand.
Eine Konstituente läßt sich nicht ohne weiteres auf zwei Felder des Satzbauschemas „verteilen“. Bei dem Satz schnell habe ich einen Brief geschrieben würde man das Wort schnell im Sinne von „sofort“ interpretieren. ich habe den Brief schnell geschrieben kann aber heißen „sofort geschrieben“ oder „mit hoher Geschwindigkeit geschrieben“. Das gleiche gilt für schnell geschrieben habe ich nur den ersten der beiden Briefe. Man wird im letzten und vorletzten Satz die Interpretation „mit hoher Geschwindigkeit“ vorziehen. Das heißt: schnell hat in der verbindung schnell geschrieben einen anderen Status als in schnell habe ich geschrieben. Ich frage mich deshalb, ob die Vorfelder in hinzu kommt, daß ... oder auf geht die Sonne um ... tatsächlich von Verbzusätzen besetzt sind. Die phraseologische Verbindung scheint mir „geknackt“. (Übrigens halte ich auf geht die Sonne für stilistisch markiert. „Enge“ Verbzusätze wie auf lassen sich wahrscheinlich nicht so leicht ins Vorfeld legen.) Noch etwas: Ich bin der Meinung, daß die beiden Kriterien der Betonung und der Nichtunterbrechbarkeit bloß Kriterien für phraseologische Verbindung sind. schnell in der Bedeutung „sofort“ ist unterbrechbar, schnell im Sinne von „mit großer Geschwindigkeit“ ist nicht unterbrechbar. Betone ich: er wird den Brief schnell schreiben, sage ich: „er wird ihn sofort schreiben“, betone ich aber: er wird den Brief schnell schreiben, sage ich: „er wird ihn mit hoher Geschwindigkeit schreiben“. schnell ist natürlich in keinem der Fälle Verbzusatz.

Das eigentliche Phänomen Verbzusatz und die Intuition, Verbzusätze zusammenzuschreiben, lassen sich grammatisch schwer fassen. Wie wir bereits von Herrn Ickler aufgeklärt wurden, werden im Deutschen von rechts nach links die Satzaussagen immer weiter eingegrenzt. Man könnte nun meinen, daß besonders die Aussagen, die am weitesten eingrenzen, diejenigen also, die weit links stehen, am stärksten betont werden. Das ist aber nicht so. Wir sagen das größte Ereignis. Liegen die Bestandteile weit genung auseinander, kann es eine Gegenbetonung geben: der graue Papagei. Wahrscheinlich entstehen Zusammensetzungen, wenn das näher bestimmende Element „determinierend“ wird. Z.B. in der Art eines Kontrastakzents: der graue (!!!) Papagei. In der Zusammensetzung Graupapagei ist grau determinierend. Es gibt andere Fälle, erkennbar an der Betonung: Fünfmarkstück, Welthungerhilfe, Riesenschweinerei, Kohlenwasserstoff, Donaudampfschiffahrt, Königinmutter, Wiederaufrichtung, haarscharf, hochnotpeinlich, übernachten, durchdenken usw. Die Erstglieder haben sicher eine näher bestimmende, doch nicht determinierende Funktion. Vielleicht sind sie dadurch „lockerer“ angeschlossen.

Interessanterweise können die Betonungen auch schwanken: zwei engbefreundete Frauen, die doch nur eng befreundet sind. Man kann sagen, es handele sich semantisch um das gleiche, genau wie bei wiederherstellen und stellen ... wieder her. Wenn man im ersten Fall Frauen als „Grundwort“ betrachtet, stellt sich eine gewisse Analogie zu dem verbalen Gebilde ein. Vielleicht gibt es einen Grundsatz, daß die linksseitige Häufung von näher bestimmenden Elementen durch „Zusammensetzung“ abgemildert wird.

Wie auch immer. Ich meine, daß die Zusammenschreibung von Verbzusätzen nur durch ihren „determinierenden“ Charakter erklärt werden kann. Das starke Betonungsgefälle und die Nichtunterbrechbarkeit sind deshalb stärker ausgeprägt als bei den reinen Phraseologismen. Das kann nicht verwundern. Aber es ist ein gradueller Unterschied, vergleibar mit ein grauer (!!!) Papagei und Graupapagei. Das Verrückte ist, daß dieser Status der Verbzusätze verschwindet, wenn sie sich nicht in Kontaktstellung zum Verb befinden. Die Rede vom „neuen Begriff“ erscheint mir dennoch am treffendsten.

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Stephan Fleischhauer
07.10.2004 11.48
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Re: Frage zu ,,defektiv''

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von J.-M. Wagner
Hat eigentlich „defektiv“ nur genau eine fachliche Bedeutung? [...] Beispiele: „Zum anderen unterscheiden sich trennbare Verben bezüglich ihres Formenbestandes, denn viele Bildungen sind defektiv, vgl. * wir rechnen Bruch, * wir bruchrechnen gegenüber wenn wir in der Schule bruchrechnen.“ Im 3. Kommissionsbericht findet sich die Aussage (S. 69): „Bei Auffassung von leid als defektives Adjektiv ergibt sich die Schreibung leidtun; man schreibt dann in Analogie zu kundtun zusammen.“ Wie paßt das zusammen?
Defektiv hat natürlich nicht nur eine Bedeutung, aber verallgemeinert kann man vielleicht sagen, daß ein defektives Wort nicht in allen (eigentlich) zu erwartenden Formen, Stellungen usw. vorkommt: bruchrechnen also nur im zweiten Teil der Satzklammer, leid nur in leider oder leid tun, leid sein, leid haben.
– geändert durch Stephan Fleischhauer am 07.10.2004, 20.01 –

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Fritz Koch
07.10.2004 11.18
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defektiv

Defektive Verben sind nicht in allen finiten Formen vorhanden: bergsteigen: ungebräuchlich: ich bergsteige oder ich steige berg.

Das angeblich defektive Adjektiv in leidtun und kundtun ist einfach ein aus dem Adjektiv gebildetes Adverb.
Daß aus Adjektiven gebildete Adverbien defektive Adjektive seien, habe ich nirgends gefunden.

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J.-M. Wagner
05.10.2004 02.02
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(Ickler-Werbung)

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Karsten Bolz
Schauen Sie einmal in sein Rechtschreibwörterbuch. Darin gibt es eine „Kurze Anleitung zum rechten Schreiben“. Das ist genau das, was Sie suchen, denke ich. Soweit ich weiß, steht diese Anleitung auch hier irgendwo, ich finde es auf die Schnelle aber nicht. Weiß es jemand aus der Runde?
Hier gibt es etwas zum Wörterbuch (sind die Angaben noch aktuell?) sowie die Anleitung zum rechten Schreiben und die Hauptregeln der deutschen Orthographie.
__________________
Jan-Martin Wagner

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