Zu den Beiträgen von Fritz Koch, Detlef Lindenthal und Bernhard Schühly
Zu den Beiträgen von Fritz Koch vom 27.12.2004 15:16, von Detlef Lindenthal
vom 27.12.2004 19:22 und von Bernhard Schühly vom 28.12.2004 11:54:
Neue Vorschläge: Mehr Zusammenschreibung!
Ich bin für Zusammenschreibung häufig gebrauchter Wortgruppen: garnicht,
sodaß, und viele andere. Ich bin für mehr Zusammenschreibung
ergebnisorientierter Verben: ernstnehmen, bekanntmachen und andere, besonders
solche mit machen, erst recht wenn dazu auch eine modale Variante denkbar
ist und dann durch Getrenntschreibung unterschieden werden muß.
Unter Berufung auf die Tendenz zur Univerbierung der deutschen Sprache darf
man mutiger sein, als der alte Duden erlaubte, denn die Sprachentwicklung ist
seit 1995 weitergegangen.
Fritz Koch
27.12.2004 15:16 Volksentscheid > Niedersachsen-Nachrichten
Lieber Herr Koch,
privat können Sie schreiben, wie Sie wollen, und dienstlich erst recht;
da kräht kein Hahn nach. Vonmiraus könnn Sie soviel zusammenschreiben,
wieSiewolln. Und Sie könnn auch so schraim, wie man schpricht. Bringen Sie
ein entsprechendes Wörterbuch heraus, sammeln Sie Gefährten um sich und
werben Sie für Ihre Lösung. Doch vergessen Sie nicht, nach 10 Jahren zu
schauen, wie weit sich Ihre Schreibart bewährt hat und ob Ihre Anstrengung
zur Lesbarkeit und einheitlichen Rechtschreibung beigetragen hat. Es war
ein fröhlicher Tag in der Grundschule, als wir lernten: Gar nicht wird gar
nicht zusammengeschrieben, und: Wer nämlich mit h schreibt, ist dämlich.
Übrigens habe ich ein Buch aus den 20er Jahren in gemäßigter Kleinschreibung
(jemand hatte in einem Satz einen Wortanfang mit Kugelschreiber groß gemalt,
so daß man den (sonst kaum verständlichen) Satz verstehen konnte). -- Doch
weise ich darauf hin, daß auch jene Schreibart sich nicht durchgesetzt hat.
Lieber Herr Kern,
zu Ihrer Nußsaucenfrage ist meine Meinung: Ich kann auch dann noch ruhig leben,
wenn sie nicht beantwortet wird.
Übrigens ist Dudens SS-Regel nur eine von mehreren Meinungen. Ich weiß, daß
wir für Zeichensätze, die wir 1993 auf Bestellung geliefert haben, auf
gesonderte Anforderung hin extra ein großes ß eingebaut haben (etwas breiter
mit leicht nach links geneigter Unterlänge und unten ordentlicher Öffnung, so
daß man es nicht mit B verwechsele). NUßSOßE finde ich, wenn man denn
Großbuchstaben verlangt, besser lesbar als NUSSSOSSE, NUSSOSSE und NUSZSOSZE.
Grüße,
Detlef Lindenthal
27.12.2004 19:22 Volksentscheid > Niedersachsen-Nachrichten
Re: Neue Vorschläge: Mehr Zusammenschreibung!
Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Fritz Koch
Ich bin für Zusammenschreibung häufig gebrauchter Wortgruppen: garnicht,
sodaß, und viele andere.
Im Prinzip gebe ich Ihnen recht: so daß sodaß, gar nicht garnicht, mit
Hilfe mithilfe sind z.B. einige der wenigen Wörter der alten Schreibung,
bei denen ich mir nie so ganz sicher gewesen bin oder immer gern anders
geschrieben hätte. Im Icklerschen Wörterbuch sind die meisten dieser Formen
meineswissens bereits berücksichtigt worden. Aber zu weit gehen darf man damit
natürlich auch nicht. Wichtiger noch ist aber, daß man, wie auch Hr. Ickler,
der in diesen Fällen oftmals beides erlaubt, es empfiehlt, konsequent bei einer
Form bleibt also nicht wie der Duden es vorschreibt mal Hüh und mal Hott.
Das nämlich macht das wirklich Irritierende aus!
Bernhard Schühly
28.12.2004 11:54 Volksentscheid > Niedersachsen-Nachrichten
Zu Fritz Koch:
Was verstehen Sie unter Sprachentwicklung?
Tendenz der Univerbierung?
Wenn etwa 0.10% der Bevölkerung Verbrecher sind, und wenn sich im Polizeibericht
des folgenden Jahres diese Zahl auf 0.11% erhöht hat, dann besteht -- so wie
ich Sie verstehe -- in dieser Bevölkerung eine Tendenz zum Verbrechen. Würden
Sie dann unter Berufung auf diese Tendenz öffentlich fordern, daß auch der nicht
verbrecherische Teil der Bevölkerung Verbrechen verüben sollte, eben weil diese
Tendenz besteht?
Was ist eine Tendenz? Ist es wirklich eine Willensbekundung der Spachbenutzer,
wie das Herr Ickler meint? Der Begriff ''Tendenz'' impliziert Bewegung, ein
Immer-weiter-um-sich-Greifen eines bestimmten Sachverhalts. Wie dies zu bewerten
ist, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Das heißt aber, daß eine solche Tendenz sehr klein beginnt, eventuell mit
Fehlern bezüglich des bisherigen Regelwerks, die einzelne gerne als richtig
anerkannt sehen würden, warum auch immer. Das heißt aber auch, daß man mit
der Argumentation, daß eben eine Tendenz bestehe, der man nachgeben müßte,
eben weil sie besteht, etwas völlig Nebensächliches überbewertet. Man sollte
auch den Mut haben, Fehler als Fehler zu behandeln!
Wenn Sie diese Tendenz durch Ihren Aufruf zur Zusammenschreibung verstärken
wollen, so versuchen Sie zu manipulieren. Damit würden Sie ausnutzen, daß
Menschen gerne anscheinend Neues oder Modernes übernehmen wollen, um damit zu
zeigen, daß sie modern sind. Auch die Reformer haben diesen Trick angewandt.
Auch ich würde die Zusammenschreibung von Wörtern wie ''ernst nehmen'' und
''statt dessen'' akzeptieren, aber nur, wenn auch die bisherige
Getrenntschreibung weiter gültig bleibt. Die Zusammen- bzw. Getrenntschreibung
dieser Wörter hängt nämlich -- meines Erachtens -- auch von Rhythmus des Satzes
ab, in dem sie stehen. Damit wäre die Zusammenschreibung hier nicht mit einer
zweifelhaften Tendenz zu begründen, sondern mit satzrhythmischen bzw.
schriftstellerischen Erfordernissen.
Auch wenn ich dafür bin, daß man möglichst keine Variantenschreibung zuläßt,
so muß man hier, wie auch an anderen Stellen, z. B. bei der Kommasetzung im
vorreformtorischen Duden, eingestehen, daß es ''echte Varianten'' gibt, also
solche, bei denen man durch die gegebenen Regeln nicht entscheiden kann,
welche Variante nun die richtige ist. Im vorreformatorischen Duden wurde dann
z. B. die Kommasetzung freigestellt.
Dies sollte aber von ''nutzlosen Varianten'' unterschieden werden, und solche
nutzlosen Varianten sind z. B. die Zusammenschreibung von ''so daß'' und
''zur Zeit''. Dafür kann man wenigstens Gründe angeben, warum sie nicht
zusammengeschrieben werden sollten: Dies wären hier z. B. rhythmische Gründe,
denn bei diesen Zusammenschreibungen habe ich immer das Gefühl, sprachlich ins
Stolpern zu geraten. Bei ''stattdessen'' und ''ernstnehmen'' ist das nicht so.
Es liegt wohl daran, daß hier das ''a'' bzw. das ''e'' der jeweils ersten
Komponente kurz ist. Bei ''so'' und bei ''zur'' liegt aber ein langer Vokal vor.
Aus diesen Gründen bin ich auch der Meinung, daß eine eventuelle Tendenz zur
Zusammenschreibung nie durchgreifend alle ''häufig gebrauchten Wortgruppen''
erfassen wird. Durch Ihre Forderung nehmen Sie eine eventuelle Spachentwicklung
vorweg. Außerdem ist der Terminus ''häufig gebrauchte Wortgruppen'' sehr
unspezifisch. So wäre auch ''ich habe'' eine häufig gebraucht Wortgruppe,
sehr wahrscheinlich noch häufiger gebraucht als ''so daß''. ''Ich habe'' wird
aber allenfalls zu ''ich hab''', d. h. Kürzung des ''a'' und Wegfall des ''e''.
Was verstehen Sie unter einer Sprachentwicklung? Ist eine aufgezwungene
Veränderung oder eine Modeerscheinung für Sie auch eine Entwicklung?
Kann man in Zeiten reformbedingter Sprach- und Rechtschreibverwirrung wirklich
von einer Sprachentwicklung sprechen? Die Schüler werden, weil sie es nicht
anders gelernt haben, wohl eher getrennt schreiben. Sie, Herr Koch, wollen
vermehrte Zusammenschreibung, vielleicht um sich von der reformbedingten
Getrenntschreibung abzusetzen. Man könnte auch zu dem Schluß kommen, daß es
differgierende Entwicklungsrichtungen oder eine Sprachzersetzung gibt.
Wie unterscheiden Sie Modetorheiten von einer länger anhaltenden Entwicklung?
Auf jeden Fall ist es nicht angebracht, nur aufgrund der Feststellung einer
Tendenz eine generelle und durchgreifende Zusammenschreibung zu fordern!
Zu Detlef Lindenthal, vollständige Großschreibung:
Meiner Meinung nach sollte man vollständig Großschreibung möglichst vermeiden,
insbesondere bei längeren Wörtern. Da es für das ß keinen Großbuchstaben gibt,
könnte man es in solchen Wörtern einfach übernehmen, eventuell etwas
modifiziert, wie Detlef Lindenthal es beschrieben hat. Die Unterlänge wäre ein
gutes Gegengewicht zu den Punkten der Umlaute. Es sollte aber klar sein, daß es
damit immer noch ein Kleinbuchstabe ist.
Zu Bernhard Schühly:
In der Schule sollten solche Schreibungen, bei denen man sich nicht sicher
ist, besonders geübt werden. Mag sein, daß das in den letzten Jahrzehnten etwas
nachlässig gehandhabt wurde, um eine Reform notwendig erscheinen zu lassen.
Die unmotivierte Variantenschreibung dagegen irritiert, egal ob sie in einem
Dokument durchgehend verwendet wird oder nicht.
Daß Kinder klare Angaben zur Schreibung brauchen wurde hier schon -- ich glaube
von Frau Pfeiffer-Stolz -- hinreichend begründet.
Es dürfte aber immer noch irritierend sein, wenn man bei unechten Varianten
in einem Dokument die eine und in einem anderen die andere Form sieht. Wenn man
aus der Verwendung der einen oder der anderen Variante die Intention des Autors
ablesen kann, z. B. den Sprachrhythmus, wenn also echte Varianten vorliegen,
dann dürften sich dabei keine Probleme ergeben, dann ist die Verwendung der
jeweiligen Form motiviert, und auch ein Kind wird das schon erkennen können.
Zitat Detlef Lindenthal:
''Es war ein fröhlicher Tag in der Grundschule, als wir lernten: Gar nicht wird
gar nicht zusammengeschrieben, und: Wer nämlich mit h schreibt, ist dämlich.''
Wir sollten darauf achten, daß wir Reformgegner solch schöne Merksätze, ganz im
Sinne von ''Kinder brauchen klare Angaben zur Schreibung'' nicht durch
eingebildete oder an den Haaren herbeigezogene Tendenzen kaputtreformieren.
Es wäre peinlich, wenn wir uns zu Erfüllungsgehilfen der Reformer machen würden.
Rechtschreibung heißt auch, daß man solche Erscheinungen ignoriert, die
Unsicherheit einführen oder das System aufblähen, aber sonst keinen Nutzen
bringen. Es geht nicht um präskriptiv oder deskriptiv, das wäre nur Denken in
Gegensatzpaaren, sondern um einen einmal eingeschlagenen Weg. Dieser Weg wurde
seit über 100 Jahren von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung
akzeptiert, jetzt davon abzugehen, weil eine Minderheit zu einem anderen Weg
tendiert, ist nicht sinnvoll. Wir sollten lieber stolz darauf sein, uns eines
ausgefeilten, traditionsreichen Rechtschreibsystems bedienen zu können.
Ich möchte hier als Beispiel folgenden Vergleich vorschlagen:
Rechtschreibung ist wie ein Obstbaum: Wie der Obstbaum den Zweck hat, Früchte
zu bringen, so hat die Rechtschreibung den Zweck, schriftliche Kommunikation
über Raum und Zeit hinweg zu ermöglichen. Wenn ein Obstbaum seinen Zweck
erfüllen soll, dann muß er möglichst jedes Frühjahr geschnitten werden, sonst
verwildert er und die Äpfel werden kleiner. Es ist also nötig, gewisse Äste
rauszuschneiden: Man muß einen Korb durch die Krone des Baumes durchwerfen
können! In Analogie dazu müssen also auch gewisse Tendenzen gekappt werden,
wenn sie dazu führen, daß das Gesamtsystem nutzlos aufgebläht wird.
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