Regel und Regelbruch
Zitat: Ursprünglich eingetragen von Jürgen Kern
Schauen Sie her: Ich bin ein Mensch, der sich gerne an Regeln hält – deshalb muß Sprache für mich auch feste Regeln haben. Und irgendwer muß diese festen Regeln bestimmen, weshalb ich dafür bin, eine staatliche Aufsichtsstelle wie in Frankreich zu gründen, die die Sprache beobachtet. Und was die dann sagt, gilt. Zur Zeit existiert die leider nicht, weshalb ich mich nach dem Duden richten muß.
Lieber Jürgen!
Ich glaube, ich kann Dich doch etwas beruhigen.
Sich an Regeln zu halten und damit eine gewisse Ordnung im Zusammenleben, Handeln oder wie hier in der Kommunikation zu bringen, ist eine ehrenhafte Sache und nicht negativ zu beurteilen. Man sollte es sich nur nicht zur Gewohnheit machen, blind und ohne zu fragen, jedes Gesetz zu befolgen.
Ich selbst habe auch erst im Zusammenhang mit der Rechtschreibdiskussion erfahren, daß es sich auch bei der bewährten Rechtschreibung nicht um Anordnungen handelt, sondern um Empfehlungen.
Nur: Dadurch, daß sie sich seit 100 Jahren bewährt haben bzw. Veränderungen immer nur aus der Praxis dazugefügt worden („gewachsen“) sind, sind diese Empfehlungen quasi zur „Regel“ geworden, die von allen wie ein ungeschriebenes Gesetz freiwillig akzeptiert wurden. Denn eine gemeinsam vereinbarte Grundlage (sozusagen „Code“) braucht jedes Kommunikationsmedium.
Diese bestehenden „Regeln“ wurden aber – und das ist der Unterschied zur RSR – niemals verletzt, umgestoßen oder ersetzt, sie bildeten die flexible Basis zur Kreierung neuer Wörter, Aufnahme von Begriffen aus anderen Sprachen und die allgemeine Anpassung der Sprache an das Zeitgeschehen, Trends, Umgangssprache u.s.w.
dadurch verstand jeder, der die alten Vereinbarungen kannte, die neuen Ausdrücke, selbst wenn sie noch nicht im Wörterbuch verzeichnet waren.
Wer diese Basisregeln jetzt verändern will – und dann auch noch, ohne ihre Auswirkungen zu überdenken – setzt die lange gewachsene und in der Praxis bewährte Verständlichkeit innerhalb der Deutschen Sprache aufs Spiel.
Aber ich betone nochmals:
Ihren vorschreibenden Status haben die Duden-Regeln vor der Reform nur durch die langjährige Rückkoppelung von Bewährung und Akzeptanz in der Praxis erhalten, niemals durch eine gesetzliche Auflage oder eine staatliche Institution. Ich glaube, das war auch gut so, denn nur so blieb die Sprache – in ihrem Rahmen immer offen und flexibel für Erweiterungen.
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Bernhard Schühly
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