Kieler Nachrichten v. 11.07.07
Comeback in Gold: Schröder hat wieder einen Platz im Kanzleramt
Genau 593 Tage nach seinem Auszug kehrte Gerhard Schröder gestern ins Kanzleramt zurück zur Übergabe seines offiziellen Porträts für die Kanzlergalerie. Ganz in Gold stellte der kürzlich verstorbene Maler Jörg Immendorff seinen Freund Schröder dar und fügte als Beigaben einen abstrahierten Bundesadler sowie sich selbst, an der Nervenkrankheit ALS zerbrechend, hinzu. Altkanzler Schröder hängt jetzt neben seinem Vorgänger Helmut Kohl – und, „wann auch immer, wandte er sich gestern mit einem süffisanten Lächeln an die Hausherrin, irgendwann werde Angela Merkel neben ihm hängen. Foto dpa
Nun, das kommt uns bekannt vor: Am 15.09.1999 wollten die Parteien des Kieler Parlaments, bevor sie einträchtig den Volksentscheid annullierten, erstmal ihre Unabhängigkeit zur Schau stellen. Heide Simonis, der gerade vorgeworfen worden war, Volker Rühe „Kotzbrocken“ genannt zu haben, beschwerte sich ihrerseits, Wolfgang Kubicki habe sie „hängen“ lassen wollen, während der beteuerte, nur ihr Ölbild als gewesene Ministerpräsidentin gemeint zu haben.
Die dort begonnene Große Koalition gegen das Volk fand jetzt ihre amtliche Fortsetzung:
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Stellten gestern die Beschlüsse der Großen Koalition vor; Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave, Finanzminister Rainer Wiegard (Mitte) und die Chefs der Regierungsfraktionen, Lothar Hay (li.) und Johann Wadephul. Foto JKK
Ute Erdsiek-Rave, das war die ehemalige Grundschullehrerin, die 1999 gegen den Willen des Volkes die „Rechtschreibreform“ an den Schulen wieder durchsetzte und ihr Fortbestehen in leicht kastrierter Form 2006 sicherte. Der ehemalige Lehrer Lothar Hay hätte gern den Volksentscheid durch Verlegung auf ein anderes Datum scheitern lassen. Aus seinem Umfeld kamen die Leute, die Volker Rühes Examensarbeit zu Wahlkampfzwecken ausspähen sollten. Er selbst hatte den anonymen Parteigenossen, der die dreiste Simonis nicht wieder zur Ministerpräsidentin wählen wollte, als „Schwein“ bezeichnet – mit einem Wort, eher ein Vollblutpolitiker als ein Pädagoge. Johann Wadephul hat sich ebenfalls um die „Reform“ sehr verdient gemacht, nachdem der widerstrebende CDU-Landeschef Peter Kurt Würzbach kaltgestellt worden war.
Um das Volk wegen der nichtsnutzigen Realschulvernichtung (nach der nichtsnutzigen „kostenneutralen“ Rechtschreibreform) zu beruhigen, haben sie sich einen neuen Schwindel ausgedacht: Die Lehrer, die angeblich durch die sinkenden Schülerzahlen eingespart werden könnten, werden in Geld umgerechnet und als neue „Investition“ verkauft:
Eine Extraportion Unterricht
Land will zwischen 2010 und 2020 insgesamt 540 Millionen Euro in die neuen Gemeinschafts- und Regionalschulen investieren
Kiel Für die neuen Gemeinschafts- und Regionalschulen gibt es eine Extraportion Unterricht. Das Land will zwischen 2010 und 2020 eine Summe von 540 Millionen Euro investieren, was einem Volumen von mehr als 1300 Lehrerstellen entspricht.
Uta Wilke kommentiert:
Dennoch wird es einige Zweifler geben, die sich fragen, warum der „Demografiegewinn“ aus dem prognostizierten Rückgang der Schülerzahlen nicht vollständig den Schulen zu Gute kommt.
Die gewissenhafte Kommentatorin ist offensichtlich beim traditionellen „zugute kommen“ ratlos. 2004 war der totale Trennfimmel dort noch nicht angekommen. Und nun hat der bremsende, aber Reparaturarbeit vortäuschende „Rat für die deutsche Rechtschreibung“ nach Laune die entgegengesetzt extreme Schreibung „zugutekommen“ kreiert.
Ansonsten wird reformgemäß weiter gespalten, was sonst ein Begriff war:
Kämpfe mit schwer bewaffneten Extremisten
eine nahe gelegene Polizeiwache
Da der Gerichtsbeschluss erst nach Beginn der Warnstreiks erging, war der Bahnverkehr vielerorts bereits lahm gelegt. (Immer falsch)
Auch die Großschreibung treibt amtliche Stilblüten:
Mit Johannes Polgar sprach Jens Kunkel
Platz 13 entsprach bei Weitem nicht Ihren Erwartungen. Wie konnte das passieren
Die Weitsprung-Weltmeisterin sagte: „Bei Weitem habe ich nicht die Probleme meiner Kolleginnen“.
Beach-Asse treffen sich in Berlin
„… Es wäre schön, wenn wir als Erster direkt ins Achtelfinale einziehen könnten“, sagt die 29-jährige gebürtige Potsdamerin.
Meint unser „Beach-Ass“ nun als „Erste“ oder „als erste“ ?
Fotosafari wurde zum Albtraum
Deutsches Ehepaar in Namibia überfallen – 56-Jähriger erschossen
… Auf dem Weg nach Swakopmund hatten die Beiden einen Stopp eingelegt … Der Mann habe im Metall verarbeitenden Gewerbe gearbeitet …
Mit Hilfe von Ferngläsern können sich Besucher zum Beispiel in die Urzeit „beamen“ und Zähne fletschende Raubsaurier brüllen hören.
Mithäftling gefesselt und gequält
Auf Nachfragen des Gerichtes räumten die Angeklagten ein, das Opfer sei schon früher des Öfteren gepiesackt worden.
Siehe Glosse „des Öfteren“:
http://www.nachrichtenbrett.de/Forum/showthread.php?threadid=104&pagenumber=6
Und dann war da noch das …
LITERATURRÄTSEL
Wer schrieb was ?
»Sie nahmen ein Taxi. Blum hatte den Eindruck, dass jemand hinter ihnen herfuhr, aber dagegen war nichts zu machen. Wer ihn finden wollte, konnte ihn finden. Wo hätte er sich verstecken sollen? Mit 5 Pfund Koks konnte man sich nicht verstecken, nicht, wenn man das Zeug zu Geld machen wollte. Und jetzt hatte er sich auch noch eine Blondine aufgehalst, eine blonde Kifferschlampe, womöglich von den Bullen gesucht, aber er brauchte das ja.«
Als dieser in „hard-boiled "-Manier geschriebene Krimi 1981 erschien, war er ein Novum, denn er hatte seinen Handlungsmittelpunkt nicht nur in Deutschland, er war auch noch von einem deutschen Autoren geschrieben. Es ist die Geschichte eines Loosers, der von seinem (guten?) Instinkt immer mal wieder im Stich gelassen wird und sich, als ihm 5 Pfund Kokain zufallen, zunehmend in die Rauschgiftszene verstrickt. Eine spannende, etwas schnoddrig erzählte Geschichte, voll von Menschen- und Milieustudien. Der Autor arbeitete hart an diesem Buch, mit dem er endlich einmal richtig Geld verdienen wollte. Was ihm gelang. Entsprechend geehrt fühlte er sich, als kein geringerer als Marius Müller-Westernhagen die Titelrolle in der Verfilmung übernahm. 1987 kam der gerade im Rotlichtmilieu recherchierende Autor unter mysteriösen Umständen auf einer Autobahn nahe München ums Leben.
Die Lösung des letzten Rätsels lautet: Gottfried von Straßburg, Tristan. Gewonnen hat * * *. Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir einen Buchgutschein ä 20 Euro. Lösungen (Titel & Autor) bis 16. Juli an Kieler Nachrichten, „Literaturrätsel, Fleethörn 1-7, 24103 Kiel. Tel. 0431/903-2895, Fax 903-2896, E-mail: literaturraetsel@Kieler-nachrichten.de
Jörg Fauser „Der Schneemann“.
Das „dass“ ist ein Hinweis darauf, daß der Text einer neueren, durch Neuschreib verferkelten Ausgabe entnommen sein könnte. Im Verdacht steht die Krimireihe von Süddeutsche Zeitung/Bibliothek, die schon Umberto Ecos „Der Name der Rose“ auf stümperhafte Weise und ohne Genehmigung von Autor und Übersetzer verstümmelt hat (Vorgang hier im Archiv).
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