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Kieler Nachrichten
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Sigmar Salzburg
29.10.2007 08.43
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Dann bleibense doch beim alten:

Es bleibt weiter schwierig

[Frau Hilliger in den KN am 27.10.07]

Teil 20 – Heute: Lassen wir uns nicht fertigmachen!

Die Getrennt- und Zusammenschreibung – es bleibt schwierig. In dieser Folge geht es um Adjektive, die sich mit einem Verb verbinden wollen. Grundlegend müssen hier zwei Fälle unterschieden werden.
Auf der einen Seite gibt es Zusammensetzungen, bei denen das Adjektiv ein Ergebnis, ein Resultat der durch das Verb bezeichneten Tätigkeit kennzeichnet: fertig kochen/fertigkochen, (den Weg) frei machen/freimachen, ganz machen/ganzmachen, gar kochen/garkochen, grob mahlen/grobmahlen, kaputt machen/kaputtmachen, klein hacken/kleinhacken, wach rütteln/wachrütteln (= wecken). Hier sind in Zukunft sowohl die Getrennt- als auch die Zusammenschreibung zugelassen, wobei die deutschen Nachrichtenagenturen in diesen Fällen die Getrenntschreibung bevorzugen. Untersuchungen des Sprachgebrauchs in diesem Bereich haben ergeben, dass 60 Prozent der Menschen diese Wendungen zusammenschreiben, 40 Prozent jedoch getrennt. Da weder der Sprachgebrauch noch der formale Sprachbau hier eindeutig sein können, ist dieser Teil in Zukunft von aller Regelung freigestellt.

Damit kommen wir zur zweiten Seite. Es gibt auch viele Zusammensetzungen aus Adjektiv und Verb, bei denen eindeutig eine neue Gesamtbedeutung vorliegt. Sie unterscheidet sich erheblich von der Bedeutung der einzelnen Wortbestandteile, so dass hier immer zusammengeschrieben werden muss. Oft liegt die Betonung bei diesen Wörtern nur auf einer Silbe des ersten Wortes, nicht aber auch auf dem zweiten Wort: (jmdn.) fertigmachen (aber: eine Arbeit fertig machen), (etwas) feststellen (aber: den Stuhl fest stellen), (jmdn.) freisprechen (aber: einen Vortrag frei sprechen), (jmdn.) kaltstellen (aber: die Torte kalt stellen), schwerfallen (= Mühe verursachen) (aber: das Kind ist schwer gefallen), (jmdn.) krankschreiben, lockersitzen (Geld), (aber: die Hose soll locker sitzen), (viel für jmdn.) übrighaben (aber: keine Bonbons übrig haben). Allerdings, und das ist zunächst ungewohnt, können die in Klammern genannten Beispiele alternativ auch immer zusammengeschrieben werden (siehe Erläuterungen oben).

Fazit: Beim Zusammentreffen von Adjektiven und Verben überwiegt die Zusammenschreibung. Getrennt geschrieben werden darf nur, wenn die konkrete Bedeutung beider Wörter auch in der Zusammensetzung erhalten bleibt.

Wie gewohnt auch diesmal ein paar Übungsbeispiele:
Wir müssen die Zahlen hoch/rechnen. Das ist mir nicht leicht/gefallen. Was soll uns anderes übrig/bleiben? Sie wurde selig/gesprochen. Kannst du noch klar/denken? Es wird schon glatt/gehen. Willst du ihm das übel/nehmen? Das sollte dir fern/liegen. Sie hat den Aufsatz gut/geschrieben. Der Restbetrag wird Ihnen gut/geschrieben. Sie hat wahr/gesagt, dass du frei/gesprochen wirst.


Sabine Hilliger

Auflösung Teil 19 (die erste Variante entspricht den Richtlinien der deutschen Nachrichtenagenturen): Sie sollten alle Termine platzen lassen/platzenlassen (aber nur: einen Ballon platzen lassen). Wollen Sie nicht unser neuestes Produkt kennenlernen/kennen lernen? Was haften bleibt/haftenbleibt, sind die Erinnerungen. Du solltest doch diesen Quatsch bleiben lassen/bleibenlassen! Pass auf, dass die Arbeit nicht an dir allein hängenbleibt/hängen bleibt. Soll der Karren jetzt im Dreck stecken bleiben/steckenbleiben? Ich wollte heute gerne schwimmen gehen. Mit dieser Aktion bist du mächtig baden gegangen (keine Zusammenschreibung trotz übertragener Bedeutung, da der zweite Teil des Wortes nicht bleiben oder lassen ist). Mit diesem Leim wird die Tapete bestimmt kleben bleiben. Wollen wir spazieren gehen? Sie wurde beim Abschlussball auf dem Stuhle und damit in der Tinte sitzen gelassen.

Eine kurze Bemerkung: Mit den seit 1. August 2006 gültigen Regelungen wurde eine Vielzahl von Varianten zugelassen. Oft muss nun zusätzlich zum Grad der Selbstständigkeit eines Wortes oder seiner Wortart entschieden werden, ob die direkte oder eine übertragene Bedeutung vorliegt. In Bezug auf zwei aufeinandertreffende Verben gilt: Bei übertragener Bedeutung ist in den meisten Fällen (nämlich bei Zusammensetzungen mit bleiben und lassen) auch eine Zusammenschreibung gestattet, die von den Nachrichtenagenturen in vielen Fällen favorisiert wird. Schwierig wird es beim letzten Beispielsatz. Wer ein solches Wortspiel aufschreiben möchte, kann eigentlich nur getrennt schreiben, da für den Fall direkter Bedeutung die Zusammenschreibung nicht vorgesehen ist.

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Sigmar Salzburg
27.10.2007 09.38
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Noch zu Kieler Nachrichten v. 26.10.07

Nur einige Stichproben:

Die strengen Bestimmungen zum Alkoholausschank sind einer aust-ralischen Bardame zum Verhängnis geworden: Weil sie zum Gaudi ihrer Kunden Bierdosen zwischen ihren nackten Brüsten zerdrückte ….

Die Abtrennung des „st“ nach Diphthongen und Vokallängen ist nach wie vor sprachlich am angenehmsten („die mei-sten“, „der Hu-sten“), wird aber von der „Reform“ verboten.

Das Verbot sinnvoller Kleinschreibung von phraseologischen Wendungen wird oft mißachtet:

Sehen Sie, Zarah Leander war aufs engste mit mir und meinem ersten Mann befreundet.

Dafür geraten manche ausgeschriebene Ziffern beflissen (und falsch) zu groß:

„Zarah Leander wollte unbedingt die Nummer Eins werden in ihrem Metier, da hat sie auch die Förderung der Nazis in Kauf genommen.“

Frau Dr. Hillger mag es bedauern, aber die folgende Trennschreibe ist wieder falsch:

Die Wiener Schriftstellerin Beatrice Ferolli … lässt die beiden Diven in der Damentoilette eines Wiesbadener Nobelhotels aufeinander treffen ….der verbale Zi-ckenkrieg beginnt.

Nie käme man auf den Gedanken, „Zi-mmerservice“ oder „Zi-tterpartie“ zu trennen!

Jedes Mal, wenn Kielius auf dem Weg zur Arbeit …

Den meisten wird nicht bewußt, daß „jedesmal“ ein neuerdings verbotenes Wort ist, obwohl es doch schon vor zweihundert Jahren üblich war, z.B. in Goethes „Wahlverwandtschaften“: In diesem sah sie Eduarden ganz deutlich, und zwar nicht gekleidet, wie sie ihn sonst gesehen, sondern im kriegerischen Anzug, jedesmal in einer andern Stellung,…

Dafür wurden andere, kaum übliche Zusammenschreibungen zwangsprotegiert, wie „zurzeit“.

Mit dem Abtritt von Stoiber werden die Ä-Sager in der Politik zwar weniger, aber die Ä-Schreiber nicht im Reformbetrieb:

Glimmstängel unerwünscht!

Die „Stenge“ der Seemannssprache hat man aber bei der „Reform“ übersehen.

Verfänglich im internationalen Sprachdickicht bleibt auch die neudeutsche Version des „As“

Karate-Ass Porado hat Lunte gerochen.

Bastardschreibe auch hier:

„Pochi arbeitet und ich checke das und gebe ihm Tipps live vor der Kamera, wie er das brillant auf Weltklasse bringen kann – so ein Coaching“, sagt Schmidt. „ Im Augenblick ist er ja noch als selbst ernannter B-Promi auf Tour.“

Zum Leidwesen von Frau Hilliger wird auch die letztgenannte Reformschreibung wieder aussterben, obwohl sie vom devoten Duden noch empfohlen wird.

Diese lästigste und überflüssigste aller Reformen hatte zeitweise so sehr die Hirne der Politiker besetzt, daß zu ihrer Durchsetzung sogar der Verfassungsschutz aktiviert wurde. Da blieb für die Beobachtung anderer Aktivitäten natürlich keine Zeit:

Noch ein Indiz für die Nähe zu El-Kaida
Schleswig – Der kalte Hauch des 11. September 2001 weht durch den großen Verhandlungssaal des Oberlandesgerichtes, als im Prozess gegen den mutmaßlichen Kieler Terrorhelfer Redouane E. H. (37) die Ex-Frau eines Mannes auftritt, der dem engsten Umkreis des Todespiloten Mohammed Atta zugerechnet wird …Die Zeugin berichtet von ihrer Entscheidung, „einen Schlussstrich zu ziehen“….



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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
27.10.2007 07.24
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Die KN-Hilligerserie v. 26.10.07

Verben halten (oft) Abstand

Teil 19 – Heute: Bei Hitze soll man baden gehen

Im letzten Teil der Serie ging es um die Getrennt- und Zusammenschreibung von Verben, die sich mit Substantiven verbinden. Heute betrachten wir Verben, die sich mit ihren (Wort-)Artgenossen zusammentun. Eigentlich ist es ganz einfach. Trifft ein Verb ein anderes, so stellt es sich einfach daneben, respektiert die Privatsphäre des anderen und hält wenigstens ein Leerzeichen breit Abstand. So jedenfalls war es im Reformwerk vorgesehen: baden gehen, schreiben lernen, kommen lassen.
Aber wenn jemand „eigentlich“ sagt, dann sucht man instinktiv nach dem Haken an der Sache. Und den findet man in diesem Falle im Kleingedruckten der Empfehlungen des Rates für Rechtschreibung. Dort heißt es nämlich jetzt ergänzend zum bisherigen Vorschlag, dass in bestimmten Fällen zwei Verben auch zusammengeschrieben werden können. Und zwar in dem einzelnen Falle von kennen lernen, das auch weiterhin kennenlernen bleiben kann (wie auch in der Liste der deutschen Nachrichtenagenturen), und immer dann, wenn eine Bedeutungsübertragung vorliegt und das zweite Verb lassen oder bleiben heißt. Begründet wird das damit, dass nur die Verbverbindungen mit bleiben und lassen häufig diese übertragene Bedeutung besitzen: auf dem Stuhl sitzen bleiben, aber in der Schule sitzen bleiben oder sitzenbleiben. Damit spielt also auch hier wieder zusätzlich zu formalen Entscheidungskriterien die Semantik – die Bedeutung – eine wichtige Rolle. Das ist für den Leser in einigen Fällen nicht unwichtig. Für den Schreibenden aber bringt diese Regelung keine wesentlichen Erleichterungen. Zumal es auch übertragene Bedeutungen gibt, die kein lassen oder bleiben enthalten: bei Hitze baden gehen, mit einem Plan baden gehen (hier ist die Zusammenschreibung nicht zulässig). Der Schreiber wird in vielen der auch bisher schon schwierigen Fälle weiterhin vor eine Entscheidung gestellt. Interessant ist, wie der Duden diese Probleme löst, denn neuerdings gibt er bei den Varianten Schreibungsempfehlungen vor. Wann rät er zu einer Getrennt- und wann zu einer Zusammenschreibung? Der Wahrig, ein anderes sehr verbreitetes orthographisches Wörterbuch, hat in seine neueste Auflage auch alle Varianten aufgenommen. Er hält sich aber mit einer Interpretation noch zurück. Zunächst sollen die Sprachbenutzer, also Sie und ich, durch den praktischen Umgang mit den betreffenden Wörtern entscheiden, welche Variante zu favorisieren ist (für mich ganz klar die Getrenntschreibung!). Dann wird der Rat für Rechtschreibung seine Empfehlungen erneut be- und überarbeiten, bevor die Redaktionen der verschiedenen Rechtschreibwörterbücher ihre Wörter- und Regelverzeichnisse anpassen.

Noch ein Wort zu den „Verb-Verben“. Die Regelung, die für den zugrunde liegenden Infinitiv gilt, wird natürlich auch bei den entsprechenden Ableitungen angewendet. Ein Beispiel: Wir können die Arbeit liegen lassen; wir haben die Arbeit liegen gelassen; die liegen gelassene Arbeit. Oder ein anderes, wenn Sie sich für die Zusammenschreibung wegen einer übertragenen Bedeutung entscheiden: Er wird in der Schule sitzenbleiben; er ist in der Schule sitzengeblieben; der sitzengebliebene Schüler.

Nun sind Sie an der Reihe. Entscheiden Sie sich für die richtige – oder im Variantenfalle für die Ihnen genehmere – Schreibung: Sie sollten alle Termine platzen/lassen. Wollen Sie nicht unser neuestes Produkt kennen/lernen? Was haften/bleibt, sind die Erinnerungen. Du solltest doch diesen Quatsch bleiben/lassen! Pass auf, dass die Arbeit nicht an dir allein hängen/bleibt. Soll der Karren jetzt im Dreck stecken/bleiben? Ich wollte heute gerne schwimmen/gehen. Mit dieser Aktion bist du mächtig baden/gegangen. Mit diesem Leim wird die Tapete bestimmt kleben/bleiben. Wollen wir spazieren/gehen? Sie wurde beim Abschlussball auf dem Stuhle und damit in der Tinte sitzen/gelassen.
Sabine Hilliger

Auflösung Teil 18: Er konnte an der Party nicht teilnehmen. Es macht Spaß, mit dem Ferrari Probe zu fahren. Er hörte kaum zu, als ihn die Jury lobpreiste (oder lobpries). Sie fachsimpelte mit ihren Kolleginnen Die Papier verarbeitende (Nachrichtenagenturen: papierverarbeitende) Industrie verbraucht viel Wasser. Diesmal habt ihr perfekt gehaushaltet (oder Haus gehalten). Der Sonnenkönig hat sehr kostspielig Hof gehalten. Die Elfen wehklagten, was die Hexe aber kaltließ. Im Winter liebte sie es eiszulaufen, im Sommer dagegen Klavier zu spielen.

http://www.kn-online.de/artikel/2243326

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Sigmar Salzburg
26.10.2007 11.25
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Kieler Nachrichten v. 25.10.2007

Frau Dr. Hilliger nähert sich innerhalb des Jahrhundertwerkes „Rechtschreibreform“ der (gescheiterten) Jahrhundertleistung „Erstmalige Regelung der Getrennt- und Zusammenschreibung“ und unterschlägt sogleich „orwellnessselig“ das traditionelle „leid tun“ zugunsten nie dagewesener Experimentalschreibweisen – reformierte „Leidkultur“, wie sie leibt und lebt:


Es geht um die Gesamtbedeutung

Teil 18 – Heute: Neue Regeln? Bloß nicht sich selbst leidtun. Oder Leid tun?

Die Getrennt- und Zusammenschreibung ist ein weites Feld, wie Fontane es seinen Herrn von Briest hätte ausdrücken lassen. Aber wir verzagen nicht und erkunden es, ganz langsam, Schritt für Schritt.

Zunächst die Verben: Verben können sich mit den verschiedensten Wortarten verbinden. Die Frage ist, ob es sich jeweils um eine Wortgruppe oder um eine echte Zusammensetzung handelt. Grundsätzlich gilt, dass die Getrenntschreibung der Normalfall ist. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass nur die Fälle der Zusammenschreibung genauer betrachtet und entsprechend geregelt werden müssen. Waren im ursprünglichen Reformvorschlag in erster Linie rein formale Kriterien für diese Entscheidungen ausschlaggebend, spielen nun auch wieder semantische Aspekte eine Rolle. Das heißt, der oder die Schreibende muss sich besonders vor Augen führen, wie es sich mit der Gesamtbedeutung eines Wortes verhält. Gibt es eine übertragene Gesamtbedeutung oder ist der Bestandteil vor dem Verb in seiner eigenständigen Bedeutung weitgehend verblasst, wird zusammengeschrieben.

Der Rat für Rechtschreibung hat eine sogenannte geschlossene Liste entworfen, in der alle Beispiele für eine Zusammenschreibung von Substantiv und Verb aufgeführt werden und das sind nicht viele. Meist wird die Zusammenschreibung mit der verblassten Bedeutung des vorangehenden Substantivs erklärt: eislaufen, kopfstehen, leidtun, nottun, standhalten, stattfinden, stattgeben, statthaben, teilhaben, teilnehmen, wundernehmen. Diese werden also wie in der alten Rechtschreibung klein- und zusammengeschrieben, auch wenn es zwischenzeitlich andere Varianten gab. In ganzen vier Fällen ist eine variable Schreibung vorgesehen – hier benutzen die Nachrichtenagenturen jeweils die erste Variante. Das betrifft achtgeben/Acht geben, achthaben/Acht haben, haltmachen/Halt machen, maßhalten/Maß halten.

Alle anderen Zusammensetzungen aus Substantiv und Verb aber schreibt man groß und getrennt, z. B. Auto fahren, Achtung bieten, Hof halten, Daten verarbeiten, Kartoffeln schälen, Kegel schieben, Krebs erregen, Maschine schreiben, Maß nehmen, Probe fahren, Rad fahren, Rad schlagen. Um ein Substantiv näher zu bestimmen, können diese Verbindungen in ein Partizip umgewandelt werden. Wie Sie dann schreiben, können Sie selbst bestimmen: groß und getrennt oder klein und zusammen, wie es die Nachrichtenagenturen bevorzugen (s. zweite Variante in den Beispielen): eine Achtung gebietende/achtunggebietende Persönlichkeit, die Daten verarbeitende/datenverarbeitende Maschine, Krebs erregende/krebserregende Stoffe, das Rad fahrende/radfahrende Kind.

Tückischerweise hält das Deutsche eine Gruppe von Wörtern für uns bereit, die auf den ersten Blick ebenfalls wie Zusammensetzungen aus Substantiv und Verb erscheinen. Man wäre also geneigt, sie getrennt zu schreiben. Aber warum bleiben Wörter wie brandmarken, bruchlanden, bruchrechnen, fachsimpeln, handhaben, lobpreisen, maßregeln, nachtwandeln, schlafwandeln, schlussfolgern, wehklagen dann doch als Einheit stehen? Die Erklärung liegt in der Art der Verbindung von Substantiv und Verb. Wenn man mit diesen Wörtern Sätze bildet, merkt man schnell, dass sie sich im Unterschied zu den meisten anderen Zusammensetzungen nicht auseinanderreißen lassen. Das Flugzeug war bruchgelandet. Und nicht: Das Flugzeug landete Bruch*. Oder: Ich schlussfolgerte, dass er gern kam. Und nicht: Ich folgerte Schluss*, dass er gern kam. Oder: Sie schlafwandelte durch die Nacht. Und nicht: Sie wandelte Schlaf* durch die Nacht. Es handelt sich um untrennbar zusammengesetzte Verben.

Eine kleine Übung: Bitte bilden Sie zu den folgenden Substantiven das zusammengesetzte Verb bzw. die Wortgruppe und setzen Sie die richtige Schreibweise ein. Die Teilnahme: Er konnte an der Party nicht … Die Probefahrt: Es macht Spaß, mit dem Ferrari … Die Lobpreisung: Er hörte kaum zu, als ihn die Jury … Die Fachsimpelei: Sie … mit ihren Kolleginnen. Die Industrie, die Papier verarbeitet: Die … Industrie verbraucht viel Wasser. Das Haushalten: Diesmal habt ihr perfekt … Die Hofhaltung: Der Sonnenkönig hat sehr kostspielig … Das Wehklagen: Die Elfen …, was die Hexe aber kaltließ. Das Eislaufen/das Klavierspiel: Im Winter liebte sie es …, im Sommer dagegen …

Sabine Hilliger

* mit Stern gekennzeichnete Wörter entsprechen nicht der neuen Rechtschreibung

http://www.kn-online.de/artikel/2242702

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Sigmar Salzburg
25.10.2007 08.37
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Noch Kieler Nachrichten v. 24.10.07

LITERATURRÄTSEL
Wer schrieb was?

»War das ein anstrengender Tag!“, sagt Papa und gähnt. Er legt sich in die alte Obstkiste und schließt die Augen. Die anderen sind jetzt auch müde. Oma legt ihre Lieblingsplatte auf und steckt den Kopf ganz tief in den Grammophon-Trichter. So kann sie sich immer am besten entspannen. Opa ist schon am Tisch eingenickt. Im Schlaf bewegt er die Arme, als würde er schwimmen. Das sieht sehr lustig aus. Die Kinder kuscheln sich in der hintersten Ecke der Höhle eng zusammen. Inzwischen ist es Nacht geworden, und der Mond leuchtet am Himmel wie ein Lampion. «

Eine reichlich absonderliche Familie ist das, die hier vorgestellt wird und deren aus Erwachsenensicht doch recht bedenklicher Lebenswandel seit 1990 in fortlaufenden Bänden nachzulesen ist. Wahrscheinlich mögen die Kinder sie deshalb so gern, weil sie lauter unmögliche und verbotene Dinge tun, zum Beispiel Müll essen, sich nie waschen, faulenzen und gräßlich fluchen... Der Autor lebt in München, hat schon mehr als 100 Kinderbücher geschrieben und illustriert neben seinen eigenen auch Bücher von bekannten Kollegen. Außerdem ist er Liedermacher: Neben einem Kindermusical über die besagte Familie hat er eine Reihe von CDs für Erwachsene veröffentlicht.

Die Lösung des letzten Rätsels lautet: Saint-John Perse, Winde. Gewonnen hat Kai Lippmann, Klausdorf. Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir einen Buchgutschein a 20 Euro. Lösungen (Titel & Autor) bis 29. Oktober an Kieler Nachrichten, „Literaturrätsel“, Fleethörn 1-7, 24103 Kiel. Tel. 0431/9032895, Fax 9032896, E-mail: literaturraetsel@kieler-nachrichten.de



Erhard Dietl „Die Olchis …“… welcher der Dutzend Bände von 1990 bis 2007, müßten die Leser herausfinden. Interessant wäre, ab wann der Verlag den Kotau vor der „Rechtschreibreform“ meinte machen zu müssen. Der Rätselmacher hat diese Spur umgangen, obwohl ihm selbst noch ein „gräßlich“ entfährt.

Im übrigen sind – außer den ss und den Ekeltrennungen – in dieser KN-Ausgabe die Reformduftmarken nicht sehr zahlreich.
Der sonst sehr solide schreibende Markus Günther bemerkt zu den Bränden in Kalifornien:
Für die einen ist das Geschehen dramatisch, Existenz bedrohend und lebensgefährlich, für die anderen ein saisonales Medienereignis…

Die Hafenstadt Kiel muß viel f-Wörter einstecken: Schifffahrts-Archiv, Schifffahrtsgeschichte…

Auf den falschen Dampfer bringt den Leser der Satzanfang Darüber, wie viel Geld …. … Gemeint ist aber nicht „auf welche Weise“, sondern wieviel …

Die Musikszene kündigt diesmal KN-Mitarbeiterin Caroline Neider an: …. Bei der Folk-Session am Schienenstrang wird unplugged gejammt.
In den drei Spalten finden sich mindestens dreißig Wörter, die nach den Regel jeder deutschen Rechtschreibung unleserlich sind. Die „Reform“ entfaltet jedoch in einem Fall eine Wirkung, wenn auch nur „für den Arsch“:
Neben den Rapcore-Jubilaren aus Kiel rocken Pololounge (Cover), NOM (Stonerhardrock), Hating Humans (Horrorpunk) und Kilt (Kick-Ass-Metal) 20 Uhr Pumpe …

Dafür ist die unreformierte Pik-Schreibung in den Normaltext eingedrungen:

Artikel vom 20.10 „Blaugelber Stachel pikt die Etablierten“.

Eine verbotene Form der sonst so gehätschelten „Stammschreibung“ verwendet Martina Drexler [zu Nierentransplantation] … „Schon im Krankenhaus haben sie gefragt, warum ich offenbar immer hier geschrieen habe, als es um die Verteilung von Krankheiten ging.“ Der traditionelle Duden verzeichnet noch „geschrie[e]n“.

Reformiertes Durcheinander bei „sogenannt“: das beste so genannte Corporate Design, … sogenannte Unterkiefer-Protusionsschienen… so genannte Rippenquallen

Heiterkeit bei den Trennungen: Ate – maussetzer

Günter Haß“ wird durch die „Reform“ zum Hasen
… und Frank Plasberg bei ARD zum Alten :

Plasbergs Fürsorgepflicht
Ab heute kommt „Hart aber fair“ bei der ARD, inhaltlich bleibt fast alles beim Alten

In der Sendung selbst stoppte Plasberg den Linken Gysi: „Wir stellen hier die Fragen“.
Leider sind die Schreiberleichterungspolitiker nie derart in die Mangel genommen worden.

Deswegen finden wir zu guter Letzt in den KN noch ein Glanzstück der „Reform“:

Karsten Schwanke berichtet über Aufsehen erregende Funde im Eis

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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
25.10.2007 07.14
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KN v. 24.10.07: Die Hilliger-Schreibstussserie:

Adjektiv trifft aufs Verb

Teil 20 – Heute: Lassen wir uns nicht fertigmachen!

Die Getrennt- und Zusammenschreibung – es bleibt schwierig. In dieser Folge geht es um Adjektive, die sich mit einem Verb verbinden wollen. Grundlegend müssen hier zwei Fälle unterschieden werden.

Auf der einen Seite gibt es Zusammensetzungen, bei denen das Adjektiv ein Ergebnis, ein Resultat der durch das Verb bezeichneten Tätigkeit kennzeichnet: fertig kochen/fertigkochen, (den Weg) frei machen/freimachen, ganz machen/ganzmachen, gar kochen/garkochen, grob mahlen/grobmahlen, kaputt machen/kaputtmachen, klein hacken/kleinhacken, wach rütteln/wachrütteln (= wecken). Hier sind in Zukunft sowohl die Getrennt- als auch die Zusammenschreibung zugelassen, wobei die deutschen Nachrichtenagenturen in diesen Fällen die Getrenntschreibung bevorzugen. Untersuchungen des Sprachgebrauchs in diesem Bereich haben ergeben, dass 60 Prozent der Menschen diese Wendungen zusammenschreiben, 40 Prozent jedoch getrennt. Da weder der Sprachgebrauch noch der formale Sprachbau hier eindeutig sein können, ist dieser Teil in Zukunft von aller Regelung freigestellt.

Damit kommen wir zur zweiten Seite. Es gibt auch viele Zusammensetzungen aus Adjektiv und Verb, bei denen eindeutig eine neue Gesamtbedeutung vorliegt. Sie unterscheidet sich erheblich von der Bedeutung der einzelnen Wortbestandteile, so dass hier immer zusammengeschrieben werden muss. Oft liegt die Betonung bei diesen Wörtern nur auf einer Silbe des ersten Wortes, nicht aber auch auf dem zweiten Wort: (jmdn.) fertigmachen (aber: eine Arbeit fertig machen), (etwas) feststellen (aber: den Stuhl fest stellen), (jmdn.) freisprechen (aber: einen Vortrag frei sprechen), (jmdn.) kaltstellen (aber: die Torte kalt stellen), schwerfallen (= Mühe verursachen) (aber: das Kind ist schwer gefallen), (jmdn.) krankschreiben, lockersitzen (Geld), (aber: die Hose soll locker sitzen), (viel für jmdn.) übrighaben (aber: keine Bonbons übrig haben). Allerdings, und das ist zunächst ungewohnt, können die in Klammern genannten Beispiele alternativ auch immer zusammengeschrieben werden (siehe Erläuterungen oben).

Fazit: Beim Zusammentreffen von Adjektiven und Verben überwiegt die Zusammenschreibung. Getrennt geschrieben werden darf nur, wenn die konkrete Bedeutung beider Wörter auch in der Zusammensetzung erhalten bleibt.

Wie gewohnt auch diesmal ein paar Übungsbeispiele:
Wir müssen die Zahlen hoch/rechnen. Das ist mir nicht leicht/gefallen. Was soll uns anderes übrig/bleiben? Sie wurde selig/gesprochen. Kannst du noch klar/denken? Es wird schon glatt/gehen. Willst du ihm das übel/nehmen? Das sollte dir fern/liegen. Sie hat den Aufsatz gut/geschrieben. Der Restbetrag wird Ihnen gut/geschrieben. Sie hat wahr/gesagt, dass du frei/gesprochen wirst.


Sabine Hilliger

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Detlef Lindenthal
24.10.2007 10.22
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Mehrdeutig oder nicht? [Mehrdeutigkeit ist kein hinreichendes Merkmal für Zusammenschreibung.]

Teil 17 – Heute: Getrennt, was zusammengehört [hier schimmert die DDR-Vorgehensweise durch]?

Es ist schon ein Kreuz mit der Getrennt- und Zusammenschreibung. Immer ein Stiefkind in der Rechtschreibung [nein], von niemandem geliebt [das stimmt nicht; meine Mutter hat sie mir einmal ordentlich erklärt, und dann war es auch für mich ein Vergnügen, in ihr sicher zu sein.]. Lange unbeachtet [stimmt ja gar nicht; ab ungefähr 1950 war hier sehr viel Ordnung und Sicherheit eingekehrt, ebenso wie bei der Kommasetzung] und plötzlich zeigen alle mit dem Finger auf sie. Tatsächlich sind die Fragen der Getrennt- und Zusammenschreibung nie [falsch] Bestandteil der offiziellen Regelungen gewesen. Sie spielten bei der Reform von 1901 [Rechtschreibung wurde auch zwischen 1901 und 1995 weiterentwickelt und von vielen verantwortungsvollen Schreibkräften, Schriftsetzern (Handwerkern) und Lektoren angewendet] – genau wie die Interpunktion – keine Rolle und fanden demzufolge auch keinen Eingang in die damaligen [was heißt „damaligen“? 1901??] Regelverzeichnisse der orthographischen Wörterbücher [stimmt nicht; die meisten Dudens, Wahrigs, Mackensens, Knaurs usw. sind nach 1901 herausgegeben worden und enthalten recht kenntnisreich und verantwortungsvoll zusammengestellte Rechtschreibregeln]. Alle Erläuterungen und Vorschriften, mit denen wir es heute zu tun haben, sind nach und nach von der Dudenredaktion formuliert und in das Regelwerk eingefügt worden [eben]. Es wurde immer wieder ergänzt, zurückgenommen [stimmt nicht], umformuliert, variiert und an den allgemeinen Sprachgebrauch angepasst.

Die „Erfinder“ der Reform standen also vor der Herausforderung, Licht in das Regeldickicht zu bringen [ein Regeldickicht gab es nicht]. Sie mussten [?? Wer zwang sie dazu?] sich alle bisherigen Anordnungen zu diesem Thema anschauen, sie „regel-recht“ ausmisten und ganz neu strukturieren. Die nächste Aufgabe bestand darin, alle zusammengesetzten Wörter und Wortgruppen, die im Wörterverzeichnis auftauchen, zu überprüfen [und Wörterverbote auszusprechen, was zuvor nicht mal Hitler, Ulbricht und Honecker gewagt hatten]. Die Einzelschreibungen sollten mit den allgemeinen Regeln ja möglichst exakt übereinstimmen. Für den Schreibenden ist jede Ausnahme eine Ausnahme zuviel. Für den Lesenden ist es wichtig, schnell und eindeutig den Sinn eines Wortes oder Satzes zu erfassen. Und daraus resultieren eine Menge Probleme. Ein Beispiel: Vor lauter Arbeit hatte sie das Gefühl, nur noch kopfzustehen. Das ist eine Schreibweise, wie sie der (gegenwärtige) Leser erwartet, weil er von einer übertragenen Bedeutung des Wortes kopfstehen ausgeht. Für den Schreibenden sieht das ganz anders aus [Hä? Wieso anders? Ich habe bei meiner Mutter und in der Schule das folgendermaßen gelernt: Ich schreibe so, wie ich es erreichen will, daß der Leser das lesen und verstehen kann.]. Für ihn handelt es sich zunächst um zwei Worte: das Substantiv Kopf und das Verb stehen [autsch ... und Haus und Tür, deshalb schreibe ich Haus Tür statt Haustür????]. Was läge da näher, als Kopf stehen zu schreiben? Ein anderes Beispiel: Nach der alten Rechtschreibung ist man auf dem Stuhl sitzen geblieben, in der Schule dagegen sitzengeblieben. Im Bett aber musste man liegenbleiben, während man mit dem Vorhaben, endlich richtig schreiben zu lernen, baden ging. Warum konnte man bisher zwar Auto fahren, aber nicht Rad [klar hieß es schon immer: Sie fuhr Rad]. (Sie kann gut Auto fahren, aber nicht radfahren.)? [Dies ist ein wunderschönes und lehrreiches Beispiel, das uns zeigt, wo die Grenze verläuft: Beim Radfahren oder Staubsaugen steht die Tätigkeit im Vordergrund, wenn es heißt: Sie darf Auto fahren und Bus fahren, dann stehen die brummenden Fahrzeuge im Blickpunkt.] Verstehen Sie das? Ich nicht. [Liebe Frau Dr. Hilliger, dann sollten Sie vielleicht besser darauf verzichten, sich mit solchen Dingen zu befassen, die ein gewisses Maß an denkerischer und handwerklicher Sorgfalt und eine gewisse Aufrichtigkeit erfordern; geben Sie Ihren Doktortitel zurück und kümmern Sie sich um werdende Mütter und um Kinder im Vorschulalter.]

Besonders in Fällen, bei denen eine Mehrdeutigkeit gegeben ist oder Bedeutungen übertragen [hä?] werden, gibt es viele nachträgliche Korrekturen des Reformwerkes [aha]. Nicht immer machen diese Korrekturen die Rechtschreibung einfacher – im Gegenteil: Oft ist die Zahl der Ausnahmen größer als vorher [hört, hört!]. Und es ist schon bezeichnend, dass der neu eingesetzte Rat für Rechtschreibung in seinen Nachbesserungen allein zehn Seiten der Getrennt- und Zusammenschreibungen widmet, während die anderen Teilbereiche mit drei bis vier oder noch weniger Seiten auskommen. Für das eben genannte Beispiel bedeutet das, dass die reformierte Schreibung Kopf stehen wieder zurückgenommen wurde. Liegt also eine übertragene Bedeutung vor, heißt es kopfstehen. In anderen Fällen wiederum erhält der Schreibende die freie Entscheidung. Es ist in Zukunft egal, ob Sie einen neuen Freund kennenlernen oder kennen lernen. Das ist durchaus ein bisschen schade, denn der Leitgedanke der Reformväter war Vereinfachung und Stärkung der Systematik. Mit Variantenschreibungen erreicht man das nicht. [hört, hört!]. Versuchen wir also in den nächsten Folgen uns der Frage zu nähern, warum wir „getrennt schreiben“ getrennt schreiben, „zusammenschreiben“ aber zusammenschreiben.
Sabine Hilliger

Auflösung Teil 16: der blaue Brief, der Blaue Planet, die innere Medizin, der Erste Mai [aber: der erste April], der italienische Salat, das Blaue Wunder (eine Brücke in Dresden), das blaue Wunder (wie in: Er wird gleich sein blaues Wunder erleben.), die große Angst, der Große Wagen (wenn das Sternbild gemeint ist), die Heilige Stadt (Jerusalem), die heilige Stadt (für jede andere heilige Stadt), die neue deutsche Rechtschreibung, die Gemeine Stubenfliege (als Art), die gemeine Stubenfliege (die dem tapferen Schneiderlein das Pflaumenmus wegfuttert), die höhere Mathematik. Lieber Freund, ich schreibe Dir (auch dir) diesen Brief und schicke Dir (auch dir) Eure (auch eure) Bilder. Ich grüße Sie herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.


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Auch mancher Akademiker in unseren eigenen Reihen verkennt ein überaus wertvolles Merkmal unserer Sprache: Jedes Kind weiß, daß Handschuh und Haustür eigene Wörter sind und beim Sprechen als 1 Wort verstanden werden. Dies hernach auf das Schreiben zu übertragen, ist kinderleicht. Unlernbar hingegen ist es, wenn ein Kind sich merken soll, daß es die Wörter zuviel, wieviel, lahmlegen, kennenlernen und allgemeinverständlich bei Rotstiftstrafe nicht benutzen darf.
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Detlef Lindenthal

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Sigmar Salzburg
24.10.2007 05.21
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Kieler Nachrichten v. 23.10.07

Mehrdeutig oder nicht?

Teil 17 – Heute: Getrennt, was zusammengehört?

Es ist schon ein Kreuz mit der Getrennt- und Zusammenschreibung. Immer ein Stiefkind in der Rechtschreibung, von niemandem geliebt. Lange unbeachtet und plötzlich zeigen alle mit dem Finger auf sie. Tatsächlich sind die Fragen der Getrennt- und Zusammenschreibung nie Bestandteil der offiziellen Regelungen gewesen. Sie spielten bei der Reform von 1901 – genau wie die Interpunktion – keine Rolle und fanden demzufolge auch keinen Eingang in die damaligen Regelverzeichnisse der orthographischen Wörterbücher. Alle Erläuterungen und Vorschriften, mit denen wir es heute zu tun haben, sind nach und nach von der Dudenredaktion formuliert und in das Regelwerk eingefügt worden. Es wurde immer wieder ergänzt, zurückgenommen, umformuliert, variiert und an den allgemeinen Sprachgebrauch angepasst.

Die „Erfinder“ der Reform standen also vor der Herausforderung, Licht in das Regeldickicht zu bringen. Sie mussten sich alle bisherigen Anordnungen zu diesem Thema anschauen, sie „regel-recht“ ausmisten und ganz neu strukturieren. Die nächste Aufgabe bestand darin, alle zusammengesetzten Wörter und Wortgruppen, die im Wörterverzeichnis auftauchen, zu überprüfen. Die Einzelschreibungen sollten mit den allgemeinen Regeln ja möglichst exakt übereinstimmen. Für den Schreibenden ist jede Ausnahme eine Ausnahme zuviel. Für den Lesenden ist es wichtig, schnell und eindeutig den Sinn eines Wortes oder Satzes zu erfassen. Und daraus resultieren eine Menge Probleme. Ein Beispiel: Vor lauter Arbeit hatte sie das Gefühl, nur noch kopfzustehen. Das ist eine Schreibweise, wie sie der (gegenwärtige) Leser erwartet, weil er von einer übertragenen Bedeutung des Wortes kopfstehen ausgeht. Für den Schreibenden sieht das ganz anders aus. Für ihn handelt es sich zunächst um zwei Worte: das Substantiv Kopf und das Verb stehen. Was läge da näher, als Kopf stehen zu schreiben? Ein anderes Beispiel: Nach der alten Rechtschreibung ist man auf dem Stuhl sitzen geblieben, in der Schule dagegen sitzengeblieben. Im Bett aber musste man liegenbleiben, während man mit dem Vorhaben, endlich richtig schreiben zu lernen, baden ging. Warum konnte man bisher zwar Auto fahren, aber nicht Rad (Sie kann gut Auto fahren, aber nicht radfahren.)? Verstehen Sie das? Ich nicht.

Besonders in Fällen, bei denen eine Mehrdeutigkeit gegeben ist oder Bedeutungen übertragen werden, gibt es viele nachträgliche Korrekturen des Reformwerkes. Nicht immer machen diese Korrekturen die Rechtschreibung einfacher – im Gegenteil: Oft ist die Zahl der Ausnahmen größer als vorher. Und es ist schon bezeichnend, dass der neu eingesetzte Rat für Rechtschreibung in seinen Nachbesserungen allein zehn Seiten der Getrennt- und Zusammenschreibungen widmet, während die anderen Teilbereiche mit drei bis vier oder noch weniger Seiten auskommen. Für das eben genannte Beispiel bedeutet das, dass die reformierte Schreibung Kopf stehen wieder zurückgenommen wurde. Liegt also eine übertragene Bedeutung vor, heißt es kopfstehen. In anderen Fällen wiederum erhält der Schreibende die freie Entscheidung. Es ist in Zukunft egal, ob Sie einen neuen Freund kennenlernen oder kennen lernen. Das ist durchaus ein bisschen schade, denn der Leitgedanke der Reformväter war Vereinfachung und Stärkung der Systematik. Mit Variantenschreibungen erreicht man das nicht. Versuchen wir also in den nächsten Folgen uns der Frage zu nähern, warum wir „getrennt schreiben“ getrennt schreiben, „zusammenschreiben“ aber zusammenschreiben.
Sabine Hilliger


Auflösung Teil 16: der blaue Brief, der Blaue Planet, die innere Medizin, der Erste Mai, der italienische Salat, das Blaue Wunder (eine Brücke in Dresden), das blaue Wunder (wie in: Er wird gleich sein blaues Wunder erleben.), die große Angst, der Große Wagen (wenn das Sternbild gemeint ist), die Heilige Stadt (Jerusalem), die heilige Stadt (für jede andere heilige Stadt), die neue deutsche Rechtschreibung, die Gemeine Stubenfliege (als Art), die gemeine Stubenfliege (die dem tapferen Schneiderlein das Pflaumenmus wegfuttert), die höhere Mathematik. Lieber Freund, ich schreibe Dir (auch dir) diesen Brief und schicke Dir (auch dir) Eure (auch eure) Bilder. Ich grüße Sie herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.


[Anmerkung: „zuviel“ (fett markiert) ist seit der „Reform“ an den Schulen verboten. Reformpropagandistin Hilliger gefährdet damit fahrlässig Schüler.]

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Sigmar Salzburg
23.10.2007 06.36
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Zu Kieler Nachrichten v. 22. 10.2004

Vor drei Jahren schrieb ich im KN-Nordklick-Forum:

Der erbärmlichste Einfall der Schreibreformer und die dümmste Anmaßung der Kultusminister ist ihr Anspruch, auch gewachsene Formen der Höflichkeit ihrem Schreibdiktat zu unterwerfen und das briefliche „Du“ zum Rechtschreibfehler zu erklären. Gedankenlos und unterwürfig werden nun die großen Briefeschreiber der Vergangenheit zu Tölpeln und Tolpatschen gefälscht, die nicht wissen, was sich gehört – weil die falschmünzerischen Erleichterungsbürokraten behaupten, wenn man sich duzt, sei eine „besondere Ehrerbietung durch Großschreibung“ nicht nötig. Aber – „Ehrerbietung“ meint doch keiner, sondern beabsichtigt ist die förmliche oder anteilnehmende Hervorhebung des Angesprochen. Wie mickrig nimmt sich der Liebesbrief von Karl Marx an seine Frau Jenny aus…

Ich habe Dich leibhaftig vor mir, und ich trage Dich auf den Händen, und küsse Dich von Kopf bis Fuß, und ich falle vor Dir auf die Knie, und ich stöhne: ,Madame, ich liebe Sie.' Und ich liebe in der Tat, mehr als der Mohr von Venedig je geliebt hat…“ (Nach Iring Fetscher „Marx“, Herder/Spektrum Meisterdenker 1999)

… wenn die neuen Simplifizierer ihn umfälschen in:

»Ich habe dich leibhaftig vor mir, und ich trage dich auf den Händen, und ich küsse dich von Kopf bis Fuß, und ich falle vor dir auf die Knie, und ich stöhne: ›Madame, ich liebe Sie.- Und ich liebe Sie in der Tat, mehr als der Mohr von Venedig je geliebt hat... « (Francis Wheen „Karl Marx“ ©deutsch 2001: C. Bertelsmann Verlag München)

Aber auch gegenüber dem Dichter Freiligrath hatte Marx sicher keine ehrerbietigen Gefühle, als er in einem Briefe vom 23.2.1860 drohte, ihn bei der preußischen Polizei zu denunzieren. Hier mußte die Form gewahrt werden:

„Du weißt, daß ich wenigstens 200 Briefe von Dir besitze, worin hinlänglich Material, um nöthigenfalls Dein Verhältniß zu mir und zur Partei zu constatieren.“

Schüler dürfen solche bis heute üblichen Höflichkeitsformen nicht erfahren. Deswegen ist sicher auch der Brief von Lassalle an Marx eine Fälschung, wie er im Geschichtsbuch meiner Tochter steht: „Ich brauche dir nicht zu sagen“, schrieb Lassalle im Juni 1848 an Marx, „wie erfreulich diese Bewegung ist. " (Rückspiegel Band 3, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1996/2000)

Und an anderer Stelle:

An den Schulen Schleswig-Holsteins wurde das Buch von Bruchfeld und Levine „Erzählt es euren Kindern“ (Bertelsmann Jugendbuch Verlag „Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform“, mit „Imprimatur“ der Bildungsministerin Erdsiek-Rave) verteilt.

Wieder haben alle, Opfer wie Täter, hellseherisch die Kultusminister-Rechtschreibung benutzt. Hertha Josias soll, bevor sie nach Auschwitz deportiert wurde, an ihre Tochter geschrieben haben: „Nun bitte ich dich, meine liebe Hannele, dass du dich gut um Ingelin kümmerst. … Ich verlasse mich nun ganz auf dich, meine große Tochter. Wir werden jetzt vorerst nichts voneinander hören, aber sobald ich Gelegenheit habe, werde ich schreiben.

So hat sie natürlich nicht geschrieben. Sie verwendete kein ß (wie in der Schweiz). Vor allem aber schrieb sie nach der noch heute vorherrschenden Regel der Höflichkeit das „Du“ in der Anrede groß. Das wird den Schülern natürlich vorenthalten. Ich selbst mußte bis nach Hamburg fahren, um Einsicht in Kopien der unverfälschten Briefe nehmen zu können.

Bisher war eine „Höflichkeitsreform“ nur in der Diktatur möglich: die Einführung des „deutschen Grußes“ an den Schulen durch Ministerialerlaß vom 22. Juli 1933. (Siehe „Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte“, Kiel, Heft 35 v. April 1999)

Die Zeitungen und Nachrichtenagenturen haben natürlich den Reformunfug beflissen mitgemacht, z.B. auch in den KN v. 12.10.2002 (nach afp/dpa):
[Reformgegner ] Hans-Dietrich Genscher, ehemaliger Bundesaußenminister, schrieb an Carter: „Für mich bist du die Verkörperung amerikanischer Freiheits- und Friedensgesinnung….“

Die Homepage der F.D.P. zeigte das Original unverfälscht höflich.

Auch jetzt noch erhalten die Bildungsministerien ihren dreisten Anspruch, derlei regeln zu dürfen, aufrecht. Sie gestatten nur gnädigst nebenbei auch noch die höfliche Schreibung. Die heimlichen Revoluzzer in den Institutionen feiern sicherlich dennoch die Tat, wieder einmal gesellschaftliche Konventionen unterminiert zu haben. Auf den KN-Kinderseiten hat man es jedoch richtig verstanden. Die Kinder werden wieder höflich angeredet.

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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
23.10.2007 05.43
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Kieler Nachrichten v. 22.10.2007

Aus Höflichkeit weiter groß

Teil 16 – Heute: Wer mag Thüringer Rostbratwurst mit schottischem Whisky?

Beim letzten Mal war von Wortgruppen die Rede, die uns oft als feste Verbindung geläufig sind. Noch einmal zur Erinnerung: die graue Eminenz, das schwarze Brett, die rote Karte, der schnelle Brüter, der goldene Schnitt, die erste Hilfe.

In diesen und vielen anderen Fällen wird das Adjektiv normalerweise kleingeschrieben, denn es handelt sich nicht um Eigennamen. Trotzdem bereiten gerade diese Wendungen oft Schwierigkeiten. So legten die deutschen Nachrichtenagenturen schon im ersten Schritt der Reform in ihren Schreibungsrichtlinien bei vielen dieser Wortgruppen die Großschreibung der entsprechenden Adjektive fest. Auch deshalb hat der Rat für Rechtschreibung in seinen neuen, nun gültigen Empfehlungen vorgesehen, dass dem Schreibenden hier gewisse Freiräume ermöglicht werden. Wenn die Wendung überwiegend wie eine feste Redewendung mit einer eigenen Gesamtbedeutung verwendet wird, dann ist auch die Großschreibung des Adjektivs zulässig. Also können Sie – je nach Auffassung und so wie die Nachrichtenagenturen es tun – die oben genannten Wortgruppen auch folgendermaßen schreiben: die Goldene Hochzeit, das Schwarze Brett, die Rote Karte, das Schwarze Schaf, die Schwedischen Gardinen, die Erste Hilfe. Das bedeutet zwar, dass Sie die Qual der Wahl haben, aber gleichzeitig auch mehr Freiheit für eine Entscheidung, die Ihrem Sprachempfinden am nächsten kommt. Trotzdem gilt: Die Kleinschreibung ist der Normalfall.

Warum aber – und da gibt es keine Wahl – müssen wir den unverwechselbaren schottischen Whisky kleinschreiben, die köstliche Thüringer Rostbratwurst dagegen groß? Weil es eine Regel gibt, gegen die auch die Rechtschreibreform nichts ausrichten konnte. Und diese Regel besagt, dass geografische Eigennamen, die mit Hilfe der Nachsilbe -er gebeugt werden, immer großzuschreiben sind: die Berliner Bevölkerung, die Mecklenburger Landschaft, der Schweizer Käse. Im Unterschied dazu gibt es Ableitungen von (nicht nur geografischen) Eigennamen auf die Endung -isch, die immer kleingeschrieben werden müssen: tschechisches Bier, indischer Tee, englischer Stoff, westfälischer Schinken, die grimmschen Märchen, die darwinsche Evolutionstheorie.

Einen kleinen Ausweg gibt es allerdings, wenn Ihnen der Name eines Erfinders, eines Entdeckers oder großen Denkers besonders am Herzen liegt. Benutzen Sie einen Apostroph und Sie dürfen großschreiben: die Grimm'schen Märchen, die Darwin'sche Evolutionstheorie, der Ohm'sche Widerstand, Potemkin'sche Dörfer. Die Großschreibung mit Apostroph ist auch hier die von den Nachrichtenagenturen favorisierte Variante.

Oft wird gefragt, wie denn in Briefen die Anredepronomen für den Adressaten zu schreiben wären. Nach der letzten Empfehlung des Rates für Rechtschreibung gilt, dass in Briefen alles beim Alten bleiben kann. Die Höflichkeitsform Sie/Ihre wird immer großgeschrieben. Die vertrauliche Anrede mit du/euch kann dagegen auch kleingeschrieben werden (muss aber nicht).

Zum Schluss wieder eine kleine Übung. Entscheiden Sie sich bitte für die richtige Schreibung bzw. eine richtige Variante:
der B/blaue Brief, der B/blaue Planet, die I/innere Medizin, der E/erste Mai, der I/italienische Salat, das B/blaue Wunder, die G/große Angst, der G/große Wagen, die H/heilige Stadt, die N/neue D/deutsche Rechtschreibung, die G/gemeine Stubenfliege, die H/höhere Mathematik
Lieber Freund, ich schreibe D/dir diesen Brief und schicke D/dir E/eure Bilder. Ich grüße S/sie herzlich und wünsche I/ihnen alles Gute.
Sabine Hilliger

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Sigmar Salzburg
23.10.2007 05.39
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Kieler Nachrichten v. 20.10.2007

http://www.kn-online.de/artikel/2239771

Nur wenn es einmalig ist …


Teil 15 – Heute: Eigensinnige Eigennamen

Der Schiedsrichter – die graue Eminenz unter seinen Kollegen – zückte die gelbe Karte und zeigte sie dem schwarzen Lamm der gegnerischen Mannschaft. Die Sanitäter eilten auf den Platz, um erste Hilfe zu leisten.
Worum geht es hier? Sicher, um Fußball, aber eigentlich um die Frage, was an der goldenen Hochzeit weniger glänzt als an den Goldenen Zwanzigern oder warum der schottische Whisky „kleiner“ als die Thüringer Rostbratwurst ist. Kurz – es geht um Eigennamen und solche, die gern welche wären.
Echte Eigennamen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur einmal vorkommende Gegebenheiten, also im wahrsten Sinne des Wortes Einmaliges benennen. Dazu gehören unter anderem Personennamen, auch mit Bei- oder Spitznamen, z. B. Johann Wolfgang von Goethe, Katharina die Große, Klein Erna und der Alte Fritz. Hinzu kommen die geografischen Namen wie Vereinigte Staaten von Amerika, Unter den Linden, Neuer Markt, Hohe Tatra, Sächsische Schweiz oder Kap der Guten Hoffnung. Aber auch einzelne Objekte verschiedenster Provenienz zählen dazu: der Große Wagen (Sternbild), der Schiefe Turm (von Pisa), der Fliegende Pfeil (ein bestimmtes, so benanntes Pferd), Großer Österreichischer Staatspreis für Literatur, das Grüne Gewölbe (in Dresden), das Deutsche Rote Kreuz, Zum Goldenen Anker (für eine Gaststätte), der Nahe Osten.
Nun gibt es aber eine große Zahl von festen Wortgruppen, die sich aus Adjektiv und Substantiv zusammensetzen, oft in übertragener Bedeutung zu verstehen sind und trotzdem mit kleinem Adjektiv geschrieben werden sollten – mit Ausnahme der Ausnahmen, die in der nächsten Folge genauer erläutert werden. Schauen Sie sich noch einmal die Beispiele im ersten Satz an. Hier finden Sie eine kleine Auswahl aus dieser Gruppe. All diese festen Verbindungen mögen auf den ersten Blick Eigenschaften eines Eigennamens aufweisen. Auf den zweiten aber erkennt man, dass es sich immer um Bezeichnungen handelt, die mehr als nur eine „einzelne Begebenheit“ bezeichnen. Einige weitere Beispiele mögen das illustrieren: das autogene Training, der blaue Brief, die goldene Hochzeit, der goldene Schnitt, das große Los, die grüne Lunge, die höhere Mathematik, die innere Medizin, der italienische Salat, die künstliche Intelligenz, das neue Jahr, das olympische Feuer, der schnelle Brüter, das schwarze Brett, die schwedischen Gardinen.
Also: Die goldene Hochzeit, so einmalig sie für ein einzelnes Ehepaar auch sein mag, ist etwas, das täglich viele Male an unterschiedlichsten Orten gefeiert wird – und immer häufiger, da wir ja alle immer älter werden (andererseits halten es ja immer weniger Menschen 50 Jahre lang mit ein- und demselben Partner an ihrer Seite aus…). Anders verhält es sich mit den Goldenen Zwanzigern. Gemeint sind die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Sie stellen eine historische Epoche dar, die genau wie historische Ereignisse laut Regelwerk Paragraf 64 groß geschrieben werden. In diesem Paragrafen sind weitere Gruppen genannt, die wir (wie bisher auch schon) groß schreiben, obwohl sie keine Eigennamen per definitionem sind. Es handelt sich um Titel und Amtsbezeichnungen (der Erste Bürgermeister, der Heilige Vater), um bestimmte fachsprachliche Bezeichnungen, wie sie zum Beispiel in der Biologie vorkommen (das Fleißige Lieschen, die Gemeine Stubenfliege) und um besondere Kalendertage (der Heilige Abend, der Erste Mai).
Seien Sie gespannt auf die nächste Folge. Dort erfahren Sie zu diesem Thema noch ein wenig mehr – und dann gibt es auch wieder eine kleine Übung.

Sabine Hilliger

Auflösung Teil 14: Für Groß und Klein war Englisch in der Schule die erste Fremdsprache. Ob Arm oder Reich – alle lieben sie eine Fahrt ins Blaue am Sonntagmorgen. Große und kleine Leute kamen gestern Abend in den Zirkus. Die Vorstellung fand bei Jung und Alt viel Beifall. Gleich und Gleich gesellt sich gern, weiß der Volksmund. Manche Stunden wurden ganz auf Englisch gehalten, was sich für die Schüler wegen des starken deutschen Akzents des Lehrers sehr lustig anhörte.

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Sigmar Salzburg
20.10.2007 09.31
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Anmerkungen zu Hilliger/KN v. 19.10.07

Im Regelwerk wird die Großschreibung von „jung und alt“ und die Beibehaltung der Kleinschreibung von „durch dick und dünn“ ohne nähere Begründung dekretiert. Der Duden erfindet dazu die Regel K 72.3

Die Großschreibung gilt auch in festen Wortgruppen und in [nicht deklinierten] Paarformeln zur Bezeichnung von Personen (§ 57 (1)).


Frau Hilliger wird nun nochmals eigenschöpferisch tätig und dehnt die Großschreiberegel auf Paarformeln für Lebewesen aus.

Wo da die Grenze gezogen werden soll, ist genauso unklar. Vielleicht wie im Arabischen zwischen „beseelten“ und „unbeseelten“ Lebewesen? Wobei dort die Tiere zu den „unbeseelten“ zählen.

Die übrigen Tücken der vermehrten Großschreibung sind schon des öfteren angesprochen worden:

Textveränderungen wurden vom Propheten des Öfteren verflucht.

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Sigmar Salzburg

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J.-M. Wagner
19.10.2007 14.15
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Kieler Nachrichten v. 19.10.2007

http://www.kn-online.de/artikel/2239119/Von_Sprachen_bis_Tageszeiten.htm


Von Sprachen bis Tageszeiten

Teil 14 – Heute: Mit Deutsch gleich heute Morgen durch dick und dünn

Was haben wir, wenn Groß und Klein von nah und fern kommen, um gemeinsam durch dick und dünn zu gehen – egal ob Jung oder Alt? Wir haben einen Satz mit einer Anhäufung von sogenannten Paarformeln. Und für die gilt ab sofort eine neue Regel. Nach der alten Rechtschreibung war es oft nicht nachvollziehbar, wann eine solche Wendung groß oder klein zu schreiben war. Neu gilt nun Folgendes: Bezieht sich diese Art der Paarformel auf Lebewesen, meist Menschen, so werden beide Teile großgeschrieben. Umgekehrt gilt also: Sind es keine Lebewesen, so schreiben wir klein. Und damit dürfte Ihnen die Deutung der Groß- und Kleinschreibung oben im ersten Satz nicht mehr schwerfallen.
Noch eine andere Regel wurde ein wenig erweitert. Sie bezieht sich auf die Schreibung von Sprachbezeichnungen. Diese werden in Zukunft immer dann großgeschrieben, wenn sie einer Präposition folgen. So ähnlich funktioniert es auch bei den entsprechenden Bezeichnungen für Farben. Hier schrieben wir schon in der alten Rechtschreibung groß: Bei Rot darf man die Straße nicht überqueren. Das ist dasselbe in Grün. Sie liebt Kleider in Blau. Er hat sein Blatt mit Gelb bemalt. Analog heißt es jetzt also auch für die Sprachen: Groß, wenn Sie etwas auf gut Deutsch sagen (oder besser schreiben) wollen, wenn Sie in Chinesisch radebrechen, auf Französisch parlieren oder einen Lehrstuhl für Sanskrit innehaben. Zur Erinnerung: Diese Bezeichnungen für eine Sprache schreibt man auch dann groß, wenn sie die betreffende Sprache als Ganzes meinen, zum Beispiel: In den Straßen hörte man eine lebendige Mischung aus Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch. Sein Russisch war hervorragend. Das Plattdeutsch Fritz Reuters wurde weit bekannt. Können Sie die Sprache dagegen mit „Wie?“ erfragen, so bleibt es bei der Kleinschreibung. Beispiele dafür wären: In den Straßen wurde deutsch, englisch, französisch und spanisch gesprochen. Der Brief ist russisch geschrieben. Das Ehepaar hat sich italienisch unterhalten.
Noch eine Regel wurde leicht modifiziert. Sie betrifft die Schreibung von Tageszeiten nach Wörtern wie gestern, heute, morgen oder vorgestern und übermorgen. Sie werden – anders als bisher – jetzt großgeschrieben. Ärgern Sie sich also nicht, wenn Ihnen Ihr Liebster erst heute Morgen gesagt hat, dass er morgen Abend nicht kommen wird. Und auch nicht übermorgen Mittag. Überhaupt würde er erst Sonntagmittag (Achtung! Ein einziges Wort!) wieder auftauchen und auch nur, wenn es etwas Leckeres zu essen gäbe.
Aber passen Sie bitte auf, wenn plötzlich ein kleines, angehängtes s erscheint. Dann bleibt es wie bisher bei der Kleinschreibung, egal ob es morgens, mittags oder abends ist. Gehen Sie auch sonntagvormittags gern zum Brunch? Dann sollte es am Samstagabend nicht zu spät werden.

Zum Schluss wie gewohnt einige Fingerübungen zu Paarformeln, Sprachbenennungen und Tageszeiten. Wie ist es richtig?
Für G/groß und K/klein war E/englisch in der Schule die erste Fremdsprache. Ob A/arm oder R/reich – alle lieben sie eine Fahrt ins B/blaue am S/sonntag M/morgen. G/große und K/kleine Leute kamen G/gestern A/abend in den Zirkus. Die Vorstellung fand bei J/jung und A/alt viel Beifall. G/gleich und G/gleich gesellt sich gern, weiß der Volksmund. Manche Stunden wurden ganz auf E/englisch gehalten, was sich für die Schüler wegen des starken D/deutschen Akzents des Lehrers sehr lustig anhörte.
Sabine Hilliger

Auflösung Teil 13: Er war sich nicht darüber im Klaren, was er sagen sollte. Im Allgemeinen war er wortgewandt, doch ließ sich nicht im Voraus absehen, was passieren würde. Sicher, er könnte ihr des Langen und Breiten erklären, dass er mit ihr durch dick und dünn gehen würde. Etwas Ähnliches hätte sie aber bestimmt schon des Öfteren gehört und er wollte nicht den Kürzeren ziehen. Bis ins Kleinste hatte er sich das Gespräch ausgemalt. Aber nur im Film kommt jeder rasch im Großen und Ganzen mit sich und der Welt ins Reine.

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Jan-Martin Wagner

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Sigmar Salzburg
19.10.2007 12.42
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Kieler Nachrichten v. 18.10.2007

Gleich auf Seite zwei erhalten die Leser ein Beispiel zur Hilligerschen Groß-Propaganda in den vorigen Kieler Nachrichten:

Jeder Vierte sieht „gute Seiten“ im Nationalsozialismus
Jeder vierte Bundesbürger ist der Meinung, dass …


Den Unfug dieser Regelung erkennt man, wenn man den fast baugleichen Satz bildet:

Jeder Dritte erhält bei den olympischen Spielen eine Bronzemedaille.

Man kann das Spiel noch weitertreiben:

Sie betrat als erste die Aschenbahn und verließ sie als Erste.
Der Erste Bürgermeister gratulierte als erster.


Die Reformschreibung verwandelt das in eine Null-Informationen:

Sie betrat als Erste die Aschenbahn und verließ sie als Erste.
Der Erste Bürgermeister gratulierte als Erster.


Und wer ist dafür verantwortlich?

Bildungsstandards für Abitur beschlossen
Die Kultusministerkonferenz (KMK) folgte einstimmig einem entsprechenden Vorstoß Hessens, wie die hessische Kultusministerin Karin Wolff (CDU) mitteilte. …Gegen eine Zentralabitur sprach sich die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Ahnen (SPD) aus… Die Diskussion über ein bundesweites Zentralabitur war unter anderem von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) angestoßen worden.


Hier tauchen die KMK-Apparatschiksen wieder auf, die sich besonders hervorgetan haben, die orthographische Tradition der deutschen Sprache durch Indoktrination von wehrlosen Schülern zu vernichten. Neben dem ss-Spalter-Signal fällt in den KN noch auf:

Wassermann 21.1. – 19.2. Endlich haben Sie einen schwer wiegenden Irrtum eingesehen ….

[Roman Das Sonnentaukind] Keine Klinik ist scharf auf solche Patienten. Eventuell wären sie eine Zeit lang in einem Heim untergebracht worden …

[„Invasion“] Wer infiziert ist und einschläft, erwacht als identitätsloser Körper. Während die Erde auf diese Weise ruhig gestellt wird, verbittet sich eine Mutter die Einmischung in ihre Privatsphäre ….

Museumsleiter Dr. Uwe Beitz vor einem Stillleben von Max Streckenbach

Und dennoch war GSC-Trainer Ralf Bröckler am Spielfeldrand offenbar immer noch nicht zufrieden gestellt

Nichtnutzige Reformschreibung sind auch:

so genannte, 47-Jährige, zurzeit, Tipp, morgen Abend,

Rückbau ist erkennbar an:

lahmzulegen, trockengelegt, fertiggestellt, kennenzulernen und soviel (immer noch „verboten“)

Marco Laß traf gegen Glücksburg 09 nach Belieben

Marco Laß ist eines der vielen Opfer der ss-Reform. Sein Name kann von den indoktrinierten Schülern nur als „Laaß“ gelesen werden.

Das kann Frau Hilliger sicher nicht bremsen im Streben …



…mit Drang zu „Größerem“

Teil 13 – Heute: Ins Schwarze treffen – mit den Adjektiven auf Großschreibjagd

Im Mittelpunkt der heutigen Betrachtung stehen die „ganz normalen“ Adjektive, denn auch diese haben oft den Drang zu „Größerem“. Wichtigstes Erkennungszeichen für eine Substantivierung ist, dass sich ein Artikel vor dem entsprechenden Adjektiv befindet: der Gute, die Schöne, das Böse, des Näheren oder ein Kleiner, eine Feine, ein Leichtes. Auch in Verbindung mit einer Präposition kann der Artikel auftauchen. Hier kommt es meist zu einer Verschmelzung von beiden: im (in + dem), aufs (auf + das), fürs (für + das), ins (in + das), zum (zu + dem). Deshalb sollten Sie sich in Zukunft im Klaren darüber sein, dass substantivierte Adjektive im Wesentlichen eher groß- als kleingeschrieben werden. Das zeigen die Beispiele im Folgenden: im Großen und Ganzen, im Allgemeinen, aufs Gleiche hinauslaufen, im Dunkeln tappen, zum Besten geben, im Guten wie im Bösen, nicht im Mindesten, im Trüben fischen, ins Schwarze treffen und viele andere mehr.

Wenn das Adjektiv so im Satz positioniert ist, dass es die Funktion eines Satzgliedes einnimmt, wird es ebenfalls großgeschrieben. Selbst dann, wenn der Artikel fehlt. Schauen Sie sich die nächsten Beispiele einmal ganz genau an. Das Adjektiv ist wandelbar. Es kann in die Rolle eines Akkusativobjektes (Fragewort: Wen oder was?) schlüpfen: Er hat heute nur Gutes gesagt. Oder es tarnt sich als Präpositionalobjekt z. B. im Dativ (Fragewort: Womit?): Sie brachte einen Teller mit Heißem. Manchmal gefällt es sich aber auch als Subjekt (Fragewort: Wer oder was?): Nichts Menschliches war ihr fremd.

Im letzten Beispiel finden wir – ein bisschen versteckt – einen weiteren Hinweis auf die Großschreibung. Denn so kleine Wörter wie alles, allerlei, etwas, genug, nichts, viel oder wenig zeigen uns auch an, dass nach ihnen großgeschrieben wird: Wir wünschen alles Gute. Er hat wenig Bedeutendes geschrieben. Viel Neues hast du uns mitgebracht.

Trifft ein Adjektiv dagegen nur auf eine Präposition und bleibt es ungebeugt, so schreiben wir es weiterhin klein: von nah und fern, von klein auf, nur gegen bar, das Wetter war grau in grau, sich etwas zu eigen machen. Wie (leider) fast immer gibt es auch hier einige Ausnahmen, die aber kaum Schwierigkeiten bereiten sollten. Wenn sich ein Adjektiv ohne Artikel mit einer Präposition verbandelt und sich ihr beugt, ist es in Zukunft gleichgültig, ob Sie eine große oder kleine Sache daraus machen: Aus der Brandruine stieg von N/neuem Rauch auf. Wir konnten das Feuer nur von W/weitem betrachten. Der Fahrplan bleibt bis auf W/weiteres in Kraft. Unsere Pressesprecherin gibt Ihnen ohne W/weiteres Auskunft. Der Termin stand seit L/längerem fest. Die Aufgabe wird binnen K/kurzem erledigt. In Zeitungen und Zeitschriften, die die Schreibweisen der deutschen Nachrichtenagenturen übernehmen, werden Sie hier in Zukunft immer die Kleinschreibung finden.
Noch einmal zusammengefasst und um die Verwirrung etwas zu mindern:

Ein substantiviertes Adjektiv erkennt man erstens am vorhandenen Artikel (auch, wenn er mit einer Präposition verschmolzen ist) und/oder zweitens daran, dass es am Ende eine Beugung (Deklination) aufweist und/oder drittens am Satzgliedcharakter, das heißt, man kann es mit einem entsprechenden Fragewort aufspüren. Alles klar? Dann schnell ans Üben! Wie viele Fehler finden Sie?

Er war sich nicht darüber im klaren, was er sagen sollte. Im allgemeinen war er wortgewandt, doch ließ sich nicht im Voraus absehen, was passieren würde. Sicher, er könnte ihr des Langen und Breiten erklären, dass er mit ihr durch Dick und Dünn gehen würde. Etwas Ähnliches hätte sie aber bestimmt schon des Öfteren gehört und er wollte nicht den kürzeren ziehen. Bis ins kleinste hatte er sich das Gespräch ausgemalt. Aber nur im Film kommt jeder rasch im großen und ganzen mit sich und der Welt ins Reine.

Sabine Hilliger

Auflösung Teil 12: Von der Reform haben die meisten schon das eine oder andere gehört. Manchmal mehr, manchmal weniger Gutes. Alles Mögliche wird behauptet, wenn es darum geht, schon Erreichtes schlecht zu machen. Aus der Reform machen sich einige Schriftsteller nicht das Geringste. Das sei ihnen im Übrigen auch gestattet, denn alle neuen Regeln gelten zunächst nur für Ämter, Behörden und Schulen.

* mit Stern gekennzeichnete Wörter entsprechen nicht der neuen Rechtschreibung

Ende des Zitats.

Die Reformpolitiker machen die Menschen aufs Neue heiß,
indem sie alles Mögliche versprechen.


Das Versprechen von Neuerungen im Rahmen des Möglichen klingt vernünftig. Aber wie in Orwells Neusprech muß man auch Staatskritisches genau so niederschreiben, so daß es kaum jemand in dieser Weise versteht. In der verbotenen traditionellen Rechtschreibung gäbe es keinen Zweifel:

Die Reformpolitiker machen die Menschen aufs neue heiß,
indem sie alles mögliche versprechen.


„aufs neue“ in Kleinschreibung bedeutet „wieder“ und „alles mögliche“ soviel wie „alles Erdenkliche“.

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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
18.10.2007 13.21
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Kieler Nachrichten v. 17.10.2007

LITERATURRÄTSEL
Wer schrieb was?


Jene Flüge von Insekten in Wolken, die hinstoben und sich verloren über der offenen See wie Schnipsel von heiligen Texten, wie Fetzen schweifender Weissagungen und wie Rezitationen von Genealogen, von Psalmisten... Man sagte ihnen, man sagte ihnen ~ ah! was sagte man ihnen nicht? – dass sie sich verlieren würden über den Meeren, man rief ihnen zu, man rief ihnen zu – ah! was rief man ihnen nicht alles zu?- sie möchten umkehren, ah! umkehren zu uns ... Aber nein! sie flogen lieber dort hinaus, wo sie verstoben mit dem Wind!

Bereits dieser kurze Ausschnitt aus dem gesuchten Gedichtzyklus zeigt die Sprachkraft dieses heute fast vergessenen Dichters: Ähnlich wie James Joyce oder Ezra Pound hatte er die Gabe, Naturphänomene und Weltschicksal gemeinsam {und radikal!) zu erfassen. Seine Räume sind die einer globalen Geographie, seine Dichtungen voll von historischen und ethnologischen Anspielungen. Die Kindheit verbrachte er auf den französischen Antillen, seine Jugend in Frankreich, dann trat er in den diplomatischen Dienst, aus dem er 1940 enthoben wurde; er verlor Staatsbürgerschaft und Besitz, fing in Amerika neu an und kehrte erst 1959 nach Frankreich zurück. In seiner Dankesrede zum Literaturnobelpreis sagte er, der sich der allgewaltigen Zerstörungswut der Menschen ausgesetzt sah, den gewichtigen Satz: „Dem Dichter genügt, das schlechte Gewissen seiner Zeit zu sein.“

Die Lösung des letzten Rätsels lautet: Christoph Hein, Das Wildpferd unterm Kachelofen. Gewonnen hat Klaus Kün-zel, Preetz.
Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir einen Buchgutschein ä 20 Euro. Lösungen (Titel & Autor) bis 22. Oktober an Kieler Nachrichten, „Literaturrätsel“, Fleethörn 1-7, 24103 Kiel. Tel. 0431/9032895, Fax 9032896, E-mail: II-teraturraetsel@kieler-nachrichten.de


Lösung: Saint-John Perse
aus …Vents
Der Dichter starb 1975. Rätselhaft bleibt, wer jetzt noch eine ss-verferkelte deutsche Version seines Textes herausgegeben hat.

Und nun noch einige Schnipsel unheiliger Texte der KN:

Und in Gaarden gibt es noch ein Pulverfass: Die Fridtjof-Nansen-Schule. Hier hat die Polizei in einem Bericht offenbar hochgradig Besorgnis erregende Entwicklungen dokumentiert.

Skorpion 24.10.-22.11. Ein Neuanfang ist Erfolg versprechend für Sie.

Katriana im blauen Engel …eine Verwünschung an den Ex: „Dir soll’s so Scheiße gehen wie mir“.

Der Kraftausdruck ist hier eindeutig adjektivisch gebraucht, anders als das „Unrecht“ hier:

Der große Star am dänischen Hofe sei ausgerechnet der zu unrecht gescholtene Prinz Joachim, so Trine Villemann.

Es gibt aber auch KN-Schreiber, die sich an die reformierte Großtuerei nicht halten:

[Interview mit der Verbraucherzentrale] Wieviel Geld kann man sparen? …Das heißt, man bezahlt seinen gesamten Strom für ein Jahr im voraus. Das wäre mir persönlich zu riskant. Denn wenn der Anbieter pleite gehen sollte, ist das Geld weg

Die haben eben Frau Hilligers Rechtschreibtext nicht verinnerlicht – was man ihnen nicht verdenken kann:

Einiges von Zahlen und Co.

Teil 12 – Heute: Etwas Neues über das eine und andere

Jeder Einzelne von uns hat bestimmt schon einmal alles Mögliche probiert, um den Mann/die Frau seiner Träume zu erobern, ohne dass der- oder diejenige sich auch nur das Geringste daraus gemacht hätte. Alles Übrige lässt sich denken.

Komischer Einstieg in ein Rechtschreibthema, denken Sie? Dann schauen Sie doch bitte noch einmal genau hin. In den beiden ersten Sätzen dominiert eine bestimmte Art von Adjektiv – das sogenannte unbestimmte Zahladjektiv: jeder Einzelne, alles Mögliche, das Geringste, alles Übrige. „Unbestimmt“ sind sie deshalb, weil sie meistens nicht genau angeben, wie groß oder klein die gemeinte Menge tatsächlich ist. Diese Wörter werden bei einer Substantivierung großgeschrieben, selbst wenn ihnen kein Artikel vorausgeht. Ein Hinweis auf die Großschreibung findet sich aber in den vorangestellten Wörtern wie alles, allerlei, etwas, genug, nichts, viel, wenig. Nach diesen Wörtern schreiben wir auch „normale“ Adjektive groß: Er konnte uns nichts Neues erzählen. Ich wünsche dir alles Gute! Bringst du mir etwas Schönes mit? Er hat uns viel Interessantes erzählt. Nun hast du aber genug Altes weggeworfen.

Ähnlich verhält es sich also auch mit den unbestimmten Zahladjektiven. Allerdings gibt es einige Ausnahmen, die gelegentlich erhebliche Probleme bereiten. Die Wörter viel und wenig sowie (der, die, das) eine und (der, die, das) andere kommen in Texten nicht selten vor und müssen – auch wenn es auf den ersten Blick anders erscheint – in der Regel kleingeschrieben werden. Die meisten machen hier nämlich gern Fehler. Sie erkennen die unregelmäßigen Steigerungsformen von viel nicht oder meinen, das wenigste wäre auch nicht mehr als das Geringste. Allen vorangestellten Artikeln, Präpositionen oder Attributen zum Trotz: Diese Wörter werden immer kleingeschrieben. Einige Beispiele sollen das illustrieren: Das haben schon viele erlebt. Auch die vielen, die nicht dabei waren, spendeten gern. Immer mehr wollen erst spät ein Kind bekommen. Sie war erfolgreicher als die meisten ihres Jahrganges. Nach dem Brand war nur noch weniges zu gebrauchen. Die einen kommen später, die anderen gehen früher. Was der eine nicht tut, soll der andere nicht lassen. Unter anderem sprachen sie auch über den Film von gestern Abend.

Substantivierte Ordnungszahlen werden in Zukunft ebenfalls immer großgeschrieben, genauso wie bisher die Grundzahlen auch. Vielleicht spielt es für Ihre Nerven, nicht aber länger für Ihre Orthographie eine Rolle, ob Sie beim Arzt als Erster, Zweiter, Fünfter oder erst als Letzter drankommen. Sie sind dann dran, wenn die Schwester ruft: „Der Nächste bitte!“ Dass hier eine Reihenfolge – im Unterschied zu einer Rangfolge – angegeben wird, ist also für die Groß- oder Kleinschreibung nicht länger relevant. Somit entfällt in Zukunft die orthographische Unterscheidung von: „Sie wurde Dritte im Handyweitwurf“ (Rangfolge) und „Jeder dritte* kaufte sich eine Zuckerwatte“ (Reihenfolge) – hier ist es jetzt also auch „jeder Dritte“.

Zum Schluss wieder ein paar Entscheidungsfragen für Sie. Wie schreiben Sie richtig?
Von der Reform haben die M/meisten schon das E/eine oder A/andere gehört. Manchmal M/mehr, manchmal W/weniger G/gutes. Alles M/mögliche wird behauptet, wenn es darum geht, schon E/erreichtes S/schlecht zu machen. Aus der Reform machen sich E/einige Schriftsteller nicht das G/geringste. Das sei ihnen im Übrigen auch gestattet, denn A/alle neuen Regeln gelten zunächst nur für Ämter, Behörden und Schulen.

Sabine Hilliger

Auflösung Teil 11: (bei den Varianten entspricht jeweils die erste den Richtlinien der deutschen Nachrichtenagenturen):
in Bezug auf das Projekt, die ins Stocken geratenen Verhandlungen, in Anbetracht unserer Zusammenarbeit, jederzeit Probe fahren können, im Kerker zugrunde oder zu Grunde gehen, einen Rechtsanwalt zurate oder zu Rate ziehen

* mit Stern gekennzeichnete Wörter entsprechen nicht der neuen Rechtschreibung



– geändert durch Sigmar Salzburg am 19.10.2007, 13.47 –

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