Steinewerfern die Füße küssen
07. Juli 2008, 00:00 Uhr
LEGENDEN
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Bei den Vereinten Nationen in New York liegt feierlich unter Glas eine 2500 Jahre alte Keilschrift, verehrt als antike Deklaration der Menschenrechte. Nun zeigt sich: Der Text stammt von einem antiken Despoten, der seine Gegner foltern ließ.
Es sollte eine Gala der Rekorde werden, die Schah Mohammed Resa Pahlewi da plante. …
Kyros, so verkündete er, sei ein ganz besonderer Mann gewesen: edel gesinnt, voller Liebe und Milde. Als Erster habe er ein Recht auf Meinungsfreiheit begründet. …
Erst als alles geregelt war, hielt der König selbst Einzug in Babylon. Durch das blauglasierte Ischtartor kam er geritten. Man breitete ihm Schilfzweige aus. Anschließend, so steht es in Zeile 19, durfte das Volk ihm die Füße küssen.
Nach sittlichen Reformen und humanen Geboten sucht man in der Keilschrift vergebens. …
Wie heißt es doch in einem Sprichwort aus dem Orient:
"Wenn ein Narr einen Stein in den Brunnen wirft, können ihn zehn Weise nicht mehr herausholen."
Spiegel online 7.7.2008
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,564395,00.html
„Als Erster“ meint nicht herkömmlich „Ranghöchster“, sondern ist die reformierte Blähform von schlicht geschichtlich „als erster (Herrscher)“. Auf die verbliebenen Reste der „Rechtschreibreform“ scheint das orientalische Sprichwort in besonderem Maße zuzutreffen. Von den Steinewerfern, die sich „als e/Erste“ „vom Volke die Füße küssen“ ließen, sind wohl nur noch Zöllner und Erdsiek-Rave im Amt.
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