Das war einmal:
Für das Leben lernen wir:
Konrad Duden vor 100 Jahren verstorben
Als Schuldirektor im Thüringischen Schleiz setzte Konrad Duden Mitte des 19. Jahrhunderts auf lebensnahen Unterricht. In der Stadt verfasste er auch seinen ersten Schleizer Duden. Vor 100 Jahren ist der Vater der Rechtschreibung gestorben.
Schleiz. Non scholae sed vitae discimus Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Es waren programmatische Worte, mit denen der neue Schuldirektor des Schleizer Gymnasiums Konrad Duden am 19. April 1869 seinen Dienst antrat. Dies schien allerdings auch geboten. Das traditionsreiche, damals schon fast 500 Jahre alte Rutheneum stand quasi vor dem Aus. Der reußische Landtag in Gera fand nämlich, dass eine höhere Schule im Fürstentum durchaus genug sei. Das sollte künftig das Gymnasium in Gera sein.
Doch da hatten die Politiker, die in erster Linie auf die möglichen Einsparungen schielten, die Rechnung ohne die Schleizer und ihre Liebe zum Rutheneum gemacht. Die Proteste waren schließlich so stark, dass das fürstliche Ministerium letztendlich einknickte, eine Revision am Gymnasium veranlasste und schließlich auch dem Vorschlag stattgab, Konrad Duden als bewährten Pädagogen mit organisatorischem Talent die Leitung der Schule zu übertragen.
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Konrad Duden als Direktor des Schleizer Gymnasiums um 1870, gezeichnet von Arthur Viertel nach einem Klassenfoto aus seiner Schleizer Zeit, abgedruckt in Erich Körners Schrift Aus meiner Gymnasiastenzeit in Schleiz. Foto: Archiv/OTZ
Das Leben des Vaters der deutschen Einheitsrechtschreibung war bis dahin eher unspektakulär verlaufen. Der auf Gut Bossigt bei Wesel geborene Sohn aus gutem Hause studierte nach dem Abitur in Bonn und Frankfurt am Main Geschichte und Philologie. Er hatte in Frankfurt und im italienischen Genua als Hauslehrer gearbeitet und war schließlich in Soest als Lehrer und Erzieher in den Schuldienst eingetreten. In Genua hatte er auch seine elf Jahre jüngere Frau Adeline Jacob die Tochter des deutschen Konsuls in Messina kennengelernt, die er 32-jährig heiratete.
Dort in Soest, wo der Familie die ersten vier Kinder geboren wurden, von denen eines früh starb, hatte ihn schließlich auch der Ruf nach Schleiz ereilt. Durch sein pädagogisches und öffentliches Engagement genoss Duden bereits einiges Ansehen. Zudem hatte er sich mit seiner Abhandlung Über Begriff und Ziel der Erziehung nebst einigen Bemerkungen über das Verhältnis von Schule und Haus bei der Erziehung (1865) den Ruf als vielseitiger Pädagoge erworben.
Entsprechend lobend war die Beurteilung, die man ihm aus Soest mit nach Schleiz gab. Wie seine wissenschaftliche Bildung eine gründliche und vielseitige, so ist auch sein pädagogisches Geschick sowohl im Unterricht als auch in der Handhabung der Disziplin anerkennenswerth. Wie er sich als Lehrer der verdienten Anerkennung seiner vorgesetzten Behörde erfreut, so nicht minder als Mensch. Er ist ein Mann von sittlichem Ernst, feiner geselliger Bildung, lebhaftem Geiste, anregendem Wesen...
In Schleiz kommen Dudens Reputation und Fähigkeiten gelegen. Sein Amtsantritt wird mit einem Fackelzug gefeiert. Während man im Deutschen Reich schwer an den Folgen des Deutsch-Französichen Krieges von 1870/71 tragen, entwickelt sich das Rutheneum unter Dudens Leitung zur Modellschule für das Zusammengehen von Elternhaus und Schule. Um den Schülern das Lernen zu erleichtern, ändert Duden die Lehrpläne. Schönschreiben und Tonlesekunst werden abgeschafft, Fächer wie Singen, Zeichnen und Turnen dafür gefördert.
Um den Anforderungen an das Industriezeitalter mit all seinen technischen Neuerungen und Erfindungen gerecht werden zu können, veranlasst Duden eine Verlängerung der Gymnasialzeit von 7 auf 9 Jahre. Naturwissenschaften und Sprachen stehen hoch im Kurs. Das sprach sich rum. Zwischen 1869 und 1875 stieg die Schülerzahl um zwei Drittel.
In die Schleizer Zeit fällt auch Dudens Beschäftigung mit der deutschen Rechtschreibung, die ihn zunehmend in ganz Deutschland bekannt macht. Als Direktor war er dort auch für den Rechtschreibunterricht zuständig. Zunächst musst er allerdings durchsetzen, dass wenigstens die Lehrer nach einheitlichen orthografischen Grundsätzen schrieben. Seine 1871 dafür eigentlich nur zum hausinternen Gebrauch verfassten Regeln unter dem Titel Zur deutschen Rechtschreibung werden 1872 zusammen mit einem Wörterverzeichnis und diversen Abhandlungen gedruckt. Als Schleizer Duden ging das Werk in die Geschichte der Rechtschreibung ein.
1880 folgte ihm mit dem später immer wieder überarbeiteten ersten Orthographischen Wörterbuch der sogenannte Ur-Duden. Er machte Konrad Duden zum Vater der einheitlichen deutschen Orthografie und auch zum Wegbereiter der großen Rechtschreibkonferenz von 1901. Als Konrad Duden am 1. August 1911 starb, befand sich auf seinem Schreibtisch das Manuskript für die 9. Auflage seines Wörterbuches, das im Jahr 1915 erstmals unter dem Titel Duden Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter erschien.
Geschichte des Dudens
1872 veröffentlichte Konrad Duden als Direktor des Rutheneums den Schleizer Duden. 1876 wechselte Konrad Duden zum Königlichen Gymnasiums nach Hersfeld. Dort veröffentlichte er am 7. Juli 1880 sein Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Die erste Auflage dieses Duden hatte 27.000 Stichwörter. Diese Ausgabe wird auch als Ur-Duden bezeichnet. 1892 wurde die Schreibweise des Duden auch in der Schweiz verbindlich.
Vom 17. bis 19. Juni 1901 tagte in Berlin die Orthographische Konferenz zur Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung. Im Beisein von Konrad Duden wurden das amtliche preußische Schulregelwerk und der Ur-Duden bestätigt.
In der DDR erschien der Duden beim VEB Brockhaus. 1947 entstand mit der 13. Auflage in Leipzig der erste Nachkriegsduden, für den auch westdeutsche, österreichische und Schweizer Verlage ein Abdruckrecht erhielten. Auf dessen Grundlage erarbeitete 1954 der westdeutsche Dudenverlag eigene überarbeitete (14.) Auflage.
Die frischesten Wörter der letzten zehn Jahre
Seit dem ersten Duden spiegeln die Auflagen immer auch Sprache und Geist der Zeit wider. In Ost und West enthielten die Duden-Ausgaben vor der Wende unterschiedliche Wörter, die Ausdruck des jeweiligen Systems waren. So fehlte im DDR-Duden lange das Wort Weltreise.
Zum Duden-Gedenkjahr hat die Dudenredaktion zeittypische Wörter in einem Wörterbuch zusammengestellt. In Unsere Wörter des Jahrzehnts. 2000 bis 2010 Von Abfrühstücken bis Zwischenparken finden sich Begriffe, die in den letzten 10 Jahren neu in Dudenauflagen aufgenommen wurden. Beispiele sind die Babyklappe, die Castingshow oder die eingetragene Lebenspartnerschaft. Ebenfalls aufgenommen wurde das Ampelmännchen, das nach der Wende von Fanclubs gerettet wurde und heute Kultsymbol ist.
Hanno Müller 23.07.11
Ostthüringer Zeitung 23.7.2011
Seit 1996 müßte der Schulspruch lauten:
„Nicht für das Leben lernen wir,
sondern für seine Umgestaltung durch die Politiker.“
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