»angeknackste Doktortitel«
Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ 5.5.2012
Plagiatsvorwürfe
Annette Schavan gerät zunehmend unter Druck
05.05.2012 · Bildungsministerin Annette Schavan steht wegen Plagiatsvorwürfen im Zusammenhang mit ihrer Doktorarbeit weiter in der Kritik. Mehrere Rechtsprofessoren nannten die Vorhaltungen in der Sonntagszeitung gerechtfertigt. SPD und Grüne fordern gründliche Prüfung.
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© DPA
Annette Schavan
Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) gerät im Fall ihrer Doktorarbeit unter Druck. Politiker von SPD und Grünen verlangten in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (F.A.S.) eine gründliche Prüfung der Arbeit, nachdem die Internet-Seite „schavanplag“ den Vorwurf erhoben hat, Schavan habe zahlreiche Plagiate genutzt. In der SPD wird die Frage gestellt, ob Schavan Ministerin bleiben könne. „Sollten die Vorwürfe zutreffen, dann ist Frau Schavan als Ministerin, gar als Wissenschaftsministerin nicht zu halten“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Dagmar Ziegler.
Florian Pronold, ebenfalls SPD-Fraktionsvize, forderte die Ministerin auf, den Fall schnell klären zu helfen. „Gerade in ihrer Position als zuständige Fachministerin muss Frau Schavan sehr offensiv und transparent die Vorwürfe aufgreifen“, sagte Pronold der F.A.S. Das sei wichtig für den Wissenschaftsstandort Deutschland und den „ohnehin angeknacksten Doktortitel“.
Die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Krista Sager, wies darauf hin, dass Plagiatsexperten die Doktorarbeit von Frau Schavan als Grenzfall bewertet haben. „Die Universität Düsseldorf muss sich nun der Mühe unterziehen, sich die Arbeit genau anzuschauen. Das ist auch im Interesse von Frau Schavan“, sagte die Grünen-Politikerin der F.A.S.
Auch Rechtswissenschaftler fordern gründliche Untersuchung der Doktorarbeit. Der Münchner Jura-Professor Volker Rieble geht davon aus, dass die Ministerin ihren Doktortitel verlieren könnte. „Wenn die Textstellen auf schavanplag korrekt wiedergegeben wurden, dann reicht das nach der geltenden Rechtssprechung für einen Promotionsentzug“, sagte Rieble der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (F.A.S.). Es hätten „schon Leute für weniger ihren Doktortitel verloren“. Qualitativ seien in Schavans Arbeit alle möglichen Arten von Plagiaten zu finden. „Das ist kein Zufall und auch kein Irrtum“, so Rieble, „sondern Absicht“. Der Jura-Professor forderte, dass die ganze Arbeit gründlich untersucht werden müsse.
„Ein erster Blick auf schavanplag zeigt, dass es offensichtlich gewisse Übereinstimmungen in Teilsätzen gibt“, sagt der Leiter des Karlsruher Instituts für Informations- und Wirtschaftsrecht, der Rechtsprofessor Thomas Dreier. Wie in allen Verdachtsfällen solle man genauer hingucken, bevor man zu einem definitiven Urteil komme. „Wir müssen ohne Ansehen der Person prüfen, denn jeder Verdacht, dem nicht nachgegangen wird, schadet dem Wissenschaftsbetrieb.“
Gegen die Bildungsministerin waren am Mittwoch von der anonymen Internetplattform „schavanplag“ Plagiatsvorwürfe erhoben worden. Sie soll in mehr als 50 Fällen inkorrekt zitiert haben.
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