Daß ihr die Muttersprach so wenig acht.
Frankenpost 21.3.2007
LEITARTIKEL
Böse Teutsche
CHRISTOPH WITZEL ZUR SPRACHPFLEGE
Ein Mensch mit dem schönen Namen Johann Michael Moscherosch, ein Mitglied übrigens der so genannten Fruchtbringenden Gesellschaft, hat es im 17. Jahrhundert folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „Fast jeder Schneider will jetzund leider / Der Sprach’ erfahren sein und redt latein, / Wälsch und französisch, halb japonesisch, / Wann er ist doll und voll, der grobe Knoll. / Ihr bösen Teutschen, man sollt’ euch peitschen, / Daß ihr die Muttersprach so wenig acht.“
Tja, es ist offenbar nicht sonderlich viel passiert in den vergangenen vierhundert Jahren, nur dass statt „Welsch“ und „Japonesisch“ nunmehr Englisch das „geliebte Deutsch“ unseres Dichterfürsten durchdringt. Aber es hat wohl weniger mit Goethes 175. Todestag am morgigen Donnerstag zu tun, dass sich jetzt vier CDU-Abgeordnete den „sprachlichen Verbraucherschutz“ auf die Fahnen geschrieben haben und die deutsche Sprache vor allzu vielen englischen Einflüssen schützen möchten.
Nun kann man sich über Sprachpfleger jedweden Centuries, pardon . . . Entschuldigung: Jahrhunderts natürlich trefflich lustig machen, besonders wenn man erfährt, dass die CDU-Bundestagsfraktion auf ihrer Internet-Homepage (Weltnetz-Heimseite?) einen „Newsletter“ im Abonnement hat und ihren Chef Volker Kauder per „Podcasts“ anbietet. Aber das Ansinnen der vier Abgeordneten ist grundsätzlich durchaus ernst zu nehmen. Wer einmal in den Stellenanzeigen einer beliebigen Tageszeitung geblättert hat, möchte bestimmt nie wieder „Key Account Sales Manager“ werden, und nicht nur ältere Menschen verzweifeln mitunter, wenn sie am „Service Point“ einen „Coffee to go“ angeboten bekommen. Das, was da an „Denglish“ in den letzten Jahren allüberall Einzug gehalten hat, grenzt in der Tat nicht wenige Menschen aus dem öffentlichen Leben aus – weil sie es schlichtweg sprachlich nicht mehr verstehen.
Wie aber dagegen vorgehen? Welches Kuddelmuddel (= Durcheinander) entsteht, wenn der Staat die Sprache regeln will, haben wir kürzlich bei der so genannten Rechtschreibreform erlebt. Und die restriktive Sprachpolitik anderer europäischer Länder zeigt ebenfalls, dass damit wenig erreicht wird, sondern im Gegenteil manchmal irrwitzige Blüten getrieben werden. Das ist nicht nur in Frankreich so: In Slowenien beispielsweise darf der Computer-Hersteller Apple nur noch „Jabloko“-Geräte verkaufen und können Chefredakteure schon mal in den Knast wandern, wenn sie eine englischsprachige Überschrift im Blatte veröffentlichen.
Wir brauchen weniger den Staat, wenn es um den pfleglichen Umgang mit unserer Sprache geht, als vielmehr uns alle, die Sprecher und Schreiber, die so genannte Gesellschaft. Und vielleicht brauchen wir auch hin und wieder ein paar belächelte Sprachpuristen wie die von der Fruchtbringenden Gesellschaft. Dem Schriftsteller Philipp von Zesen verdanken wir zum Beispiel das wunderschöne deutsche Wort „Augenblick“ für den Moment. Ist doch groovy, oder?
Ein Coffee
to go am
Service Point,
please
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