Fälschungen
2005 erschien von Claudia Ludwig und Karin Pfeiffer-Stolz das kleine Buch
Der große 'Blöff',
eine Warnung vor der Fälschung unserer Rechtschreibung, genannt „Rechtschreibreform“ (Stolz-Verlag). Deshalb griff ich freudig zu, als ich neulich in einer Buchhandlung einen Buchtitel sah, der anscheinend vor ähnlichem warnte:
Bluff!
Die Fälschung der Welt
verfaßt von Manfred Lütz,
erschienen bei Droemer 2012.
Es war ein Fehlgriff: Der Verfasser bedient sich ebendieser verfälschten deutschen Orthographie, um seine Sicht der medialen und esoterischen Verfälschung unserer Welt darzustellen. Dabei hat man das Gefühl, daß er, Psychologe und Papstberater, im Glashaus sitzt, denn von außen betrachtet ist auch er nur Vertreter einer antiken esoterischen Religionsfälschung. Und er bringt auch gleich ein schweres Geschütz gegen die Konkurrenz in Stellung:
1. Abschnitt
Esoterische Plastikreligionen
… Man weiß zwar, dass Hitler sich intensiv mit Esoterik befasst hat. Seine Privatbibliothek, die in Washington aufbewahrt wird, ist reich an esoterischer Literatur, und es wird angenommen, dass solche Ideen ihn natürlich bei seinen Verbrechen mehr beeinflusst haben als sein bekannter Vegetarismus. Doch all das wird nicht der Esoterik angelastet, und auch durch Esoterik verpfuschte Lebensgeschichten fallen merkwürdigerweise nicht auf sie zurück.
Nun hatte sich der Katholik Hitler bis zuletzt zwar einen umfunktionierten, eigentlich jüdisch-christlichen Auserwähltheitsglauben bewahrt, war aber im übrigen, anders als etwa Himmler, gegen Esoterik durchaus skeptisch eingestellt, wenn er sie auch virtuos zur Machtgewinnung einsetzte.
Lütz versucht nun, ganz auf der Linie Josef Ratzingers, auch den verpfuschten Teil der christlichen Lebensgeschichte, die Menschenverbrennungen, unseren deutschen Vorfahren zuzuschieben:
Hexenglaube war germanischer Aberglaube, die spanische Inquisition hatte mit Strenge jede Hexenverfolgung unterbunden. Doch in Deutschland gab es niemanden, der dem barbarischen Hexenglauben Einhalt gebot.
Dabei unterschlägt er, wie üblich, daß gerade in der Bibel „Gott“ die Tötung von Hexen gebietet (Ex 22,17). Kultivierte Inquisitoren brachten verständlicherweise lieber die Spitze der kritischen Intelligenz auf den Scheiterhaufen: Johann Hus, Savonarola oder Giordano Bruno.
Von alledem ist in der Rezension des Spiegel-Vorzeige-Katholiken Matthias Matussek natürlich nicht die Rede:
„Unsere Neigung zur Täuschung scheint grenzenlos, und Lütz nimmt sich die prominenten Täuschungssysteme vor. Da sind die Wissenschaften [!], denn sie haben heute die Deutung der Welt übernommen…“ (Spiegel 24.9.12)
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