Ein Buch, das heute aussortiert würde
Vor 65 Jahren verlieh ich ein Buch, das ich nie wieder zurückbekommen habe. Das habe ich immer bedauert, denn darin habe ich viel Wissenswertes zum ersten Mal gelesen. Zufällig fand ich jetzt ein gleiches in einem Altbuch-Angebot wieder und habe es mir kommen lassen:
F. L. Dunbar- von Kalckreuth
Von Tausend Dingen
Georg Dollheimer Verlag Leipzig 1937
400 Seiten
Heute würde solch ein dass-loses Buch aus jeder Schülerbibliothek entfernt werden. Es ist überdies in Fraktur gedruckt – was mir als Zehnjährigem nie Schwierigkeiten bereitete. Gesammelt sind darin Tausende von interessanten Notizen aus Wissenschaft, Kultur und Geschichte. Als es heute morgen eintraf und ich es aufschlug, war mir alles wieder vertraut. Manches hatte ich überhaupt nie vergessen, z.B.:
200 Weltsysteme.
Außer unserem Milchstraßen System, dem Andromedanebel und dem Magellannebel am südlichen Himmel sind noch etwa 200 andere Weltsysteme [ heute Billionen ] bekannt geworden, die nach den beiden Astronomen Hubble und Shaley über 100 Millionen Lichtjahre entfernt sind und die Form sogenannter Spiralnebel besitzen. Der nächste, die Weltinsel Andromeda, ist 870.000 Lichtjahre entfernt ... [ heute 2,5 Milliarden geschätzt ]
Atom und Kosmos.
Am Anfang der 92 Elemente, aus denen der Baustoff (die Materie) unseres Weltalls sich zusammensetzt, steht als leichtestes der Wasserstoff mit nur einem Elektron...
[ Notizen eines Vorbesitzers in Steno: „Element = Urstoff ...“ ]
Atomzertrümmerung, Umwandlung von Materie in Energie.
Viel wichtiger als das Ziel der Alchimie, Metalle zu verwandeln, ist für die künftige Entwicklung der Menschheit die theoretische Möglichkeit, beliebige Stoffe in Energie zu verwandeln; denn die Energie, die in den Atomen eines walnußgroßen Metallstücks vereinigt ruht, würde befreit genügen, um einen großen Ozeandampfer nach Amerika und wieder zurück zu bewegen. [ Der Beweis durch die Atombombe lag für mich vier Jahre zurück. ]
Der Mensch als Maß aller Dinge.
An Größe steht der Mensch genau zwischen dem größten aller Dinge, einem Spiralennebel dem kleinsten aller Dinge, einem Quantum ultravioletten Lichtes…
Wie viele Kinder kann ein Mann haben?
Es ist überliefert, daß König August der Starke von seinen vielen Freundinnen 350 Kinder erhielt…
Heilige tote Sprachen.
Oft führen tote Sprachen noch ein „geheiligtes Leben“ im religiösen Kultus fort. So lebte die nichtsemitische Sprache der Urbewohner Mesopotamiens, der Sumerer, im Gottesdienst der Babylonier, welche die sumerischen Gebete, Hymnen und Litaneien übernommen hatten, noch um Jahrtausende fort. Der Kult in sumerischer Sprache galt als besonders heilig. Schließlich bestand diese alte Sprache auch noch in spätassyrischer Zeit fort ...
Der größte Grammatiker.
Als der größte Grammatiker der Welt gilt der Inder Panini, der schon 300 v. Chr. alle Wurzeln des alta[r]ischen Veda-Sanskrits mit größtem Scharfsinn und Genauigkeit verzeichnete. Seine Kunst der Wortvergleichung wird erst heute wieder erreicht.
Älteste Schriftstücke.
Aus dem Jahr 3000 v. Chr. stammt das älteste entzifferte Schriftstück, das in Uruk in Mesopotamien gefunden wurde. Es stellt eine Mischung aus Wort- und Silbenschrift dar...
Der älteste Roman.
Der älteste Roman ist die „Geschichte zweier Brüder“, der vor 3200 Jahren von einem thebanischen Schriftsteller Ennana, dem Hofbuchhändler des Pharao Merenptah, verfaßt wurde.
Der erste Journalist.
Der erste Journalist großen Stiles, wenn auch in übler Bedeutung des Wortes, war der aus Arezzo in Italien stammende Satiriker Pietro Aretino. 1542 beim Empfang des venetianischen Gesandten in Pesciera ritt Kaiser Karl V., als er Aretino erkannte, dem ersten Interviewer und Pamphletisten entgegen und ließ ihn zu seiner Rechten reiten. Diese scheinbar nur äußere Höflichkeit kennzeichnet doch die Macht des entstehenden Zeitungswesens. Europas stolzester Herrscher begriff damals schon den ungeheuren Einfluß der Feder auf die Politik.
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