Freie Betonungs- und Höflichkeitsgroßschreibung
Freude, Zorn, Trauer, Furcht, Liebe, Lust und Haß gehören zu den menschlichen Primäraffekten. Wer nicht hassen kann, ist nicht voll menschlich. Haß ermöglicht größte Anstrengungen zur Verteidigung der Seinen oder des Eigenen. Auch eine weniger starke Abneigung kann Haß sein – bis zum spielerischen „I hate music“ einer Kollegin bei nicht gelingenden Proben. Jetzt aber will die tonangebende politische Kaste den Haß (bis auf Reste gegen Rechts?) endgültig ausgrenzen. Ein Literaturwissenschaftler und Autor erhebt bei der „Achse des Guten“ Einspruch – mit kleinen Fehlern und Varianten der „neuen“ Rechtschreibung:
Warum man hassen dürfen muss
Von Alexander Mayer.
Was haben plötzlich alle gegen den Hass? ... Nicht dem Anderen ein Leid zufügen. Nein, nur ihn aus Herzenslust hassen zu dürfen. Das ist zivilisiert ...Wie oft hat mir meine Frau gesagt: Ich hasse Dich! Lässt sich sowas verbieten? Wennn Sie mich umbrächte, dann würde Sie auch all meiner Vorteile beraubt.
Es gibt doch so viel Hassenswertes auf der Welt: Hässliche Tatöwierungen. Dreifarbige Frisuren. Typen in Jogginghosen, denen die Agression ins Gesicht gemeißelt ist. Sie stehen hinter Dir an der Supermarktkasse. Du hörst, wie sie mit den Zähnen knirschen, wärend du das Kleingeld suchst. Sie machen Dir Angst. Du musst Sie hassen. Still. Vernkniffen. Ängstlich. Leidend. Wenn sich Dein Gefühl von all dem Niederdrückenden gereinigt hast, katharisch, am Ende der Schlange, nachdem ich bezahlt habe und dem Ausgang zustrebe, dann ist es ein Hochgenuss, nur noch aus freiem Herzen hassen zu können. Ich hasse zum Beispiel diese ewige Frage: Haben sie eine Payback-Karte? Nein, möchte ich schreien...
Will ich deshalb die Verkäuferin abmurksen? Natürlich nicht. Ich will auch morgen noch einkaufen und ihr dabei in den Ausschnitt gucken können. Damit mein Hass zivilisiert wird, braucht es Verbote und Strafen auch zwei Grundpfeiler der Zivilisation. Bevor wir die Bundesregierung hatten, die wir jetzt haben, galt: Gefühle sind straffrei. Strafbar sind Handlungen. Ich darf die Verkäuferin mit ihrer Scheiss Payback-Karte hassen, wenn ich dabei die Fresse halte und sie nicht würge. Das ist dann strafbar. So schön übersichtlich war die Welt mal. Aber jetzt möchte die amtierende Regierung den Hass verbieten. Das ist verwerflich.
„Wenn wir irgendwas aus der Nazidiktatur gelernt haben, dann doch dieses: Alle, gerade auch die finstersten Gefühle sind in uns allen potentiell vorhanden und können gefüttert und bedient, manipuliert und missbraucht werden. Das müssen wir wissen. Verbieten lässt sich Hass garantiert nicht. Er bricht sich bloß anderweitig Bahn...
Ich lass mich lieber von einem tätowiereten Türstehertypen im Internet als Spasti, Wichser oder Opfer beschimpfen, als daß ich ihm in der Straßenbahn mit den gleichen Gefühlen gegenüberstehe. Am Ende hat der nicht das zivilisatorische Niveau, seine Emotuionen von seinen Handlungen trennen zu können...
Zivilisiert ist es, Emotion, Gefühlsausdruck und Handlung voneinander trennen zu können, verbietet es mir natürlich mein kultiviertes Wesen, zu sagen, ich hegte irgendeine Abneigung gegen Angela Merkel und Heiko Maas. Und niemand hat die Absicht, meinen Beitrag hier zu löschen.
Alexander Mayer, Jahrgang 1962, ist Literaturwissenschaftler, Moderator und Autor im Hörfunk bei MDR KULTUR und MDR AKTUELL.
achgut.com 28.12.2016
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