Der Orwell-Duden 2017
In frühen Rechtschreiblexika wurden Wortbildungen, die für jeden einsichtig waren, nur selten aufgenommen. Dr. A. Vogels „Ausführliches grammatisch-orthographisches Nachschlagebuch der deutschen Sprache“ Berlin 1903, zählt zu „Volk“ nur Volksversammlung, Völkerkunde, volksmäßig, volkreich, völkerrechtlich, Völkernamen, Volkstum und volkstümlich auf. Im Duden 1926 waren es wenig mehr. 1934 kam der „Volksfeind“ hinzu, literaturfähig seit Henrik Ibsen 1882. Nun stellte Matthias Heine in der Welt verwundert fest: Neuer Duden
Das verborgene Drama um das Wort „Volksverräter“
... Bis zuletzt blieben die DDR-Duden deutlich dünner: Die letzte Leipziger Ausgabe hatte 1985 nur 74.900 Stichwörter, die West-Ausgabe 1986 kam nach der Zählung von Wolfgang Werner Sauer auf 108.100. Eliminiert wurde irgendwann auch das 1941 zuerst aufgenommene Naziwort Volksverräter. Im West-Duden stand es noch bis 1968 zusammen mit Volksverrat. In dem DDR-Duden war es von Anfang an gestrichen. Nun gehört es laut dem vom Duden ausgehändigten Pressematerial zu den 5000 Wörtern, die neu aufgenommen wurden. Mit einigem Recht, denn die Wahl zum „Unwort des Jahres“ 2016 zeigt, dass es wieder vermehrt im Gebrauch ist.
Nur: Wer nun im Duden danach sucht, findet Volksverräter nicht zwischen Volksverdummung, Volksverhetzung, Volksvermögen, Volksvertreter und Volkswagen, obwohl es da doch gerade in diesen Tagen so schön hinpassen würde. Man ahnt, welches klandestine ... Drama sich da bei der Schlussredaktion des Duden abgespielt hat.
welt.de 8.8.2017 „Nazi-Wort”? Gewiß von den Nazis im Übermaß gebraucht – aber Matthias Heine hatte wohl nicht den Artikel von Dankwart Guratzsch in der Welt vom 10.1.2017 gelesen:„Unwort des Jahres“
Der erste Volksverräter war ein Österreicher
... Ihrem Selbstverständnis nach ist die vom Frankfurter Germanistikprofessor Horst Dieter Schlosser 1991 gegründete „sprachkritische Aktion“ zur Findung von „Unworten“ bemüht, „den Blick auf sachlich unangemessene oder inhumane Formulierungen im öffentlichen Sprachgebrauch zu lenken, um damit zu alltäglicher sprachkritischer Reflexion aufzufordern.“
Mit „Volksverräter“ vermeint sie, nach den Worten ihrer Sprecherin Nina Janich, nun endlich „ein typisches Erbe von Diktaturen, unter anderem der Nationalsozialisten“ aufgespießt zu haben.
Au weh! Ist doch die Sprache ein viel zu lebendig Ding, um sich über einen Leisten spannen zu lassen. Und so hat es auch der „Volksverräter“ in sich. Denn den gibt es, wie fleißige Forscher längst herausgefunden haben, schon seit des seligen Karl Marxens Zeiten. Anno 1849, den 26. Mai, trat der bekennende Marxist Wilhelm Wolff vor die ehrwürdige Paulskirchenversammlung und ließ eine Standpauke gegen Erzherzog Johann von Österreich, den Reichsverweser, vom Stapel.
Karl Marx protokollierte genüsslich mit
Ja, der erboste Herr erfrechte sich gar, Höchstselbigen, wie Karl Marx in seinem Sitzungsprotokoll genüsslich vermerkte, „den ersten Volksverräter“ zu nennen. Konnte es wunder nehmen, dass ihm der Sitzungspräsident ob solcher Unverschämtheit das Wort zu entziehen drohte? Heute, gottlob, brauchen wir keinen Präsidenten mehr dafür, wir haben ja die Jury der moralisch Unbefleckten...
welt.de 10.1.2017 Den moralisch Unbefleckten eilt die Sprachantifa um Nancy Grochol zu Hilfe, die im Deutschlandfunk Kultur am 14.1.2017 zu Wort kommt. „Besorgte Bürger“ sind danach eher getarnte Faschisten und Rassisten:Was den Wortschatz des sogenannten besorgten Bürgers angeht, beobachtet Grochol zwei Muster. Zum einen würden alte NS-Begriffe wie Volksverräter wiederbelebt. Zum anderen würden bei Begriffen Bedeutungsverschiebungen vorgenommen. Etwa wenn Demokratie sich nicht auf alle beziehe: Eigentlich wird damit gemeint, dass es die weiße Mehrheit in Deutschland… ist, die herrschen soll. Danach ist es also vollkommen gerechtfertigt, diesen Bürgern nach Art des Orwellschen Neusprechs die Wörter zu entziehen, damit sie nichts mehr gegen ihre hochherzigen Politiker sagen können, die gerade dabei sind, das Land, das einmal Deutschland war, an die „Bedürftigen“ aus aller Welt umzuverteilen:Video: Das Duell der Volksverräter – Merkel vs. Schulz
3. September 2017
Heute Abend um 20.15 Uhr übertragen ARD, ZDF, Sat.1 und RTL das TV-Duell Merkel (CDU) vs. Schulz (SPD)
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