Astrid Schulz an Eltern im SHEV
Freitag, 5. Juni 2020 Lokales Kiel
Stadt mit Sternchen
Kiel führt ab 1. Juli die geschlechtergerechte Amtssprache ein – Zierau bittet um Gelassenheit
Von Michael Kluth
Kiel. „Liebe Kieler*innen, liebe Lesende“: Nach der Hansestadt Lübeck führt auch die Landeshauptstadt Kiel die geschlechtergerechte Sprache in ihrer Verwaltung ein. Während Lübeck den Geschlechter-Doppelpunkt („Lübecker:innen“) anwendet, setzt Kiel auf das vielerorts übliche Gender-Sternchen („Kieler*innen“) und vor allem auf die Neutralisierung von Geschlechtern („Studierende“, „Amtsleitung“). Der Stern stehe „mit seinen weit verzweigten Strahlen für alle Geschlechter“, heißt es in der Mitteilung der Stadtverwaltung, „sowohl Männer und Frauen als auch Geschlechter jenseits binärer Mann-Frau-Kategorien“.
Das Konzept der Agentur Fairlanguage aus Quarnbek (Kreis Rendsburg-Eckernförde) ist jetzt fertig. Zur Vorbereitung hat die Agentur mit Beschäftigten der Stadt 2019 insgesamt fünf Workshops veranstaltet, „mit großer Beteiligung der Verwaltung“, heißt es. Die Stadt zahlt der Agentur für ihre Arbeit 50 000 Euro.
Die städtischen Ämter, Behörden und Betriebe sollen das Konzept vom 1. Juli 2020 an umsetzen. Der Kieler Personaldezernent Christian Zierau hat die Konzeption in dieser Woche im Innen- und im Hauptausschuss der Ratsversammlung vorgestellt.
Er finde eine gendergerechte Kommunikation „für eine Großstadt relativ selbstverständlich“, sagte der Stadtrat im Hauptausschuss. Es gehe darum, „modern zu kommunizieren“ und „alle Menschen in der Stadt gleichermaßen anzusprechen und nicht auszugrenzen“, schreibt Zierau im Vorwort zum Konzept. „Mir persönlich ist wichtig, dass Gespräche menschlich klingen und keinen Menschen ausschließen. Auch die Verständlichkeit von Behördensprache sollte konsequent mitgedacht werden.“ Das sei „gelebte Vielfalt und Anspruch gleichermaßen“. Zierau ermunterte im Hauptausschuss alle dazu, die gendergerechte Kommunikation „gelassen, pragmatisch und ungezwungen“ einzuführen.
Für die Grünen begrüßte Ratsfrau Anke Oetken die Vorlage der Verwaltung ausdrücklich. „Sprache verändert sich“, sagte sie. Das Konzept sei „großartig“. SPD-Fraktionschefin Gesa Langfeldt lobte das Konzept als schönes Beispiel dafür, dass die Sprache mit Geschlechtergerechtigkeit eben nicht verhunzt werde. „Die Vorlage ist sehr gut lesbar“, sagte sie. Im Innenausschuss regte der Vorsitzende Falk Stadelmann (SPD) eine begleitende wissenschaftliche Studie zur Akzeptanz in der Bevölkerung an. Zierau sagte, er stehe dem Vorschlag aufgeschlossen gegenüber, im Vordergrund stehe jetzt aber die praktische Umsetzung. Kritiker des Gender-Sternchens meldeten sich in keinem der Ausschüsse zu Wort.
Die Agentur Fairlanguage stellt ihrem Konzept Grundsätze voran: „Wir haben den Anspruch, in der Landeshauptstadt Kiel gendergerecht zu kommunizieren“, heißt es darin. „Dies tun wir, indem wir in allen Textarten, sowohl mündlich wie schriftlich (Beispiele: Online-Artikel, Grußworte, Ausschreibungen, Mitteilungen, E-Mails, Bescheide, Satzungen) und im Umgang mit Menschen
Sätze umformulieren und Wörter neutralisieren („Teilnehmende, Leitung“), so dass Geschlecht keine Rolle spielt, das Gendersternchen verwenden („die Bürger*innen“, „die*den Kolleg*in“, „ein*e Antragsteller*in“), sodass Vielfalt sichtbar wird, auf eine geschlechtsspezifische Anrede verzichten („Guten Tag, Vorname Nachname“, „Moin, Vorname Nachname“) oder Menschen mit einer selbstgewählten Anrede ansprechen und dabei die Verständlichkeit mitdenken.
In der mündlichen Anwendung soll das Gender-Sternchen „mit einer kurzen Pause gelesen bzw. gesprochen“ werden, heißt es in der Anleitung. „So wird Raum für alle Geschlechter geschaffen und Vielfalt hörbar.“
Es gehe bei gendergerechter Kommunikation nicht darum, die Grammatik zu verändern, versichern die Fachleute, sondern vielmehr darum, „die Sprache an die gesellschaftliche Situation und die Vielfalt anzupassen und so eine inklusive Welt für alle Menschen zu schaffen“. Sachwörter ohne Personenbezug wie der Stuhl und die Lampe würden nicht verändert. „Außerdem geht es nicht darum, jede Personenbezeichnung zu neutralisieren oder gender-inklusiv darzustellen.“ So könne „eine Person, die ein Amt leitet und weiblich angesprochen werden möchte, auch weiterhin als Amtsleiterin bezeichnet werden“.
Die Stadt will die gendergerechte Kommunikation in vier Phasen bis zum 31. Mai 2022 einführen. Vom 1. Juni 2022 an soll sie in den Regelbetrieb übergehen.
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Kieler Nachrichten, E-Paper, Leserbriefe
Das verhunzt die deutsche Sprache
Gendergerechte Sprache
In Kiel verwechselt die Stadtverwaltung Genus mit Sexus und fügt der Sprache Schaden zu. Die Gendersprache verhunzt vielfach die deutsche Sprache und ist oft auch sachlich unrichtig. So ist es etwa falsch, Studenten in Studierende umzubenennen, weil sie Studierende nur sind, solange sie aktiv studieren, in der übrigen Zeit wären sie Essende, Busfahrende, Einkaufende usw. Eine solche Sprachmodernisierung kann auch zu Missverständnissen führen, etwa wenn Personen, die bisher als Zeuge und Zeugin vor Gericht geladen werden, demnächst womöglich als Zeugende einbestellt werden oder wenn Rechnungsrat und Rechnungsrätin zu Rechnungsratenden mutieren. Unklar ist auch, wie das Stadtoberhaupt zukünftig bezeichnet werden soll, eventuell als Oberbürger*innenmeister*in? Der wortzerreißende Stern verhilft nicht zu mehr Geschlechtergerechtigkeit, sondern ist die Anbiederung an einen sich verstärkenden sozialen Druck, eine bestimmte Geschlechterideologie hinzunehmen.
Helmut Schmidt , Passade
Quellenangabe: Ostholsteiner Zeitung vom 16.06.2020, Seite 20
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Dienstag, 9. Juni 2020 Leserbriefe
Männliches Geschlecht verschwindet
Stadt mit Sternchen
Wenn man Worte mit Sternchen (zum Beispiel laut) liest, verschwindet das männliche Geschlecht. Das ist die feministische, männerfeindliche Propaganda, die von den Kieler Stadtvätern und -müttern als gendergerecht verstanden wird, ein Begriff, der seinerseits feministische Propaganda ist. Mochte der Rat der Stadt sich nicht an seriösen Zeitungen und Buchverlagen orientieren? Dort gibt es Sprachkundige, aber deshalb keine Sternchen. Auch die Kieler Universität wäre wohl eine gute Ratgeberin gewesen. Die deutsche Sprache braucht jedenfalls keine Sternchen.
Prof. Hubert Speidel , Kiel
[ Weitere Artikel mit zum Teil heftigen Kritiken. ]
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Astrid Schulz-Evers
Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Elternvereins e.V.
Bürgermeister-Kinder-Str.9
24306 Plön am See
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