Warum sich die Fische auch weiterhin wohlfühlen dürfen
Kommentar zum Kommentar von Klaus Schübel
Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Hessen OStR Günter Loew, Nordring 1d, 63517 Rodenbach Tel./Fax: 06184/52756
25.7.1999
Daß Klaus Schübel mich in seinem Kommentar mit Friedrich Denk vergleicht, empfinde ich als hohe Ehre. Mein Aufsatz scheint ihn wohl geärgert zu haben. Sonst hätte er sich gewiß nicht die Mühe gemacht, sich wegen eines Fehlers so darüber zu ereifern.
Zur Sache selbst ist zu sagen, daß ich den Duden noch nie für allwissend und allzuständig gehalten habe. Die deutschen Kultusminister haben 1955 nur den Fehler gemacht, ihn durch einen fatalen, rechtlich sehr fragwürdigen Beschluß mit höheren Weihen auszustatten, so daß er sich seit dieser Zeit auf dem Einband bis zur 20. Auflage selbst als maßgebend in allen Zweifelsfragen anpreisen durfte.
Daß dies seine kraft staatlicher Autorität herabgewürdigtenKonkurrenten, vor allem das Haus Bertelsmann, nicht ruhen lassen würde, ist sonnenklar. Neben der ideologisch begründeten Wahnvorstellung, die Politik könne durch eine Orthographiereform das Schreibenlernen wirklich erleichtern und dadurch für mehr Chancengleichheit sorgen, darf man in dieser unzulässigen Bevorzugung die zweite Triebfeder zur Rechtschreibreform sehen.
Das schlechte Gewissen gegenüber der Lobby der Zukurzgekommenen hat vor allem wohl den früheren bayerischen Kultusminister Zehetmair dazu veranlaßt, seine ursprünglich vorhandenen Vorbehalte gegen die Reform aufzugeben und sich an die Spitze ihrer Verfechter zu setzen. Denn nach einer Aussage Karl Blümls, des österreichischen Vertreters in der Zwischenstaatlichen Kommission, war es das Ziel der Reform, die Rechtschreibregelung aus der Kompetenz eines deutschen Privatverlags in die staatliche Kompetenz zurückzuholen. Wer unlängst im Münchner Merkur gelesen hat, wie Hans Zehetmair den Chef der Bertelsmann Buch AG, Frank Wössner, bei der Verleihung der Großen Goldenen Ehrennadel, einer der höchsten Auszeichnungen Österreichs, als Buchkönig von Bayern gefeiert hat, beginnt jedenfalls zu ahnen, wie es zu der ganz unerwarteten unheiligen Allianz zwischen den großen Parteien zugunsten der Reform gekommen ist.
Zurück zum Thema: In den beiden letzten Auflagen des Duden ist in der Tat, wie Klaus Schübel mir vorhält, die Schreibung sich wohl fühlen als einzig korrekte Schreibung angegeben. Professor Theodor Ickler von der Universität Nürnberg/Erlangen liefert in seinem demnächst erscheinenden Wörterverzeichnis der Deutschen Einheitsorthographie, also einem Wörterbuch, das sich eine bessere Beschreibung der bisherigen Orthographie zum Ziel gesetzt hat, dazu die Begründung: Getrenntschreibung als Modalpartikel und in der Bedeutung wahrscheinlich. Er fügt aber hinzu, daß eine Zusammenschreibung mit den 2. Partizipien möglich ist, wenn der erste Bestandteil betont ist. Außerdem enthält das Wörterverzeichnis die Zusammenschreibung bei den Verben wohltun und wohlwollen.
Nach meinem Sprachgefühl wird heute aber sich wohlfühlen als ein eigenständiges reflexives Verb empfunden, das dem Substantiv Wohlgefühl zugeordnet ist und im mündlichen Sprachgebrauch nur einen Wortakzent auf der ersten Silbe besitzt, während sich unwohl fühlen zwei Akzente trägt und deswegen getrennt zu schreiben ist.
Solche Grenzfälle, die Signale für den Sprachwandel sind, hat es schon immer gegeben, und man muß selbstverständlich darüber streiten dürfen. Ein wirklicher Rechtschreib-Diktator ist der Duden ja auch nie gewesen, es sei denn im Bewußtsein von unmündigen Untertanen, die noch nicht gelernt haben, sich ihres Verstandes ohne Anleitung anderer zu bedienen.
Meine Schüler mache ich in Aufsätzen deswegen auch nur auf solche Fälle aufmerksam, kreide sie ihnen aber schon allein deswegen nicht als Fehler an, weil nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beide Schreibungen ja mindestens bis 2005 als korrekt anerkannt werden müssen.
Ob Klaus Schübel mit seinen Attacken gegen Friedrich Denk recht hat, vermag ich nicht ohne die Kenntnis des genauen Wortlauts zu sagen, denn nicht das Geringste muß nicht gar nichts bedeuten, sondern kann auch nicht die kleinste, unbedeutendste Sache heißen; bei genauso lang kann genauso auch als Modaladverb verwendet werden (er sprach genauso lang wie sein Vorredner). Die Schreibungen stattdessen und zustandekommen liegen ebenso wie die von mir benutzte Schreibung sich wohlfühlen im sprachlichen Entwicklungstrend, den der alte Duden noch nicht nachvollzogen hatte. Und was die Kleinschreibung nach einem Doppelpunkt anbetrifft, so entspricht die Regel 79 im alten Duden nicht der tatsächlichen Funktion des Doppelpunkts. Es geht nämlich gar nicht um angekündigte Aufzählungen oder Satzstücke bzw. Zusammenfassungen oder Folgerungen, sondern der Doppelpunkt trennt das Thema vom Kommentar. Professor Ickler schreibt in diesem Zusammenhang sehr vorsichtig: Im Gegensatz zur wörtlichen Rede beginnt der Nachsatz gegebenenfalls meist mit Kleinschreibung.
Wer sich allerdings so pedantisch wie Klaus Schübel als Oberlehrer in Sachen Rechtschreibung gebärdet, muß sich fragen lassen, ob er das Verb zusammenschreiben (so steht es noch im alten Duden) tatsächlich zusammen schreiben schreiben will.
Die mir zur Verfügung stehenden Informationsquellen zur neuen Orthographie enthalten das Stichwort allesamt nicht; das ist ein Indiz dafür, daß sie in dem bisher vorhandenen selbständigen Verb nur eine Wortgruppe sehen und deswegen für die sinnwidrige Getrenntschreibung eintreten. Das kommentarlose Übergehen dieses für das Thema Orthographie so unerhört wichtigen Stichworts deutet jedoch darauf hin, daß selbst die Reformer Bedenken gegen die Getrenntschreibung haben. Diese Neuschreibung wird nämlich jedermann zusammen schreiben und nicht zusammenschreiben lesen, das Geschriebene demnach als zwei verschiedene Wörter interpretieren, die getrennt gesprochen werden und soviel wie gemeinsam schreiben bedeuten.
Wer dem Unfug der Reform auch in solchen Fällen den Gehorsam nicht verweigert, muß sich längst von jedem selbständigen Denken verabschiedet haben.
Ich gebe allen Schülern bei der Getrennt- oder Zusammenschreibung einen ganz anderen Rat: Laßt Euch nicht von dem sogenannten amtlichen Regelwerk verwirren, sondern achtet genau auf die Betonung beim natürlichen Sprechen. Wenn Ihr nur einen Wortakzent hört, solltet Ihr zusammenschreiben; hört Ihr zwei oder mehrere, so schreibt Ihr am besten getrennt.
Das ist mindestens bis 2005 vernünftiger als alles andere, denn bis dahin gelten ja auch noch die alten Regeln. Und so lange kann man getrost abwarten, was bis dahin aus den heutigen Wegwerforthographien geworden ist.
OStR Günter Loew Nordring 1d, 63517 Rodenbach
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