Frust-ration für Pä-da-go-gen?
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Frust-ration für Pä-da-go-gen?
Der (Leidens-)Weg einer Deutschlehrerin durch die Rechtschreibung
Von Gabriele Larisch
Habe nun ach Grammatik und Orthografie durchaus studiert mit heißem Bemüh'n. Und wie jeder Mensch, der sich einbildet, eine Menge gelernt zu haben und dieses Wissen bisher versiert in der Praxis zum Besten geben zu können, sträubte sich zunächst jede meiner orthografisch geprägten Gehirnzellen gegen ein Umlernen. Natürlich nicht aus Bequemlichkeit!!! Je mehr ich mich mit den neuen Regeln beschäftigte, desto weher wurde mir ums Herz! Meine geliebte, schwierige und doch erklärbare Rechtschreibung sollte nun verschandelt werden? Erinnerungen kamen auf an spaßige Unterrichtsstunden, in denen ich Lernenden mit Eselsbrücken und Rollenspielen beibringen durfte, dass beispielsweise wer im trüben fischt nicht mit der Angel Beute machen will und im trüben somit nach der alten Rechtschreibung kleinzuschreiben war. Heute fischt man jedoch (wirklich) im Trüben". Nichtsdestotrotz, eine Deutschlehrerin sollte ja auf dem Laufenden bleiben". Je mehr ich mich einfuchste, desto logischer erschienen mir einige Vereinfachungen. Aber auch um so unklarer sind viele weiterhin vorhandene Ausnahmefälle. Wenn schon vereinfacht werden soll, dann doch konsequent! Die Kleinen in der Schule würden ja von Anfang an nur nach den neuen Schreibregeln lernen. Doch die Größeren, die sich schon mit der alten Orthografie herumgequält haben, müssen von nun an neue alte Ausnahmefälle lernen: Des Weiteren wird wegen des Artikels großgeschrieben, aber ohne weiteres bleibt trotz der Präposition klein. Der Einzelne und jeder Einzelne schreibt man groß, da sie substantivisch gebraucht werden, aber die beiden bleiben weiterhin klein. Grau ist alle Theorie! Also besorgte ich mir eine CD-ROM mit einem Rechtschreibtrainer. Hier sollten mir nicht nur alle Neuerungen der Orthografie verständlich erklärt werden, sondern auch Übungen beim Festigen und Anwenden helfen. Der Abschlusstest zeigt, inwieweit man dazugelernt hat. Ich gebe zu: Selbst nach zwei Jahren Üben in der neuen Rechtschreibung erreiche ich bis heute noch nicht die erforderliche Punktzahl. Maximal komme ich auf 93 bis 97 Prozent. Zu fest sitzen die alten Regeln! Neues verfestigt sich erst in der Praxis! Und ich habe mich wieder eines Besseren belehren lassen. Noch heute ist es möglich, Orthografie mit Spaß zu vermitteln. Ob mir allerdings die neuen Trennregeln so unbedingt gefallen werden, wage ich bereits im Vo-raus zu bezweifeln. Wenn ein Pä-da-go-ge von nun an Schwierigkeiten hat, Lernenden die Herkunft und die Geschichte unseres Wortschatzes zu erklären, wird der Unterricht bis zum A-bi-tur ganz schön tro-cken. Und der Lehrer kann kaum etwas gegen die Frust-ration tun. Er freut sich vielmehr auf den Feiera-bend! Trotzdem, auf zum Umlernen! Überstürzen Sie nichts! Wenn Sie Maß halten", werden Sie Erfolg versprechende Ergebnisse erzielen. Viel Glück! Die Germanistin und Slawistin Gabriele Larisch ist Dozentin der Grone-Schule Berlin
aufgestöbert von Karl Eichholz
Karl Eichholz
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