Die SAU ist weg
Huch, ein Glück, daß ich wieder vor dem Bildschirm sitzen kann. Bin gerade aus dem Irrenhaus entfleucht, hat noch keiner gemerkt, wie mir die anderen Narren auf telephatische Rückfrage versichert haben. War gar nicht so leicht, aus dem Hochnarrentrakt herauszukommen. Hat mich einiges an Verstellungskunst gekostet, hehe. Habe einfach den Normalen gemimt, schwere Rolle, ziemlich anstrengend, bin jetzt noch ganz fertig.
Wie hoch ist mein Puls? Was, 28? Ist er aber ganz schön gefallen. Bei der Flucht hat mich das Herz zu Schmalz geschlagen, eine flüchtige Pulsmessung ergab einen Puls von 18. Meine Herrschaften, das war knapp, wo laß ich bloß das weiße Gewand? Ob mich jemand an den weißen Turnschuhen erkennt? Wart ich eben, bis es dunkel wird, im Dunkeln sind alle Narren blau.
Aber jetzt mal zur Sache. Wer hat mich ins Irrenhaus gebracht? Welcher Verantwortungslose hat den Narren bei mir rausgelassen? Melden Sie sich freiwillig, sonst wende ich Gewaltlosigkeit an. Da bin ich Gnaden los.
Na wird s kalt! Auch noch feige, tritt nicht vor und bekennt sich zu seinen Schulden. Das sehen wir gern: Schulden machen und sich dann beiseite drücken. Zechsteller werden hier nicht geduldet. Erst die Zeche aufmachen, mitten in die Landschaft hinstellen und dann ab nach Ibiza. Hiergeblieben! Zu fliehen, hilft Ihnen absolut nicht, Sie Mürbetäter. Dazu müßten Sie ein Narr sein, aber es ist schwerer als Sie denken.
Sie meinen, ich sei blöd und könnte mich nicht an Sie erinnern? Wollen wir doch mal sehen, Ihnen zeig ich s! Also, wie war das, mal ganz sachte das Narrenhirn in Fahrt bringen. Mit einer Melodie begann s, das ist mir noch übernatürlich bewußt. Feinste Flügelführung übrigens, kann ich Ihnen nur empfehlen. Reinster Ramschmanikov.
Aber damit hat er den Narren nicht rausgelasen, das sagt mir mein Nierenstein. Noch was war da. Ja richtig, Gesang war da, ein Lied flatterte in die Lüfte, singend entfaltet sich unsere Brust und wir werden närrisch vor Lust. Singend? Ha, jetzt hab ich Sie.
Sie, Herr Singh, waren es, der den Narren in mir freigelassen hat. Hätten Sie nicht aufpassen können? Seien Sie doch vorsichtig, wie soll ich ihn jemals wieder einfangen? Helfen Sie mir wenigstens dabei.
Was heißt hier, wen. Sie sollen nicht wen einfangen, Sie sollen die SAU schnappen und in den Stall zurückbefördern, aus der Sie dieselbige unachtsam entlaufen ließen. Hätten Sie doch die Tür zugemacht, wie krieg ich die SAU jetzt wieder zu fassen? Sie haben nicht mal gemerkt, daß sie von ihrem Trog weg ist, nehme ich mal an. Sich immer nur um das Wesentliche kümmern, das auch noch in wohlgesetzten Worten niederlegen und das Nebensächliche, für mich hier und heute aber das Hauptsächliche, nicht ignorieren, daran erkennt man Sie. Während Sie die Stalltür offenlassen, werde ich in der S-Bahn von Lachkrämpfen geschüttelt, daß mir mein sieben Zwergefell gegen die Bauchdecke schlägt und mich innerleiblich massakriert.
Die SAU hatte mich gepackt, schüttelte und rüttelte mich und warf mich auf den Boden der Tätlichkeiten. Denn während ich noch so vor mich hin pruste und dröhne, die SAU vor meinen Augen, hält die S-Bahn, die Türen gehen auf und in freundliches weiß gekleidetes Personal besteigt die Bahn. Gerade denke ich, Mist, Fahrkartenkontrolle und wieder nicht gestempelt, da fummeln die plötzlich an meinen Armen rum.
Haha, lohnt sich nicht, habe keine Armbanduhr dabei, dem Narren schlägt immer eine Stunde. Die lassen nicht los, he, ich brauche keine Jacke, schwitz eh schon so von wegen der Lacherei. Laßt s los, Ihr Saubeutel, wollt s mich vergewaltigen? aber doch nicht in aller Öffentlichkeit, bitte! Ach so, Ihr wollt eine Spazierfahrt mit mir machen, ja, da bin ich gleich dabei, ich fahr so gern in einem Auto mit Blaulicht. Hat man immer Vorfahrt, sollte man zur Regel machen. Jedem Auto sein Blaulicht, erspart die Verkehrsschilder. Doch wo ist die SAU? Die SAU ist weg, jetzt hab ich den Schlamassel.
Das war nicht gut, Herr Singh, was Sie da angestellt haben. Wie soll ich ohne SAU die Rechtschreibreform weiter vorantreiben? Können Sie mir das bitteschön mal auseinanderbuchstabieren? Aber die reformierten Buchstaben verwenden, nicht irgendwelche überholten mit Blaulicht überholt, verstehen Sie? Und erlauben Sie mir bitte an dieser scheinheiligen Stätte eine Ergänzung: Die SAU ist nicht nur die Folge wie Sie meinen sie ist auch die Ursache der Reform. Ursache und Wirkung fallen in diesem speziellen Falle zusammen. Als Physiker sind Sie mit diesem Phänomen natürlich bestens vertraut: Es ist als das sich in den Schwanz beißende Kausalitätsprinzip bekannt, das am Gestüt für Deutsche Sprache (GDS) in Mannheim nach langjährigen, kostspieligen Forschungen entdeckt wurde. Die Forscher des GDS formulierten es so: Wenn einem Pferd ein Apfel auf den Kopf fällt, bekommt das Pferd Kopfschmerzen. Der Apfel ist die Ursache für die Kopfschmerzen. Wenn das Pferd andererseits Kopfschmerzen hat und dabei denkt, es sei ihm ein Apfel auf den Kopf gefallen, ohne daß dieser Pferdegedanke ein Abbild in der Realität hat, ist der Apfel eine Wirkung der Kopfschmerzen.
Doch diese tiefschürfende Erkenntnis über das schwanzbeißende Kausalitätsprinzip verhilft mir nicht zu der von mir so arg vermißten SAU. Immer muß ich an sie denken, erst im Irrenhaus und jetzt hier vorm Bildschirm. Wer bringt mir die SAU zurück, mei war das herrlich mit derer SAU. Ich muß sie wieder hoabn, sonst wer i noch narrisch.
Sauer München
|