Ranschburgsche ähnlichkeitshemmung
Sehr geehrter Herr Singh, der Gehirnstreik”, den Sie (im Forum) meinen, ist seit den 20iger Jahren bekannt als Ranschburgsche Ähnlichkeitshemmung ein Begriff, der sich durch sich selbst bereits erklärt. Den Hinweis verdanke ich Prof. Ickler. Der eigentliche Text von Ranschburg ist mir allerdings noch nicht begegnet. (Die früheren Veröffentlichungen von Ranschberg hat natürlich nicht jede Bibliothek, ich werde der Sache aber nachgehen.) Die Ranschburgsche Ähnlichkeitshemmung ist in bezug auf die Rechtschreibreform von grundsätzlicher Bedeutung: Hat man zwei Möglichkeiten im Kopf, stutzt man nicht selten, und überlegt, welche man nun nehmen soll. Das geschieht fast unmerklich der Vorgang dauert vielleicht noch nicht einmal eine Zehntelsekunde , das aber ist für die Abläufe im Gehirn schon eine beträchtliche Zeitspanne, in der, und das ist das Entscheidende, der Gedankenfluß kurz unterbrochen und damit gehemmt wird. Das ist zugleich der größte Schaden, den die Rechschreibreform anrichtet: Sie hebt den Vorgang des Schreibens wieder ins Bewußtsein und stört dadurch die Überlegungen. Das soll nicht wesentlich sein?
Ich sagte, daß ich gar wohl wüßte, welche Unordnungen, in der natürlichen Grazie des Menschen, das Bewußtsein anrichtet. Ein junger Mann von meiner Bekanntschaft hätte, durch bloße Bemerkung, gleichsam vor meinen Augen, seine Unschuld verloren, und das Paradies derselben, trotz aller ersinnlichen Bemühungen, nachher niemals wieder gefunden.- Doch, welche Folgerung, setzte ich hinzu, können Sie daraus ziehen? Er fragte mich, welch einen Vorfall ich meine? Ich badete mich, erzählte ich, vor etwa drei Jahren, mit einem jungen Mann, über dessen Bildung damals eine wunderbare Anmut verbreitet war. Er mochte ungefähr in seinem sechzehnten Lebensjahr stehen, und nur ganz von fern ließen sich, von der Gunst der Frauen herbeigerufen, die ersten Spuren von Eitelkeit erblicken. Es traf sich, daß wir gerade kurz zuvor in Paris den Jüngling gesehen hatten, der sich einen Splitter aus dem Fuße zieht; der Abguß der Statue ist bekannt und befindet sich in den meisten deutschen Sammlungen. Ein Blick, den er in dem Augenblick, da er den Fuß auf den Schemel setzte, um ihn abzutrocknen, in einen großen Spiegel warf, erinnerte ihn daran; er lächelte und sagte mir, welche Entdeckung er gemacht habe. In der Tat hatte ich, in eben diesem Augenblick, dieselbe gemacht; doch sei es, um die Sicherheit der Grazie, die ihm beiwohnte, zu prüfen, sei es, um seiner Eitelkeit ein wenig heilsam zu begegnen: ich lachte und erwiderte er sähe wohl Geister! Er errötete, und hob den Fuß zum zweitenmal, um es mir zu zeigen; doch der Versuch, wie sich leicht hätte voraussehen lassen, mißglückte. Er hob verwirrt den Fuß zum dritten und vierten, er hob ihn wohl noch zehnmal: umsonst! er war außerstand, dieselbe Bewegung wieder hervorzubringen was sag ich? die Bewegungen, die er machte, hatten ein so komisches Element, daß ich Mühe hatte, das Gelächter zurückzuhalten:-
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