Duden
Die Regelung der Rechtschreibung durch den Duden war eines der wenigen geglückten Experimente, die gezeigt haben, daß ein Privatunternehmen stellvertretend für die Allgemeinheit und ohne staatliche Einmischung verantwortungsvoll Kompetenzen übernehmen kann. Auf dieser Internetseite wurde schon gelegentlich anerkannt, daß die Monopolstellung des Dudens in Sachen Rechtschreibung so gut wie nie mißbraucht wurde.
Ein Monopolist nach den klassischen Marktgesetzen beherrscht das von ihm kontrollierte Marktsegment weitgehend ohne Rückkoppelung zu den Verbrauchern. Ein gutes Beispiel sind die diversen Stadtwerke, die bis vor kurzem die Energieversorgung der jeweiligen Stadt monopolistisch in der Hand hatten und den Preis nach Belieben diktieren konnten. Ein ähnliches Diktat hat der Duden m. E. niemals ausgeübt. Statt selbstherrlich die Rechtschreibung zu verordnen, hat er sich damit begnügt, die aktuelle Rechtschreibung zu dokumentieren, ihre Entwicklung aber der Schreibgemeinschaft überlassen. Gegenüber Wortschöpfungen und neuen Schreibweisen hat er sich in der Regel tolerant verhalten, sie wurden in Duden aufgenommen, sobald sie sich durchgesetzt hatten. Manchen ging diese Toleranz zu weit, besonders in den siebziger Jahren, die eine Flut neuer Wörter hervorbrachten, wurde dem Duden seine Toleranz als Schwäche und Liebdienerei am Zeitgeist vorgeworfen. Man wünschte sich ein stärkeres Aussieben von Modewörtern und eine gewisse Resistenz gegenüber zeitbedingten Trends.
Wie wohltuend die Großzügigkeit der Dudenmacher war, wird erst heute unter dem Scharfrichterbeil der RSR und ihrer willigen Vollstrecker sichtbar. Daß im Zeitalter allgemeiner staatlicher Regelungswut die Rechtschreibung so lange nicht zementiert wurde, mutet nachträglich schon erstaunlich an, wo doch selbst der Durchmesser einer Pizza schon genormt ist. Lange hat es gedauert, bis die Betonköpfe von Regulierungsfanatikern die Wände der Vernunft und des klugen Menschenverstandes in den Kultusministerien eingestoßen hatten. Die Deutschen sollen merken, daß die Rechtschreibung nicht sakrosant ist, Worte des unfehlbaren Reformers. Wer nicht hören will, muß fühlen, den Deutschen werden wir es zeigen!
Ob auch Neid auf den Duden bei der RSR im Spiel war, weiß ich nicht. Ich weiß aber, daß er spätestens nach der RSR der Grundlage entbehrt. Im reformierten Duden lese ich z. B. den Eintrag
Han|dy, das; -s, -s (handliches schnurloses Funktelefon)
Was soll man dazu sagen? Inzwischen hat es sich bei allen Mobiltelefonisten herumgesprochen, daß das Substantiv Handy eine deutsche Erfindung ist. Im Englischen gibt es dieses Wort nur als Adjektiv und in einer ganz anderen Bedeutung. Das konnte sogar ich mit meinen fragwürdigen Schulkenntnissen feststellen. Ist die Duden-Redaktion neuerdings zu sehr mit dem Reformieren der deutschen Orthographie beschäftigt, daß sie die Herkunft selbst einer Banalvokabel nicht mehr überprüfen kann?
Sauer 80997 München
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