Brausen, jammer, links und Sprachleistung
Sprache selbst ist ein Geflecht und ein (auch Sicherheits-)Netz: Sobald ein Kind gelernt hat, was Tür bedeutet und Schuh und Haus, fällt ihm das Lernen weiterer Wörter, etwa von Haustür, Hausschuh und Schuhhaus, nicht mehr schwer. Eine große Leistung unserer Sprache ist ihre leichte Lernbarkeit; muß doch ein Abiturient, soll er mit 19 Jahren 70.000 Wörter kennen, von seinem zweiten Lebensjahr an 17 Jahre lang 70.000/((19-2)*365) = 11 Wörter täglich lernen, auch sonn- und feiertags und in den Ferien. Als 15jähriger hatte ich Spaß daran, die Wörter Hexamethylentetramin, Azetylbenzochlorid und später dann noch Desoxyribonukleinsäure und Lysergsäurediäthalamid zu können; aber von denen schaffte ich nicht 11 an einem Tag. Nur frage man eine Abiturklasse, was die nicht-verwobenen Wörter lobby, duma, windjammer, browser, feature, essay, laptop, desktop, server bedeuten; man frage, wie Föjetong, Lübien (nein: Libüen!) und Sieluette geschrieben werden (Feuilleton, Libyen und Silhouette); das Ergebnis dürfte ernüchternd sein. Nehmen wir mal den windjammer: Als Bub konnte ich nie verstehen, was an unserem Stolz der Meere letztlich so jammervoll sein sollte, bis ich ganz mutig in einem Englisch-Wörterbuch nachschaute: to jam heißt unter anderem schieben, und mir ging ein Kronleuchter auf. Zwar ist hier auch im Englischen noch nicht richtig klar, wer wen schiebt; im Deutschen wird noch der mehr passive Schuber angeboten. Doch auch das Wort losschieben wird zuweilen intransitiv benutzt für sich behäbig bewegen (... er [Bolle] nahm den Schirm und schiebte los...) Also: nichts vonwegen jammern. Und so müßte man windjammer wohl als Windschieberoder schöner: Großsegler übersetzen. Doch wie heißt es im Lied? Will ein neues Schiff man bauen / auf der sogenannten Werft / werft man meist das alte weg, / deshalb auch der Name Werft. // Soll am Schiff gedoktert werden, / legt man es im Dock zur Ruh. / Liegt der Dock weit von der Kneipe, / sagt man Trockendock dazu. Die idiotische angebliche Volksetymologie (belääämmert, Quäääntchen) war ja anerkanntermaßen ein Griff in die Kloschüssel.
Der browser muß natürlich richtig übersetzt werden als Stöberer -- to browse through a bookshop sagt man ja. Mit Dusche oder Seewind oder Porsche hat browser nicht das mindeste zu tun. Wir sollen an unserer eigenen Sprache weiterweben; deshalb nenne ich jenes Weichware-Werkzeug Stöberer.
Detlef Lindenthal
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