Einzige Hoffnung
Das Studium der über Ihre Seite zugänglichen Texte zur sogenannten Rechtschreibreform reicht leider! aus, einem den geistigen Magen herumzudrehen: über die handwerkliche Stümperei selbsternannter Experten, über die Beliebigkeit der Sprüche und Widersprüche der Reform-Apologeten, über die nach meiner Überzeugung auch moralisch zumindest unrühmliche Rolle der KMK, die es schließlich ermöglichte, mit dem obskuren Vorhaben am schwächsten Glied der Sprach-, Schreib- und Lesegemeinschaft anzusetzen, also den Schülern, auf deren Rücken die Malaise nun so oder so ausgetragen wird.
Wüßte man's nicht besser (was in diesem Fall heißt, daß die Wahrheit noch viel schlimmer ist), könnte man diese Reform für ein, wie sie zu schreiben verlangt, spät gebrorenes Kind halten wohl so kurz vor Mitternacht, nach erheblichem, das Maß des Zuträglichen überschreitenden Konsum alkoholischer Getränke.
Die einzige Hoffnung, die bleibt, scheint mir, nun zu erreichen zu versuchen, daß die Übergangsfrist bis zum Jahr 2005 so genutzt wird, daß spätestens zu ihrem Ende sine ira et studio festgestellt wird, was die Veränderungen gebracht haben nicht nur hinsichtlich der Sicherheit von Regelkenntnis und -anwendung derer, die des Lesens und Schreibens zunächst noch nicht kundig sind, sondern etwa auch hinsichtlich der Erleichterung oder Erschwernis sinnerfassenden Lesens und sinnentsprechenden Schreibens derer, die als hinreichend Kundige mit Texten umgehen, denn für diese nicht für das Diktat in der Schule wurde Orthographie erfunden und wäre sie weiter primär zu veranstalten.
Was sich nicht bewährt, vor allem alles, was nicht nur das Schriftbild, sondern die Sprache selbst verändert und sei es vordergründig nur die geschriebene Sprache, in der sich freilich bereits jetzt ein Ausweichen auf Vermeidungssprache abzeichnet , wäre dann zu verwerfen.
Von eher praktischen Fragen abgesehen bis hin zu der, wie verhindert werden könnte, daß bei den entsprechenden Feststellungen nicht wieder selbsternannte anstelle wirklicher Experten das Sagen haben, wäre der Sündenfall, daß das Unternehmen auf dem Rücken der Schüler ausgetragen wird, allerdings nicht aus der Welt geschafft. Das jedoch ist eh nicht zu erreichen, durch unbeirrbares Festhalten an der Reform vermutlich am wenigsten.
Dr. Rainer Graf Jahnstraße 47, 72108 Rottenburg
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