Jux-Deutschland
Lieber Herr Dräger, gute Nacht, Jux-Deutschland, schrieben Sie, und: Für die deutsche Schriftsprache wäre es vielleicht besser, wenn man sie privatisierte und die Kontrollizenzen an die Japaner verkaufte die würden sie wenigstens achten und vor unqualifiziertem Herumpfuschen in Schutz nehmen.
Sie haben ganz recht, nur, wie soll ich das dann bezahlen, etwa durch eine Nutzungsgebühr pro Zugriff auf eine im Internet rotierende Schriftsprache-CD? Falls man unter Schriftsprache auch Goethes Werke oder Schillers Werke versteht, dann ist die Sache längst schon gelaufen. Nur haben nicht die Japaner die Lizenz, sondern wohl die Engländer. Das Jahresabonnement für Goethe in der Weimarer Ausgabe kostet 1000, Mark, wie man mir mitteilt. Und der Preis für die CD beträgt 4 425 britische Pfund. Schiller dürfte nicht viel billiger sein. Das ist mir zu teuer. Deshalb behelfe ich mich beim Faust mit einem Reclam-Heftchen, das, nach Angaben auf der letzten Seite, der sogenannten Weimarer Ausgabe folgt. Ein kleiner, übler Haken ist dabei. Ich zitiere ihn: Orthographie und Interpunktion wurden bei Wahrung des Lautbestandes ..... Ich muß ihn noch einmal zitieren: .... wurden bei Wahrung des Lautbestandes behutsam dem heutigen Gebrauch angeglichen, ... Was ist daran so übel? Nun, dieses bei Wahrung des Lautbestandes passierte den Dichtern Goethe, Theodor Storm, Schiller, Theodor Fontane, Kleist, Lessing und allen Klassikern seit ca. 1880 durch die Bemühungen sogenannter orthographischer Konferenzen. Bismarck soll zwar seinen Beamten verboten haben, unter Androhung stärkster Strafen, einen Buchstaben h beim Th wie beim Wort That zu streichen. Das stand mal auf der Seite rechtschreibreform.com. Leider aber starb Bismarck 1895, ein gebildeter Mann, der wohl die großen deutschen Dichter nicht kastrieren lassen wollte. Bei der Reform 1901 soll sich der Kaiser, wohl auch ein gebildeter Mann, geweigert haben, die Machenschaften der orthographischen Konferenz unter Führung eines offenbar völlig ungebildeten Duden zu unterschreiben. Danach muß die Wahrung des Lautbestandes ihren amtlichen Lauf genommen haben, und ich komme mit Storms Das Himmelstor ist aufgetan nicht zurecht, außer ich umgehe die Wahrung des Lautbestandes und schreibe: Das Himmelsthor ist aufgethan. Dann betrachte ich die 26 Buchstaben, die Storm hier wohl schrieb und vergleiche damit die schäbige Lautbestandswahrung von nur 24 Buchstaben. Und ich denke an Storms Besuche in den jüdischen Salons in Berlin, und ich denke bei 26 an eine Summe des Tetragramms. Und ich denke weiter: Kann es zutreffend sein, daß die Wahrung des Lautbestandes behutsam dem Dichter ein gesetztes Tetragramm zerstörte? Und, verkehrten in den jüdischen Salons von Berlin nicht auch Fontane, Keller und viele andere Dichter? Und, bedeutet die behutsame Lautbestandswahrung nicht den krassesten Antisemitismus? Der Rechtschreibduden kennt das Wort Tetragramm nicht, stattdessen soll er neu Maschendrahtzaun aufgenommen haben. Goethe, das wußten die Faustforscher um 1901 noch, hat Hebräisch gelernt, die Kabbala studiert und deren Systeme nicht nur benutzt, sondern auch verbessert und verfeinert. Will ich nun eine Zeile von Goethe lesen, eine aus der Weimarer Ausgabe, eine solche, die nicht von der behutsamen Wahrung des Lautbestandes betroffen wurde, und das per Internet, dann darf ich erst einmal 1000 Mark bezahlen. Überspitzt könnte ich formulieren: Ein richtiges Wort von Goethe kostet 1000 Mark. Gehe ich nun in eine Buchhandlung, suche ich irgendeinen klassischen Dichter, dann finde ich nur Lautbestandswahrungen vor, alles Fälschungen, auf deutsch. Und alles offenbar seit 1901 staatlich angeordnete Fälschungen. Jux-Deutschland ist gut, doch bisweilen ersetze ich es durch Deutschland Land der Fälscher. Am schlimmsten finde ich die Zerstörungen von tausenden Tetragrammen in der Dichtung durch amtlich verordnete Lautbestandswahrungen. Welcher Verleger wagt es, diesen staatlichen Dauer-Antisemitismus zu bekämpfen, etwa durch Herausgabe von Dichtern im Original? Die Schweiz bringt gerade Gottfried Keller neu heraus in seinen Originalschreibweisen, eine Ausnahme. England, Amerika und Australien bringen die King James Bibel heraus, wo ist eine Lutherbibel? Will ich ein Lied von Gershwin im Original, etwa von 1924 The Man I Love, kein Problem, das gibt es zu erschwinglichen Preisen, die Amerikaner fälschen ihren Gershwin nicht, was ist aber mit Bach, Beethoven und deren Liedern und Texten, alle marktüblichen Fassungen sind gefälschte. Gewiß, in den Bibliotheken der Universitäten, da soll es noch Originalfassungen geben, das ist mühsam, zeitaufwendig, kostspielig. Wer weiß, vielleicht lebt der Deutsche bequemer und billiger mit seinen Fälschungen und Fälschungen von Fälschungen unter Wahrung des Lautbestandes.
Wie oft hat der Duden schon sich selbst gefälscht?
Einen Unterschied zwischen unqualifiziertem Herumpfuschen oder qualifiziertem Herumpfuschen mache ich zur Zeit nicht, da, was die großen Klassiker angeht, ich ganz einfach auf Originalausgaben hinauswill, falls es solche überhaupt noch gibt oder je gegeben hat.
Lieber Herr Dräger, Jux-Deutschland ist doch gut. Warum haben die Engländer eine Schiller- und eine Goethe-CD? Viele Universitäten in der ganzen Welt, sogar solche in Jux-Deutschland, greifen darauf zu, die Einnahmen der Engländer sind gewiß nicht schlecht, oder sind es Amerikaner, die die Lizenzen besitzen und vermarkten.
Ich glaube, ein Jux-Deutscher, der deutsche Dichter in Originalfassungen herausbringt, macht sich vielleicht sogar strafbar wegen des amtlich verordneten Fälschungsverfahrens seit 1901 mit seinem Dauerantisemitismus.
Zumindest die Kultusministerkonferenz würde wohl gegen einen solchen Jux-Deutschen vorgehen wollen, dann die Philologenverbände, Elternvereine, Parteien, vielleicht auch die Zwischenstaaten, die Brotschreiberagenturen, die Schulbuchverlage usw. usw., denn Jux-Deutschland soll Jux-Deutschland bleiben, nicht das Land der Dichter und Denker, sondern das Land der Dauerfälscher seiner Dichter und Denker und das Land der behutsamen Wahrer des Lautbestandes. Vor dem Bundesverfassungsgericht hätte der Mann wohl auch keine Chance oder doch?
Wie Sie vielleicht gesehen haben, bin ich dem Knecht Rupprecht von ThStorm hinterher, doch weiß ich noch nicht einmal den Titel richtig, Rusprecht, Ruprecht oder Rupprecht, ein untragbarer Zustand, finden Sie nicht auch? Wenn Sie Ickler fragen oder andere kundige Leute, können Sie da sicher sein, ob man die richtige Antwort kennt bei all den herumpfuschenden Wahrungen des Lautbestandes, die seit 1862 diesen Titel betroffen haben könnten?
Weihnachten werden soll es bald wieder, wer verhilft mir zum richtigen Originaltitel? Wer hat eine gedruckte Fassung von vor 1880?
Freundliche Grüße Rolf Genzmann
Rolf Genzmann Hausdorffstr. 233, 53129 Bonn
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