Nichts Neues aus Hessen
Es dürfte die Leser dieser Seiten interessieren, daß Christoph Stillemunkes, der als Ministerialrat im hessischen Kultusministerium für die Druchsetzung der Rechtschreibreform zuständig ist, sich wieder einmal zu Wort gemeldet hat: Neues zur Rechtschreibreform? (Sprachdienst 5/2000, ausführlicher in Schulverwaltung Hessen, 9/2000, S. 174-176) Stillemunkes polemisiert heftig gegen die Reformkritiker und besonders gegen die FAZ. Über den Ton seines Beitrags muß sich der Leser selbst ein Urteil bilden; ich möchte nur anmerken, daß es bis zur Rechtschreibreform nicht üblich war, daß die Ministerialbürokratie gegen die Bevölkerung polemisierte; es gab eine stillschweigende Übereinkunft, daß diejenigen, die ohnehin an den Hebeln der Macht sitzen, nicht auch noch zu Hohn und Spott greifen. Aber vielleicht gehört der neue Ton ja zum Aufstand der Anständigen ... Was die FAZ betrifft, so verwickelt sich S. sofort in einen Widerspruch, indem er abwiegelnd betont, außerhalb der Schule sei jedermann frei, bei den "überholten Regeln zu bleiben (wie er sich ausdrückt), andererseits aber der FAZ schwer übelnimmt, daß sie just von dieser Freiheit Gebrauch macht. Über mein Rechtschreibwörterbuch schreibt er:
Vollkommen unglaubwürdig wird die Angelegenheit der Reformgegner durch Theodor Ickler, der ein eigenes Wörterbuch, das angeblich den Sprachgebrauch der Deutschen erfaßt, aber wiederum vom Duden abweicht. Wer ihm folgt, hat eine andere Schreibweise als die Anhänger und Anhängerinnen der alten und der neuen Regeln. So agieren die selbst ernannten Anwälte der 'Einheitlichkeit der Orthographie'!
Stillemunkes weiß genau, daß er nicht die Wahrheit sagt. Mein Wörterbuch muß selbstverständlich vom Duden abweichen, gerade weil es den wirklichen Schreibbrauch abbildet, was der Duden eben nicht in zuverlässiger Weise getan hat. Wer meinem Wörterbuch folgt, schreibt so, wie es bisher üblich war und unter sprachkundigen Erwachsenen weiterhin üblich ist. Sowohl die Anhänger als auch die Anhängerinnen der bewährten Schreibweisen haben das zu würdigen gewußt. Stillemunkes klammert sich (wie seine Kollegen Krimm, Toni Schmid usw. in den anderen Kultusministerien) an die unzulänglichen Formulierungen des alten Duden, um die Abkehr von den "überholten) Schreibweisen zu rechtfertigen. Aber wer hängt denn an den Dudenregeln? Wir wollen die bewährte Orthographie beibehalten, nicht deren weniger bewährte Darstellung im alten Duden.
Interessant ist folgende Stelle:
Dass immer der Beitrag des Bundes die Wiener Absichtserklärung hat bekanntlich auch der Bundesinnenminister durch seinen Parlamentarischen Staatssekretär für die Bundesregierung unterzeichnet unterschlagen und die 'Schuld' an der Reform nur der Kultusministerkonferenz zugemessen wird, gehört ebenfalls in die Liste der gezielten Unsauberkeiten.
Keineswegs! Ich habe wohl hundertmal und bis zur vollständigen Automatisierung auf die Rolle des Bundesinnenministeriums hingewiesen. Kanther, Bergsdorf, Palmen-Schrübbers diese Namen muß man sich merken. Willkommene Bestätigung erhielt ich am Abend des 28. Januar 1998, als mir ein Bundestagsabgeordneter (SPD, Mitglied im Rechtsausschuß des Bundestages) telefonisch mitteilte, treibende Kraft hinter der Durchsetzung der Reform (die er wörtlich als Scheiße bezeichnete, aber dennoch unterstützen zu müssen behauptete) sei das Bundesinneministerium. Das war mir schon anderweitig bekannt. Ministerialrätin Dr. Monika Palmen-Schrübbers war immer zur Stelle gewesen und hatte aufgepaßt, daß der Reform nichts zustößt. Unter der neuen Regierung konnte sich der Chefsemantiker der CDU, Prof. Bergsdorf, natürlich nicht halten, Frau Palmen-Schrübbers tut jedoch jetzt beim Kulturstaatsminister Naumann Dienst und ist dort weiterhin mit der Rechtschreibreform befaßt. Sie achtet gewiß darauf, daß Naumann nichts Kritisches gegen die Reform unternimmt oder auch nur sagt. Warum das alles so ist, warum insbesondere das Ministerium Kanther so sehr auf dieser Reform bestand, an der es kein genuines Interesse haben konnte (denn was haben die Beamten davon?), ist ungeklärt.
Immerhin: Obwohl Stillemunkes das Wort Schuld in ironische Anführungszeichen setzt, gibt er doch zu erkennen, daß die Kultusminister die Verantwortung nicht allein tragen wollen.
Am Schluß malt er in jenen Katastrophenfarben, die er uns Kritikern sonst vorwirft:
Ein 'Ausstieg' aus der Reform würde sie (die Schule) ins Chaos stürzen.
Der Ausstieg würde die Vollstrecker wie Stillemunkes in die vorzeitige Pensionierung stürzen.
Theodor Ickler Ringstr. 46, D-91080 Spardorf
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