Zur Qualität der Wörterbücher
Da hier nun immer wieder über Ernst/ernst machen gestritten wird, möchte ich doch ein paar Dinge dazu anmerken. Wer eine Rechtschreibung bevorzugt, die Adjektive und Adverben groß schreibt (Leid tun, Recht haben, heute Nacht usw.) und nichtverblaßte Substantive klein schreibt (an Eides 'statt', obwohl noch der Duden von 1991 hier eindeutig von einem femininen Substantiv sprach usw.), der müßte es doch befürwoten, daß ernst machen analog zum Sprachgefühl und unabhängig vom Kriterium Substantiv/Adjektiv klein geschrieben wird. Des weiteren bietet die alte Rechtschreibung ohnehin die Möglichkeit, verblaßte Substantive klein zu schreiben (vgl. von seiten, in betreff usw.). Insofern ist die Kritik an der Kleinschreibung von ernst machen nicht zu verstehen, wenn sie von seiten eines Reformbefürworters kommt. Selbst wenn man annimmt, daß es sich bei ernst machen um einen Fehler handelt, so muß man auch die Qualität des Duden 2000 betrachten. Viele Dinge werden vom neusten Duden falsch dargestellt. Besonders fehlerträchtig sind die Kurzzusammenfassung in der kleinen Broschüre und das dudeneigene Regelwerk. In der Broschüre präsentiert der Duden ernst nehmen mit Rotdruck, womit er ausdrückt, daß man bisher zusammenschrieb. Da nicht davon auszugehen ist, daß die Duden-Redaktion die Neuschreibung mit dem Rechtschreibwörterbuch von Herrn Prof. Ickler verglichen hat, ist diese Aussage falsch. Soll-Stärke wird als neue, Sollstärke als alte Rechtschreibung präsentiert. Das ist natürlich falsch. Auf Seite 45 werden verloren gehen, Rad fahren, spazieren gehen und sogar kennen lernen als alte Schreibungen präsentiert. Das ist ebenfalls nicht richtig. Auf dem Gebiet der Kommasetzung sind im Regelteil die Placierungen von Klammern und Rotdrucken so uneinheitlich und konfus, daß niemand mehr weiß, was sich überhaupt geändert hat. Anschließend werden im Regelteil wie auch im Wörterverzeichnis kochend heiß, zugrunde liegend, ernst zu nehmend als Neuerfindungen dargestellt, obwohl das allesamt schon bisher zulässige Schreibungen sind. Die Schreibungen kochend heiß/kochendheiß waren noch im Duden, Band 9, 1985 das Paradebeispiel für zwei parallel zulässige Schreibweisen. Bei der Trennung von Koalition schießt der neue Duden allerdings den Vogel ab: Auf Seite 553 wird allen Ernstes behauptet, man hätte in der alten Rechtschreibung zwar Ko-alition und Ko-alitionsfreiheit getrennt, dafür aber Koa-litionskrieg, Koa-litionspartei und Koa-litionspartner. Nun seien nach der Neuregelung immer beide Trennmöglichkeiten richtig. Daß man der alten Rechtschreibung zufolge immer Ko-alitions[...] trennen mußte und daß hier überhaupt keine Uneinheitlichkeit vorlag, sagt der neue Duden 2000 natürlich nicht. Wer es nicht weiß oder nicht in älteren Auflage nachsieht, ist hier wirklich der Meinung, die Neuregelung hätte einen Widerspruch beseitigt. Diese Fehler habe ich bei kurzem Überfliegen gefunden; es mag, ja es wird noch viele weitere geben. Wenn man das Werk eines einzelnen, nämlich das Rechtschreibwörterbuch von Herrn Prof. Ickler, mit dem Murks einer vielköpfigen Fachexperten-Redaktion vergleicht, dann erübrigt sich wohl jeder weitere Kommentar, insbesondere zu Ernst/ernst machen.
Christian Dörner 91058 Erlangen
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