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Walter Lachenmann
20.12.2000 23.00
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Aus dem Blickwinkel der »unteren Chargen«

Kenne ich mich in meiner Sprache noch aus? Kann ich noch ohne Wörterbuch auf die Straße gehen? In Tölz werden die Straßenschilder jetzt geändert: Gaissacher Strasse statt Gaißacher Straße. Man findet leichter nach Goassa. Es hilft.

Ich lasse mich integrieren, lerne Türkisch und schau mir die deutschen Filme mit Videotafeln an, ich versteh ja schon meine eigene (ist sie es noch?) Sprache nicht mehr. Was reden die »oberen Chargen« nur für einen Unsinn? Ich dänke weil Gedanke? Danke! Mich dünkt, das alles kommt von Dung? Wenn mein Nachbar seine Wiesen düngt, riecht es in der ganzen Landschaft nach Düngpfiff. Ich tünke meine Semmel nicht in Dung sondern in den Tunk. Ich trünke meinen Trunk.

Kunst kommt von können, käme es von wollen hieße sie Wulst. Ist nicht von mir!

Mit etwas Distanz ist dies ein wahrer Dis-Tanz und man könnte lachen darüber.
Wie man so etwas natürlich Gewachsenes wie unsere Sprache und ihre Schreibung so ekelhaft nach allen Seiten zerpflücken und ausweiden kann, etwas das nun eben einmal wirklich auch von der gewachsenen Anarchie lebt, von der Wagenbach geschrieben hat, und von der Ästhetik, die keiner der Experten auch nur erwähnt wissen will.

Mir kommt's vor, als wenn es um eine Taschenuhrreform ginge. Die einen sagen, die Uhr läuft nicht sauber, wir müssen sie reparieren. Die andern sagen, sie läuft schon, man muß sie nur ab und zu aufziehen. Man einigt sich nicht. Man zerlegt die Uhr. Jeder sieht, wo sie schon gelaufen wäre und wo sie laufen würde, obwohl sie technisch gesehen gar nicht so laufen könnte. Man zerlegt weiter. Alle Rädchen und Ächsen und Steinchen und Goldbölzchen liegen umeinander.

Man kriegt die Uhr, die vorher ziemlich zuverlässig lief, obwohl sie technisch gesehen nicht hätte laufen können, nie wieder zusammen. Hätte man sie zusammengelassen, hätten der Grünspan und die Patina    sie noch eine Ewigkeit zusammengehalten. Sie wird nie wieder richtig funktionieren, man wird es immer mit einer stockenden, stehenbleibenden, kaputten Uhr zu tun haben.
Man wird sie immer wieder zerlegen und neu zusammensetzen.

Ach hätte man die Uhr doch in Frieden gelassen. Sie war so schön, tickte so schön, nur Besserwisser meinten Unregelmäßigkeiten in ihrem Gang zu erkennen, aber man konnte sich doch auf sie verlassen.

Wer tickt jetzt noch richtig?



Walter Lachenmann

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Norbert Schäbler
20.12.2000 23.00
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Ein Bonmot zum guten Schlu"ss"

Sehr geehrter    Herr Brückner!
Ich kenne Sie nicht.
Doch Ihr Wissen ist bombastisch.
Aber, Sie wirken wie eine Bombe.
Und, wenn Sie sich einsetzen lassen,
gehen Sie kaputt.



Norbert Schäbler
63768 Hösbach

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Christian Melsa
20.12.2000 23.00
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Der elende Tipp

Gerade heute ist mir bei einem „Tipp“ auf einer Pappwerbetafel wieder aufgefallen, wie sehr mir dieses Wort auf die Nerven geht. Ausgerechnet dieses Wort, eines der alleralbernsten Produkte der Rechtschreibreform, ist natürlich immer und immer wieder auf allen möglichen Zeitschriftentiteln und Werbeplakaten, Anzeigen, Flugblättern usw. zu sehen. Nebenbei: Vielleicht ein Zeichen verbreiteter Orientierungslosigkeit der Gesellschaft, daß Werbung und Medien glauben, es bestünde ein solcher Bedarf, ständig mit „Tipps“ zugeschüttet zu werden...? Es wundert mich, daß die doch angeblich so psychologisch ausgeklügelten und durch Trendforschung abgesicherten Werbemethoden sich mit so einem Wort anfreunden können. Jemanden, der mir einen „Tipp“ geben möchte, empfinde ich unterschwellig automatisch als aufdringlich und unseriös, genau wie die Maßnahme, die zu dieser neuen Schreibweise geführt hat. Ein „Tip“ wirkt damit verglichen viel sympathischer, ehrlich, integer, nicht so anbiederisch und (auf)gezwungen. An einer Zeitschriftenauslage in einam Laden mit lauter „Tipps“ auf den Titeln vorbeizulaufen, erinnert mich mittlerweile fatal an das Gefühl, auf dem hamburger Kiez unterwegs zu sein und am Hans-Albers-Platz unvermeidlich von diesen penetranten Prostituierten angelabert zu werden. Vielleicht empfindet nicht jeder Durchschnittskonsument ganz so extrem wie ich, aber es ist doch nun wirklich allgemein bekannt und mannigfach belegt, daß die große Mehrheit der Deutschsprechenden die Rechtschreibreform entschieden ablehnt. Die Wahrscheinlichkeit, sich mit solchen Reformwörtern beim potentiellen Kunden beliebt zu machen, ist jedenfalls eindeutig sehr viel geringer als wenn man die gewöhnlichen Schreibweisen verwenden würde. Was muß in den Werbeagenturen und Printmedienredaktionen nur für ein unüberdachtes Treiben herrschen? Der ganzen Sache haftet schon ein seltsamer Irrsinn an, der beinahe religiöse Züge trägt.



Christian Melsa
Veltheimstraße 26, 22149 Hamburg

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Wolfgang Wrase
20.12.2000 23.00
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Augst hat Lektor reingelegt

„Die Softwareversion ist voll rückwärtskompatibel“ – gestern fiel mir erst beim zweiten Hinsehen auf, daß ich versäumt hatte, hier eine Augstsche Getrenntschreibung hineinzukorrigieren. Dieser Hund schafft es doch tatsächlich, Regeln zu erfinden, die ich trotz einiger Erfahrung nicht beherrsche. Ich wünsche ihm dennoch schöne Weihnachten und attestiere ihm, daß seine Rechtschreibreform voll rückwärts kompatibel ist. Den anderen wünsche ich volle Kraft voraus! Schöne Feiertage allerseits.



Wolfgang Wrase
München

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Gast
20.12.2000 23.00
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Ein letztes Mal: Illauer - Brückner

Ich habe nach längerer Zeit mal wieder im Netz gesurft und bin auf diese Site gestoßen, wo mein Leserbrief an die FAZ vom Oktober 2000 diskutiert wurde.
Einige Anmerkungen zu dieser Diskussion seien mir an dieser Stelle gestattet:

Sehr geehrter Herr Riebe: Vorweg: Die Tatsache dass ich eine Rezension als „Artikel“ bezeichnet habe,
ist ganz einfach dadurch zu erklären, dass ich mich nicht auf besagte Rezension bezogen habe, sondern auf einen    A r t i k e l    vom 5. Oktober.

Es mag sich also doch lohnen, den Brief genauer zu lesen, etwa im Hinblick darauf,    w o g e g e n    ich es gewagt habe, die Kultusminister „in Schutz zu nehmen“. Es ging mir weniger um die Inhalte der Rechtschreibdiskussion, die, wie man durchaus meinen kann, bereits zur genüge wiedergekäut worden sind, sondern vielmehr um den Stil, mit dem diese Diskussion geführt wird, auch aus diesem Grund habe ich mich aus einige wenige Beispiele beschränkt. Auch die Textsorte bringt diesen Zwang mit sich.
Beschimpfungen und unfaire Vorwürfe gehören ja auch auf diesen Sites offensichtlich zum    guten Ton. Aber die Sprache, die am 5. Oktober in der FAZ geführt wurde, ging mir doch zu weit. Da war von „Methoden totalitärer Machthaber“, von Geiselnahme und von einer unerträglichen Kampf- und Kriegsmetaphorik zu lesen. Recherchen im Internet brachten noch mehr hervor:
Mit ein, zwei Links gelangt man von den Websites einiger Reformgegner auf Seiten, die in Fraktur zum „Kampf mit Feuer und Schwert„gegen die Rechtschreibreform aufrufen, andere Leute, die ich mit jenen nicht in einen Topf werfen will, haben kein Problem damit, der „Jungen Freiheit“ Interviews zu geben. (Man mag diesem Einwand damit begegnen, unbescholtene Bürger wie etwa Guido Westerwelle hätten dies ebenfalls getan, in diesem Fall allerdings meine ich, spricht dies eher gegen Herrn Westerwelle als für die „Junge Freiheit“.)
Worauf ich hinaus will, ist dies:
Mir schien im Oktober, und daran hat sich nichts geändert, dass von einigen Leuten versucht wird, die Diskussion um die Rechtschreibreform an eine politische Diskussion zu knüpfen. Ich halte dies aus mehreren Gründen für fatal. Die Sprachgeschichte hat mehrfach gezeigt, dass eine zu enge Verknüpfung dieser beiden Bereiche sich für    Sprache und Sprecher meist nachteilig auswirkt. Die deutschsprachigen Italiener können ein Lied davon singen. Eine Reduktion auf die Dichotomie alt – neu, wie sie die FAZ dieses Jahr durch ihre Umstellung betrieben hat, ist absolut kontraproduktiv. Es scheint momentan eine Tendenz zu geben, dahingehend, dass sich Befürworter und Gegner    und „links“ und „rechts“ zusammenfinden. Für die linguistische Diskussion ist dies absolut nicht zuträglich, ebensowenig wie für die politische Diskussion. Wer der Politik in diesem Punkt totalitäre Züge unterstellt, muss das Bundesverfassungsgericht einbeziehen. Damit rüttelt er an den Grundfesten unserer Demokratie. Ein ironischer Vergeich mit politischen Umstürzlern ist daher nicht allzuweit hegeholt.
Also: Nicht „alt“ und „neu“ sollten diskutiert werden, sondern „gut“ und „schlecht“. Die FAZ hat durch ihre Umstellung zu einer solchen Diskussion leider nichts beigetragen. Man stelle sich die absurde Situation vor: „Links“ schreibt „ss“, „Rechts“ schreibt "ß“. Damit ist niemandem geholfen. Gegenseitige Faschismusvorwürfe und eine Blut-und-Boden-Sprache sind unter Niveau, nicht jedoch eine gesunde Prise Ironie, mit der solche Verkrustungen aufgebrochen werden sollten. Wenn Ironie mit Überheblichkeit verwechselt wird, ist dies schade, ich denke nicht, dass man auf irgendeine Position herabsehen sollte, mit Ausnahme vielleicht der eindeutig ideologisch gefärbten. Unverschämtheiten, wie sie hier – nicht gegen mich, aber gegen einige andere –    hervorgebracht werden, irrtümlich oder vorsätzlich falsche Argumente, wie sie häufig auf den genannten Websites zu finden sind, sollten jedoch aus dem Verkehr gezogen werden, die Öffentlichkeit hat zu diesem Thema ein ausreichendes Maß an falscher Information erhalten. In diesem Sinne sind meine Einwände gegen    e i n i g e    Argumente, die Herr Illauer hervorgebracht hatte, zu verstehen. Nicht dass sein Artikel unverschämt gewesen wäre oder bewusste Falschinformationen enthalten habe. Aber einige Pauschalisierungen („wir alle sagen „selbständig“"), seine zu starke Betonung der Produktion von Schrift gegenüber der weit häufigeren und damit wichtigeren Rezeption derselben, sein Argument, man solle die S-Regelung (die vielleicht einzige vollständig vernünftige Neuregelung) aufgeben, weil die Sprecher eines bestimmten Dialekts Schwierigkeiten damit hätten, waren auch für seine eigene Argumentation kontraproduktiv.
Dass Herr Illauer mit vielem recht hatte, ist von mir zwar ausdrücklich betont, von der FAZ-Redaktion aber ebenso wie die FAZ-kritischen Passagen gestrichen worden. Als „einfachen Pauker“ oder gar als „durchgeknallten Laien“, Herr Wrase, kann ich ihn also gar nicht betrachtet haben. So viel zum Thema Niveau.
Meine Frage an die Runde also: wäre es nicht vernünftig, sich jetzt zu beruhigen, sich zurückzuziehen, und sich nicht weiter über die Ersetzung einer mittelmäßigen Regelung durch eine mittelmäßige Regelung zu streiten, sondern statt dessen in einigen Jahren mit etwas Gutem zu kommen? Das Gute der alten mit dem Guten der Neuen Regelung und einigen anderen guten Ideen zu verknüpfen und der Öffentlichkeit zu unterbreiten, dann, wenn diese und die Politiker ihre Diskussionsmüdigkeit abgelegt haben?

Mit herzlichen Weihnachtswünschen an alle hier mitdiskutierenden und der Bitte um Nachsehung meiner der jahreszeitbedingten Eile geschuldeten Rechtschreibfehler,

Dominik Brückner



Dominik Brückner
(meine Adresse hat Herr Riebe dankenswerter Weise bereits in diesem Forum kundgetan)

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Wolfgang Wrase
20.12.2000 23.00
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Ich bin leider abwärts kompatibel

Also gut, ich gebe zu, daß ich mich gelegentlich an der Absenkung des Niveaus in diesem Forum tatkräftig beteiligt habe. Manchmal ist das unvermeidlich, wenn man deutlich sagt, was man denkt (was ja auch seine brauchbaren Seiten hat). Ich bitte die Gäste, mir das nachzusehen und sich vorrangig an meine bürgerlich einwandfreien Beiträge zu halten. Ich hoffe hier auf einen persönlichen Reifungsprozeß, der durch die Rechtschreibreform und die Begegnung mit Figuren wie Lars Kerner nicht unbedingt beschleunigt wurde ...



Wolfgang Wrase
München

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Theodor Ickler
20.12.2000 23.00
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aufwändig

Oben auf der Nachrichtenseite hat Herr Jansen das Problem der Umlautschreibung und der falschen Ableitungen aufgeworfen. Da ich nicht erwarten kann, daß jeder meinen „Kritischen Kommentar“ zur Hand hat, erlaube ich mir, die Paragraphen 13-15 des amtlichen Regelwerks zusammen mit meinem Kommentar hier wiederzugeben. (Dabei gehen die Auszeichnungen verloren, und es ist mir zu aufwendig, sie wiederherzustellen, lohnt sich auch kaum.) Es würde mich freuen, mit diesem Auszug die Diskussion auf eine etwas breitere Grundlage gestellt zu haben. Auf Fragen will ich gern eingehen.


1.4    Umlautschreibung bei [e]

§ 13
Für kurzes [e] schreibt man ä statt e, wenn es eine Grundform mit a gibt.
Dies betrifft flektierte und abgeleitete Wörter wie:
Bänder, Bändel (wegen Band); Hälse (wegen Hals); Kälte, kälter (wegen kalt); überschwänglich (wegen Überschwang)
E1: Man schreibt e oder ä in Schenke/Schänke (wegen ausschenken/Ausschank), aufwendig/aufwändig (wegen aufwenden/Aufwand).

§ 14
In wenigen Wörtern schreibt man ausnahmsweise ä.
Dies betrifft Wörter wie:
ätzen, dämmern, Geländer, Lärm, März, Schärpe
(...)

§ 15
In wenigen Wörtern schreibt man ausnahmsweise e.
Das betrifft Wörter wie:
Eltern (trotz alt); schwenken (trotz schwanken)

Kommentar:
Der Begriff der „Grundform“ ist nicht erklärt. Aus den Beispielen geht hervor, daß teils der Singular gemeint ist, aus dem der Plural mit Umlaut abzuleiten sei (Hals – Hälse), teils der Positiv als Grundform der Steigerungsformen (kalt – kälter), teils die Normalform als Grundlage des Diminutivs (Band – Bändel), teils historische Ausgangsformen für (auch vermeintliche) Ableitungsbeziehungen (Überschwang – überschwänglich).
Während Diminution, Komparation und Pluralbildung (es wären noch die Ableitung der Nomina agentis, die Motion und einige andere Fälle hinzuzufügen) produktive Verfahren sind, gilt das für die historischen Ableitungsbeziehungen nicht. So heißt es in dem für die Hand des Lehrers bestimmten Werk „Die deutsche Sprache der Gegenwart“ von Ludwig Sütterlin (1910):
„Die Fälle, in denen heute Wirkungen des i-Umlauts vorliegen, zerfallen in zwei Gruppen. In der einen wird der Umlaut noch lebendig gefühlt, in der andern ist er abgestorben.“ (S. 56)
Dies ist also unter Sprachwissenschaftlern seit langem Gemeingut. Die Reformer wollen davon jedoch nichts wissen und versuchen sich an der Wiederbelebung „abgestorbener“ Zusammenhänge. Selbst dies geschieht aber nicht systematisch (wofür sich allerdings auch keine Zustimmung bei den Betroffenen finden ließe), sondern punktuell bei einer winzigen Anzahl willkürlich ausgewählter Wörter.
Da über die Ableitungsrichtung nichts Näheres gesagt wird, genügt es, irgendwelche wirklichen oder vermeintlichen (als Volksetymologie oder „heutige“ Motivation gerechtfertigten) Grundformen aufzusuchen und daraus die Umlautschreibung abzuleiten. Wie umfassend und vage die Ausgangsformen für etymologische Umlautschreibungen eigentlich konzipiert sind, ging aus dem Kommentar zur Neuregelungsvorlage von 1992 deutlicher hervor. Dort hieß es nämlich: „Für das kurze e schreibt man ä statt e, wenn es eine Grundform oder verwandte Wörter mit a gibt.“ (Deutsche Rechtschreibung, S. 23; entsprechend auch zu eu/äu) Der von mir unterstrichene Zusatz ist weggefallen, die Konzeption mit ihren weitreichenden Folgen ist aber geblieben.
Einschränkungen ergeben sich allenfalls aus § 15. Überraschenderweise ist darin von nur „wenigen Wörtern“ die Rede, die trotz a-haltiger „Grundformen“ ausnahmsweise mit e geschrieben werden. Gallmann und Sitta sprechen gar vom „Einzelfall Eltern“ (1996, S. 78). In Wirklichkeit gibt es unzählige : heften (wegen haften), prellen (prallen), schellen (schallen), wecken (wachen) und andere Kausative, dazu fertig (Fahrt), Mensch (Mann), Geschlecht (Schlag), fest (fast), Krempe (Krampe), gerben (gar), Henne (Hahn), kentern (Kante), sperren (Sparren) u.v.a. – Auch könnte man angesichts der Beispiele in § 13 fragen, warum nicht auch aufwenden wegen Aufwand gleich mit ä geschrieben wird usw.
Wenn es nur wenige Ausnahmeschreibungen mit e gäbe, könnte man erwarten, daß sie im amtlichen Wörterverzeichnis angeführt sind und daß unter § 15 auf diese Tatsache hingewiesen würde. § 13 regt ja den Schreibenden dazu an, Umlautschreibungen durchzuführen, wenn die genannte Bedingung erfüllt ist. Die Zusammenlegung produktiver Verfahren wie Pluralbildung usw. mit historischen Ableitungsbeziehungen leitet dazu an, auch die Ableitung durch produktive Anwendung der Umlautschreibung grundsätzlich zu reaktivieren. Dies bestätigen einzelne Einträge im Wörterverzeichnis wie Stängel (wegen Stange), volksetymologisch auch Quäntchen (wegen Quantum).
Da es wesentlich mehr „Ausnahmen“ gibt, als § 15 vorsieht, könnte der uferlosen Umgestaltung bekannter Wörter im Sinne der historisierenden Umlautschreibung nur durch Aufzählung sämtlicher Ausnahmen ein Riegel vorgeschoben werden.
Vor die Frage gestellt, ob zum Beispiel Spengler wegen Spange künftig mit ä zu schreiben sei, findet der Benutzer nichts, was dagegen spräche, denn Spengler ist weder im Wörterverzeichnis enthalten noch unter § 15 als Ausnahme angeführt. Folglich muß es künftig Spängler geschrieben werden, in Befolgung der Anleitung aus § 13. Mit dieser Schlußfolgerung konfrontiert, teilt die Sprachberatung der Dudenredaktion folgendes mit:
„Bekanntlich verfolgten die Rechtschreibreformer das Ziel, das korrekte Schreiben zu erleichtern, ohne radikale Eingriffe in vertraute Wortbilder vorzunehmen.
§ 13 des amtlichen Regelwerks ist deshalb nach unserer Auffassung so zu verstehen, dass die Umlautschreibung entsprechend dem Stammprinzip nur auf diejenigen ausgewählten Einzelwörter anzuwenden ist, die explizit in der amtlichen Wörterliste verzeichnet sind.
Das Lemma Spengler ist demnach von der Neuregelung nicht betroffen.“ (Brief vom 2. Juli 1997 an den Verfasser)
Damit ist zweifellos die geheime Zusatzregel genau getroffen, die man stillschweigend anwenden muß, um den fatalen Folgen einer wörtlichen Befolgung von § 13 zu entgehen. Natürlich ist es widersinnig, eine Regel nur auf diejenigen Wörter anzuwenden, die explizit in der amtlichen Wörterliste verzeichnet sind – auf die sie also bereits angewendet ist. Es handelt sich dann eben um keine Regel mehr, sondern um eine Einzelwortfestlegung für folgende zehn Wörter: aufwändig/aufwendig, Bändel, behände, belämmert, Gämse, Quäntchen, Schänke/Schenke, Ständelwurz/Stendelwurz, Stängel, überschwänglich.
Die Einträge Stempel, Wels usw. im Wörterverzeichnis müßten als Ausnahmen markiert werden, da es „Grundformen“ mit a gibt (stampfen, Waller usw.). Andernfalls ergibt sich ein Widerspruch zwischen Regelwerk und Wörterverzeichnis.
Die Ungeklärtheit des Begriffs „Grundform“ und die Nichtberücksichtigung der Ableitungsrichtung eröffnen weitere Möglichkeiten der Umlautschreibung: märken (zu Marke), sätzen (zu Satz), Känntnis (zu bekannt) usw.
Die Form Bändel wird im Wörterverzeichnis als Neuerung angeführt; sie war aber als Variante des ebenfalls regional üblichen Bendel schon lange vorhanden. Neuregelung der Dialektorthographie war nicht der Auftrag der Rechtschreibreformer. Schänke ist eine schon seit längerem anzutreffende Schreibweise, vor allem als Selbstbezeichnung von „Waldschänken“ usw. Gegen die „falsche“ Ableitung von Schank statt von schenken (Duden Bd. 9: Richtiges und gutes Deutsch s. v.) ist nicht viel einzuwenden. aufwendig wird durch die Reihenbildung auswendig, inwendig gestützt, so daß die Einführung einer neuen Variante überflüssig erscheint. Es wird schwer sein, die Fehlschreibung auswändig zu verhindern, da der Lernende kaum in der Lage sein dürfte, dem Druck der Analogie die stete Bewußthaltung einer (noch dazu so fragwürdigen) etymologischen Beziehung entgegenzustellen. – Ätzen ist eine Kausativbildung zu essen und hängt mit atzen zusammen, so daß nach dem vagen Begriff von „Grundform“ keine Ausnahme vorliegt. – Lärm hängt mit Alarm zusammen, das ä ist also ebenfalls etymologisch gestützt. Daß die Beziehung rein sprachhistorisch ist, kann nach der Logik der Neuregelung kein Einwand sein.
Der Paragraph 15 beweist noch mehr als andere Stellen des Regelwerks, daß von einem „konsequent angewandten Stammprinzip“ überhaupt keine Rede sein kann.
Die KMK-Arbeitsgruppe Rechtschreibreform hat 1993 angeregt, behende und Gemse mit ä zu schreiben und das Stammprinzip so umfassend anzuwenden, daß Eltern als „einzige wirkliche Ausnahme“ übrig bliebe (vgl. Zabel 1996, S. 52). Sie machte sich offenbar unzulängliche Vorstellungen vom tatsächlichen Umfang der damit fälligen Schreibänderungen.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Norbert Schäbler
20.12.2000 23.00
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Wenn ein Brückner Brücken baut

Ich kann es nicht belegen – und außerdem kommt es heutzutage nicht mehr so sehr auf Etymologien an – aber ich meine mich zu erinnern, daß ein Brückner kein Brückenbauer sondern eher ein Brückenbewacher und Mautkassierer ist, so wie ein Glöckner kein Glockengießer, sondern eher einer ist, der die Glocken bedient. So weit die Ironie!
Was die herzlichen Weihnachtswünsche angeht, gebe ich sie unbegrenzt zurück. Frieden schadet der Welt nicht.
Einsatz für die Wahrheit – selbst wenn er im Streit geschieht – schadet aber weiß Gott auch nicht. Ober möchte vielleicht irgendeiner der hier an der Diskussion Beteiligten sich der Lüge, der Ungerechtigkeit, dem Rückschritt und letztendlich der Sinnlosigkeit unterwerfen, bloß daß Frieden ist.
Die Doppeldeutigkeit des Wortes „Diktatfrieden“ bringt erneut die Ironie ins Spiel.
War es nicht so, daß die Rechtschreibwelt im Jahre 1996 noch halbwegs in Ordnung war – zumindest ein geordneteres Bild präsentierte als im Jahre 2000? War es nicht so, daß das Faktische durch einen Federgriff der Politiker entkräftet wurde?
Ist es nicht so, daß jahrhundertealtes mühsam gespeichertes Wissen aufgrund des willkürlichen Urteils einiger weniger Einzelmenschen plötzlich wertlos wurde?
Ist es nicht so, daß die einzigen wirklich zündenden Argumente für diesen Umsturz (!!!) in einem „zu spät“ und in einem Vorwurf einer „Faulheit umzulernen“ bestanden?
Gibt es nicht andererseits genügend vernichtende Urteile unterschiedlicher Fachwissenschaften – selbst der Linguistik – die diese „Banausenschreibe“ schon x-fach zu Grabe getragen, aber leider niemals zugescharrt haben?
Wenn in einem solchen Moment ein Waffenstillstandsangebot, ja ein Appell gegen die Verblendetheit der Kritiker kommt, dann fällt mir nur „Eisenbahnwagen“ ein, und ich lehne es ab, einzusteigen.
Ich lehne es ab, daß diese Banausenschreibe, die Möglichkeit erhält, faktisch zu werden.
Und deshalb darf es keine Kampfpause geben – wobei ich verschiedene Kampfstile ablehne!
Mein Motiv für den fortgesetzten Kampf im bildlichen Vergleich:    Ich schicke meine Frau doch nicht mehr zum Geschirrsäubern an den Dorfbrunnen, wenn ich ihr zuhause fließendes Wasser oder gar eine Geschirrspülmaschine einrichten kann.
Ich verachte das machohafte Verhalten der Kultusminister, die das Urteil der Bundesverfassungsgerichtes maßgeblich beeinflußt haben. Beide Teilgewalten zusammen haben die unselige Kombination von Sprache und Politik verursacht, während der Deutsche Bundestag attestierte: „Die Sprache gehört dem Volk“.

Schönen Schluß noch: „Schuster bleib bei deinen Leisten.“ „Brückner bleib beim Kassieren!“



Norbert Schäbler
63768 Hösbach

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Walter Lachenmann
20.12.2000 23.00
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Aus dem Blickwinkel der »unteren Chargen«

Kenne ich mich in meiner Sprache noch aus? Kann ich noch ohne Wörterbuch auf die Straße gehen? In Tölz werden die Straßenschilder jetzt geändert: Gaissacher Strasse statt Gaißacher Straße. Man findet leichter nach Goassa. Es hilft.

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Wie man so etwas natürlich Gewachsenes wie unsere Sprache und ihre Schreibung so ekelhaft nach allen Seiten zerpflücken und ausweiden kann, etwas das nun eben einmal wirklich auch von der gewachsenen Anarchie lebt, von der Wagenbach geschrieben hat, und von der Ästhetik, die keiner der Experten auch nur erwähnt wissen will.

Mir kommt's vor, als wenn es um eine Taschenuhrreform ginge. Die einen sagen, die Uhr läuft nicht sauber, wir müssen sie reparieren. Die andern sagen, sie läuft schon, man muß sie nur ab und zu aufziehen. Man einigt sich nicht. Man zerlegt die Uhr. Jeder sieht, wo sie schon gelaufen wäre und wo sie laufen würde, obwohl sie technisch gesehen gar nicht so laufen könnte. Man zerlegt weiter. Alle Rädchen und Ächsen und Steinchen und Goldbölzchen liegen umeinander.

Man kriegt die Uhr, die vorher ziemlich zuverlässig lief, obwohl sie technisch gesehen nicht hätte laufen können, nie wieder zusammen. Hätte man sie zusammengelassen, hätten der Grünspan und die Patina    sie noch eine Ewigkeit zusammengehalten. Sie wird nie wieder richtig funktionieren, man wird es immer mit einer stockenden, stehenbleibenden, kaputten Uhr zu tun haben.
Man wird sie immer wieder zerlegen und neu zusammensetzen.

Ach hätte man die Uhr doch in Frieden gelassen. Sie war so schön, tickte so schön, nur Besserwisser meinten Unregelmäßigkeiten in ihrem Gang zu erkennen, aber man konnte sich doch auf sie verlassen.

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Walter Lachenmann

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Norbert Schäbler
20.12.2000 23.00
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Sehr geehrter    Herr Brückner!
Ich kenne Sie nicht.
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Aber, Sie wirken wie eine Bombe.
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Norbert Schäbler
63768 Hösbach

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Theodor Ickler
19.12.2000 23.00
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Mafia, Mief und Muff

Auf das Hinterzimmerhafte der sogenannten Rechtschreibreform habe ich schon vor fünf Jahren hingewiesen. Gewisse Auskünfte, die ich damals von Herrn Heller bekommen hatte, erinnerten mich penetrant an Blümchentapete.
So hatte ich mich einmal über die Ungleichartigkeit des ausgewählten Wortschatzes mokiert, mit entlegensten Einträgen wie „Khedive“ oder „Aland“, wärend andererseits der gesamte vulgäre Wortschatz fehlte. Vor etlichen Jahren hatte Dudenredakteur Wolfgang Müller in einem schönen Aufsatz darauf hingewiesen, daß Benutzer häufig fragen, ob „das vulgäre Wort für Vagina“ nun mit V oder mit F geschrieben wird usw. (Augst/Schaeder 1991, S. 339). Im amtlichen Wörterverzeichnis fehlt sogar „Scheiße“, „scheißen“. Das ist kaum zu glauben, aber wahr.
Darauf angesprochen, antwortete Klaus Heller am 17.10.1995:
„Um den 'nicht ganz stubenreinen Wortschatz' gab es ein langes Hin und Her, bis der Arbeitsausschuß der KMK sich (wohl aus schulpädagogischen Erwägungen heraus) g e g e n    eine Aufnahme entschied. Als einzige Ausnahme wurde uns 'Arsch' zugestanden. Das mag man bedauern, doch ist das sicher nichts Existentielles.“
Doch, es ist etwas Existentielles für ein Wörterbuch, das den zentralen deutschen Wortschatz zu erfassen behauptet. Näheres bei Jacob Grimm, Vorrede zum Deutschen Wörterbuch, Kapitel „anstöszige wörter“.

Zur hybriden Schreibweise „Hämorriden“:
„Daß bei der integrierten Schreibung von 'Hämorrhoiden' das zweite r mit fallen sollte, war auch meine – allerdings seinerzeit nicht durchzusetzende – Auffassung. Vergessen Sie bitte nicht, daß wir mit dem Vorschlag (und das gilt für alle seine Teile) einen – wohl nur auf solche Weise zustande zu bringenden – Kompromiß vorliegen haben.“ (Heller ebd.)
Nun, das haben wir keinen Augenblick vergessen, aber es schert uns nicht im geringsten, welche Kompromisse da von einer sehr gemischten und völlig überforderten Truppe selbsternannter Sprachveränderer ausgehandelt worden sind und wie demokratisch ihre Abstimmungen verlaufen sind – einer Truppe, die lange um „Arsch“ und „Scheiße“ gerungen hat. Um so komischer natürlich, wenn heute einige wenige Reformbefürworter das Zufallsprodukt von damals bis aufs letzte i-Tüpfelchen verteidigen zu müssen glauben.

Das alles kann nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß im November 1994 keine Reform, sondern ein Steinbruch vorlag, wo sich uralte Versatzstücke mit erst jüngst zusammengestückelten Brocken mischten und das Ganze verabschiedet werden mußte, weil die Politik nicht mehr länger mitmachen wollte. Leider gibt es über all die Jahre keine Protokolle, doch hat mir die österreichische Bundesregierung die Genehmigung erteilt, den Videomitschnitt der Wiener Abschlußkonferenz anzuschauen, zu daß ich vielleicht bald wenigstens die Oberfläche dieses intriganten Spiels einer breiteren Öffentlichkeit vorführen kann.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Theodor Ickler
19.12.2000 23.00
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Mafia, Mief und Muff

Auf das Hinterzimmerhafte der sogenannten Rechtschreibreform habe ich schon vor fünf Jahren hingewiesen. Gewisse Auskünfte, die ich damals von Herrn Heller bekommen hatte, erinnerten mich penetrant an Blümchentapete.
So hatte ich mich einmal über die Ungleichartigkeit des ausgewählten Wortschatzes mokiert, mit entlegensten Einträgen wie „Khedive“ oder „Aland“, wärend andererseits der gesamte vulgäre Wortschatz fehlte. Vor etlichen Jahren hatte Dudenredakteur Wolfgang Müller in einem schönen Aufsatz darauf hingewiesen, daß Benutzer häufig fragen, ob „das vulgäre Wort für Vagina“ nun mit V oder mit F geschrieben wird usw. (Augst/Schaeder 1991, S. 339). Im amtlichen Wörterverzeichnis fehlt sogar „Scheiße“, „scheißen“. Das ist kaum zu glauben, aber wahr.
Darauf angesprochen, antwortete Klaus Heller am 17.10.1995:
„Um den 'nicht ganz stubenreinen Wortschatz' gab es ein langes Hin und Her, bis der Arbeitsausschuß der KMK sich (wohl aus schulpädagogischen Erwägungen heraus) g e g e n    eine Aufnahme entschied. Als einzige Ausnahme wurde uns 'Arsch' zugestanden. Das mag man bedauern, doch ist das sicher nichts Existentielles.“
Doch, es ist etwas Existentielles für ein Wörterbuch, das den zentralen deutschen Wortschatz zu erfassen behauptet. Näheres bei Jacob Grimm, Vorrede zum Deutschen Wörterbuch, Kapitel „anstöszige wörter“.

Zur hybriden Schreibweise „Hämorriden“:
„Daß bei der integrierten Schreibung von 'Hämorrhoiden' das zweite r mit fallen sollte, war auch meine – allerdings seinerzeit nicht durchzusetzende – Auffassung. Vergessen Sie bitte nicht, daß wir mit dem Vorschlag (und das gilt für alle seine Teile) einen – wohl nur auf solche Weise zustande zu bringenden – Kompromiß vorliegen haben.“ (Heller ebd.)
Nun, das haben wir keinen Augenblick vergessen, aber es schert uns nicht im geringsten, welche Kompromisse da von einer sehr gemischten und völlig überforderten Truppe selbsternannter Sprachveränderer ausgehandelt worden sind und wie demokratisch ihre Abstimmungen verlaufen sind – einer Truppe, die lange um „Arsch“ und „Scheiße“ gerungen hat. Um so komischer natürlich, wenn heute einige wenige Reformbefürworter das Zufallsprodukt von damals bis aufs letzte i-Tüpfelchen verteidigen zu müssen glauben.

Das alles kann nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß im November 1994 keine Reform, sondern ein Steinbruch vorlag, wo sich uralte Versatzstücke mit erst jüngst zusammengestückelten Brocken mischten und das Ganze verabschiedet werden mußte, weil die Politik nicht mehr länger mitmachen wollte. Leider gibt es über all die Jahre keine Protokolle, doch hat mir die österreichische Bundesregierung die Genehmigung erteilt, den Videomitschnitt der Wiener Abschlußkonferenz anzuschauen, zu daß ich vielleicht bald wenigstens die Oberfläche dieses intriganten Spiels einer breiteren Öffentlichkeit vorführen kann.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Wolfgang Wrase
17.12.2000 23.00
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Frau Kopsch irrt sich

Ich habe bei meiner vergleichenden Untersuchung der Süddeutschen Zeitung peinlichst darauf geachtet, die neue Rechtschreibung nicht zu benachteiligen. Insgesamt ist die Reform deshalb eher etwas zu gut weggekommen. Es liegt mir nämlich daran, daß man dieser Studie nicht wird nachsagen können, die Ergebnisse seien durch eine Voreingenommenheit des Untersuchers verfälscht worden. Natürlich behauptet das Frau Kopsch – in der Wissenschaft gilt eine solche Behauptung ohne Beweisführung als Unverschämtheit –, und natürlich hält sie das Ergebnis für gänzlich „unbedeutend“. Sie gehört zu den Personen, mit denen meiner Meinung nach Diskussionen fruchtlos sein müssen. Während sie sich mit ihrer Leidenschaft für die Rechtschreibreform als progressiv darstellt, ist sie in Wirklichkeit unfähig, neue Informationen aufzunehmen und realistisch zu verarbeiten, weil das die einmal erkorene ideologische Position gefährden würde. Daraus resultieren dann auch unbrauchbare Argumente, die immer wieder aufgetischt werden. Beispielsweise legt Frau Kopsch zur Entkräftung des Ergebnisses meiner Untersuchung gleich damit los, ich hätte die Studie des IDS zur Einheitlichkeit der Wörterbücher nicht zur Kenntnis genommen. Dabei spielen die neuen Wörterbücher bei meiner Untersuchung praktisch keine Rolle; Maßstab zur Auswertung war natürlich die jeweilige Hausorthographie der SZ. Es ist absurd, auf die Einwände von Frau Kopsch gegen meine Studie auch nur ansatzweise einzugehen, denn sie hat sie ja gar nicht gelesen und will es auch nicht tun (ich lege auch keinen Wert darauf, daß Frau Kopsch sie liest; aber sie möge sich dann anständigerweise weiterer Urteile darüber enthalten). Daher erspare ich mir weitere Hinweise dieser Art.   



Wolfgang Wrase
München

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Wolfgang Wrase
17.12.2000 23.00
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Die Alternative

Es sollte vielleicht doch noch angemerkt werden, daß es neben dem Ergebnis „Fehlerzahlen ungefähr 5 zu 1 in den von der Reform betroffenen Bereichen“ noch ein zweites, genauso wichtiges Ergebnis der SZ-Studie gibt, nämlich: „Fehlerzahlen ungefähr 10:1 in den von der Reform betroffenen Bereichen“, wenn man die Neuregelung mit dem ganz selbstverständlichen Ansatz von Professor Ickler vergleicht, die Regeln der Rechtschreibung dem allgemeinen Schreibgebrauch anzupassen, also das Rechtschreibwörterbuch als Maßstab für die Ausgabe vor der Reform heranzieht; auch das habe ich getan.

Der Witz bei diesem Ansatz liegt ja gerade darin, daß sich in den überhaupt für Neuformulierungen in Frage kommenden Bereichen der Rechtschreibung die Fehlerzahlen deutlich senken lassen, ohne daß irgend jemand hätte umlernen müssen; ohne daß man die Bürger hätte vergewaltigen müssen; ohne daß der gesamte Textbestand des 20. Jahrhunderts plötzlich „veraltet“ gewesen wäre; ohne Milliardenkosten; ohne unendliche Auseinandersetzungen; ohne ... ohne ... Die Studie belegt also, daß sich das Ziel der Rechtschreibreform tatsächlich erreichen ließe – sofort, mit vergleichsweise minimalem Aufwand. Aber nicht mit der Rechtschreibreform, sondern mit Professor Icklers Methode.

Es gibt, wie ich finde, kaum eine treffendere bildliche Darstellung der Rechtschreibreform als die Illustration auf der Titelseite von Professor Icklers „Schildbürger“-Buch. Da versuchen die tapferen Bürger mit vergleichsweise gigantischem Aufwand eine Kuh über eine hohe Mauer am Seil hinüberzuwürgen und zu stemmen – die Kuh starrt schon ihrem Tod entgegen –, anstatt sie ein paar Schritte weiter um das Ende der Mauer herumzuführen.

Es gibt übrigens noch eine zweite Methode, die diesem Herumführen vielleicht sogar noch eher entspricht. Ich möchte sie an dieser Stelle jedoch nicht öffentlich ausplaudern.



Wolfgang Wrase
München

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Wolfgang Wrase
17.12.2000 23.00
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Frau Kopsch irrt sich

Ich habe bei meiner vergleichenden Untersuchung der Süddeutschen Zeitung peinlichst darauf geachtet, die neue Rechtschreibung nicht zu benachteiligen. Insgesamt ist die Reform deshalb eher etwas zu gut weggekommen. Es liegt mir nämlich daran, daß man dieser Studie nicht wird nachsagen können, die Ergebnisse seien durch eine Voreingenommenheit des Untersuchers verfälscht worden. Natürlich behauptet das Frau Kopsch – in der Wissenschaft gilt eine solche Behauptung ohne Beweisführung als Unverschämtheit –, und natürlich hält sie das Ergebnis für gänzlich „unbedeutend“. Sie gehört zu den Personen, mit denen meiner Meinung nach Diskussionen fruchtlos sein müssen. Während sie sich mit ihrer Leidenschaft für die Rechtschreibreform als progressiv darstellt, ist sie in Wirklichkeit unfähig, neue Informationen aufzunehmen und realistisch zu verarbeiten, weil das die einmal erkorene ideologische Position gefährden würde. Daraus resultieren dann auch unbrauchbare Argumente, die immer wieder aufgetischt werden. Beispielsweise legt Frau Kopsch zur Entkräftung des Ergebnisses meiner Untersuchung gleich damit los, ich hätte die Studie des IDS zur Einheitlichkeit der Wörterbücher nicht zur Kenntnis genommen. Dabei spielen die neuen Wörterbücher bei meiner Untersuchung praktisch keine Rolle; Maßstab zur Auswertung war natürlich die jeweilige Hausorthographie der SZ. Es ist absurd, auf die Einwände von Frau Kopsch gegen meine Studie auch nur ansatzweise einzugehen, denn sie hat sie ja gar nicht gelesen und will es auch nicht tun (ich lege auch keinen Wert darauf, daß Frau Kopsch sie liest; aber sie möge sich dann anständigerweise weiterer Urteile darüber enthalten). Daher erspare ich mir weitere Hinweise dieser Art.   



Wolfgang Wrase
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