aufwändig
Oben auf der Nachrichtenseite hat Herr Jansen das Problem der Umlautschreibung und der falschen Ableitungen aufgeworfen. Da ich nicht erwarten kann, daß jeder meinen Kritischen Kommentar zur Hand hat, erlaube ich mir, die Paragraphen 13-15 des amtlichen Regelwerks zusammen mit meinem Kommentar hier wiederzugeben. (Dabei gehen die Auszeichnungen verloren, und es ist mir zu aufwendig, sie wiederherzustellen, lohnt sich auch kaum.) Es würde mich freuen, mit diesem Auszug die Diskussion auf eine etwas breitere Grundlage gestellt zu haben. Auf Fragen will ich gern eingehen.
1.4 Umlautschreibung bei [e]
§ 13 Für kurzes [e] schreibt man ä statt e, wenn es eine Grundform mit a gibt. Dies betrifft flektierte und abgeleitete Wörter wie: Bänder, Bändel (wegen Band); Hälse (wegen Hals); Kälte, kälter (wegen kalt); überschwänglich (wegen Überschwang) E1: Man schreibt e oder ä in Schenke/Schänke (wegen ausschenken/Ausschank), aufwendig/aufwändig (wegen aufwenden/Aufwand).
§ 14 In wenigen Wörtern schreibt man ausnahmsweise ä. Dies betrifft Wörter wie: ätzen, dämmern, Geländer, Lärm, März, Schärpe (...)
§ 15 In wenigen Wörtern schreibt man ausnahmsweise e. Das betrifft Wörter wie: Eltern (trotz alt); schwenken (trotz schwanken)
Kommentar: Der Begriff der Grundform ist nicht erklärt. Aus den Beispielen geht hervor, daß teils der Singular gemeint ist, aus dem der Plural mit Umlaut abzuleiten sei (Hals Hälse), teils der Positiv als Grundform der Steigerungsformen (kalt kälter), teils die Normalform als Grundlage des Diminutivs (Band Bändel), teils historische Ausgangsformen für (auch vermeintliche) Ableitungsbeziehungen (Überschwang überschwänglich). Während Diminution, Komparation und Pluralbildung (es wären noch die Ableitung der Nomina agentis, die Motion und einige andere Fälle hinzuzufügen) produktive Verfahren sind, gilt das für die historischen Ableitungsbeziehungen nicht. So heißt es in dem für die Hand des Lehrers bestimmten Werk Die deutsche Sprache der Gegenwart von Ludwig Sütterlin (1910): Die Fälle, in denen heute Wirkungen des i-Umlauts vorliegen, zerfallen in zwei Gruppen. In der einen wird der Umlaut noch lebendig gefühlt, in der andern ist er abgestorben. (S. 56) Dies ist also unter Sprachwissenschaftlern seit langem Gemeingut. Die Reformer wollen davon jedoch nichts wissen und versuchen sich an der Wiederbelebung abgestorbener Zusammenhänge. Selbst dies geschieht aber nicht systematisch (wofür sich allerdings auch keine Zustimmung bei den Betroffenen finden ließe), sondern punktuell bei einer winzigen Anzahl willkürlich ausgewählter Wörter. Da über die Ableitungsrichtung nichts Näheres gesagt wird, genügt es, irgendwelche wirklichen oder vermeintlichen (als Volksetymologie oder heutige Motivation gerechtfertigten) Grundformen aufzusuchen und daraus die Umlautschreibung abzuleiten. Wie umfassend und vage die Ausgangsformen für etymologische Umlautschreibungen eigentlich konzipiert sind, ging aus dem Kommentar zur Neuregelungsvorlage von 1992 deutlicher hervor. Dort hieß es nämlich: Für das kurze e schreibt man ä statt e, wenn es eine Grundform oder verwandte Wörter mit a gibt. (Deutsche Rechtschreibung, S. 23; entsprechend auch zu eu/äu) Der von mir unterstrichene Zusatz ist weggefallen, die Konzeption mit ihren weitreichenden Folgen ist aber geblieben. Einschränkungen ergeben sich allenfalls aus § 15. Überraschenderweise ist darin von nur wenigen Wörtern die Rede, die trotz a-haltiger Grundformen ausnahmsweise mit e geschrieben werden. Gallmann und Sitta sprechen gar vom Einzelfall Eltern (1996, S. 78). In Wirklichkeit gibt es unzählige : heften (wegen haften), prellen (prallen), schellen (schallen), wecken (wachen) und andere Kausative, dazu fertig (Fahrt), Mensch (Mann), Geschlecht (Schlag), fest (fast), Krempe (Krampe), gerben (gar), Henne (Hahn), kentern (Kante), sperren (Sparren) u.v.a. Auch könnte man angesichts der Beispiele in § 13 fragen, warum nicht auch aufwenden wegen Aufwand gleich mit ä geschrieben wird usw. Wenn es nur wenige Ausnahmeschreibungen mit e gäbe, könnte man erwarten, daß sie im amtlichen Wörterverzeichnis angeführt sind und daß unter § 15 auf diese Tatsache hingewiesen würde. § 13 regt ja den Schreibenden dazu an, Umlautschreibungen durchzuführen, wenn die genannte Bedingung erfüllt ist. Die Zusammenlegung produktiver Verfahren wie Pluralbildung usw. mit historischen Ableitungsbeziehungen leitet dazu an, auch die Ableitung durch produktive Anwendung der Umlautschreibung grundsätzlich zu reaktivieren. Dies bestätigen einzelne Einträge im Wörterverzeichnis wie Stängel (wegen Stange), volksetymologisch auch Quäntchen (wegen Quantum). Da es wesentlich mehr Ausnahmen gibt, als § 15 vorsieht, könnte der uferlosen Umgestaltung bekannter Wörter im Sinne der historisierenden Umlautschreibung nur durch Aufzählung sämtlicher Ausnahmen ein Riegel vorgeschoben werden. Vor die Frage gestellt, ob zum Beispiel Spengler wegen Spange künftig mit ä zu schreiben sei, findet der Benutzer nichts, was dagegen spräche, denn Spengler ist weder im Wörterverzeichnis enthalten noch unter § 15 als Ausnahme angeführt. Folglich muß es künftig Spängler geschrieben werden, in Befolgung der Anleitung aus § 13. Mit dieser Schlußfolgerung konfrontiert, teilt die Sprachberatung der Dudenredaktion folgendes mit: Bekanntlich verfolgten die Rechtschreibreformer das Ziel, das korrekte Schreiben zu erleichtern, ohne radikale Eingriffe in vertraute Wortbilder vorzunehmen. § 13 des amtlichen Regelwerks ist deshalb nach unserer Auffassung so zu verstehen, dass die Umlautschreibung entsprechend dem Stammprinzip nur auf diejenigen ausgewählten Einzelwörter anzuwenden ist, die explizit in der amtlichen Wörterliste verzeichnet sind. Das Lemma Spengler ist demnach von der Neuregelung nicht betroffen. (Brief vom 2. Juli 1997 an den Verfasser) Damit ist zweifellos die geheime Zusatzregel genau getroffen, die man stillschweigend anwenden muß, um den fatalen Folgen einer wörtlichen Befolgung von § 13 zu entgehen. Natürlich ist es widersinnig, eine Regel nur auf diejenigen Wörter anzuwenden, die explizit in der amtlichen Wörterliste verzeichnet sind auf die sie also bereits angewendet ist. Es handelt sich dann eben um keine Regel mehr, sondern um eine Einzelwortfestlegung für folgende zehn Wörter: aufwändig/aufwendig, Bändel, behände, belämmert, Gämse, Quäntchen, Schänke/Schenke, Ständelwurz/Stendelwurz, Stängel, überschwänglich. Die Einträge Stempel, Wels usw. im Wörterverzeichnis müßten als Ausnahmen markiert werden, da es Grundformen mit a gibt (stampfen, Waller usw.). Andernfalls ergibt sich ein Widerspruch zwischen Regelwerk und Wörterverzeichnis. Die Ungeklärtheit des Begriffs Grundform und die Nichtberücksichtigung der Ableitungsrichtung eröffnen weitere Möglichkeiten der Umlautschreibung: märken (zu Marke), sätzen (zu Satz), Känntnis (zu bekannt) usw. Die Form Bändel wird im Wörterverzeichnis als Neuerung angeführt; sie war aber als Variante des ebenfalls regional üblichen Bendel schon lange vorhanden. Neuregelung der Dialektorthographie war nicht der Auftrag der Rechtschreibreformer. Schänke ist eine schon seit längerem anzutreffende Schreibweise, vor allem als Selbstbezeichnung von Waldschänken usw. Gegen die falsche Ableitung von Schank statt von schenken (Duden Bd. 9: Richtiges und gutes Deutsch s. v.) ist nicht viel einzuwenden. aufwendig wird durch die Reihenbildung auswendig, inwendig gestützt, so daß die Einführung einer neuen Variante überflüssig erscheint. Es wird schwer sein, die Fehlschreibung auswändig zu verhindern, da der Lernende kaum in der Lage sein dürfte, dem Druck der Analogie die stete Bewußthaltung einer (noch dazu so fragwürdigen) etymologischen Beziehung entgegenzustellen. Ätzen ist eine Kausativbildung zu essen und hängt mit atzen zusammen, so daß nach dem vagen Begriff von Grundform keine Ausnahme vorliegt. Lärm hängt mit Alarm zusammen, das ä ist also ebenfalls etymologisch gestützt. Daß die Beziehung rein sprachhistorisch ist, kann nach der Logik der Neuregelung kein Einwand sein. Der Paragraph 15 beweist noch mehr als andere Stellen des Regelwerks, daß von einem konsequent angewandten Stammprinzip überhaupt keine Rede sein kann. Die KMK-Arbeitsgruppe Rechtschreibreform hat 1993 angeregt, behende und Gemse mit ä zu schreiben und das Stammprinzip so umfassend anzuwenden, daß Eltern als einzige wirkliche Ausnahme übrig bliebe (vgl. Zabel 1996, S. 52). Sie machte sich offenbar unzulängliche Vorstellungen vom tatsächlichen Umfang der damit fälligen Schreibänderungen.
Theodor Ickler Ringstr. 46, D-91080 Spardorf
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