Mathematik in der Schriftsprache = Streben nach ökonomie
An verschiedenen Stellen habe ich bereits darauf hingewiesen, daß die Schriftsprache und die Mathematik Gemeinsamkeiten aufweisen. In Zusammenhang mit der zunehmenden Variantenschreibung bzw. Alternativschreibungsschwemme habe ich die Behauptung aufgestellt, daß Schüler nach eindeutigen Wortbildern lechzen, während die Rechtschreibreform einen völlig gegenteiligen Trend einleitet. Daneben erinnerte ich an das geflügelte Wort unserer Lehrer: In der Kürze liegt die Würze. Dieser Appell an unsere sich entwickelnde Kunst des Schreibens bezweckte zum einen das Ringen um die Präzision des Ausdrucks, zum anderen (teilweise in Wechselwirkung) unser Bestreben, die Gesamtlänge des Textes zu verringern. Ziel des Appells war die Ökonomie der Schriftsprache. Ich erinnere des weiteren an Verschmelzungen und Verknüpfungen- und es spielt absolut keine Rolle, ob man "ß als Ligatur oder als Buchstabe bezeichnet denn entscheidend ist die Funktion, der Vorteil, letztlich die Ökonomie, die der Verschmelzung, Verbindung oder gar der neuen Zeichenschöpfung entspringt. Tatsache ist, daß "ß ein einziges Darstellungszeichen ist, bei dem z.B. auf der Schreibmaschine ein einziger Anschlag genügt, während ss zu einem Doppelanschlag auf die Taste S nötigt, was zudem größeren Platzaufwand erfordert. Tatsache ist auch, daß "ß beim Lesen eines Wortes eine willkommene Struktur- und Gliederungshilfe darstellt nicht zuletzt deshalb, weil es die Monotonie des Schriftbildes unterbricht und der begrenzten Blickspanne des menschlichen Auges entgegenkommt, weil es die Wortdarstellung auf engeren Raum zusammenzieht. Es gilt auch zu erinnern an Vereinbarungen, Apostrophierungen, Regeln (vgl. Ohmsches Gesetz und Ohm`sches Gesetz, Schwimmeister, Baßsänger und Schwimmmeister, Basssänger sowie 68er oder der 12jährige contra 68-er bzw. der 12-Jährige). Durch die Rechtschreibreform werden somit tausende von Begriffen sämtlich in ein "Überflusssystem überführt. Mathematisch und logisch-schlußfolgernd kann es absolut keine Frage sein, ob bei Verwendung der reformierten Schreibweise mehr Zeit und mehr Schreibfläche verschwendet wird. Dazu sind keinerlei aufwendige Untersuchungen nötig. Es genügt die Annahme, daß beispielsweise eine Schreibmaschinenzeile bei einer Schriftgröße von 12 P eine Kapazität von maximal 85 Zeichen besitzt und durch eine notwendige Auflösung von "ß zu ss auf 86 Zeichen erweitert wird, denn damit wird es zwingend notwendig, eine neue Zeile zu beginnen und zudem über eine mehr oder weniger sinnvolle Worttrennung (das wäre ein eigenes Kapitel) nachzudenken.
Vom mathematischen Standpunkt bzw. vom Standpunkt der Ökonomie aus ist die Rechtschreibreform eine einzige Katastrophe. Die Reformer erweisen sich bildlich gesprochen wie mittelalterliche Hammerschmiede, die eine Uhr zu reparieren versuchen, die nicht einmal kaputt ist. Daneben aber haben die Herrschaften die ausgeflippTesten Werbeslogans der teuersten und elitärsten Uhrenwerke der Neuzeit im Kopfe: Geld und Zeit spielt keine Rolex!
Norbert Schäbler Hösbach
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