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Christian Dörner
11.01.2001 23.00
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Festlegungen des Duden

Gerne möchte ich die wesentlichen Punkte meines Beitrags noch mal kurz ansprechen, da sie offensichtlich nicht richtig rübergekommen sind.

1.) Eine Freigabe der Getrennt- und Zusammenschreibung ist an vielen Punkten sinnvoll. Hier wurde des öfteren etwas geändert, ohne daß es die Menschen überhaupt mitbekamen. Beispiel: zusammensein / zusammen sein. Duden 1973: nur getrennt, Duden 1991: nur zusammen. Weiteres Beispiel: sich kranklachen / sich krank lachen. Duden 1973: nur getrennt, Duden 1991: nur zusammen. Hat es irgend jemand überhaupt bemerkt, daß sich hier eine Änderung vollzog? So schrieb man bereits vor der Rechtschreibreform ernst nehmen, zugrunde liegen, Auto fahren und zu Hause oft zusammen, verlorengehen und spazierengehen oft getrennt. Hier sollte man die GZS freigeben.

2.) Es gibt aber Fälle, die mit ein wenig Sprachgefühl so eindeutig sind, daß eine Freigabe wohl nichts bringt und sie vielleicht eher    zur Beliebigkeitsschreibung führt. Auch hiefür möchte ich ein paar wenige Beispiele nennen: fertigstellen (kam sogar laut Prof. Ickler vorher nie getrennt vor, da sich die Getrenntschreibung kaum literarisch belegen läßt), bereitstellen, zufriedenstellen, achtgeben, gleichlautend, andersdenkend /-lautend usw. Vor allem bei kennenlernen widerspricht die Getrenntschreibung so stark dem Sprachgefühl, daß sogar die Reformer dieses Wort wiederherstellen wollten. Hier ist eine Festlegung der Zusammenschreibung völlig unschädlich und würde im Gegensatz zu den oben genannten Verben eben *nicht* dazu führen, daß man nachschlagen müßte. Vor der Reform schrieben selbst rechtschreibschwache Schüler kennenlernen nur zusammen. Eine Freigabe bringt hier also nicht viel. Wer schlägt schon kennenlernen nach?

3.) Die Unterscheidung zwischen Zweifelsfällen und eindeutigen Getrennt- oder Zusammenschreibungen ist beinahe unmöglich. Die Grenze läßt sich nicht ziehen. Deshalb wäre in den Wörterbüchern ein vorsichtiger (ich schwäche bereits ab) Hinweis hilfreich, wie man denn in einer oder der anderen Bedeutung zu schreiben pflegt. Ein Beispiel habe ich bereits zu dem Verb bekanntwerden gegeben. Eine Schreibung wie “... dadurch ist der Schauspieler erst bekanntgeworden.“ ist nicht falsch. Sie ist aber nicht die allgemein übliche Schreibung. Es wurde eben bisher meist anders gehandhabt. Auch eine Schreibung wie “... er hat die Tat bewußtgemacht.“ kam bisher wohl eher seltener vor.

Deshalb: Ein klares Nein zur willkürlichen Normung von Zweifelsfällen, aber ein Ja zu vorsichtigen Hinweisen, wie man denn normalerweise zu schreiben pflegt. Dies wäre dann keine Vorschrift, sondern lediglich *Aufzeichnung* des Sprachgebrauchs, und das ist mit dem bisher gültigen Dudenmonopol ja schließlich nicht mehr zu vergleichen. Oder?

An Herrn Prof. Ickler: Gibt es inzwischen Ihren Kommentar zur Schreibung nach Duden (1991)?



Christian Dörner
91058 Erlangen

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Theodor Ickler
11.01.2001 23.00
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Statistik und andere Gesichtspunkte

Je weiter man zurückgeht, und zwar durchaus noch in unserem Jahrhundert, desto mehr Getrenntschreibungen trifft man. Die Zusammenschreibung von Verbzusatzkonstruktionen ist etwas ziemlich Neuartiges, abgesehen natürlich von den „Urzusätzen“ wie „ab-“ usw. Daraus folgt, daß Zusammenschreibung, wenn sie überhaupt vorkommt, auf jeden Fall das Modernere ist und der Entwicklungstendenz entspricht. Trotzdem würde ich nicht so weit gehen, die Getrenntschreibung für falsch zu erklären und nicht mehr aufzunehmen. Dafür ist der Preis zu hoch. Er besteht darin, daß lauter einzelwortbezogene Festlegungen getroffen werden müßten, die sich niemand merken kann. Wie war das mit „bereitstellen“, „loslösen“, „kennenlernen“, „sitzenbleiben“? So würde man dauernd fragen müssen.    Wenn es zutrifft, daß sowieso jeder ohne Nachdenken „fertigstellen“ zusammenschreibt – nun, dann schaut er ja nicht nach und wird durch meinen Rundbogen auch nicht verwirrt. Es entsteht also kein Schaden. Es ist wahr, daß „fertigstellen“ viel seltener getrennt geschrieben wird (SZ 1998: 316mal „fertiggestellt“, 5mal „fertig gestellt“ – nur als Beispiel). Aber immerhin, die Getrenntschreibung kommt vor und ist, das versichere ich auf Ehre und Gewissen, unauffällig! D. h. man liest darüber hinweg, ohne was zu merken. Ebenso „offen legen„: „die ihre kriminellen Geschäfte offen legen“, „alle Hypotheken offen legen“, „alle Geschäfte offen legen“ usw. (alles aus der „Süddeutschen“, ich könnte nach Belieben fortfahren). Ich erziele also eine ganz unschädliche, aber sehr nützliche Regelvereinfachung, und wenn ich dann noch, wie geschehen, die Zusammenschreibung als „oft besser“ kennzeichne, dann ist doch eigentlich allen Bedürfnissen Genüge getan, oder?
Hinzu kommt noch, daß die Zahlenverhältnisse für jedes konkrete Beispiel sehr wechseln. In einem Jahrgang der Süddeutschen Zeitung finde ich 29mal „fallenlassen“ und 34mal „fallen lassen“. Bei anderen Konstruktionen aus Infinitiv+Verb sind sie wieder ganz anders. Für Linguisten wäre es interessant, die genauen Zahlenverhältnisse, womöglich über die Zeiten hinweg, zur Hand zu haben, was allerdings noch viel größere und vielseitigere Korpora erfordern würde. Aber für das praktische Rechtschreibwörterbuch? Dazu habe ich im Vorwort Stellung genommen.
Ich bitte jeden Interessierten, sich den ungeheuren Gewinn an Ökonomie der Darstellung (und des Lernaufwandes) klarzumachen, der durch mein Verfahren erreicht ist, und dagegen die „Kosten“ jeder anderen Lösung gut abzuwägen! Ich will natürlich nicht behaupten, daß meine Ausführung schon perfekt ist, aber der Grundgedanke kommt mir so einleuchtend vor wie am ersten Tag.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Manfred Riebe
11.01.2001 23.00
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Die Klippe umgehen und eine andere Formulierung wählen, das “Ei des Kolumbus³?

Martin Gerdes meint, niemand sei auf seinen Vorschlag eingegangen, in einem Zweifelsfall der Rechtschreibung, eine andere Formulierung zu wählen. Doch in www.deutsche-sprachwelt.de machte ich bereits am 13. Dezember unter dem Stichwort „Vermeidungssprache“ auf dieses Problem aufmerksam:

„In einem Gespräch sagte ein Journalist, daß sich infolge der sogenannten Rechtschreibreform unter den Redakteuren eine Vermeidungssprache ausgebreitet habe. Man vermeide bestimmte Wörter und damit die Reformschreibweise,
a) weil man unsicher sei und keine Fehler machen wolle;
b) weil man bestimmte Wörter als häßlich empfinde, z.B. bei der Dreikonsonantenschreibung: Krepppapier.“

Auch der Musikjournalist Dr. Diether Steppuhn wies hier in seinen Briefen an die Mainpost darauf hin. Doch die Vermeidungssprache ist nur ein Symptom. Durch eine Vermeidungssprache wird das Problem nicht gelöst, sondern nur verdrängt.

Professor Ickler will den Sachverhalt der Vermeidungssprache statistisch einwandfrei erfassen.

Hinter der Rechtschreibreform steckt auch die sozialistische Ideologie der 68er Kulturrevolutionäre der GEW, sozial unterprivilegierte Schichten seien durch die deutsche Rechtschreibung benachteiligt. Das ist schon allein angesichts der heutigen sozialen Bildungs- und Berufsbildungspolitik Unsinn. Auch ist die deutsche Rechtschreibung verglichen mit der englischen und französischen um einiges einfacher. Und diese beiden Sprachen werden in Deutschland auch gelernt. Hinter manchen antiautoritären und leistungsnivellierenden Bestrebungen in Richtung „Spaßschule“ versteckt sich eine grundsätzliche Abneigung gegenüber der Leistungsschule und Leistungsgesellschaft. Das Konzept der „Spaßschule“ mit einer Vereinfachung der Rechtschreibung ist daher in diesem Sinne auch eine Vermeidungsstrategie.



Manfred Riebe
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg

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Manfred Riebe
11.01.2001 23.00
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ToleranzTest mit blödsinnigen “Gänsefüßchen³?

Von einer Veränderung der Anführungszeichen erwartet man eine Verbesserung. Die jetzige Form der untenstehenden „Gänsefüßchen“ ist im Vergleich zu den bisher obenstehenden Anführungszeichen eine 100prozentige Verschlechterung. Warum macht man die Veränderung nicht einfach wieder rückgängig? Oder will jemand anhand dieser blödsinnigen Gänsefüßchen für seine Examensarbeit Testen, was sich die Deutschen, ohne zu proTestieren, alles gefallen und oktroyieren lassen?



Manfred Riebe
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg

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Walter Lachenmann
11.01.2001 23.00
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Gänsefüßchen

» = Zahlenfeld ALT+175 (»)
» = ALT+174 («)
„ = ALT+0132 („)
“ = ALT+147 (“)

Vielleicht klappt es so (DOS-Rechner, Word für Windows)
(Hatte schon geschrieben »Word for Widows« – elektronische Seelsorge sozusagen)

Warum kann man »mögliche« aber seltene Formen nicht wegen Seltenheit entsprechend kennzeichnen oder weglassen?
Wer zwischendurch mal schnell in ein Wörterbuch schaut, kennt nicht immer den Inhalt des Vorworts, sondern sieht nur den Eintrag sowohl als auch.

Und warum sagt die Statistik, was geht und was nicht?

Dann muß einer nur oft genug Unsinniges sagen und andere es ihm nachsagen, dann wird es sinnig.
Und die schöne Politikerfloskel: »Durch ständige Wiederholung wird Ihre Behauptung nicht richtiger« verliert ihre Überzeugungskraft.



Walter Lachenmann
Krottenthal

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Stephanus Peil
11.01.2001 23.00
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Noch einmal: Icklers Wörterbuch als Ratgeber in Zweifelsfällen

Vielleicht sind die unterschiedlichen Lebensläufe von Herrn Ickler und mir eine der Ursachen für unseren Disput über die Eindeutigkeit der Schreibweisen. Herr Ickler lebt als Hochschullehrer in der Freiheit der wissenschaftlichen Lehre. Ich als Grundschullehrer mußte meinen Schulkindern das richtige Schreiben beibringen. Natürlich sind bei mir Denkweisen des Schulmeisterleins noch vorhanden (man kann ja nicht über ein Vierteljahrhundert Lehrerzeit so einfach abstreifen wie einen Handschuh), denn es galt, grundlegende Fähigkeiten zu vermitteln.

Der Leser möge mir verzeihen, wenn ich schon wieder mit hinkenden Vergleichen daherkomme: In der Grundschule muß den Kindern erst einmal ein Geländer zur Verfügung gestellt werden, damit sie sich an diesem festhalten und die ersten eigenen Schritte wagen können. Wenn sie später sicherer und selbständiger sind, benötigen sie dieses Geländer nicht mehr, es sollte aber weiterhin bestehenbleiben, denn es gibt ja Lebenssituationen, in denen man es doch wieder gebrauchen kann. Ich denke ganz konkret an das Geländer bei uns in der Holzbachschlucht: Jemand, der bei bester Gesundheit und sicheren Fußes diese Schlucht durchquert, kann gut und gerne auf das Geländer verzichten. Für Kleinkinder, Ängstliche, Kranke oder Alte ist es jedoch eine Hilfe vor dem Absturz. Bräche also dieses Geländer weg, stünden die Erwähnten ziemlich rat- und hilflos da und könnten den Weg eventuell nicht fortsetzen. Das Geländer hat also keinen Selbstzweck, sondern eine Hilfsfunktion.

So sollte es auch Aufgabe eines Rechtschreibwörterbuches sein, Hilfen zum rechten Schreiben anzubieten. Herr Ickler schreibt ja selbst: »Für mich ist, wie gesagt, das Rechtschreibwörterbuch zweierlei: Bestandsaufnahme und Ratgeber.« Während Herr Ickler die Bestandsaufnahme überzubewerten scheint (oder besser: schien?), so kommt (oder besser: kam) für mich der Ratgeber zu kurz. Daher unsere Meinungsverschiedenheiten.

Aber die sind jetzt gottseidank ausgeräumt. Mit Icklers Hinweis auf die Weglaßbarkeit des Bogens ist für mich als Ratsuchender nun wirklich alles glasklar: Jetzt verstehe ich viel besser die Intension des Buches (nämlich die Nachzeichnung des Schreibgebrauchs und gleichzeitig die Hilfestellung in Zweifelsfällen), und ich kann leichter die Entscheidung treffen, ob ich getrennt oder zusammenschreiben soll. Für mich hat sich dadurch der Wert des Wörterbuches im praktischen Gebrauch um ein beträchtliches erhöht, denn es geht tatsächlich langsam in meinen Kopf: im Zweifelsfall nicht getrennt (wie es die Reform vorschreibt), sondern zusammen (wie es das Sprachgefühl vorgibt). Herrn Ickler sei (nochmals) Dank gesagt für diesen klärenden Hinweis!

P.S.: Ich bin mir sicher, daß Herr Ickler in der nächsten Auflage seines Wörterbuches den Hinweis noch deutlicher herausstreichen wird. (Es gibt ja vielleicht noch mehr solcher Langsamdenker wie mich.)



Stephanus Peil
56457 Westerburg, Tel. 02663-8593, Fax 968575, Mobiltel. 0173-8255495

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Theodor Ickler
11.01.2001 23.00
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Schule und Orthographie

Es freut mich, auch mit Herrn Peil wieder eine hohes Maß an Übereinstimmung erreicht zu haben. Ich möchte noch überflüssigerweise nachtragen, daß ich selbstverständlich weit davon entfernt bin, auf das „Schulmeisterlein“ herabzusehen, und mir selbst sind, wie angedeutet, die Belange des Anfängerunterrichts keineswegs so fern und fremd. Was ich bestreite, ist die so umstandslos vertretene Behauptung, daß dem Schüler am besten mit strikten, „eindeutigen“ Anweisungen gedient sei, daß er also nicht fähig sei, eine andere, angemessenere Auffassung vom Rechtschreiben sich zu eigen zu machen. Schon vor vielen Jahren und ganz unabhängig von der Rechtschreibreform habe ich eine liberale Auffassung von Sprachnormen vertreten und bin dafür sogar mit dem Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ausgezeichnet worden („Die Ränder der Sprache“, Heidelberg 1978, falls es jemanden interessiert). Mein Wörterbuch ist also nicht für die Hand des Schülers (der bekommt seines auch noch!), wohl aber für die des Lehrers bestimmt, auch des Grundschullehrers, obwohl unsere hier diskutierten Streitfälle den Grundschüler fast gar nicht betreffen. Es geht schließlich auch ums Korrigieren und Bewerten. Bisher strich der Lehrer notgedrungen und von Amts wegen „zufrieden stellen“ als falsch an. Ist das zu verantworten? Unsere Lehrer bekommen meistens keine Ausbildung in Orthographie und Sprachnormentheorie. Sie haben daher ein ganz naives Verhältnis zur Rechtschreibung, schauen im Duden nach wie jede Sekretärin und urteilen nach falsch und richtig, wie der Dienstherr es befiehlt. Ich lehne diesen ganzen Betrieb von Grund auf ab und empfehle eine ganz andere Praxis: Beratung im Sinne eines „besser oder schlechter“. Das Falsche ist ein extremer Pol. „zufriden“ ist falsch, „zufriedenstellen“ ist sehr gut, weil üblich und auf der Linie der Sprachentwicklung, „zufrieden stellen“ ist ein bißchen weniger üblich, aber durchaus noch hinnehmbar. Daß ein Lehrer hier rote Tinte verspritzt, ist in meinen Augen nicht zu verantworten. Um dies einzusehen, bedarf es eines Wörterbuchs, wie ich es vorgelegt habe.
Ich hoffe, daß ich damit eine Konzeption ins Gespräch gebracht habe, über die man gern und fruchtbar diskutieren wird.
Noch etwas: Wer die bloße Rückkehr zum alten Duden samt staatlich verordneter Eindeutigkeit fordert, weiß gar nicht, auf welch brüchigen Boden er sich begibt! Dagegen ist die von mir vorgeschlagene Konzeption, die die Rechtschreibung auf dieselbe Ebene bringt wie die Semantik, Grammatik und Stilistik, eine mächtige Waffe im Streit gegen die Reform. Die Reformer wissen schon, warum sie bisher mit keinem Wort darauf eingegangen sind! Sie haben nämlich nichts dagegenzustellen.



Theodor Ickler
91080 Spardorf

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Christian Melsa
11.01.2001 23.00
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Den Rundbogen in den Griff zu bekommen

Die zusammenfassende Empfehlung, »im Zweifelsfall zusammen« ist zwar als Fazit natürlich richtig. Allerdings wäre es für einen Ratsuchenden ganz interessant zu wissen, wie dieses Fazit begründet ist. Und zwar, um beim Schreibenden ein Verständnis dafür zu schaffen, ihm eine Gefühlsgrundlage zu vermitteln, in welchen Fällen er denn nun konkret besser zusammenschreiben sollte – warum es also nicht gleich heißt: »immer zusammen«.

Der wesentlichste diesbezügliche Aspekt kommt in der »Anleitung zum rechten Schreiben« gegenwärtig noch nicht genügend zum Tragen, finde ich: Zusammenschreibung ist in genau den Situationen besonders anzuraten, in der die Getrenntschreibung die sofortige Eindeutigkeit der Satzaussage abschwächt oder sogar verschleiert. Dies ist besonders wichtig, um MISSVERSTÄNDNISSE beim Lesen zu vermeiden.

Betreffend also solche Sätze wie etwa:

»Nachdem ich davon schon lange träumte, habe ich sie heute morgen wach geküßt.«

Also zum erstenmal nicht im Schlaftraum? Oder hat die Person sie durchs Küssen geweckt?

»Es ist wichtig, sich zu informieren, wie viele Menschen in anderen Ländern leben.«

Geht es um die Bevölkerungszahl oder die dortigen Sitten?

Wenn man in solchen Fällen »wachgeküßt« und »wieviele« (wogegen sich auch der alte Duden noch sträubte) schreibt, ist die Aussage sofort klar. Dies ist also nicht nur irgendeine zufällige Tendenz der Sprachentwicklung, sondern ganz offensichtlich auch sehr sinnvoll und vernünftig (Sinnvoll und Vernünftig, so heißen, nebenbei bemerkt, auch die beiden verbannten Prinzessinen in der deutschen Übersetzung von Norton Justers Märchenerzählung »The Phantom Tollbooth« – »Verhext in Wörterstadt«, ein Buch, das ich immer wieder verschlingen kann). Das sollte im Rechtschreibwörterbuch schon explizit herausgestellt werden, neben und trotz aller Deskription des vorhandenen Schreibgebrauchs, der dieser Linie nicht immer entsprechen mag.

Es ist übrigens auch zu beachten, daß in den genannten Beispielsätzen in einer der beiden jeweiligen beabsichtigten Aussagemöglichkeiten die Zusammenschreibung genau falsch wäre! Ein unreflektiertes Orientieren des Schreibers an einer pauschalen Faustregel »im Zweifelsfall zusammen« wäre hier also sogar schädlich.

D.h. man sollte dem Schreibenden empfehlen, sich anzugewöhnen, den selbstfabrizierten Text immer auch gleich wie mit den Augen eines unwissenden Lesers nachzuprüfen. Das ist freilich ohnehin eine gute Tugend.

Wahrscheinlich sollte man sogar noch einen Schritt weiter gehen und darauf hinweisen, daß auch in einem Kontext, in dem die Getrenntschreibung keine direkte Unklarheit bewirkt, Zusammenschreibung zu empfehlen ist, da sich so in den allermeisten syntaktischen Stellungen die dem Leser aus anderen Situationen (Vermeidung von Mißdeutungen, s.o.) vertrauten Wortbilder schneller auffassen und verarbeiten lassen. Das begünstigt den Lesefluß. Dies nun ist also wichtig, um IRRITATIONEN beim Lesen zu vermeiden. (Die ausgeweitete Getrennschreibung gemäß Reform in Zeitungen usw. bewirkt ja auch eher selten totale Unklarheiten, dafür aber eben oft ärgerliche und unnötige Irritationen.)

Außerdem können die Fälle, in denen bewußt mit Aussagegrund getrennt geschrieben wird, so auch erst als Besonderheiten hervortreten.

Das sind zwar beinahe schon eher Stilratschläge denn Hinweise auf orthographische Gegebenheiten, aber nur so ließen sich verwirrende »offen legen« (die Karten?), »sicher stellen« (den Täter?) usw. bekämpfen. Falls diese doch einmal vorkommen sollten, wäre es zwar unangemessen, sie immer gleich als Fehler zu bezeichnen, aber nicht nur sind sie unschön, sie stehen auch nicht gerade im Dienste der Leseökonomie. Letztere ist in der heutigen informationsüberfluteten Zeit sogar besonders zu beachten.

Zu Ökonomie oder auch Effizienz bzw. Lesekomfort gehören zudem weiterhin, daß Wortgruppen, die als Sinneinheiten gedacht sind, als solche bequemer und schneller aufgenommen werden, wenn sie zusammengeschrieben sind (Stichwort Wortbilder hier wieder), sofern sie nicht allzu lang geraten und/oder durch spezielle Buchstabenkombinationen zunächst auf die falsche Fährte führen (»Urinstinkt« usw.). Auch diese Gegebenheiten der Kognition sollten als bedenkenswert in der »Anleitung zum rechten Schreiben« angemerkt werden.

Eine allzu liberale Handhabung der GZS ist jedenfalls nicht so gut. Ihre Leistung ist ja der Groß- und Kleinschreibung oder der Kommasetzung ähnlich gelagert, wo beliebige bzw. stark reduzierte Anwendung auch zu starken Lasten von Eindeutigkeit und Leseökonomie geht. Diese sind aber doch Zweck überhaupt aller Orthographie!

Die Information, welcher übertragene Sinn in einem nach ß10 zusammengeschriebenen Konstrukt steckt, mag zwar manchem Benutzer des Rechtschreibwörterbuchs fehlen, aber die Semantik betreffende Worterklärungen fehlen darin schließlich ohnehin völlig, das ist ja offenkundig auch nicht die Zielsetzung des Werks. Ein modernes vollwertiges Wörterbuch in »alter« Rechtschreibung wäre aber natürlich trotzdem noch etwas Schönes, allein wegen der tragisch abgesackten Seriosität des Dudens (Quellenfälschung, »Maschendrahtzaun« usw.).



Christian Melsa
22149 Hamburg

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Christian Melsa
11.01.2001 23.00
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Korrektur (kleine)

Im 9. Absatz sollte es wohl besser heißen:»...bei einer der beiden jeweils möglichen Aussageabsichten...«

Ich glaub, ich bin schon ein bisserl müd...



Christian Melsa

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Theodor Ickler
11.01.2001 23.00
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Schon richtig ...

was Herr Melsa sagt, aber man muß auch abwägen, um das Wörterbuch nicht mit Ratschlägen zu überlasten, die ja dann auch an jeder Stelle stehen und sich folglich sehr oft wiederholen müßten. Im übrigen wird es immer zahllose Möglichkeiten mißdeutbarer Textgestaltung geben, denen man als Schreibender vorbeugen muß. Zum Beispiel „wie viele Menschen dort leben“. Man schreibt dann entweder zusammen oder „auf welche Weise viele Menschen dort leben“ usw. Solche Tricks wenden wird doch ständig an, es wäre problematisch, die Möglichkeiten des Mißverstehens durch eine Regel der Zusammenschreibung gleichsam automatisch auszuschließen. Übrigens wird „wie viele“ ja laut altem Duden gerade getrennt geschrieben! Also ganz kann man dem Schreibenden die Arbeit nicht abnehmen, oder man belastet sein orthographisches Gedächtnis bis zum Unzumutbaren.
Und wenn jemand ausdrücken will „auf welche Weise viele Menschen leben“, dann wird er doch ganz gewiß nicht in Versuchung sein, „wieviele“ zu schreiben; eine diesbezügliche Warnung scheint mir überflüssig. Wie soll denn ein Wörterbuch aussehen, das solche geradezu schwachsinnigen Fehlermöglichkeiten ausdrücklich ausschließen will?
Was das Rechtschreibwörterbuch betrifft, so ist eine ausführlichere Fassung (mit Bedeutungshinweisen u. a.) in Vorbereitung.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Theodor Ickler
11.01.2001 23.00
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Selten, aber nicht unmöglich

Zu Herrn Lachenmanns Anregung, die Seltenheit mancher Schreibweisen entweder zu vermerken oder zum Anlaß zu nehmen, die Schreibweise wegzulassen.
Das habe ich mir auch überlegt. Aber das Weglassen (es geschieht ja ohnehin noch oft genug) ist problematisch, weil es die praktische Folge hat, daß man das Weggelassene dann als „falsch“ ansieht, mit den hier oft geschilderten Folgen, die ich nicht will. Und zum Vermerk der Seltenheit fehlt mir erstens die breite statistische Grundlage, und zweitens kann man doch das Gebrauchen oder Nichtgebrauchen getrost den Schreibenden überlassen. Und mit dem Vermerk „selten“ kann der Benutzer auch nicht viel anfangen. Mich    erinnert das an die sonderbare Regel ß 97 E im amtlichen Regelwerk: „der gelegentliche Gebrauch dieses Zeichens (des Apostrophs) zur Verdeutlichung der Grundform eines Personennamens vor der Genitivendung -s“. Was heißt „gelegentlich“? In der Literatur finden wir dann „Uschi’s Blumenladen“. Die genauere Bedingung ist nicht beschreiben, und soll ich den Apostroph nun „gelegentlich“ verwenden und „gelegentlich“ auch wieder nicht oder wie? Solche Regeln sind nichts wert.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Theodor Ickler
10.01.2001 23.00
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Glasklar

Ich führe die Diskussion von der Nachrichtenseite doch lieber an dieser Stelle fort.
Meine lieben Mitstreiter Stephanus Peil, Manfred Riebe, Maria-Theresia Rolland und andere haben seit langem eine abweichende, von mir stets mit Verständnis wahrgenommene Meinung über Eindeutigkeit und Schultauglichkeit im Rechtschreibwörterbuch. Von Zeit zu Zeit muß ich aber doch auf mein Hauptargument zurückkommen, das meines Wissens bisher nicht widerlegt ist.
Vorausgeschickt sei die Bemerkung, daß mein Rechtschreibwörterbuch kein Schulwörterbuch ist. Ein solches ist im Manusktipt seit langem fertig, aber ich will noch etwas daran ändern. Die Argumente bleiben übrigens im wesentlichen die gleichen.
Herr Peil möchte eindeutige Auskünfte. Es soll also im Wörterbuch möglichst jeder Fall mit einem „so und nicht anders“ entschieden sein. Was bedeutet das? Da man sich die einzelnen Fälle nicht aus einer allgemeinen Regel selbst ableiten kann (sonst wäre der Eintrag ja überflüssig), muß man sich entweder die vielen tausend Fälle alle einprägen – oder ständig nachschlagen. So war es eigentlich im alten Duden. Das hat zu einer gewissen Gleichgültigkeit geführt. Man glaubte vielleicht, dudenkonform zu schreiben – aber wer hat in Wirklichkeit, wenn er nicht gerade Korrektor war, schon gewußt, ob nun „ernst nehmen“ oder „ernstnehmen“ richtig war? Ich habe empirisch festgestellt, daß hier ständig gegen die Dudennorm verstoßen wurde. Warum auch nicht? Ist ein Schaden entstanden? Natürlich nicht. Die Reformer haben den Sachverhalt ganz richtig erfaßt: Alle machen alles ständig falsch, und keiner merkt es! Sie haben aber die ebenso falsche Folgerung daraus gezogen, den Gegenstand zwar anders, aber genauso rigide zu regeln, und dazu noch gegen die Sprachentwicklung (mehr getrennt als zusammen). Dadurch ist das Gebiet eher noch schwieriger geworden, und die Verstöße nehmen zu statt ab.
Das Ganze beweist, daß mit dem Begriff von „Eindeutigkeit“ etwas nicht stimmt.
Bei mir ist die Gruppe der obligatorischen (d. h. so gut wie immer durchgeführten) Zusammenschreibungen stark eingeschränkt. Man kann sie in kurzer Zeit lernen, aber nicht einmal das ist nötig, weil sowieso niemand daran zweifelt, daß es „aufsteigen“ usw. heißt. Der Rest wird freigegeben, wie er ja auch in der Tat immer frei war, bloß nicht nach Dudennorm. Für didaktische Zwecke kann man die Empfehlung hinzufügen: Wo im Rechtschreibwörterbuch der Bogen (für fakultative Zusammenschreibung) steht, kann man ihn einfach weglassen und Zusammenschreibung empfehlen. Diese vermehrte Zusammenschreibung entspricht übrigens dem – auch von H. H. Munske favorisierten – Alternativvorschlag des Reformers Dieter Herberg, den die westdeutschen Reformer Augst und Schaeder unter den Tisch gekippt haben; in dem neuen Buch „Deutsche Orthographie“ von Nerius u.a. (Dudenverlag 2000) wird er nochmals vorgestellt. In allen Fällen liegt die Zusammenschreibung auf der Linie der Sprachentwicklung, ist daher progressiv, während die Getrenntschreibung einen alten Zustand konserviert (17. und 18. Jahrhundert in der Regel, wie von Glück nachgewiesen).
Ich empfehle also, sich nicht vom falschen Glanz einer „eindeutigen“ Einzelschreibung blenden zu lassen, sondern die gesamten Folgen zu bedenken. Meine Lösung ist nicht nur sprachgerecht (was Peil u. a. ja auch anerkennen), sie ist durchaus auch didaktisch vorteilhaft, wenn man aufs Ganze sieht.
Wichtig wäre noch, den Schülern von Anfang an den Glauben an die „einzig richtige Schreibweise“ auszutreiben und ihnen zu zeigen, wie Sprache sich entwickelt. Jedes andere Bild von der Sprache wäre sachlich falsch und kann daher auch nicht aus vermeitlich pädagogischen Gründen gerechtfertigt werden. Es gibt noch genug Eindeutiges und Sicheres, woran sich die Schüler halten können.



Theodor Ickler
91080 Spardorf

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Wolfgang Wrase
10.01.2001 23.00
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Glassplitter

1. Argument für zu lassen = geschlossen lassen
Wer dieser Gleichung entsprechend schreibt, wendet die Grundregel der Rechtschreibung an: Schreibe Gleiches gleich. (Hier ist mit „Regel“ auch zunächst nichts gemeint, was es zu befolgen gilt, sondern ein Prinzip, auf das sich, zusammen mit der Entsprechung „Schreibe Verschiedenes verschieden“, alle möglichen Erscheinungen einer gewachsenen Einheitsschreibung zurückführen lassen.) Wer also „zu“ als „geschlossen“ auffaßt, kann analog zu „geschlossen lassen“ getrennt schreiben.

2. Argument für zu lassen = geschlossen lassen
Es wiegt formal genauso stark wie das erste Argument, nämlich die Rückseite desselben Grundprinzips wird angewendet: „Schreibe Verschiedenes verschieden.“ Weil „zulassen“ auch „erlauben“ bedeuten kann, liegt die Differenzierung „zu lassen“ für die Bedeutung „geschlossen lassen“ nahe.

Zwischenbemerkung: Diese beiden Argumente orientierten sich an einem Hauptkriterium der Getrennt- und Zusammenschreibung, nämlich der Bedeutung. Wie sieht es mit dem zweiten Hauptkriterium aus, der Betonung?

1. Argument für zulassen = geschlossen lassen
Schreibe Gleiches gleich nach der Betonung, also zulassen wie zuarbeiten, zugestehen, zuhören, zurechnen, zureden, zuschreiben und viele andere. Eine starke Reihenbildung.

2. Argument für zulassen = geschlossen lassen
Die Reihenbildung greift über „zu“ noch hinaus, denn „zu“ gehört in die Gruppe von Verbzusätzen, die mit Präpositionen gleichlauten und fast sämtlich in Kontaktstellung zusammengeschrieben werden: zulassen usw. wie ableiten usw., aufgreifen usw., nachstellen usw., vorbereiten usw. und viele andere. Eine gewaltige Reihenbildung. Schreibe Gleiches gleich? Falls die Betonung den Ausschlag gibt, spricht alles für die Festlegung auf „zulassen“.

3. Argument für zulassen = geschlossen lassen
Schreibe Verschiedenes verschieden nach Betonung, also zulassen (vorne betont) anders als zu lassen (hinten betont).

4. Argument für zulassen = geschlossen lassen
Stelle Eindeutigkeit her, vermeide Fallen und Mißverständnisse. Das entspricht hier der Notwendigkeit, die Argumente zu gewichten. Falls man zulassen zusammenschreibt, besteht dann die Gefahr, daß der Leser „erlauben“ versteht, obwohl „geschlossen lassen“ gemeint ist? Solche Fälle sind nicht auszuschließen, dürften aber fast nie vorkommen. Falls man um die mißverständliche Formulierung nicht herumkommt, zum Beispiel bei der wörtlichen Abschrift eines Interviewprotokolls, wäre in der Tat die differenzierende Getrenntschreibung angezeigt; andernfalls eine andere Formulierung. Umgekehrt wird der Leser vermutlich in den meisten Fällen irregeführt, wo „zu lassen“ trotz Vorne-Betonung getrennt geschrieben wird, weil „zu“ in aller Regel nicht betont wird. Wenn man diese Irreführung des Lesers vermeiden will, muß man zusammenschreiben!

5. Argument für zulassen = geschlossen lassen (im Infinitiv)
Besonders schwer wiegt die Gefahr des Mißverständnisses natürlich beim Infinitiv, weil es auch den Infinitiv mit zu gibt: Ich bitte dich, das zu lassen. Soweit man die Gruppe zu + Infinitiv als Leser überblickt, und das dürfte normalerweise der Fall sein, ergibt sich ein besonderer Anreiz, die Falle der falschen Betonung zu ersparen; anders gesagt, hier droht nicht nur die Verwechslung mit der unbetonten Präposition zu, sondern zusätzlich die Verwechslung mit dem unbetonten Infinitiv-zu, also eine erhöhte Gefahr der Verwechslung mit unbetontem zu. (zu lassen liest sich zwingender mit falsch versuchter Betonung auf zu als zum Beispiel zu läßt.)

Es spricht also alles dafür, bis auf ganz wenige Ausnahmen, in denen eine Verwechslung mit der Bedeutung „erlauben“ ausgeschlossen werden soll, zulassen auch in der Bedeutung „geschlossen lassen“ zusammenzuschreiben, besonders im Infinitiv (der auch bei dem zitierten Text vorlag: Läden zulassen ...). Ein Fehlversuch des Lesers mit unbetontem zu ist sonst fast sicher (Läden zu lassen). Oder? Man sehe sich das Beispiel an.

3. Argument für zu lassen = geschlossen lassen
Wie das Beispiel „Läden zulassen“ zeigt, kann es doch irgendwie unangenehm sein, daß „zulassen“ in aller Regel die Bedeutung „erlauben“ hat. Selbst wenn ziemlich sicher ist, daß das hier nicht gemeint ist – „zulassen“ sieht einfach aus wie „erlauben“, weil es das meistens auch bedeutet. Das entspricht einer stärkeren Gewichtung von Argument 2 für „zu lassen“, ebenfalls anhand der Statistik. Also doch getrennt (zumindest wenn „lassen“ flektiert ist)?

4. Argument für zu lassen = geschlossen lassen
Handelt es sich um einen Zweifelsfall? Die Getrenntschreibung entspricht der uralten und meist nützlichen Faustregel: Im Zweifel schreibe man getrennt.

Zusammenfassung: Es gibt Argumente für und gegen die Zusammenschreibung, die spontanen Anreizen bei den einzelnen Schreibern entsprechen, sich für die eine oder auch für die andere Lösung zu entscheiden. Daher dürfte es, insbesondere bei Flexion, tatsächlich einen Anteil von Getrenntschreibung geben, den man schlecht einfach verleugnen kann, wenn man den Schreibgebrauch darstellen will. Auch wenn die Zusammenschreibung deutlich überwiegt, wäre es angemessen, sie zu empfehlen, aber nicht sinnvoll, die Getrenntschreibung, für die sich immerhin anhand des Hauptkriteriums „Bedeutung“ drei Argumente finden ließen, als „falsch“ zu bezeichnen und im Wörterbuch zu unterschlagen. Es sei denn, es wäre dem Wörterbuch erläuternd vorausgeschickt und/oder dem Benutzer klar, daß jederzeit grammatisch zulässige Wortgruppen nicht überall angeführt werden, wo eine entsprechende Zusammenschreibung existiert; wenn zum Beispiel etwas „zu“ ist (das entspricht hier einem Adjektiv „geschlossen“), dann kann es grammatisch gesehen auch „zu“ bleiben, man kann es „zu“ machen und „zu“ lassen. Das ist aber ein grundsätzliches Problem der Wörterbuchgestaltung und hat mit der Frage der Zulässigkeit von einzelnen Schreibungen nichts zu tun.

Im übrigen stimme ich den glasklaren Ausführungen von Professor Ickler wieder einmal zu. Ich habe anfänglich heftig gegen die „breite Fakultativschreibung“ in seinem Wörterbuch proTestiert, habe aber inzwischen einsehen müssen, daß jedenfalls das Konzept in die Irre führt, alles festlegen zu wollen. Je „besser“ und gerechter man das zu unternehmen versucht, desto mehr Einzelfestlegungen und Differenzierungen würden sich bei jedem fraglichen Stichwort anhäufen, und der Benutzer wäre um so verwirrter und ratloser gewesen, wenn der Duden sein Vorhaben noch weitergehend verwirklicht hätte, in jedem Zweifelsfall Festlegungen zu treffen. So ist er bei einem faulen, bereits höchst inkonsequenten Kompromiß stehengeblieben, in Zweifelsfällen ein, zwei Kriterien zu benennen, wobei er Gewichtungen und weitere Differenzierungen (zum Beispiel die Umfänglichkeit der Flexion) unterschlagen hat und in kaum vorhersehbarer Weise einmal der Betonung, ein anderes Mal der Bedeutung, ein drittes Mal einem Unterscheidungsaspekt den Vorrang zugesprochen hat.

Ein ähnliches Problem ergibt sich natürlich hinsichtlich zweier Fragen beim Rechtschreibwörterbuch: Sind die drei Möglichkeiten zusammen/getrennt/fakultativ zusammen realistisch und ausgewogen angewendet worden? Wo immer man solche Einteilungen vornimmt, ergeben sich Probleme der Grenzziehung und zahlreiche unvermeidbare „Inkonsequenzen“ bei benachbarten, das heißt sehr ähnlichen, aber doch nicht deckungsgleichen Fällen. Und: Wo die Möglichkeit bzw. der Befund „fakultativ“ verzeichnet ist, kann man dann nicht doch, wenn nicht Regeln, so doch Empfehlungen formulieren, die eine Entscheidung erleichtern oder ein Gefühl dafür geben, was im Einzelfall zumindest besser ist? Was das erste Problem betrifft, muß der Entscheidung zunächst die statistische Prüfung des Textbestandes vorausgehen, die Professor Ickler vorgenommen hat (wenn auch vielleicht noch nicht bei wirklich jedem fraglichen Eintrag). Zur zweiten Frage meine ich, daß das Wörterbuch sowohl im Regel- bzw. Erläuterungsteil als auch im Wörterteil Empfehlungen und Hinweise in einem ausgewogenen Verhältnis von Übersichtlichkeit und Differenzierung bereithält.



Wolfgang Wrase
München

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Norbert Schäbler
10.01.2001 23.00
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Bitte eindeutig: zufrieden stellen oder zufriedenstellen

Wahrscheinlich bin ich ein wenig verknöchert und unflexibel, wenn ich an manchen Zeitungsmeldungen Anstoß nehme – so zum Beispiel erst heute wieder beim Lesen eines dpa-Berichtes, der ankündigte, daß Christoph Daum eine öffentliche Erklärung abgeben wolle. Hier wurde der einstige Fußballehrer im Schlußsatz wie folgt zitiert: „Ich werde alle Interessenten zufrieden stellen.“
Vor meinem geistigen Auge tauchte sofort das Bild auf, daß ein zufriedener Daum – der u.a. glücklich ist darüber, wieder in Deutschland zu sein – die Journalisten allesamt in den Senkel stellen werde.   
Andererseits habe ich angenommen, daß der einstige Trainer aufgrund seiner Eingeständnisse bezüglich seines Drogenkonsums gar nicht so arg zufrieden sein könne – daß er wahrscheinlich eher mit einem mulmigen Gefühl an die Öffentlichkeit trete – um dort alle Fragen der Journalisten ausnahmslos und ehrlich zu beantworten, um die Herren zufriedenzustellen.
Der Kontext und das Pressespektakel am heutigen 12.01.01, um 14 Uhr haben es ans Licht gebracht, was gemeint war. Daum hat nämlich viele Fragen beantwortet (mit einigen Schweißtropfen auf der Stirn), und ich denke, daß viele Interessenten zufrieden waren, weil endlich der Lügenberg ein wenig abgetragen worden ist.
Auch ich bin ein bißchen zufriedengestellt, was Daum anbetrifft, andererseits bin ich nach wie vor sauer auf den Journalisten, der mich kurzfristig auf die falsche Fährte gelockt hat. Ich will mich nämlich nicht damit zufriedengeben, daß derjenige, der einen Informationsvorsprung hat und mir eine sachliche schriftliche Information zukommen läßt, in Zweideutigkeit schwelgen darf.
Denn, wenn das zur Regel wird mit der Getrennt- und Zusammenschreibung, dann kann jeder mit mir aus Jux und Tollerei, aus Dummheit oder Schwächlichkeit sein „Erkennen-Sie-die-Melodie-Spielchen treiben. Er legt mir einfach einen Parallelfilm auf den Kopf .und läßt mich eine Weile rätseln, statt gleich den richtigen Film einzulegen.

Ich halte nicht sehr viel von Alternativschreibung, die auch Professor Ickler aufgrund seiner fundierten Untersuchungen anvisiert. Schreiben muß eindeutig, differenzierend und adressatenbezogen bleiben. Ansonsten hat ausschließlich der Leser die Mühe, für die der Schreiber zu faul, zu dumm, zu oberflächlich oder zu feige war.



Norbert Schäbler
Hösbach

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Christian Dörner
10.01.2001 23.00
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Schüler und glasklare Auskünfte

Es ist in der Tat so, daß es sicher nicht sinnvoll ist, die Getrennt- und Zusammenschreibung bis ins letzte Detail zu regeln. Trotzdem braucht man (insb. wollen Schüler) an manchen Stellen wirklich eindeutige Entscheidungen. Ich möchte hiezu anmerken, daß ich mich an eine Szene aus meiner Gymnasialzeit erinnern kann (die folgende Szene ist fast 12 Jahre her), bei der es mir ähnlich erging. Damals fragte ein Mitschüler im Deutschunterricht, wie denn nun ‚an Stelle/anstelle‘ zu schreiben sei. Getrennt oder zusammen? Die (richtige) Antwort, daß hier eben beide Schreibweisen zulässig sind, hat die Klasse damals nicht befriedigt. Ich fragte mich damals auch, wie ich es nun schreiben soll. Daß beide Schreibweisen gleichberechtigt waren, konnte ich mir nicht so ganz erklären. „Was ist denn nun die bessere Schreibweise?“ dachte ich mir. Andererseits ist es natürlich so, daß die Schüler in Schulaufgaben dann wieder froh sind, wenn möglichst viele Varianten nicht als Fehler gewertet werden. Das ist die Kehrseite der Medaille. Aber im Unterricht bevorzugen Schüler genaue Vorgaben.
Inzwischen kann ich meine damalige Haltung sicherlich nicht mehr nachvollziehen. Es handelt sich hier wirklich um einen sprachlichen Übergangsfall. So bin ich heute über die Freiheiten nicht mehr verärgert. Ich schreibe ‚anstelle‘, wenn in dem Moment, in dem ich es schreibe, die Vorstellung ‚statt‘ überwiegt, und ich schreibe ‚an Stelle‘, wenn die Vorstellung von ‚an die Stelle von‘ überwiegt. So nutze ich diese Freiräume. Bei ‚aufgrund‘ (= wegen) und ‚auf Grund‘ (= auf Grundlage von) verfahre ich ähnlich. Welche Vorstellung im jeweiligen Fall überwiegt, kann man selbstverständlich nicht sagen. Hier muß dem Schreiber eine Wahlmöglichkeit zugestanden werden. In fast allen Fällen sind beide Schreibweisen denkbar. Bei ‚anhand‘ und ‚an Hand‘ verfährt die Rechtschreibreform im übrigen sehr seltsam: ‚an Hand‘ soll nicht mehr zulässig sein. Was wird dadurch einfacher? Nichts.

Mit der richtigen Auswahl von Schreibweisen in einem Rechtschreibwörterbuch ist es natürlich nicht ganz einfach. So schreibt Prof. Ickler völlig zu Recht, daß ‚Rad fahren‘ von der Grammatik zugelassen werde, wenn man ‚Rad‘ als unverblaßt ansehe, so daß ‚Rad fahren‘ zugelassen werden müsse, während ‚radfahren‘ nur eine Lizenz sei. Hier stimme ich zwar 100%ig überein, aber ist es nicht so, daß ‚Auto fahren‘ inzwischen genauso verblaßt ist? Ich habe mir mal die Arbeit gemacht, dem ein bißchen näher nachzugehen, und habe tatsächlich bei den nichtprofessionellen Schreibern fast ausschließlich die Schreibung ‚autofahren‘ gefunden. Selbst ‚ich fahre auto‘ wurde meist so geschrieben, obwohl es sich hier bereits um die Distanzstellung handelt, in der nur extrem verblaßte Substantive klein geschrieben werden. Die Erteilung der ‚Lizenz‘ zum Zusammenschreiben bei ‚autofahren‘ ist meines Erachtens längst überfällig. Aber das ist natürlich nur eine subjektive Einschätzung von mir. Andere mögen hier ganz anderer Auffassung sein.



Christian Dörner
91058 Erlangen

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