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Manfred Riebe
16.01.2001 23.00
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“satt_essen³ mit Bögelchen?

Lieber Herr Professor Ickler!

Es ging mir nur um die Frage: „Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?“ Sie haben in Ihrem Wörterbuch eindeutig „sich satt essen“ geschrieben. Warum will Wolfgang Wrase nun plötzlich „satt_essen“ mit Bögelchen schreiben? Hat das etwas mit der Süddeutschen Zeitung zu tun, in der womöglich entgegen den Festlegung in Ihrem Wörterbuch 50 Prozent „satt essen“ und 50 Prozent „sattessen“ steht?
Mit dem obigen Beispiel will ich nur zeigen, daß man sogar aus einem eindeutigen Fall ohne Not mit Hilfe Ihrer Fakuktativschreibung ein Problem machen kann.

Auf Grund meiner Unwissenheit als „Schulmeisterlein“ kann und will ich mir nicht anmaßen, Sie als Sprachwissenschaftler zu belehren. Wenn ich hier Fragen zur Betonung aufwerfe, dann deshalb, weil ich an die mögliche Umsetzung Ihrer Fakultativschreibung in der Schulpraxis denke. Ich meine, daß aufmerksamen Beobachtern dies klargeworden sein sollte. Aber es gibt auch jemand, der unsere Fragen aus unserer Sicht als Lehrer (Peil, Riebe, Schäbler) als lächerlich und als unerhörte Majestätsbeleidigung betrachtet.
Sie sprachen von dem Kriterium der Betonung als einer „Krücke“. Vielleicht sehen ja auf Grund Ihres größeren Horizontes diesbezügliche oder andere didaktische Möglichkeiten.



Manfred Riebe
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg

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Theodor Ickler
16.01.2001 23.00
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Einfach?

Lieber Herr Riebe,
wieso ist der Fall „satt essen“ einfach? Doch nur für den, der es zufällig so gelernt und behalten – oder eben nachgeschaut hat. An sich ist es aber ein Zweifelsfall. Ich werde es möglicherweise, nach gehöriger Prüfung, ändern und das Bögelchen einführen. Dadurch wird der Zweifelsfall behoben, denn der Benutzer meines Wörterbuchs weiß ja, daß kurze Ergebniszusätze mit dem Verb zusammengeschrieben werden können. Folglich braucht er nicht nachzuschlagen, und das ist auf jeden Fall einfacher. Ich will das Wörterbuch ja entbehrlich machen (außer was seltene Wörter betrifft wie „Apophthegma“ usw.).

Zur Information der Diskutanten: Mein Wörterbuch ist(selbstverständlich) so entstanden, daß ich mir eine Wörterliste aus anderen Wörterbüchern habe abtippen lassen, die ich dann wieder und wieder nach meinen eigenen Grundsätzen bearbeitet habe. So erklärt sich, daß hier und da noch etwas stehen geblieben ist, was ich aus Zeitmangel oder aus Versehen noch nicht geändert habe. Anders ist es gar nicht möglich; es macht übrigens viel Freude, mit Hilfe kluger Beobachter, die mir so viele nützliche Briefe geschrieben haben, an der Vervollkommung einer offenbar nützlichen und verbesserungswürdigen Sache zu arbeiten.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Walter Lachenmann
15.01.2001 23.00
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Kinder und Narren

Ich habe letzte Nacht Herrn Riebe ein persönliches Briefchen geschrieben, ich möchte es hier öffentlich machen, und sage hinterher auch gleich warum.

Lieber Herr Riebe,
sie punkten! Auf der Ebene kann ich zwar nicht mitreden, aber was Sie schreiben,    erscheint mir plausibler als Herrn Icklers liberale Häkchen. Sie sind mir hoffentlich nicht böse, weil ich Sie im Zusammenhang mit Herrn
Fleischhauers seltsamem Beitrag ein bißchen gefrozzelt habe. Eigentlich war    das ein Kompliment an Sie: Unermüdlich, keinen Windmühlen und keinen Fettnäpfchen ausweichend, jede Ohrfeige, jeden Tiefschlag geduldig einsteckend und dabei wie ein Athlet niemals strauchelnd,    immer wieder von neuem argumentierend, erklärend, neu prüfend, neu forschend, Irrwege und die damit einhergehende Schadenfreude der »Fachleute« in Kauf nehmend, versuchen Sie Klarheiten und Orientierungen zu finden – wo es vielleicht wirklich »wissenschaftlich« gesehen gar keine gibt.
Vielleicht wäre ein pragmatischer Mittelweg richtig. Die Vorschläge, denen Herr Ickler sich (noch?) verschließt, waren doch teilweise ganz vernünftig.


Gibt es Widerspruch? Warum ich das Briefchen veröffentliche? Wegen der »kinderleichten Rechtschreibung«, die er nun wieder zurückgereicht bekommt, als sei er halt irgendwo doch immerzu hinterm Mond. Das erinnert mich an frühere Diskussionen in linken Kreisen der 68er und 70er Jahre. Kaum äußerte man einen von der allgemeinen Gesinnung nicht abgedeckten Gedanken, bekam man zur Antwort: »Genosse, Du bist ja naiv!«

Was Herr Riebe sagen wollte, meine ich verstanden zu haben. Natürlich gibt es keine kinderleichte Rechtschreibung. Die kann kein Wörterbuch kinderleicht machen. Aber ein Wörterbuch könnte »narrensicher« sein. Was meinen Sie denn, Herr Ickler, warum wir – Ihnen so wohl gesonnen wie auch voller Bewunderung und Hoffnung – Probleme mit Ihrer Fakultativschreibung haben? Sie überschätzen die Bereitschaft des normalen Wörterbuchbenutzers, sich mit Ihren Theorien und den Praktiken, die sich daraus in Ihrem Wörterbuch niedergeschlagen haben, auseinanderzusetzen. Der wird Ihr Vorwort, so kurz es sein mag, noch nicht einmal lesen. Der will nachschlagen und sofort zweifelsfrei finden, was er sucht. Geben Sie ihm zwei Möglichkeiten, dann nimmt er nach Gefühl die eine oder die andere, vielleicht schaut er aber auch kein zweites Mal in Ihr Wörterbuch, sondern kauft sich eines, das ihm nur eine gibt, und sei es die »falsche«. Deswegen ist der neue Duden auch so verheerend. Wer will sich diese ganzen Erläuterungen denn anschauen, wer versteht das denn schon? Wer will sich denn schon Gedanken machen, ob er das Wort, das er sucht, so oder so betont, von diesem oder jenem ableitet, ob es entsprechende Substantivierungen gibt oder nicht? Wer weiß schon, was ein Substantiv überhaupt ist, von einer Substantivierung ganz zu schweigen?

Was Herr Riebe über das Kenntnisniveau der Schulabgänger sagt, ist lebensnah. Und das gilt nicht nur für Hauptschulabgänger. Wenn ich an manche Manuskripte denke, die ich von angesehenen Hochschulprofessoren schon in den Händen hatte! Oder von namhaften deutschen Schriftstellern! (Übrigens schreiben nach meiner Erfahrung Handwerker besonders ordentlich und sicher.)

Herr Ickler fordert den »mündigen Bürger« in Sachen Rechtschreibung. Das ist zwar ein schönes Ideal, aber der mündige Bürger braucht kaum ein Wörterbuch, sofern er viel schreibt. Und der mündige Bürger, der nicht viel schreibt, oder in einem Zweifelsfall nachschlagen will, mag sich nicht mit Rechtschreibtheorien herumschlagen oder mit Auslegungsfragen von Häkchen oder Bögchen, sondern der will wissen, wie die richtige Schreibweise ist. Und wenn es zweierlei gibt, dann kann man das doch angeben und den Unterschied beschreiben. Damit wird doch keinem Bürger die Mündigkeit abgesprochen.

Allez, Monsieur Icklér, un petit effort...



Walter Lachenmann
Krottenthal 9, 83666 Waakirchen

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Wolfgang Wrase
15.01.2001 23.00
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Neu und alt - alles Käse: der Beweis!

Zur weiteren Auflockerung der Diskussionsstränge möchte ich bekannt_geben, daß ich soeben den ultimativen Beweis gefunden habe, daß weder die alte Rechtschreibung noch die reformierte Rechtschreibung noch die Darstellung von Ickler etwas taugen.

Alte Rechtschreibung: schwuppdiwupp!, aber holterdiepolter!
Neue Rechtschreibung: schwuppdiwupp!, aber holterdiepolter!
Icklersches Wörterbuch: schwuppdiwupp!, aber holterdiepolter

Man sieht, der einzige Unterschied ist, daß Theodor Ickler das Ausrufezeichen hinter „holterdiepolter“ wegreformiert hat. Die Unsystematik in der Wortmitte ist jedoch bestehen_geblieben.

Also: Die Rechtschreibung muß noch_mal tief_greifend überarbeitet werden – man reserviere frühzeitig entsprechende zerebrale Kapazitäten!



Wolfgang Wrase
München

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Theodor Ickler
15.01.2001 23.00
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Tut mir leid

Tut mir leid, Herr Lachenmann, für den Wörterbuchbenutzer, der im alten Stil weitermachen und an der kurzen Leine geführt werden will, bin ich nicht da. Mit einem Wiederabdruck des alten Duden, vielleicht ergänzt um 5000 neue Einträge, wäre ihm wohl am besten gedient. Und meine Aufforderung an Sie und alle Gleichgesinnten, ein eigenes Wörterbuch dieser Art anzufertigen, steht ja noch im Raum, wie man so schön sagt. Wenn jeder einen Buchstaben übernimmt, ist das Ganze in vier Wochen fertig. Dann können wir weiter darüber reden, vorher wohl nicht, denn das Pulver auf beiden Seiten ist verschossen.

Nur dies noch: Die Folge eines Wörterbuchs der bezeichneten Art wird zwangsläufig sein, daß wie bisher alle Welt ständig „falsch“ schreibt, wie ja die Reformer durchaus zutreffend festgestellt haben. Dieses Argument ist noch nie widerlegt oder auch nur ernsthaft diskutiert worden.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Reinhard Markner
15.01.2001 23.00
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“Nochmal³ zum Einfluß der Substantivschreibungen

Ich wollte mit meinem Hinweis „keine praktische Entscheidungshilfe für die Zusammenschreibung“ geben und auch keinen generellen, regelhaften Zusammenhang konstruieren, sondern nur darauf hinweisen, daß die Existenz von zusammengeschriebenen Substantiven und Substantivierungen auf die Schreibung der „entsprechenden“ Verben „abfärbt“. Die Praxis der Rechtschreibung ist ja nicht selten von Analogiebildungen bestimmt; so hängt die von Herrn Ickler festgestellte (nicht dudenkonforme) Zusammenschreibung „nochmal“ gewiß nicht zuletzt mit dem nahen „nochmals“ zusammen; vergleichbare Beispiele gibt es zuhauf („stattdessen“ wie „währenddessen“ usw.). -- Das Gegenbeispiel „Stellungnahme“ überdenkend, kommt mir folgender Gedanke: Man vergleiche die beiden Sätze: „Dazu stellungnehmend, bemerkte er . . .“ und „Dazu stellungbeziehend, bemerkte er . . .“ Ich würde sagen, daß der erste Satz, obwohl ebenso „falsch“ wie der zweite, weniger befremdlich wirkt.



Reinhard Markner

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Theodor Ickler
15.01.2001 23.00
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Nochmal

Herr Markner hat gewiß recht. Außerdem dürfte die Reihenbildung „einmal“, „zweimal“ usw. mitgewirkt haben; und wir hatten ja bisher auch „zum erstenmal“ usw.

Herrn Wrase sei Dank für seine scharfsinnigen Beobachtungen! Ich hatte übrigen sdie Interjektionen ursprünglich alle mit Ausrufezeichen markiert und glaubte mir dadurch die Nennnug der Wortart ersparen zu können, bin dann davon abgekommen, aber nicht ganz konsequent. Übrigens ist ini fünf Zeitungsjahrgängen = 400.000 Artikeln kein einziges Mal „schwuppdiewupp“ zu finden, nur „schwuppdiwupp“ (24mal, falls sich jemand dafür interessiert ...), während „holterdipolter“ ungefähr gleich häufig ist wie „holterdiepolter“. Das sind Dinge, für die man dann auch kein statistisches „Gefühl“ mehr hat, so selten kommen sie vor. Immerhin, die Korrektur (holterdiepolter, a. holterdipolter) ist vorgemerkt.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Wolfgang Wrase
15.01.2001 23.00
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Kann man die GZS präzisieren?

Zuvor: Ich hoffe, man hat verstanden, daß das Holterdi(e)gepoltere und Schwuppgewuppe als Witz gedacht war. Aber wie interessant: Man hat irgendwie das Gefühl, daß ein -die- in schwuppdiwupp unplausibel ist, nicht jedoch in holterdiepolter, und tatsächlich zeigt sich das in der Statistik. Man muß sich nun vorstellen, daß solche winzigen, kaum rational begründbaren Unterschiede auch die reale Gestalt der GZS prägen mit ihren vielfältigen Einflüssen; da kann man sich gleich ausmalen, daß man in Teufels Küche landet, wenn man für die GZS eine eindeutige Darstellung erreichen will.

Ich hatte gestern abend auch schon ein ganz mulmiges Gefühl, als ich einfach mal behauptete, daß man die GZS teilweise präzisieren könne, und das Gefühl wurde noch mulmiger, als ich es anhand des relativ übersichtlichen Bereichs „zusammen_...“ einmal versuchte. Da habe ich auch schon ein bißchen hin und her geschoben, am Schluß waren es ein paar Bogen weniger, als ich zuerst „festlegen“ wollte. Ich erwartete daher eigentlich, daß Professor Ickler den Vorschlag abschießen würde, um dann sagen zu können: Seht her, es geht nicht einmal innerhalb von „zusammen“.

Nun wurde mein Ansatz aber noch nicht abgeschossen. Soll ich weitermachen – mit was? Vielleicht mit ein paar Verbzusätzen, die uns die Unmöglichkeit der Präzisierung bzw. deren zu große Nachteile deutlicher vor Augen führen? Welche wären das? Also, ich würde gern wissen, ob mir Professor Ickler das Scheitern voraussagt, denn dann könnte ich mir das Kopfzerbrechen sparen (ich habe ja leider keine Statistiken, sondern nur Erfahrungswerte und ein gewisses Gespür für das, was Herr Riebe „sprachimmanente“ Gründe für Schreibweisen nennt).

Professor Ickler meint zwar, daß das Pulver verschossen sei; aber ich möchte noch einmal versuchen, das Problem der fast durchgängigen Darstellung „Verbzusatz -> Fakultativschreibung“ ein wenig zu systematisieren.

Zunächst muß man anerkennen, daß die vielen Bogen ein heftiges Mißfallen bei nicht wenigen Betrachtern hervorrufen und den nachvollziehbaren Eindruck: Wenn ich schon ins Wörterbuch schaue, dann möchte ich doch wissen, wie etwas geschrieben wird (oder überwiegend geschrieben wird oder wann es wie geschrieben wird oder wie es bevorzugt/besser geschrieben werden sollte) – jedenfalls dann, wenn aus statistischen oder theoretischen Gründen eine solche Entscheidung oder Empfehlung möglich wäre.

Dazu kommen zwei Grundsätze, die dem Wörterbuch doch als Leitsätze voranstehen: 1. Schreiben für den Leser; 2. Schreibweisen kommen vor den Regeln. Der erste Grundsatz – Schreiben für den Leser – stützt die Ablehnung, soweit sie sich gegen die Darstellung „getrennt oder zusammen“ richtet, in denjenigen Fällen, in denen der kompetente Schreiber (oder Lexikograph) weiß, daß die eine Schreibweise für den Leser (noch) besser, eingängiger, vertrauter, leichter lesbar o. ä. ist als die andere. Aus denselben Gründen wird ja auch zum Beispiel bei der Kommasetzung bei Infinitivsätzen eine differenzierte Darstellung beibehalten, anstatt daß man einfach sagt: Wir kapitulieren vor der Komplexität der Fälle und sagen nur noch „Infinitivsatz -> Komma freigestellt“.

Der zweite Grundsatz – Schreibweisen kommen vor Regeln – untermauert die Kritik am Bogen in den Fällen, in denen die Statistik ein großes bis überwältigendes Übergewicht einer Variante ergibt, also zum Beispiel bei „fertigstellen“. Da denkt dann der Benutzer: „Das gibt es doch nicht, daß die Getrenntschreibung als gleichrangig dasteht“, und reibt sich verwundert die Augen.

Was ist da passiert? Die GZS ist bei Verbzusatzkonstruktionen von so vielen Faktoren abhängig, daß es (mehr oder weniger) unmöglich ist, sie zu vertretbaren Kosten im Detail voll zu differenzieren; man erhielte jede Menge Inkonsequenzen und eine spitzfindige, fragwürdige Fülle an Details, die sich keiner merken kann. Nun flüchtet man sich also in die Lösung „Verbzusatz -> Bogen“ und erhält dann, leider, auch die Darstellung zusammen_pferchen oder fertig_stellen. Das bedeutet, der Grundsatz „Schreibweisen vor Regeln“ wurde umgekehrt: Die Regel „Bei Verbzusätzen kommt sowohl Getrenntschreibung als auch Zusammenschreibung vor“, aus der unübersichtlichen Masse aller Verbzusatzschreibungen gewonnen, wird überall im Wörterverzeichnis angewendet, so als ob „fertig stellen“ gleichberechtigt neben „fertigstellen“ vorkäme – obwohl die Statistik (SZ) ergeben hat: Häufigkeit 1:50!

Anders gesagt: Der Bogen wäre dann voll berechtigt, wenn durchgehend nur die Verbzusätze selbst verzeichnet wären, am besten mit einem für die Varianten typischen Beispiel, also zum Beispiel fertig_kochen oder zusammen_bleiben. Der Ärger kommt erst bei richtig_stellen oder zusammen_brechen auf.

Nun wäre es ein noch weiterer Rückschritt, wenn man, nur um den Bogen zu rechtfertigen, sich jeweils auf ein einziges Beispiel wie platt_machen (für platt_) zurückziehen würde. Ich habe daher anhand von zusammen_ einmal probiert, ob man nicht den Grundsatz „Schreibweisen vor Regeln“ im Wörterverzeichnis wieder besser zur Geltung bringen kann. Das scheint nicht ganz mißlungen zu sein (obwohl ich mich, wie gesagt, dabei schon ziemlich unwohl gefühlt habe).

Also, soll ich jetzt weitermachen – oder werde ich scheitern, Herr Ickler? Ich gehe nicht davon aus, daß ich es besser kann als Sie, und verspüre deshalb keinen großen Antrieb, mich in ein unlösbares Problem zu verstricken ...



Wolfgang Wrase
München

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Theodor Ickler
15.01.2001 23.00
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Weitermachen!

Naja, das mit dem holterdi(e)poler habe ich schon richtig verstanden, und mir sind genau dieselben Gedanken dabei gekommen: Wie seltsam, daß man das eine nur so schreibt und das andere sowohl so als auch anders!

Zur Hauptsache: Ich habe ja bereits zugegeben, daß hier im einzelnen noch Änderungen möglich sind, hatte übrigens schon frühzeitig gerade den Zusatz „zusammen-“ mal hierhin, mal dorthin geschoben, konnte mich nicht so recht entscheiden. Herr Wrase hat wie immer sehr scharfsinnig den Punkt erkannt: pauschale Kennzeichnung wirft weniger Probleme auf als die ausdrückliche Markierung von Einzeleinträgen als fakultativ, weil die statistischen Verhältnisse, wie gesagt, sehr schwanken. Mir schien die „liberale“ Notierung wegen ihrer vielberufenen Unschädlichkeit (an der ich festhalte, lieber Herr Lachenmann) schließlich am günstigsten. Ich glaube also einfach nicht daran, daß dadurch der Schreibbrauch sich zum Schlechteren verändern könnte – oder auch überhaupt nur beeinflussen ließe. Wenn die Leute zusammenschreiben wollen, werden sie es weiterhin tun. Und mein Wörterbuch rät ihnen ja nicht davon ab, das ist in meinen Augen das Wesentliche. Wenn der Lehrer davon abgehalten wird, die Schreibweise „fertig gestellt“ als Fehler anzustreichen, ist das doch nur gut. Die Erwachsenenschreibe wird sich dadurch bestimmt nicht ändern.

(Ketzerischer Gedanke: Und selbst wenn künftig mehr im Sinne der Reformer „fertig stellen“ geschrieben würde, wie früher – was wäre denn daran so schlimm? Das ist doch der geringste Fehler der Reform – bloß daß die Reformer dafür eine völlig abstruse Muß-Regel eingeführt und auf den Zufall der Endung -ig gebaut haben! Ihre Begründung lautet ja ungefähr so: -ig ist zwar an sich kein Grund und hat auch mit Zusammen- und Getrenntschreibung gar nicht zu tun, aber wir wollen feste Regeln, um „Unsicherheiten“ zu beseitigen. Ich habe hingegen, man weiß es schon, nicht die geringste Angst vor „Unsicherheiten“ (die auch bei den Reformern augenblicklich in „Freiheiten“ umgetauft werden, sobald sie selbst in ihrer Ratlosigkeit Varianten einführen ...)

Wie gesagt, einzelne Änderungen sind denkbar und sogar wahrscheinlich, zumal ich ja irgendwann die Konvolute von Anregungen einarbeiten werde, die mir zugegangen sind. Es kann auch sein, daß die Liste der obligatorisch zusammenzuschreibenden Zusätze (ß 9) sich ändert, vielleicht um ein paar wenige Nummern länger wird, aber gewiß nicht sehr beträchtlich! Die Grundkonzeption bleibt auf jeden Fall: so viel Freiheit wie möglich, so wenig Fehlerfuchserei (wenn ich mir diese Wortprägung erlauben darf) wie möglich! Immer nahe am Usus, ohne je mit der Grammatik überkreuz zu geraten!



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Wolfgang Wrase
15.01.2001 23.00
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Also gut ...

... ich soll weitermachen – obwohl ich selber davon ausgehe, daß ich bald kapitulieren werde. Das hab‘ ich nun davon. Vielleicht geht es ja doch, denn Professor Ickler hat ein großes Herz und hätte mich doch vor dem Untergang in der GZS gewarnt, wenn er sicher vorauszusagen wäre?



Wolfgang Wrase
München

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Walter Lachenmann
15.01.2001 23.00
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Verpulvertes

Lieber Herr Ickler,
mein Pulver ist jetzt tatsächlich verschossen. Ich bilde mir ein, daß es möglich sein müßte, Ihre »liberale« Notierung mit einer »narrensicheren« Notierung einer Präferenz bzw. einer Darstellung der unterschiedlichen Anwendungen bei mehreren Schreibweisen unterschiedlichen Aussageinhaltes zu verbinden. Die »vielberufene Unschädlichkeit« habe ich bislang nur von Ihnen gehört, und ich bin nicht im geringsten von ihr überzeugt, im Gegenteil. Nun glauben Sie etwas und ich glaube etwas anderes. Dann müssen wir es eben dabei belassen.
Warum schütten Sie das Kind mit dem Bade aus und sagen, die Alternative zu Ihrer Konzeption könne nur ein umgemodelter alter Duden sein? Aus dem, was am alten Duden gut war und dem. was an Ihrer Konzeption gut ist (die mir so gut gefällt, daß es mir leid täte, mich schließlich über sie ärgern zu müssen)    könnte sich doch mit weiteren guten Ratschlägen, an denen kein Mangel herrscht wie diese Diskussion zeigt, ein brauchbares Produkt entstehen. Sie glauben es halt nicht.
Wenn künftig mehr im Sinne der Reformer »fertig stellen« (und analoges) geschrieben würde, wie früher, dann wäre daran ärgerlich, daß damit die Reformer ihre traurigen Spuren tatsächlich in der Art, wie bei uns geschrieben wird, hinterlassen haben werden (das ist allerdings jetzt ohnehin nicht mehr rückgängig zu machen), andererseits daß eine – für mich jedenfalls – eindeutige Form aufgegeben wird für zwei Formen, die das eine oder das andere zugleich bedeuten können. Alles andere ist schon gesagt worden, mein Pulver ist wirklich verschossen. Ich sehe darin jedenfalls einen Rückschritt.
Vielleicht müßten Sie definieren, für wen Ihr Wörterbuch gedacht ist. Für die Alltagspraxis, die der Duden bisher bedient hat, scheint es mir nicht sehr erfolgversprechend zu sein.
Irren ist menschlich, vielleicht haben Sie ja doch recht, dann umso besser. Ob wir es je erfahren werden?



Walter Lachenmann
Krottenthal 8, 83666 Waakirchen

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Theodor Ickler
15.01.2001 23.00
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Brauchbares Produkt

Jetzt will ich es aber wissen. Wie sieht das brauchbare Produkt aus? Wer zeigt es mir wenigestens an einem Buchstaben. Vorher läßt es sich schlechterdings nicht weiterdiskutieren.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Walter Lachenmann
15.01.2001 23.00
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Ich will auch etwas wissen.

Das ist Pingpong in den letzten Zügen.
Es gibt ein unschönes Wort, das ich meines Wissens noch nie gebraucht habe, es heißt »Anforderungsprofil«.
Da meine gute Munition verschossen ist, fallen mir nur noch Worthülsen ein. Diese hier könnte man vielleicht mit etwas Sinn erfüllen.
Also: Welchen Benutzer stellen Sie sich für Ihr Wörterbuch vor, wenn es der herkömmliche Dudenbenutzer nicht ist?
Wenn man weiß, für wen Sie Ihr Wörterbuch machen und für wen auf jeden Fall nicht, dann kann man ja sehen, ob man zu der »Zielgruppe« gehört und kann je nachdem sich aus der Diskussion zurückziehen.

(Ging der nochmal über’s Netz oder doch schon über die Tischplatte?)



Walter Lachenmann
Krottenthal 8, 83666 Waakirchen

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Dominik Schumacher
15.01.2001 23.00
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Ich teste

das Pragraphenzeichen:
§1, §2.
Ich hab’ Pragraphenzeichen getestet.



DS@rechtschreibreform.com>Dominik Schumacher
Bad Ems

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Manfred Riebe
15.01.2001 23.00
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“Sprachimmanente Gründe für Schreibweisen³

Da Wolfgang Wrase versuchen will, das Problem der fast durchgängigen Darstellung „Verbzusatz -> Fakultativschreibung“ ein wenig zu systematisieren, gebe ich ihm kleine Hinweise. Vielleicht nützen sie etwas.

1. Es gibt heute keine unverfälschte reine Schriftnorm mehr, die mit der gesprochen Sprache übereinstimmt. Sie ist verfälscht z.B. durch den Einfluß a) des Duden, b) der Nachrichtenagenturen und der Presse, c) durch die Computer-Software und d) heute durch die Rechtschreibreform und ihre katastrophalen Auswirkungen. Daher ist der deskriptive Ansatz, eine reine unverfälschte Schriftnorm festzustellen, zum Scheitern verurteilt.
2. Zu den Grundsätzen gehört auch: Das Sprechen kommt vor dem Schreiben, d.h. der deskriptive Ansatz sollte beim Sprechen ansetzen.
3. Zum Sprechen gehört die Betonung als sprachimmanenter Grund für Schreibweisen.

Nutzanwendung der Betonungsregeln: Die Beispiele Professor Icklers für die Zusammenschreibung „mausetotschlagen“ und"krankenhausreifschlagen“ stehen nicht in seinem Wörterbuch, und sie stimmen auch nicht. Warum nicht?
Norbert Lindenthal schrieb mir: „Die zu unterstreichenden Buchstaben können Sie einklammern in die
html-Steuerungen ; innerhalb wird dann unterstrichen dargestellt, auch in unserem Gästebuch.“ Das will ich einmal probieren:

„mausetot schlagen“ steht im Duden und bei Mackensen getrennt. Ähnlich wird „krankenhausreif schlagen“ getrennt geschrieben. Warum? Der Grund ist der verteilte Ton.

Ich erinnere noch einmal an die Betonungsregeln:

„In der Regel zeigt ein Hauptton auf dem ersten Bestandteil einer Fügung Zusammenschreibung an, aber Betonung beider Bestandteile Getrenntschreibung.“
Da in Ausnahmefällen aber die Betonung nicht immer eindeutig zu erkennen ist, empfiehlt Mentrup nur für diese Zweifelsfälle die Getrenntschreibung. „Wenn zwei gedanklich zusammengehörende Wörter ihre volle Bedeutung und damit ihre Selbständigkeit bewahrt haben, sollte man sie getrennt schreiben.“ (Wolfgang Mentrup: Die Regeln der deutschen Rechtschreibung. Mannheim: Dudenverlag, 1968, S. 130 f.)

Im DDR-Duden heißt es ähnlich: „Bedeutung, Betonung und Schreibung sind oft voneinander abhängig. (...) Die Betonung gibt Hinweise für die Schreibung. Starkton eines Gliedes, besonders – aber nicht immer – des ersten, weist in der Regel auf Zusammenschreibung. (...) Verteilter Ton weist auf Trennung. (...) Manchmal sind beide Betonungen, d.h. beide Schreibungen möglich (d.h. Getrennt und Zusammenschreibung, M.R.). (...) Wenn eine Entscheidung für Getrennt- oder Zusammenschreibung nicht möglich ist, schreibe man getrennt.“ (Der Große Duden. Wörterbuch und Leitfaden der deutschen Rechtschreibung. 16. Auflage. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut, 1974, S. 597, 599)
____________________________

Lutz Mackensen setzt manchmal zusätzlich ein Pünktchen und erläutert: „getrennt zu sprechen“. Bisher waren mir Sprechpausen hauptsächlich nach Satzzeichen bekannt. Frage: Gibt es evtl. erkennbare Sprechpausen auch bei der Getrennt- und Zusammenschreibung? Das könnte bei langsamem Sprechen nach einzelnen Wörtern und evtl. auch an der Silbengrenze bzw. einer Wortfuge möglich sein.



Manfred Riebe
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg

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