Kommission und Reform der Reform
Zu Herrn Jansen: In ihrem Zweiten Bericht läßt die Kommission ihren Ärger darüber durchblicken, daß es ihr nicht erlaubt war, wenigstens einige der gröbsten Fehler zu korrigieren. Wir wissen nicht mit letzter Sicherheit, wer hinter dem Veto steckt. Ich hatte, wie so viele andere, nach dem wirklich überraschenden (auch in seiner Promptheit überraschenden) Beschluß der Politiker, keinerlei Änderung zuzulassen, auch nicht auf dringenden Wunsch der Urheber des Regelwerks, angenommen, daß die Schul- und Wörterbuchverleger Druck ausgeübt haben, und das mag letzten Endes auch richtig sein. Aber Ende Januar 1998, also gleich nach der Mannheimer Anhörung, rief mich ein SPD-Mitglied des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages abends an und versicherte mir von sich aus, es sei das Bundesinnenministerium gewesen. Nun wußte ich von Insidern schon lange, daß in der Tat die Beauftragte des Bundesinnenministers stets besonders unnachgiebig auf der Durchführung der Reform beharrt hatte. Der Bertelsmannkonzern erwähnt sie auffallenderweise namentlich in der Reformchronik auf seiner Internetseite. Die Mitteilung des Bundestagsabgeordneten scheint mir daher doppelt plausibel. Fragt sich nur, warum das BMI so hinter einer Reform her war, von der es doch nur Kosten und Ärger zu erwarten hatte. Ist es ein Zufall, daß laut Einladung zur konstituierenden Sitzung des Beirats am 8. Februar nicht mehr das BMI, sondern der Kulturstaatsminister eingeladen ist? Dort arbeitet nämlich jetzt die besagte, vormals für das BMI tätige Ministerialrätin. Sie scheint die Zuständigkeit für die deutsche Amtssprache mitgenommen zu haben, was natürlich von der Sache her ein Unding wäre ...
Herrn Jansen, der ja ein Mann von Urteilsvermögen und Kenntnissen zu sein scheint, würde ich gern einmal fragen, welche Neuerungen er für gut hält und welche für überflüssig, weniger gelungen oder gar schlecht (eine möglichst alles erfassende Übersicht wäre interessant). Übrigens sieht man täglich in den Zeitungen, wie auch anderthalb Jahre nach der Umstellung und neuerdings sogar in verstärktem Maße die alten Schreibungen sich wieder durchsetzen. Heute zum Beispiel in den Nürnberger Nachrichten eine Handvoll sogar fett in der Überschrift, und dies wäre gleich mal so ein Fall: Kann man die Beseitigung eines Wortbildungsmusters per Dekret billigen? Und wenn nicht was ist von Linguisten zu halten, die so etwas unternehmen?
Zu Herrn Lachenmann: Eine Auswahl der alten Dudenschreibweisen zu treffen läuft auf eine eigene Reform hinaus. Wir hätten folglich die Optionen: weiter schreiben wie bisher, gemäßigte Reform durch Sichtung des Duden, amtliche Rechtschreibreform. Ich bin für die erste, weil ich glaube, daß wir keine Reform der Schreibweisen brauchen, sondern eine in echter Konkurrenz zu erarbeitende neue Darstellung der bisherigen Schreibweisen. Diese Schreibweisen sind grundsätzlich in Ordnung, sie sind leserfreundlich und für den Schreiblerner nicht unzumutbar schwer (wenn man sie richtig erfaßt und darstellt wir arbeiten dran, und noch nicht lange!). Eine Reform, auch eine noch kleinere, hätte unabsehbare Folgen und Kosten (materieller und geistiger Art). Der Gewinn wäre umstritten und auf jeden Fall höchst zweifelhaft. Wer kann sich anmaßen, es besser regeln zu können, als die Sprachgemeinschaft es in Hunderten von Jahren geregelt hat?
Theodor Ickler Ringstr. 46, D-91080 Spardorf
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