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Wolfgang Wrase
26.01.2001 23.00
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Sprache ist demokratisch

Es ist in der Tat merkwürdig, daß der Oberdemokrat Manfred Riebe zwar gegen den politischen Oktroy der Rechtschreibreform agitiert, aber zugleich fordert, der Maßstab für richtiges Schreiben müsse für jeden einzelnen Fall eindeutig im Lexikon festgehalten werden (wobei er unter anderem den Hinweis ignoriert, daß eine derart totregulierte Rechtschreibung sich nicht weiterentwickeln könnte, wenn sie überhaupt wirksam sein soll). Da hat er nichts dagegen, daß die Schreiber zu Nachschlageautomaten degradiert werden, wenn sie nicht ständig „Fehler“ machen wollen. Im Gegenteil, alles andere seien „Verunsicherungen“, und Profesor Icklers empirischer Ansatz werde als „Dogma der Liberalität“ den hilflosen Schreibern aufgenötigt, die doch die ganze Zeit Wörterbücher wälzen wollen, um als Sprachgemeinschaft eine lupenreine Einheitsschreibung zustande zu bringen ... Ich finde es überhaupt befremdlich, daß Herr Riebe hier ohne weiteres Reflektieren der zahlreichen Antworten zum x-ten Mal auftritt, als habe er Professor Ickler die Grundzüge der Rechtschreibung und der Wörterbucharbeit beizubringen.



Wolfgang Wrase
München

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Theodor Ickler
26.01.2001 23.00
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Kleinigkeiten

Statt forsch zu behaupten, bei „hinüber zu retten“ und „heraus zu treten“ sei dei Getrenntschreibung „unmöglich“, sollte man sich erst einmal kundig machen. Diese sogenannten Doppelpartikelverben werden zwar heute ganz überwiegend zusammengeschrieben, aber die Getrenntschreibung ist keineswegs unmöglich. Schon deshalb nicht, weil diese Verbzusätze zu veritablen Verbzusatz-Phrasen ausgebaut werden können; ich habe das schon vor Jahren ganz unabhängig von der Rechtschreibreform untersucht und war deshalb ziemlich gefeit gegen die Versuchung, allzu großzügig mit dem Verdikt „unmöglich“ um mich zu schmeißen. Etwas davon ist sogar in mein Regelwerk eingegangen (§ 8, Anm.).
Also: Wir finden in Zeitungen mit erweitertem Zusatz „will mit dem Zug ins hinüber mittelfränkische Hersbruck fahren“, ohne Erweiterung „das Stadteilcafé über das Jahr 1997 hinüber zu retten“, „in die neue Zeit hinüber retten“, „in das neue Jahrtausend hinüber retten“ (usw., gerade mit „retten“ ziemlich oft!). Was soll daran verkehrt sein?
Wir lesen: „endlich aus ihren Schützengräben heraus zu kommen“, Friede Springer ist „aus dem Schatten ihres Mannes heraus getreten“ usw. usf.

So ist die Sprachwirklichkeit, die doch nicht „unmöglich“ sein kann.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Theodor Ickler
26.01.2001 23.00
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Korrektur

Es muß natürlich heißen „hinüber ins mittelfränkische Hersbruck“.



Th. I.
Spardorf

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Gast
26.01.2001 23.00
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wohl + Verb nach Duden nicht zusammen?

Professor Ickler schrieb am 27.01.01:

Mal ehrlich: Wer hat schon gewußt, daß der Duden keinerlei Zusammenschreibung von „wohl“ mit Verben zuließ? (Die Neuregelung natürlich erst recht nicht!) Wir hatten also auch ‚wohl gefühlt‘, aber ‚wohlversorgt‘ usw. – ziemlich weltfremd.

Das ist nicht korrekt. Im Wörterverzeichnis der 20. Auflage sind 3 Kombinationen von ‚wohl‘ + Verb aufgeführt: ‚Wohl sein‘, ‚wohltun‘ und ‚wohlwollen‘. Kombinationen mit ‚wohl‘ in der Bedeutung „wahrscheinlich“ sind Wortgruppen und werden im Duden, wie in der Neuregelung, nur zur Abgrenzung gegenüber der Zusammensetzung bzw. Zusammenschreibung – ich lasse die Differenzierung mal außen vor – aufgeführt (Duden: ‚wohl (wahrscheinlich) tun‘ und ‚wohl (wahrscheinlich) wollen‘ ). Wieso aber wurde dann ‚wohl sein‘ nicht ebenfalls zusammengeschrieben? Unter R 205 steht doch: „Verbindungen mit ‚sein‘ [...] schreibt man nur im Infinitiv und Partizip zusammen“. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es lediglich daran lag, dass in ‚wohl sein‘ das ‚wohl‘ nicht im Sinne von „wahrscheinlich“ missverstanden werden kann („Das wird wohl so sein“ oder „das wird er wohl sein“). Ich habe nun den Verdacht, dass R 205 oft nur dann zum Tragen kam, wenn ein Wortpaar wir ‚wohltun‘ und ‚wohl tun‘ bestand und zudem ein potenzielles Missverständnis vorlag. Betrachtet man es ohne einen typischen Kontext, ist aber im Prinzip ‚wohl sein‘ und ‚wohlsein‘ genauso ein Wortpaar. Im Moment erscheint mir diese Festlegung willkürlich. Ich kann im Moment auch die Regel nicht finden, dass bei Erweiterung und Steigerung getrennt geschrieben wird („Das wird dir sehr wohl tun“). War es nicht so? Aber wo steht das? Wer kann mir weiterhelfen?



Michael Jansen (nicht Janssen)

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Manfred Riebe
26.01.2001 23.00
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Orthographie vermeidet Interferenzen

Wie will man Schreibfehler vermeiden und eine eindeutige einheitliche Schreibung erreichen?

1. Soll man neue formale Regeln für die Getrennt- und/oder Zusammenschreibung erfinden wie die Reformer mit ihrer Rechtschreibreform? Diese Lösung wurde verworfen, weil die Sprache dadurch in ein Korsett sprachwidriger künstlicher Regeln gezwängt wurde, wodurch außerdem mehr Fehler entstanden sind.

2. Soll man wie der Duden bis zur 20. Auflage anhand des Schreibgebrauchs, der Betonung und Bedeutung sprachlich richtige, eindeutige und einheitliche Einzelwortschreibungen als Getrennt- und/oder Zusammenschreibung festlegen und dabei zugleich einige Ungereimtheiten des Duden auskämmen?

3. Oder soll man wie Theodor Ickler bei einem Teil der Zeitwörter und Eigenschaftswörter weite Entscheidungsfelder für Doppelformen bzw. Fakultativschreibungen offenlassen? Das erinnert mich an Icklers Beurteilung der Reformer: „E 4 – eine der zahlreichen Beliebigkeitsklauseln – gibt (...) den nicht besonders geistreichen Rat: Wenn man nicht weiß, ob man Adjektiv und Verb getrennt oder zusammenschreiben soll, kann man sie getrennt oder zusammenschreiben.“ (Ickler: Die sogenannte Rechtschreibreform. Ein Schildbürgerstreich, 1. Auflage, 1997, S. 67). Wenn die unterschiedliche Betonung und Bedeutung bei der Getrennt- und/oder Zusammenschreibung nicht klar durch die unterschiedliche Schreibweise unterschieden werden, kommt es durch die Schriftbildähnlichkeit noch stärker zu Interferenzen, d.h. zu Verwechslungen (Wolfgang Müller: Leicht verwechselbare Wörter, Mannheim: Dudenverlag, 1973, S. 12 ff.), die durch die Fakultativschreibung noch gefördert, anstatt abgebaut werden. Das ist ein erheblicher Störfaktor beim Lernprozeß und beim Lesen. Ickler: „Die Orientierung an den Bedürfnissen des Lesers ist der Schlüssel zum Verständnis der Rechtschreibung und zur Beurteilung der Rechtschreibeform. (...) Fallen die Betonungen gleich beim ersten Lesen auf die richtigen Stellen?“ (Ickler: Rechtschreibreform auf dem Prüfstand, Pullach, März 1997, S. 24). Außerdem will man in einem Volkswörterbuch sofort die richtige Schreibweise eines Wortes finden. Doch die Fakultativschreibung führt zu einer gewissen Stärkung der Getrenntschreibung der Reformer. So kann sich auch jeder Lehrer für die Getrennt- oder für die Zusammenschreibung entscheiden. Was bei dem einen Lehrer richtig ist, ist bei dem anderen ein Fehler und umgekehrt. Das verunsichert die Schüler. Hier bleibt die Bedeutungs- und damit Leserfeindlicheit der Rechtschreibreform erhalten. Ickler: „In Wirklichkeit steht hinter diesen Varianten nur die Unfähigkeit der Reformer, eindeutige Unterscheidungskriterien herauszufinden. Beliebigkeit schafft neuen Regelungsbedarf bei den Sprachteilhabern selbst. Auf diesem Wege als Antwort auf Hunderttausende von Anfragen, sind ja die unendlich verfeinerten Festsetzungen der alten Dudenorthographie zustande gekommen. So wird es auch diesmal geschehen. (...) Die Zulassung von Varianten wird auch als Erleichterung für den Schreiblerner dargestellt. Das ist jedoch ein Irrtum, denn man kann unmöglich wissen, in welchen Bereichen es Varianten gibt und in welchen nicht. Dadurch erhöht sich der Lernaufwand, statt sich zu verringern.“ (Ickler: Die sogenannte Rechtschreibreform. Ein Schildbürgerstreich, 1. Auflage, 1997, S. 129). „Diese kulturfeindliche Vernichtung von spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten der Schriftsprache wird unter dem irreführenden Etikett einer liberalen Deregulierung verkauft.“ (Ickler: Rechtschreibreform auf dem Prüfstand, S. 51)

Empirische Feststellung des Schreibgebrauchs

Eine zuverlässige empirische Basis ist sicherlich die Sprachkartei der Duden-Redaktion, möglicherweise auch des IDS oder der GfdS. Texte von Nachrichtenagenturen und Zeitungen sind dagegen eine unzuverlässige Grundlage, a) weil unsere Schul- und Hochschulabgänger bekanntlich in vielen Fällen Rechtschreibkenntnisse haben, die nicht einmal mehr den einfacheren berufsspezifischen Anforderungen genügen, b) weil Zeitungstexte unter Zeitdruck schnell zusammengeschrieben werden müssen, c) weil bei vielen Zeitungen Korrektoren aus Kostengründen abgebaut bzw. eingespart wurden und d) Journalisten sich immer mehr auf Rechtschreibprogramme verlassen. Der Computer übt einen negativen Einfluß auf die Schreibweise der Journalisten aus. Ein Beispiel: Man schreibt z.B. „genausogut“ und „zugrundelegen“, aber das Rechtschreibprogramm unterringelt die Wörter rot. Man trennt die Wörter, und der Computer ist zufrieden, d.h. die rote Fehleranzeige verschwindet. Dadurch entsteht durch das Rechtschreibprogramm entgegen dem Univerbierungsprozeß ein willkürlicher Trend zur Getrenntschreibung. Die Rechtschreibprogramme sind gerade in den wichtigen Bereichen unzuverlässig. Der Einfluß der Rechtschreibprogramme als „Kommissar Zufall“ ist ein wesentlicher Faktor bei der Beurteilung der Zeitungstexte. Rechtschreibprogramme fördern die Beliebigkeit der Schreibweisen in den Zeitungen.

Da die Presseorthographie Mängel hat, könnte man versuchen, die Sprachkartei der Duden-Redaktion, des IDS oder der GfdS für wissenschaftliche Zwecke zu benützen. Da die letzteren staatlich gefördert werden, müßte dies eigentlich genauso möglich sein, wie z.B. auch die Benützung des Bundesarchivs möglich ist.
Falls dies verhindert werden sollte, könnte man an folgenden Test denken, um festzustellen, ob und in welchen Fällen die Duden-Schreibung bei der Getrennt- und Zusammenschreibung (GZS) überhaupt zweifelhaft ist. Ich bin der Meinung, daß zumindest in den von mir bisher genannten Beispielen der Fakultativschreibung in der übertragenen Bedeutung nicht ein einziger versierter Schreiber die Getrenntschreibung anwenden würde, es sei denn ausnahmsweise versehentlich (Ich erinnere diesbezüglich an die Diktate für Kultusminister und Reformer in den Medien):

1. Bestandsaufnahme von einigen Zweifelsfällen der Getrennt- und Zusammenschreibung in verschiedenen Wörterbüchern.
2. Dann Probelauf einer repräsentativen Stichprobe unter 50 – 100 schriftgewandten erfahrenen Schreibberuflern (z.B. „gestandene“ Schriftsteller, Lehrer, Germanisten, Sprachwissenschaftler, Buchdrucker, Schriftsetzer, Übersetzer, Lektoren, ab dem 40. Lebensjahr) per E-Mail mit einer Auswahl von nur 20 Zweifelsfällen der GZS als Lückentext, um eine qualitativ gute Rechtschreibung zu erhalten (Auflage, nicht nachzuschlagen).
3. Je nach Ergebnis könnte darauf aufbauend eine größere repräsentative Umfrage folgen.



Manfred Riebe
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg

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Theodor Ickler
26.01.2001 23.00
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Pardon

Lieber Herr Jansen,
Sie haben natürlich recht, ich hatte in der Eile „wohltun“ und „wohlwollen“ übersehen (obwohl ich gerade dies anderswo schon mal kommentiert hatte). Um so schlimmer ist das Ganze natürlich – denn welchen Grund sollte es für die Ungleichbehandlung geben, und wer hat das überhaupt gewußt? Das Durcheinander bei „wohl“ setzt sich in neuester Zeit fort, und das ist doch sehr bezeichnend. Ebenso bei „übelnehmen“ usw.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Theodor Ickler
26.01.2001 23.00
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Illusionen

Herr Riebe hat noch einmal exemplarisch dargestellt, welche Illusionen er sich macht.
(Die Zitate von mir sind aus dem Zusammenhang gerissen, ich gehe darauf nicht mehr ein. Daß ich keine Varianten ersinne, sondern vorhandene abbilde, habe ich schon so oft gesagt, daß ich wohl erwarten darf, daß Herr Riebe wenigstens mit einem Wort darauf eingeht. Aber er wiederholt gebetsmühlenhaft sein altes Argument. Ich bin versucht, die deutlichere Sprache Wolfgang Wrases zu benutzen.)

Die Sprachkartei des Duden ist nicht zugänglich. Das Korpus des IDS kann Herr Riebe sofort online benutzen; er sei dazu ausdrücklich ermuntert. Auch die GfdS-Kartei ist zugänglich.
Meine Vorliebe für Zeitungsjahrgänge beruht nicht nur auf deren leichter Zugänglichkeit, sondern vor allem, wie schon oft gesagt, auf ihrer Repräsentativität und Bedeutung für das allgemein Sprachbewußtsein. Riebes abwertende Bemerkungen sind ein altes Klischee und beruhen auf Unkenntnis. Journalisten sind die geübtesten Schreiber überhaupt, sie haben in der Regel keinen stilistischen Ehrgeiz, neigen daher zu schnörkelloser Sachprosa, der einzigen Textsorte also, für die ein orthographisches Wörterbuch überhaupt in Frage kommt. Gelegentliche Ausrutscher verschwinden nach dem Gesetz der großen Zahl. Ich habe natürlich auch CDs mit Literatur und kann vergleichen. Aber wer nicht selbst mit Korpora gearbeitet hat – und Herr Riebe scheint es nie versucht zu haben, obwohl es ein Kinderspiel wäre, damit anzufangen – der wird das nie verstehen und sollte hier nicht mitreden.
Riebes Abneigung gegen Journalisten geht so weit, daß unter seinen „schriftgewandten erfahrenen Schreibberuflern“ kein vorkommen, das ist absurd.

Statt Experimente zu ersinnen, sollte man sie durchführen.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Wolfgang Wrase
26.01.2001 23.00
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Weiter so, Herr Riebe!

... Soll man wie der Duden bis zur 20. Auflage anhand des Schreibgebrauchs, der Betonung und Bedeutung sprachlich richtige, eindeutige und einheitliche Einzelwortschreibungen als Getrennt- und/oder Zusammenschreibung festlegen und dabei zugleich einige Ungereimtheiten des Duden auskämmen? ...

Das Auskämmen hat Professor Ickler vorgenommen. (Es waren nicht nur „einige“, sondern unzählige Ungereimtheiten. Weitere „Festlegungen“ sind nicht sprachgerecht; es gibt bei weitem nicht nur die Kriterien Betonung und Bedeutung, sondern auch verschiedenste Fälle der Syntax, der Erweiterung usw. Es sind nur noch „Empfehlungen“ möglich, die allerdings die Übersichtlichkeit im Wörterverzeichnis erheblich herabsetzen und den Lernaufwand dramatisch erhöhen würden. Außerdem ergeben sich zwar nicht auf Regelebene viel mehr Fehler (das wäre bei weiteren „Festlegungen“ der Fall), aber auf Empfehlungsebene viel mehr Verstöße gegen die Empfehleungen und darüber hinaus um so mehr Inkonsequenzen, je mehr Empfehlungen man einbaut. Also stellt sich die Frage: Wieso so kompliziert, wenn es auch einfacher geht? Aber ich sagte ja schon: Wer es unbedingt kompliziert haben will, für den ließen sich grundsätzlich noch alle möglichen Empfehlungen und Differenzierungshinweise angeben.     

... Oder soll man wie Theodor Ickler bei einem Teil der Zeitwörter und Eigenschaftswörter weite Entscheidungsfelder für Doppelformen bzw. Fakultativschreibungen offenlassen? Das erinnert mich an Icklers Beurteilung der Reformer: „E 4 – eine der zahlreichen Beliebigkeitsklauseln – gibt (...) den nicht besonders geistreichen Rat: Wenn man nicht weiß, ob man Adjektiv und Verb getrennt oder zusammenschreiben soll, kann man sie getrennt oder zusammenschreiben.“ ...

Zunächst einmal ist eine solche Beliebigkeitsklausel merkwürdig in einem autoritären, ja gesetzesartigen Text, der inhaltlich zum Ziel hat, (um jeden Preis) möglichst alles zu regeln, um alle Zweifelsfälle auszuräumen. Anders ist das in einem von vornherein liberal gefaßten und außerdem gar nicht an Normen, sondern an der Empirie orientierten Katalog der möglichen (= richtigen) Schreibweisen, wie sie in Wirklichkeit auch auftreten. Der Bogen steht als ökonomisches Darstellungselement im Wörterverzeichnis und verhindert keineswegs eine detaillierte didaktische oder stilistische Kommentierung.

... Wenn die unterschiedliche Betonung und Bedeutung bei der Getrennt- und/oder Zusammenschreibung nicht klar durch die unterschiedliche Schreibweise unterschieden werden, kommt es durch die Schriftbildähnlichkeit noch stärker zu Interferenzen, d.h. zu Verwechslungen (Wolfgang Müller: Leicht verwechselbare Wörter, Mannheim: Dudenverlag, 1973, S. 12 ff. ...

Der Bogen bedeutet nur, daß beides möglich ist. Er ist eine ökonomische Darstellungsform. Wenn man bei jedem Stichwort eine differenzierte, grammatisch erschöpfende und immer noch empirisch gestützte, hoher Stilistik gerechte Bedienungsanleitung einbauen würde, bräuchte man eine jahrelang tätige vielköpfige Redaktion und hätte nachher ein „Wörterverzeichnis“, das zwei Kilo wiegt. Sie können sich als Pensionär ja mal an die Arbeit machen, Herr Riebe, anstatt immer nur zu sagen, daß die Arbeit von Professor Ickler verirrt sei. Dieser hat zu Recht gesagt, daß eine solche Ausdifferenzierung in eine didaktische Aufbereitung gehört und nicht vertausendfacht, in verfälschend verkürzter Form, ins Wörterverzeichnis. „Nur“ Betonung und/oder Bedeutung, so einfach ist es eben nicht. (Man hat den Eindruck, daß keine Antwort von Professor Ickler bei Ihnen hängenbleibt, sondern daß Sie nur nach irgendwelchen Zitatfetzen suchen, die Ihrem Programm „Alternativen sind vom Teufel“ zu entsprechen scheinen.   

... Außerdem will man in einem Volkswörterbuch sofort die richtige Schreibweise eines Wortes finden ...

Stimmt schon, daß man das will. Aber das geht eben dort nicht, wo es verschiedene Möglichkeiten gibt, dort findet man sinnvollerweise mehrere richtige Schreibweisen. Sonst würde das Wörterbuch die Wirklichkeit verfälscht abbilden. Haben Sie das eigentlich begriffen?

... Doch die Fakultativschreibung führt zu einer gewissen Stärkung der Getrenntschreibung der Reformer. So kann sich auch jeder Lehrer für die Getrennt- oder für die Zusammenschreibung entscheiden. Was bei dem einen Lehrer richtig ist, ist bei dem anderen ein Fehler und umgekehrt ...

Fakultativschreibung bedeutet, daß es zwei Möglichkeiten gibt. Mag sein, daß es noch mehr Lehrer gibt wie Sie, die das einfach nicht begreifen können und unbedingt nur eine Möglichkeit gelten lassen wollen. Falls es nur solche Anwender gäbe, die sich nicht vorstellen können, daß es auch beim Schreiben verschiedene Möglichkeiten gibt, sollte Professor Ickler vielleicht seine Arbeit einstellen. Man muß sich einmal vorstellen, wieviel er zu tun hätte, wenn er jedem einzelnen Anwender ebenso oft wie Ihnen erklären würde, daß es viele Fälle gibt, wo man nicht von „falsch oder richtig“ reden kann, sondern nur von „mehr oder weniger üblich“ oder allenfalls von „besser oder schlechter“.   

... Hier bleibt die Bedeutungs- und damit Leserfeindlicheit der Rechtschreibreform erhalten. Ickler: „In Wirklichkeit steht hinter diesen Varianten nur die Unfähigkeit der Reformer, eindeutige Unterscheidungskriterien herauszufinden. Beliebigkeit schafft neuen Regelungsbedarf bei den Sprachteilhabern selbst. Auf diesem Wege als Antwort auf Hunderttausende von Anfragen, sind ja die unendlich verfeinerten Festsetzungen der alten Dudenorthographie zustande gekommen. So wird es auch diesmal geschehen ...

Herr Riebe, Sie haben vielleicht noch nicht bemerkt, daß die Reformer zahllose Varianten eingeführt haben, die niemand wollte und niemand braucht. Anders die von Professor Ickler empirisch erfaßten Varianten, die es tatsächlich gibt und bei denen Professor Ickler sich nicht wie die Reformer anmaßt, eine ihm gefällige Auswahl zu betreiben. Was die Differenzierung betrifft, siehe oben.

... Die Zulassung von Varianten wird auch als Erleichterung für den Schreiblerner dargestellt. Das ist jedoch ein Irrtum, denn man kann unmöglich wissen, in welchen Bereichen es Varianten gibt und in welchen nicht. Dadurch erhöht sich der Lernaufwand, statt sich zu verringern.“ (Ickler: Die sogenannte Rechtschreibreform. Ein Schildbürgerstreich, 1. Auflage, 1997, S. 129). „Diese kulturfeindliche Vernichtung von spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten der Schriftsprache wird unter dem irreführenden Etikett einer liberalen Deregulierung verkauft.“ (Ickler: Rechtschreibreform auf dem Prüfstand, S. 51) ...

Es ist vielleicht neu für Sie, Herr Riebe, daß man im Gegensatz zu dem Variantenchaos der Reform sich bei dem Wörterbuch von Professor Ickler leicht merken kann, wo es Varianten gibt und wo nicht. Von den Verbzusätzen sind nur die in § 9 obligatorisch zusammenzuschreiben, das heißt im wesentlichen die mit Präpositionen gleichlautenden Verbzusätze. Grundsätzlich sind die Hinweise in § 8 zu beachten, der Rest ist dann fakultativ. Das ist etwas anderes als bei der Reform, sonst wäre sie nicht schwer. Im übrigen vernichtet Professor Ickler nicht wie die Reformer Ausdrucksmöglichkeiten (z. B. die Zusammenschreibung von auseinanderentwickeln), sondern schützt sie, indem er das Vorkommende, Verwendete, offenbar Gewollte festhält und zuläßt, ohne die Verwendung in komplizierter und einengender Weise gesetzesartig vorzuschreiben.

Wissen Sie, Herr Riebe, wenn Sie so überzeugt davon sind, daß Herr Ickler kein gutes Wörterbuch gemacht hat, wieso machen Sie nicht selbst eines? Vielleicht haben Sie sich ja inzwischen entschieden, wie Sie „sich satt_sehen“ schreiben wollen: zusammen, wie Sie es zuerst mit allem Nachdruck gefordert haben, oder getrennt, weil das so in irgendwelchen Lexika steht und weil Sie das „ganz einfach“ finden, wie ebenfalls mehrfach bezeugt. Wir kennen Ihre derzeitige Meinung nicht (vielleicht wollen Sie uns aufklären?), aber vielleicht haben Sie sich ja entschieden, und dann haben Sie schon mal ein Stichwort geregelt! Dann müssen Sie sich nur noch ein paar tausendmal entscheiden, und dann haben Sie schon Ihr eindeutiges Lexikon, das die Arbeit von Professor Ickler als Machwerk eines Anfängers entlarven wird.



Wolfgang Wrase
München

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Wolfgang Wrase
26.01.2001 23.00
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übrigens

habe ich meinen Kommentar zeitgleich mit dem von Professor Ickler geschrieben; ich kannte diesen beim Schreiben nicht.



Wolfgang Wrase
München

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Theodor Ickler
26.01.2001 23.00
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Eindeutigkeit

In der Sache hat Herr Wrase recht: Herr Riebe schätzt die „Eindeutigkeit“, wie er sie versteht, höher als die sprachliche Angemessenheit, und darin gleicht er den Reformern, die ja vielfach bekundet haben, die Hauptsache seien ihnen „eindeutige“ Entscheidungen, mögen sie auch sprachlich so unbegründet sein wie die Vorschrift bei -einander, -ig usw. Auch Herr Riebe ist nicht bereit, Übergangsbereiche als objektive Tatsachen der Sprache selbst anzuerkennen, er will Grenzen ziehen, wo keine sind – um der Schüler willen. In der Tat sind viele Fehler der Reform darauf zurückzuführen, daß überwiegend Schuldidaktiker am Werk waren, die genau zu wissen glauben, was für die Schüler gut ist. Diese Haltung führt zwangsläufig zu einer dogmatischen Herangehensweise; der Natur der Sprache wird sie nicht gerecht. Der Preis dieses scheinbar schülerfreundlichen Irrtums sind unwahrscheinliche Gedächtnisbelastungen – oder eben unendlicher Nachschlagebedarf, wie ich ein paar Nummern weiter unten gezeigt habe.
Der Vorzug meines Ansatzes ist demgegenüber, daß ich sowohl der Sprache gerecht werde und die bisherigen Schreibweisen anerkenne als auch gleichzeitig (natürlich!) für die Schreibenden eine ganz beträchtliche Erleichterung biete, weil die bisherige Schreibung eben, wenn man sich richtig und ohne dogmatische Versteifung auf den Eindeutigkeitswahn darstellt, viel einfacher zu beherrschen ist, als man gemeinhin glaubte.

(Ich bitte die Tippfehler in den folgenden Beiträgen zu entschuldigen.)



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Wolfgang Wrase
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Wolfgang Wrase
München

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Theodor Ickler
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Statt forsch zu behaupten, bei „hinüber zu retten“ und „heraus zu treten“ sei dei Getrenntschreibung „unmöglich“, sollte man sich erst einmal kundig machen. Diese sogenannten Doppelpartikelverben werden zwar heute ganz überwiegend zusammengeschrieben, aber die Getrenntschreibung ist keineswegs unmöglich. Schon deshalb nicht, weil diese Verbzusätze zu veritablen Verbzusatz-Phrasen ausgebaut werden können; ich habe das schon vor Jahren ganz unabhängig von der Rechtschreibreform untersucht und war deshalb ziemlich gefeit gegen die Versuchung, allzu großzügig mit dem Verdikt „unmöglich“ um mich zu schmeißen. Etwas davon ist sogar in mein Regelwerk eingegangen (§ 8, Anm.).
Also: Wir finden in Zeitungen mit erweitertem Zusatz „will mit dem Zug ins hinüber mittelfränkische Hersbruck fahren“, ohne Erweiterung „das Stadteilcafé über das Jahr 1997 hinüber zu retten“, „in die neue Zeit hinüber retten“, „in das neue Jahrtausend hinüber retten“ (usw., gerade mit „retten“ ziemlich oft!). Was soll daran verkehrt sein?
Wir lesen: „endlich aus ihren Schützengräben heraus zu kommen“, Friede Springer ist „aus dem Schatten ihres Mannes heraus getreten“ usw. usf.

So ist die Sprachwirklichkeit, die doch nicht „unmöglich“ sein kann.



Theodor Ickler
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Theodor Ickler
26.01.2001 23.00
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Es muß natürlich heißen „hinüber ins mittelfränkische Hersbruck“.



Th. I.
Spardorf

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Gast
26.01.2001 23.00
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wohl + Verb nach Duden nicht zusammen?

Professor Ickler schrieb am 27.01.01:

Mal ehrlich: Wer hat schon gewußt, daß der Duden keinerlei Zusammenschreibung von „wohl“ mit Verben zuließ? (Die Neuregelung natürlich erst recht nicht!) Wir hatten also auch ‚wohl gefühlt‘, aber ‚wohlversorgt‘ usw. – ziemlich weltfremd.

Das ist nicht korrekt. Im Wörterverzeichnis der 20. Auflage sind 3 Kombinationen von ‚wohl‘ + Verb aufgeführt: ‚Wohl sein‘, ‚wohltun‘ und ‚wohlwollen‘. Kombinationen mit ‚wohl‘ in der Bedeutung „wahrscheinlich“ sind Wortgruppen und werden im Duden, wie in der Neuregelung, nur zur Abgrenzung gegenüber der Zusammensetzung bzw. Zusammenschreibung – ich lasse die Differenzierung mal außen vor – aufgeführt (Duden: ‚wohl (wahrscheinlich) tun‘ und ‚wohl (wahrscheinlich) wollen‘ ). Wieso aber wurde dann ‚wohl sein‘ nicht ebenfalls zusammengeschrieben? Unter R 205 steht doch: „Verbindungen mit ‚sein‘ [...] schreibt man nur im Infinitiv und Partizip zusammen“. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es lediglich daran lag, dass in ‚wohl sein‘ das ‚wohl‘ nicht im Sinne von „wahrscheinlich“ missverstanden werden kann („Das wird wohl so sein“ oder „das wird er wohl sein“). Ich habe nun den Verdacht, dass R 205 oft nur dann zum Tragen kam, wenn ein Wortpaar wir ‚wohltun‘ und ‚wohl tun‘ bestand und zudem ein potenzielles Missverständnis vorlag. Betrachtet man es ohne einen typischen Kontext, ist aber im Prinzip ‚wohl sein‘ und ‚wohlsein‘ genauso ein Wortpaar. Im Moment erscheint mir diese Festlegung willkürlich. Ich kann im Moment auch die Regel nicht finden, dass bei Erweiterung und Steigerung getrennt geschrieben wird („Das wird dir sehr wohl tun“). War es nicht so? Aber wo steht das? Wer kann mir weiterhelfen?



Michael Jansen (nicht Janssen)

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Manfred Riebe
26.01.2001 23.00
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Orthographie vermeidet Interferenzen

Wie will man Schreibfehler vermeiden und eine eindeutige einheitliche Schreibung erreichen?

1. Soll man neue formale Regeln für die Getrennt- und/oder Zusammenschreibung erfinden wie die Reformer mit ihrer Rechtschreibreform? Diese Lösung wurde verworfen, weil die Sprache dadurch in ein Korsett sprachwidriger künstlicher Regeln gezwängt wurde, wodurch außerdem mehr Fehler entstanden sind.

2. Soll man wie der Duden bis zur 20. Auflage anhand des Schreibgebrauchs, der Betonung und Bedeutung sprachlich richtige, eindeutige und einheitliche Einzelwortschreibungen als Getrennt- und/oder Zusammenschreibung festlegen und dabei zugleich einige Ungereimtheiten des Duden auskämmen?

3. Oder soll man wie Theodor Ickler bei einem Teil der Zeitwörter und Eigenschaftswörter weite Entscheidungsfelder für Doppelformen bzw. Fakultativschreibungen offenlassen? Das erinnert mich an Icklers Beurteilung der Reformer: „E 4 – eine der zahlreichen Beliebigkeitsklauseln – gibt (...) den nicht besonders geistreichen Rat: Wenn man nicht weiß, ob man Adjektiv und Verb getrennt oder zusammenschreiben soll, kann man sie getrennt oder zusammenschreiben.“ (Ickler: Die sogenannte Rechtschreibreform. Ein Schildbürgerstreich, 1. Auflage, 1997, S. 67). Wenn die unterschiedliche Betonung und Bedeutung bei der Getrennt- und/oder Zusammenschreibung nicht klar durch die unterschiedliche Schreibweise unterschieden werden, kommt es durch die Schriftbildähnlichkeit noch stärker zu Interferenzen, d.h. zu Verwechslungen (Wolfgang Müller: Leicht verwechselbare Wörter, Mannheim: Dudenverlag, 1973, S. 12 ff.), die durch die Fakultativschreibung noch gefördert, anstatt abgebaut werden. Das ist ein erheblicher Störfaktor beim Lernprozeß und beim Lesen. Ickler: „Die Orientierung an den Bedürfnissen des Lesers ist der Schlüssel zum Verständnis der Rechtschreibung und zur Beurteilung der Rechtschreibeform. (...) Fallen die Betonungen gleich beim ersten Lesen auf die richtigen Stellen?“ (Ickler: Rechtschreibreform auf dem Prüfstand, Pullach, März 1997, S. 24). Außerdem will man in einem Volkswörterbuch sofort die richtige Schreibweise eines Wortes finden. Doch die Fakultativschreibung führt zu einer gewissen Stärkung der Getrenntschreibung der Reformer. So kann sich auch jeder Lehrer für die Getrennt- oder für die Zusammenschreibung entscheiden. Was bei dem einen Lehrer richtig ist, ist bei dem anderen ein Fehler und umgekehrt. Das verunsichert die Schüler. Hier bleibt die Bedeutungs- und damit Leserfeindlicheit der Rechtschreibreform erhalten. Ickler: „In Wirklichkeit steht hinter diesen Varianten nur die Unfähigkeit der Reformer, eindeutige Unterscheidungskriterien herauszufinden. Beliebigkeit schafft neuen Regelungsbedarf bei den Sprachteilhabern selbst. Auf diesem Wege als Antwort auf Hunderttausende von Anfragen, sind ja die unendlich verfeinerten Festsetzungen der alten Dudenorthographie zustande gekommen. So wird es auch diesmal geschehen. (...) Die Zulassung von Varianten wird auch als Erleichterung für den Schreiblerner dargestellt. Das ist jedoch ein Irrtum, denn man kann unmöglich wissen, in welchen Bereichen es Varianten gibt und in welchen nicht. Dadurch erhöht sich der Lernaufwand, statt sich zu verringern.“ (Ickler: Die sogenannte Rechtschreibreform. Ein Schildbürgerstreich, 1. Auflage, 1997, S. 129). „Diese kulturfeindliche Vernichtung von spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten der Schriftsprache wird unter dem irreführenden Etikett einer liberalen Deregulierung verkauft.“ (Ickler: Rechtschreibreform auf dem Prüfstand, S. 51)

Empirische Feststellung des Schreibgebrauchs

Eine zuverlässige empirische Basis ist sicherlich die Sprachkartei der Duden-Redaktion, möglicherweise auch des IDS oder der GfdS. Texte von Nachrichtenagenturen und Zeitungen sind dagegen eine unzuverlässige Grundlage, a) weil unsere Schul- und Hochschulabgänger bekanntlich in vielen Fällen Rechtschreibkenntnisse haben, die nicht einmal mehr den einfacheren berufsspezifischen Anforderungen genügen, b) weil Zeitungstexte unter Zeitdruck schnell zusammengeschrieben werden müssen, c) weil bei vielen Zeitungen Korrektoren aus Kostengründen abgebaut bzw. eingespart wurden und d) Journalisten sich immer mehr auf Rechtschreibprogramme verlassen. Der Computer übt einen negativen Einfluß auf die Schreibweise der Journalisten aus. Ein Beispiel: Man schreibt z.B. „genausogut“ und „zugrundelegen“, aber das Rechtschreibprogramm unterringelt die Wörter rot. Man trennt die Wörter, und der Computer ist zufrieden, d.h. die rote Fehleranzeige verschwindet. Dadurch entsteht durch das Rechtschreibprogramm entgegen dem Univerbierungsprozeß ein willkürlicher Trend zur Getrenntschreibung. Die Rechtschreibprogramme sind gerade in den wichtigen Bereichen unzuverlässig. Der Einfluß der Rechtschreibprogramme als „Kommissar Zufall“ ist ein wesentlicher Faktor bei der Beurteilung der Zeitungstexte. Rechtschreibprogramme fördern die Beliebigkeit der Schreibweisen in den Zeitungen.

Da die Presseorthographie Mängel hat, könnte man versuchen, die Sprachkartei der Duden-Redaktion, des IDS oder der GfdS für wissenschaftliche Zwecke zu benützen. Da die letzteren staatlich gefördert werden, müßte dies eigentlich genauso möglich sein, wie z.B. auch die Benützung des Bundesarchivs möglich ist.
Falls dies verhindert werden sollte, könnte man an folgenden Test denken, um festzustellen, ob und in welchen Fällen die Duden-Schreibung bei der Getrennt- und Zusammenschreibung (GZS) überhaupt zweifelhaft ist. Ich bin der Meinung, daß zumindest in den von mir bisher genannten Beispielen der Fakultativschreibung in der übertragenen Bedeutung nicht ein einziger versierter Schreiber die Getrenntschreibung anwenden würde, es sei denn ausnahmsweise versehentlich (Ich erinnere diesbezüglich an die Diktate für Kultusminister und Reformer in den Medien):

1. Bestandsaufnahme von einigen Zweifelsfällen der Getrennt- und Zusammenschreibung in verschiedenen Wörterbüchern.
2. Dann Probelauf einer repräsentativen Stichprobe unter 50 – 100 schriftgewandten erfahrenen Schreibberuflern (z.B. „gestandene“ Schriftsteller, Lehrer, Germanisten, Sprachwissenschaftler, Buchdrucker, Schriftsetzer, Übersetzer, Lektoren, ab dem 40. Lebensjahr) per E-Mail mit einer Auswahl von nur 20 Zweifelsfällen der GZS als Lückentext, um eine qualitativ gute Rechtschreibung zu erhalten (Auflage, nicht nachzuschlagen).
3. Je nach Ergebnis könnte darauf aufbauend eine größere repräsentative Umfrage folgen.



Manfred Riebe
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