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Henning Upmeyer
31.01.2001 23.00
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Sprachlicher Humor durch die neue Getrenntschreibung:

Gemeint ist das Ergebnis der Handlung. – Verstanden wird aber die Ausführungsart. (Früher eindeutig unterschieden durch Zusammen- bzw. Getrenntschreibung.)
Er hätte sich besser gestellt. – Hat er etwas Verbotenes getan?
Er will das diesmal ganz bewußt machen. – Ist er manchmal geistesabwesend?
Er hat ihn blau gehauen. – War er betrunken?
Der neue Mitarbeiter hat sich aber fein gemacht. – Arbeitet er so gut?
Wir haben das Regal fertig bekommen. – Mußtet ihr es nicht selbst zusammenbauen?
Sie hat das Kleid fertig gebracht. – Hättet ihr es unfertig angenommen?
Er will den Kauf fix machen – Muß das so schnell gehen?
Er hat das Geld flüssig gemacht. – Macht er oft Falschgeld?
Er will die große Standuhr gerade stellen. – Geht sie falsch?
Er hat den Balken glatt gehobelt. – Hat er manchmal keine Lust dazu?
Er hat den Boden hart geklopft. – Hat er sich auch nicht überanstrengt?
Sie hat das Kind ganz knapp gehalten. – Ist sie so schwach bei Kräften?
Ich würde den Hund kurz halten. – Wäre er dir nicht zu schwer?
Er will jetzt kurz treten. – Ist er immer so grob?
Er will ihm die Haare kurz schneiden. – Geht das wirklich so schnell?
Das Haus ist leer stehend. – Fällt es um, wenn es voll ist?
Er könnte es ihm leicht machen. – Soll der das nicht selbst erledigen?
Sie haben sich naß gespritzt. – Sind sie drogenabhängig?
Er will die Sache öffentlich machen. – Braucht er Zuschauer?
Er hat den Fehler richti gestellt. – Hat er ihn auch ausgebessert?
Der Polizist hat ihn völlig ruhig gestellt. – Behält ein Polizist immer seine Ruhe?
Seine Frau hat den Tisch sauber gemacht. – Wo hat sie Tischlern gelernt?
Er hat alles nur schlecht gemacht. – Kann er nichts richtig erledigen?
Er kann ihm die Aufgabe schwer machen. – Muß der das nicht sowieso selbst erledigen?
Er will es sichtbar machen. – Sollen wir ihm bei der Arbeit zusehen?
Er will sie nicht sitze lassen. – Hat er nur einen einzigen Stuhl?
Die Schüler wollen nicht sitzen bleiben. – Warum stehen sie nicht einfach auf?
Er hat das nicht übel genommen. – Er ist also nicht daran gescheitert?
Der socken ist voll gestopft. – Ist der nicht gestern neu gekauft worden?
Er hat seine Familie wohl versorgt hinterlassen. – Weiß man nichts Genaueres?
Er hat ihn zufrieden gestellt. – Verliert er nie seine gute Laune?
Dort liegt eine Hand voll Geld. – Eine einzelne Hand? Wie schrecklich!
Und da liegt ein Arm voll Holz. – Ein einzelner Arm? Sind wir hier im Krieg?
Ich habe hier einen Mund voll Suppe. – Warum schluckst du sie nicht runter?
Alle meine Freunde sind jetzt flöten gegangen. – Sind sie so musikalisch?
Alle meine Bekannten sind vor Weihnachten stiften gegangen. – Freigebige Leute!
Die beiden Autos sind aufeinander gefahren. – Als Huckepack-Transport?
Wir haben heute frisch gebackene Eheleute und hart gesottene Geschäftsleute. – Neue Gerichte?
Er wird alles durcheinander bringen. – Warum bringt er es nicht in der richtigen Reihenfolge?
Ich werde jetzt alles hintereinander schalten. – Warum nicht alles gleichzeitig schalten?
Bist du auch privat vesichert? – Nein, nur dienstlich.
Hast du es gar gekocht? – Durfte ich das nicht?
Das ist nicht übel riechend. – Riecht es so gut?
Er hat seinen Vater besucht und alles beim Alten gelasse. – Was soll der mit dem ganzen Zeug?
„Es reicht fürs Erste“ sagte sie zu den Kindern. – Gingen die anderen leer aus?



Henning Upmeyer
Roseggerweg 10, 82140 Olching

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Gast
31.01.2001 23.00
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Die ursprüngliche Rektion von „trotz“ (= „Trotz“) ist noch in „trotzdem“ erkennbar. Anscheinend neigen wir dazu, bei den „neuen“ Präpositionen, die ja oft aus Substantiven entstanden sind („wegen“, „behufs“ usw.) den adnominalen Genitiv zu verallgemeinern.

Was den Dialekt und die Stilebene betrifft, so haben wohl die meisten Leute ein ziemlich treffendes Gefühl dafür, was allgemein üblich ist und was nicht, was man wo sagen kann oder schreiben muß usw. Ganz allgemein gilt, daß eine Rede keine Schreibe ist, aber im öffentlichen Vortrag redet man schon eher wie gedruckt als im Familiengespräch. Das alles hat seine Berechtigung. M. Wandruszka hat mal sehr schön gesagt: „Eine Sprache ist viele Sprachen.“

Der Duden hat, soviel ich weiß, keine inhaltlichen Direktiven von der KMK bekommen; nur daß er eben auch nicht zuviel ändern durfte. Aber das war immer eine Grauzone, an die nicht zu rühren wagte, wer davon profitierte.

Bei not, leid und weh tun könnte man vermuten, daß eine Neigung zur Zusammenschreibung sich auch deshalb ergab, weil in allen drei Fällen die Wortart verdunkelt ist. Ich selbst habe bei leid und weh noch nichts zu ändern gewagt, weil mich der Befund dazu nicht hinreichend ermunterte. Ich könnte aber mitgehen, wenn sich da ein Hang zur Zusammenschreibung ergäbe. Die Neuregelung ist völlig abwegig.

Dieter E. Zimmer ist eigentlich ein sehr kluger und gebildeter Mann, der viel von Sprache versteht. Bei der Rechtschreibreform stand er meines Wissens unter Einfluß (Wolfgang    Mentrup vom IDS). Er muß eigentlich viel klarer, als er es je gesagt hat, den Reformunsinn durchschauen. Meinen offenen Brief an ihn (anläßlich der ZEITschreibung) drucke ich demnächst in meinem Buch „Regelungsgewalt“ ab.




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Theodor Ickler
31.01.2001 23.00
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Ergänzung

Der folgende Beitrag ist natürlich von mir. Es gab da eine kleine Störung, und dann ist er ohne Beigaben auf die Reise gegangen.



Theodor Ickler
91080 Spardorf

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Wolfgang Wrase
31.01.2001 23.00
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nottun, nottut, nottat, nottäte?

Sehr geehrter Herr Professor Ickler,

ich habe zunächst die Frage, was „ungemein häufig“ eigentlich bedeutet. Mich würde auch interessieren, ob Sie nach „not“ oder „nott"/"not t“ suchen oder speziell nach dem Infinitiv (Sie teilten mir den Befund zu „sich satt_essen“ anhand der Belege für den Infinitiv mit!). Es ist doch so, daß der Infinitiv am ehesten zur Zusammenschreibung neigt, weniger die Partizipien, noch weniger personalisiserte Formen. „nottun“ wird also etwas häufiger sein als „nottat“; Sie lassen „zugrundeliegen“ zu, was ich auch für plausibel halte, vor allem bei einem folgenden weiteren Verb (was dem zugrundeliegen dürfte), aber kommt „zugrundelag“ oder „zugrundeläge“ ebenso nennenswert vor? Wir haben ja sogar den eindeutigen Befund bei „sein“, daß speziell die personalisierten Formen nicht zusammengeschrieben werden: da_sein, aber nicht „daist“, „dawar“ usw. Überschätze ich diesen Gesichtspunkt der Flexion, wenn ich ihn bei den Übergangsfällen grundsätzlich für wirksam halte?

Unabhängig davon ist der Eintrag „not_tun“ natürlich gerechtfertigt, wenn die Zusammenschreibung auch nur im Infinitiv tatsächlich häufig ist. Ich finde auch, daß „leid“ und „weh“ nicht in derselben Weise behandelt werden müssen, wenn die Verteilung bei diesen Fällen im Gegensatz zu „not“ noch nicht für eine Freigabe spricht. Jede Fügung wird (ein wenig) anders verstanden, ist eben mehr oder weniger häufig in einer bestimmten Form vorhanden. Ich sagte ja anläßlich „zusammen_“, daß ich es im Prinzip gut fände, wenn das Wörterverzeichnis möglichst selbständig den Wortschatz abbildet und nicht nur um der Systematik willen von den Regeln überformt werden sollte; die beiden Gesichtspunkte müssen natürlich abgewogen werden. Durch einen Hinweis auf die Verteilung („meist/überwiegend getrennt“) könnte man dieses Problem zur Zufriedenheit des Benutzers entschärfen.

Ein Grund für die relative Häufigkeit der Zusammenschreibung nur bei „nottun“ könnte sein, daß die beiden anderen, „weh“ und „leid“, viel eher als erweiterbar, also als „flexibler“ und „selbständiger“ empfunden werden: „sehr leid“ tun, „sehr weh“ tun, aber kaum „sehr not“ tun; „not“ erinnert zu stark an das Substantiv, als daß eine Graduierung mit „sehr“ oder ähnlichem als passend empfunden wird. Die relativ starke Prägung von „not“ durch den Eindruck des Substantivs „Not“ könnte überhaupt die Zusammenschreibung motivieren: Man erkennt, daß es sich nicht um das Substantiv handelt, aber ein kleines „not“ befremdet ein wenig, also wählt man gleich die Zusammenschreibung. Anders zum Beispiel bei leid, wo man auch „Ich bin es leid“ und „leider“ kennt, und bei weh, wo man „das Weh“ als Substantivierung empfindet, also mit der Kleinschreibung ebenfalls keine Probleme hat.   



Wolfgang Wrase
München

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anonymer Gast
31.01.2001 23.00
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Julian says the truth

I am convinced that Julian is perfectly right when he points out that German is almost a dead language. Our administration has to follow the fact that globalization cannot be halted by the old-fashioned attitudes of our citizens. We must be prepared for the future and face the necessity to accept English as the best language we can make use of for all kinds of communication. Julian proves to be the right man to shape the German culture in a realistic and promising way.

PS: Instead of taking part in debates on how detailed or concise a dictionary should be, we should rather seek solutions for the real problems in our nation. For instance, Mrs. Kühnast and I will soon introduce new measures designed to overcome the BSE crisis. Scientists have told us that the prions are inactivated if they are exposed to high pressure and temperature. Therefore, everybody should buy a pressure cooker and cook their beef in the pressure cooker for one hour under maximum pressure. I have my currywurst prepared like this, and it is a little soft after the treatment, but still tastes like before.



Gerhard Schroeder
Chancellor of the Federal Republic of Germany

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Gast
31.01.2001 23.00
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Hochdeutsch


Christian.Doerner@gmx.de schrieb am Donnerstag, den 01.02.2001

> Ich wähle zunächst ein anderes Beispiel. Von Kiel bis Konstanz wird unseren
> Schüler wieder und wieder eingebleut, „wegen“ + Dativ sei eine
> falsche Konstruktion. Nur hat dies nichts mit Dialekt zu tun,
> sondern liegt im ganzen deutschen Sprachraum, und nur darauf kommt
> es mir an, völlig auf der Linie der natürlichen Sprachentwicklung.
> Eine Konstruktion wie „wegen dem Krieg“ statt „wegen des Krieges“
> gehört längst zur hochdeutschen Sprache, auch wenn die
> Wörterbücher das verneinen.

.. und deswegen, mein lieber Freund und Kupferstecher, hat gefälligst auch jeder süddeutsche Ladeninhaber ein Schild in die Ladentür zu hängen:

„wegen Todesfalls geschlossen“

wenn ein solcher nun schon einmal vorliegt.

:-)



Martin Gerdes

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Gast
31.01.2001 23.00
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Groß und auseinander



thomas-paulwitz@deutsche-sprachwelt.de schrieb am 1.2.2001
ihm sei beim Quellenstudium aufgefallen, daß viele Autoren in den 20er und
30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts viel mehr auseinandergeschrieben hätte
als in der „Qualitätsrechtschreibung“ heutiger Tage.

Etwas spitz dankte ihm Walter Lachenmann für seine Entdeckung.

Herr Lachenmann,

in dem Buch Riegelmann „Über deutsche Sprache und Schrift“ wendet sich der Autor
unter anderem mit sehr deutlichen Worten gegen eine Rechtschreibreform.

Wenn man diesen Abschnitt heute in der Kenntnis real existierender
Rechtschreibreformen liest, stellt man verblüfft fest, wieviel Ähnlichkeiten doch
bei der Getrenntschreibung und der Großschreibung prädikativer Wendungen bestehen.



Martin Gerdes

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Theodor Ickler
31.01.2001 23.00
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Gute Frage

Lieber Herr Wrase,
wie immer eine interessante Frage. Natürlich haben Sie völlig recht mit dem Hinweis auf die Ungleichbehandlung von finiten und infiniten Verbformen, das sage ich ja auch immer. Im allgemeinen suche ich unter allen denkbaren Beugungsformen. Das „nottun“, „notgetan“ hatte ich gerade noch mal bei einem Schriftsteller getroffen und dann noch mal in die Online-Recherche hineingeschaut. Die Zusammenschreibung (für die unsere Freunde auf dieser Seite doch so heftig werben) ist in diesem Falle kaum aufzuhalten.
Interessant finde ich, was Sie über die Steigerung sagen. Hier muß man wohl ganz besonders damit rechnen, daß die Intensivierung sich nicht allein auf den Zusatz (das defektive Adjektiv) bezieht, sondern auf das gesamte Gefüge. Also nicht „sehr leid“ usw. (aber immerhin noch „wie leid hat er dir getan?“, „wie weh?“, ganz und gar nicht aber „wie not?“ – das spricht wieder für Sie – und natürlich für mein Wörterbuch). Diese Thema will ich demnächst untersuchen lassen. (Wann sind Verben überhaupt steigerbar? „Ich habe sehr gelacht“, aber nicht „Ich habe sehr gelesen“ – oder? Und warum nicht?)
Ihre weiteren Überlegungen sind wohl auch berechtigt, man müßte mal psychologisch rangehen.
Im übrigen werde ich mir wieder mal ein Stündchen nehmen, um den statistischen Befund zu „zugrundeliegen“ usw. festzustellen.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Christian Dörner
31.01.2001 23.00
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über infinite Formen und Stilebenen

Da ich der Meinung bin, daß man meine Beiträge ein wenig falsch verstanden hat, möchte ich dies hier noch mal richtigstellen. Mit der Aussage über die verschiedenen Stilebenen hat Herr Prof. Ickler zweifellos recht. Nur war ich der Auffassung, daß dies so selbstverständlich ist, daß ich diesen Aspekt weggelassen habe, denn jeder wechselt ständig die Stilebenen. Von der familiären Unterhaltung zu Hause und der privaten Unterhaltung mit einem Fremden über unzählige fließende Zwischenstufen bis hin zur offiziellen Rede, bei der man dann fast reines Schriftdeutsch verwendet. Nicht nur bezüglich der Aussprache, sondern auch stilistisch. Nur war mein Punkt folgender: Diese fließenden Übergänge exakt zu erfassen ist außerordentlich schwierig, da die meisten Leute hier zwar über ein sehr gutes Sprachgefühl verfügen, da hat Herr Prof. Ickler völlig recht, aber dies bei jedem ein wenig variiert. Als einziges und letztes Beispiel möchte ich die Bundestagsreden erwähnen. Normalerweise wird dort nur die schriftdeutsche Stilebene verwendet. Aber es gibt Abweichungen: „... wegen dem überaus knappen Etat mußten wir uns einschränken.“ Nach Zwischenrufen kommt sogar vor: „Sie sollten sich hier besser mit Äußerungen zurückhhalten, weil wir haben das schon immer gefordert.“ Besonders bei Betonungen ist die Hauptsatzstellung hier sehr häufig. Mehr ist zu diesem (eigentlich überhaupt nicht zentralen) Thema nicht zu sagen. Auch habe ich nicht behauptet, daß die Duden-Redaktion inhaltliche Direktive bekam, denn es sah viel mehr nach einer stillschweigenden Übereinkunft aus. Aber da sich die Duden-Redaktion hier wohl kaum in die Karten schauen läßt, wird dies wohl für immer ungewiß bleiben. Dieses Thema habe ich überhaupt nur deswegen erwähnt, da ich der Auffassung bin, daß man auch hier den natürlichen Entwicklungen vielleicht ein bißchen aufgeschlossener gegenüberstehen muß. Nur die Sprachgemeinschaft selbst kann letztendlich entscheiden, welche Wörter in welcher Stilebene gebräuchlich sind, und das hat sie ja in den meisten Fällen bereits getan. Wie befinden uns an dieser Stelle ebenfalls in einem Prozeß, der ständig in Bewegung ist.

Die interessante Geschichte mit den infiniten Verbformen ist mir zum erstenmal aufgefallen, als Herr Prof. Ickler das Wort „bestehenbleibt“ erwähnte, da es in einem Jahrgang der SZ nur getrennt vorkam. Anschließend ist mir aufgefallen, daß bei fast allen gebeugten Verben der Trend zur Zusammenschreibung abnimmt, auch wenn es dafür im Duden keine Grundlage gibt. Beispielsweise ist mir dies bei den Wörtern „aufrechterhalten“, aber „aufrecht erhält“, „liebhaben“, aber „lieb hat“ (insbesondere fast ausschließlich: „sehr lieb hat“), „klarkommen“, aber „klar kommt“, ja sogar bei „hinmüssen“, aber „hin muß“ aufgefallen. Besonders stark ist dies bei einem Hilfsverb als zweitem Bestandteil festzustellen. Ich erwähnte dies damals nicht, da ich es sprachlich nicht begründen konnte. Die einzige mögliche Erklärung, daß dies bei „sein“ und „werden“ ohnehin so gehandhabt wird, erschien mir etwas unzulänglich. Deswegen hielt ich mich lieber zurück. Aber möglicherweise steckt da doch etwas dahinter.

Warum Dieter E. Zimmer ein so nachdrücklicher Verfechter der Neuregelung ist, ist nur schwer nachvollziehbar. Zum einen hält er die Neuregelung dem „Beamtenstreich von 1901“ – so bezeichnete er die bisherige Rechtschreibung – für überlegen, zum anderen mußte er die Neuregelung „vorsichtig reparieren“, um den schlimmsten Unzulänglichkeiten auszuweichen, obwohl er ja mit der bisherigen Rechtschreibung völlig ohne solche „Reparaturen“ auskam. Die Duden-Regelung war zwar etwas streng, aber – das hat Herr Prof. Ickler ebenfalls zu Recht gesagt – man schrieb nie Unsinn, wenn man sich an die bisherige Duden-Norm hielt. Nie erhilt man grammatisch falsche Konstruktionen. Daß es jetzt anders ist, muß ich nicht nochmals erwähnen.



Christian Dörner
91058 Erlangen

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Manfred Riebe
31.01.2001 23.00
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Schönheit der Sprache und Sprachpflege

Die Sprache kann „ganz schön häßlich“ sein, wenn man sie nicht pflegt, sondern verwahrlosen läßt. Den Unterschied kann man schon erkennen, wenn man die Umgangssprache mit dem Hochdeutschen vergleicht.
Zwei Bewerber werden zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Einer trägt vor: „... wegen dem knappen Etat müssen die Ausgaben eingeschränkt werden. Solche Sparmaßnahmen sind nötig, weil ... ich muß annehmen, daß die Banken die Kreditlinie nicht erweitern werden.“
Der andere sagt: „... wegen des knappen Etats müssen die Ausgaben eingeschränkt werden. Solche Sparmaßnahmen sind nötig, weil man annehmen kann, daß die Banken die Kreditlinie nicht erweitern werden.“

Es ist klar, wer die Nase vorn hat. Wenn man von Sprachpflege spricht, meint man kaum die Umgangs- oder gar die Vulgärsprache, mit der niemand für sich werben kann. Schauspieler, Schriftsteller und auch andere Schreibberufler schleifen und polieren den Edelstein „Sprache“, bis er in unwiderstehlichem Glanz erstrahlt. Den Wert der eigenen Sprache erkennt man erst, wenn sich ihre Schönheit so entfalten kann, daß man auf sie als Kulturgut stolz sein kann.

Die Rechtschreibreformer haben u.a. so häßliche und ungrammatische Wortgebilde erfunden, daß einem die Schönheit der herkömmlichen deutschen Sprache wieder bewußter wird. Die Rechtschreibreformer sind aber nicht die einzigen Sprachsünder. Ich bemerke einen schlechten oder falschen Sprachgebrauch manchmal erst, wenn mich jemand darauf aufmerksam macht. Zur Spracherziehung gehört auch Selbsterziehung.



Manfred Riebe
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg

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Walter Lachenmann
31.01.2001 23.00
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über orthographisch-ideologische Fingerabdrücke

Lieber Herr Gerdes,
mein Dank an Herrn Thomas Paulwitz, den ich aus früheren Diskussionen schon ein bißchen kenne, galt nicht der Entdeckung, daß früher angeblich generell mehr auseinander geschrieben wurde als heute (das wissen wir schon von Herrn Professor Ickler), sondern seiner Präzisierung, daß dies sowohl bei Kommunisten als auch bei Nationalsozialisten der Fall gewesen sei. Darin liegt doch die eigentliche Sensation. (Wäre noch zu untersuchen, wie es Katholiken, Protestanten, Bibelforscher, Möbelschreiner und Juden gehalten haben.) Mit der Erkenntnis, daß es da praktisch keine Unterschiede gibt, schwindet ja auch die Illusion, es gebe so etwas wie einen orthographisch-ideologischen Fingerabdruck im geschriebenen Wort, im Grunde bricht ein ganzes Gedankengebäude in sich zusammen.

Herr Paulwitz belehrte mich nämlich bei unserer ersten Cyber-Begegnung auf der Internetseite, deren »Schriftleitung« in seinen Händen liegt, darüber, daß »hinter jeder Sprache eine andere Geisteshaltung« stehe. Präzisere Angaben zu diesen unterschiedlichen Geisteshaltungen kamen dann wegen einer Havarie im Diskussionsstrang leider nicht zustande. Nun stellt er selber fest, daß sich sowohl die Linken als auch die Rechten, deren Geisteshaltungen nach allem, was die Historiker bisher darüber verlauten ließen, sich durchaus extrem und unversöhnlich gegenüberstanden, sich nicht allein derselben Sprache, sondern auch derselben Gepflogenheiten hinsichtlich der hier so leidenschaftlich diskutierten »sogenannten GZS« bedienten. Nun könnte man daraus folgern, Kommunisten als auch Nationalsozialisten hätten im Grunde eben doch eine gleiche Geisteshaltung, wofür man in der Tat unter gewissen Gesichtspunkten einiges anführen könnte. Aber wo führt eine solche Diskussion hin? Welche Geisteshaltung steht hinter Herrn Professor Ickler, welche hinter Herrn Riebe, den beiden Exponenten einer hier wohl nie versiegenden Diskussion, der zu folgen immer spannender wird? Wo ist der Kommunist, wo der Nationalsozialist? Und wo das völkische Selbstbewußtsein, eine Hauptsorge des Herrn Thomas Paulwitz, das er einmal meinte bei mir vermissen zu müssen?

Kurz: Wie kann man ihm helfen, seine Magisterarbeit bei solchen gedanklichen Verfransungen nicht in den Sand zu setzen? Das sind die Gedanken, die mich hinsichtlich der Forschungsergebnisse von Herrn Paulwitz, eines eigentlich herzensguten, romantischen und nicht völlig unsensiblen jungen Mannes umtreiben.



Walter Lachenmann
Krottenthal 9, 83666 Waakirchen

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Gast
31.01.2001 23.00
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Schönheit der Sprache


Manfred Riebe schrieb:

> Die Sprache kann „ganz schön häßlich“ sein, wenn man sie nicht pflegt,
> sondern verwahrlosen läßt.

Das ist – wenn ich mich recht entsinne – Linie der Kultusministerkonferenz. Und der „Bundeskultusminister“ hat jüngst noch eins draufgesetzt.

> Den Unterschied kann man schon erkennen, wenn man die
> Umgangssprache mit dem Hochdeutschen vergleicht.
> Zwei Bewerber werden zu Vorstellungsgesprächen eingeladen.

Der eine verwendet „wegen“ mit Dativ – und bringt seinen Satz nicht zu Ende, weil der Personalchef angehörs dessen schon in Ohnmacht gefallen ist.

Ach ja.

Sprache und Schreibung sind höchst relativ, wie gerade uns hier deutlich vor Augen steht. Was noch vor wenigen Jahren als ehern festgelegt und richtig galt – auf das mancher doch so stolz gewesen – gilt nun als überholt im besten Fall, wenn nicht als „ungültig“.

Wenn ich im nachhinein auf eins verzichten könnte, was die Schule mir beigebogen hat, dann darauf, Dinge als schwarz oder weiß zu sehen, als richtig oder falsch. Denn die Kategorien des Lebens sind nicht starr, sondern flexibel. Die Lehrer haben mir mehr gegeben, die zwar ein Gerüst vermittelten, das Schillerwort aber nicht vergaßen, daß der Meister die Form zerbrechen dürfe. Es gab nicht viele davon.

Wer die Jandl’schen „lechts und rinks“, die man „nicht velwechsern“ kann, in Kategorien von „richtig“ oder „falsch“ fassen möchte, ist ein Kleinkrämer und verfehlt das Ziel.

Gern reagiere ich auf die neue deutsche Schreitschreibung (Hören Sie ihn hüpfen, den Perückenzopf?), in dem ich sie mit ihren eigenen Methoden karikiere und „hier zu Stadt“ schreibe, „hier zu Staate“ oder gar „hier zu Bunzreblik“. Im richtigen Umfeld bringt so etwas eher ein Pluspünktchen als ein Naserümpfen. Wortspiele sprechen eher für Sprachkompetenz denn dagegen.

Schon lange lebe ich in der Stadt der Standarddeutschen. Das sind Leute, die nicht nachlassen, einem ihre vermeintliche Sprachüberlegenheit aufs Butterbrot zu schmieren und in einem Atemzug „wohlmeinend“ auf die geistige Subillumination des Gesprächspartners verweisen. Mich hat das in den ersten Jahren sehr verletzt. In der Zwischenzeit stehe ich darüber, zumal ich schmunzelnd bemerken konnte, daß hier durchaus ein Regiolekt kultiviert wird, der einem allerdings im Brustton der Überzeugung als „reinstes Hochdeutsch“ angedient wird.

Nicht, daß ich wagen dürfte, mich mit ihm zu vergleichen:

Karl Valentin hat auch kein „richtiges“ Deutsch gekonnt.

:-)



Martin Gerdes

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Manfred Riebe
31.01.2001 23.00
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Häßliche, ungrammatische Wortgebilde - Sind die Fehler der Kultusminister die Regeln von morgen?

Herrn Martin Gerdes zum besseren Verständnis:
Die Rechtschreibreformer haben u.a. so häßliche und ungrammatische Wortgebilde erfunden, daß einem die Schönheit der herkömmlichen deutschen Sprache wieder bewußter wird.
„Einem“? Offenbar nicht jedem; denn in einer Sendung zum „Europäischen Jahr der Sprachen“ 2001 von Bayern Radio 2 „Babylon – Europa: Welche Zukunft hat die deutsche Sprache?“ am 25. Januar sagte z.B. die Geschäftsführerin der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) Karin Eichhoff-Cyrus wörtlich: „Die Fehler von heute sind die Regeln von morgen.“
Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) fördert die Rechtschreibreform. An ihrer Spitze steht das Mitglied der Zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission, Professor Rudolf Hoberg.



Manfred Riebe
Vorsitzender: Manfred Riebe, OStR, Dipl.-Kfm.

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Theodor Ickler
31.01.2001 23.00
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Sprachpflege

Der Begriff „Sprachpflege“ entbehrt nicht einer gewissen Komik. Sprache ist ja ein Verhalten, geprägt u. a. durch gesellschaftliche Konventionen. Was kann „Pflege“ da heißen? Eine Art „Benimm“? Wer wäre dazu befugt, den „Knigge“ zu verfassen? Ich meine, zunächst kann es nur darum gehen, daß jeder dieses sein eigenes Sprachverhalten so gut wie möglich einrichtet: zweckmäßig, unanstößig, verständlich, gefällig, schön ... (oder auch mal nicht, wenn’s drauf ankommt). Eine Frage des guten Geschmacks, aber auch des Eigennutzes, denn warum soll ich mich unverständlich ausdrücken, wenn Verständlichkeit vorteilhafter ist? (Oder auch mal umgekehrt; Sprache ist ja „vielverzwecklich“.)
Aber nun: Da gibt es einige, die wollen dem Sprecher nicht zugestehen, daß er ganz allein Souverän über diese seine Muttersprache ist. Nerius hat wieder und wieder gesagt und geschrieben, daß es die Aufgabe des Staates sei, über beauftragte Sprachwissenschaftler die Sprache in Ordnung zu halten. Er hat seine verdienstvolle Orthographieforschung, wie ich weiter unten schon zitierend belegt habe, von Anfang (1975) an unter das Motto gestellt, im Sinne der Prager „Sprachkultur“-Theorie die allmählich verfallende Funktionstüchtigkeit der Schriftsprache immer wieder aufzumöbeln. Darin trifft sich der SED-Professor mit dem rechten Professor Weisgerber, der in vielen Arbeiten, besonders aber in „Die Verantwortung für die Schrift“ (1964) verkündet hat, das Volk werde seiner Verantwortung für die eigene Sprache nicht gerecht und müsse daher zur Ordnung gerufen werden. Das ist die ideologische Grundlage der Zwangsbeglückung und des unendlichen Kleinkrieges der Reformer gegen das Sprachvolk.

Ich will damit sagen: Jeder kann an seiner Sprache arbeiten und natürlich auch das Sprachverhalten seiner Mitmenschen kritisieren (was ich allerdings für ein allzu wohlfeiles Vergnügen halte, dem ich mit vorrückenden Jahren immer abgeneigter zusehe). Auch gegen Sprachgesellschaften, die sich diese Tätigkeit zum Ziel setzen, ist nichts einzuwenden. Nur den Staat sollte man draußen halten, sonst kommt es, wie es kommen muß. Ich bin also gegen jede autoritative Sprachpflege, die dann zur Sprachlenkung werden muß und die Freiheit bedroht. Der Glaube, daß eine Sprache „verfällt“, wenn man sich nicht um sie kümmert, ist ein Wahn. Solange wir eine Sprache gebrauchen, halten wir sie automatisch funktionstüchtig. Im Gespräch und durch das Gespräch bewährt sich das Sprachverhalten und paßt sich allen denkbaren Erfordernissen an. Sprachpfelge geschieht also im Gebrauch und durch den Gebrauch, da bedarf es keines Zurücktretens und besonderere Maßnahmen. Beobachten Sie doch eimal, wie die Leute ihre Verständigungsmittel ständig neu „aushandeln“! Wenn sie einander nicht verstehen – oder nicht optimal verstehen –, dann liegt es gewiß nicht an der „Sprache“, sondern an ihrem eigenen Unvermögen oder Unwillen.

Der Satz, die Fehler von heute seien die Regeln von morgen, ist natürlich nicht von der unsäglichen Frau Frank-Cyrus erfunden, sondern nur eine Variante der junggrammatischen Erkenntnis (Hermann Paul), daß dies in der Tat der Lauf der Sprachgeschichte ist. Dadurch werden Fehler nicht sofort richtig, aber die weitere Entwicklung kann durchaus so verlaufen. Eine Selbstverständlichkeit für jeden Sprachgeschichtsforscher.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Theodor Ickler
31.01.2001 23.00
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nottun

Bei der laufenden Arbeit bin ich wieder mal auf das hübsche Beispiel „not tun“ gestoßen. Getrenntschreibung war das einzige, was der Duden anerkannte. Ich meine, zu Unrecht. Die Zusammenschreibung war nicht nur in der Zeitung ungemein häufig, so daß man hier, wie ich es im Rechtschreibwörterbuch vorschlage, beide Schreibweisen anerkennen sollte. Manche Neuschreiber, zum Beispiel die ZEIT, waren so von der Zusammenschreibung überzeugt, daß sie in ihren „Dossiers“ behaupteten, aus bisherigem „nottun“ werde durch die Reform „Not tun“. Es würde mich interessieren, was andere davon halten.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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