Lieber Herr Wrase,
wir werden es hier nicht vollends ergründen, dazuist es zu kompliziert und voraussetzungsreich. Ich will vorab beteuern, daß ich Ihre Einwände stets ernst nehme, aber das wissen Sie ja.
Der feine Mann arbeitet nie mit selbstgemachten Textbeispielen, jedenfalls nicht zu Beweiszwecken, das machen nur die generativistischen Grammatiker.
Ihr Text mit den beiden Brüdern handelt von ebendiesen, sonst von nichts. Das andere wird ausgesagt, ist nicht Gegenstand der Rede. Allenfalls noch die Armut, und zwar wird sie metaphorisch (i.w.S.) durch die Kirchenmaus vertreten. Allerdings könnte man sagen, daß die Attribute mit zum Redegegenstand gehören, obwohl aus Sparsamkeit die Markierung innerhalb jeder Nominalgruppe nur einmal gesetzt wird (so ähnlich hat es ein Orthographietheoretiker, der nicht zu den Reformern gehört, einmal ausgedrückt). Hierüber besteht noch keine Einigkeit. Man müßte den Unterschied zwischen armer Bruder und Schwarzes Brett noch genauer fassen.
Ich werde Ihnen bald mal eine fachgerechte Textanalyse von Originalbelegen zusenden, dann werden Sie sehen, wie gut es geht. Die gesträubten Haare legen sich dann wieder, soweit noch vorhanden. Übrigens haben Sie mit semantisch ganz recht, die Textlinguistik läßt sich vollständig in Semantik überführen, allerdings nicht in Wortsemantik, trivialerweise. (Einen Kopf wie Sie müßten die Bücher von Anna Wierzbicka aufs höchste faszinieren!)
Daß Ihr erotisches Bekenntnis nicht von nichts handelt, habe ich schon früher erklärt. Personalpronomina indizieren in der Situation Gegebenes, nennen es aber nicht und brauchen daher nicht groß geschrieben zu werden. Dasselbe gilt für den anaphorischen Verweisapparat, wie ebenfalls bereits gesagt.
Mit Kern von Subjekt bzw. Objekt liegen Sie auch richtig. Das alles ist sehr gut vereinbar. Das finite Verb nennt zwar auch, aber meist nur dürftig. Hauptsächlich strukturiert es syntaktisch. Im Indogermanischen war es unbetont! Den semantischen Gehalt tragen die Aktanten, also Subjekt und Objekte. Daher unsere Neigung, den Verbkomplex aufzumotzen: zur Verantwortung ziehen usw. was ist schon ziehen. Das muß aber noch einmal unterschieden werden von meinem Redegegenstand. Es ist unwahrscheinlich, daß der Redegegenstand in einem wirklichen Text ohne jede großgeschriebene Markierung bleibt. Also, wenn Sie wollen, ohne substantivische Erwähnung. (Aber das ist ungenau, weil es die Großschreibung in beiden Richtungen nicht hinreichend erfaßt.
Kern von Subjekt und Objekt, (daher) Artikelfähigkeit, Geschöpflichkeit, Nähe zu Eigennamen das sind sehr heterogene Begriffe, zum Teil für sich genommen auch ohne Erklärungswert. (Warum soll Artikelfähigkeit mit Großschreibung einhergehen? Dazu muß man die deutsche GKS schon verinnerlicht haben.) Der gemeinsame Nenner ist Redegegenstand. Nur dies befreit aus der ontologisierenden und zirkelhaften Argumentation.
[Geändert durch Theodor Ickler am 06.03.2001, 05:59]
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